Kann mir mal jemand sagen...

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klara
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Beitragvon Klara » 07.06.2017, 11:34

... welche Version stimmt?

Version IV (mit Dank an die Aram !)

Abend

Hör nicht zu
Tauch in den Fluss der Stimmen
Hör die Fetzen fliegen
Zeitungsrascheln
Ein Ohr nur Gebet, das andre Sünde
Lachen...
Trommelwirbel, zart
ein Saxophon-
Gläserklirrkonzert als Nachtgedicht
Hör
der Gang der Kellnerin: so weich
fällt mein Herz dem Frieden heim
Ruht die Seele aus



Version III (mit Dank an die Kommentierenden!)

Abend

Hör nicht zu
Tauch in den Fluss der Stimmen
Hör die Fetzen fliegen
Zeitungsrascheln
Ein Ohr nur Gebet, das andre Sünde
Lachen...
Trommelwirbel, zart
ein Saxophon-
Gläserklirrkonzert als Nachtgedicht
Hör
der Gang der Kellnerin:so katzengleich
fällt mein Herz dem Frieden heim
Ruht die Seele aus



Version II

Feierabend

Hör nicht zu
Tauch in den Fluss der Stimmen
absichtslos
Hör Fetzen fliegen
sich auflösen
Zeitungsrascheln
Ein Ohr nur Gebet, das andre Sünde
Lachen...
Trommelwirbel - hart im Hintergrund, ganz zart
ein Saxophon-
Gläserklirrkonzert als Nachtgedicht
Still
der Gang der Kellnerin, so katzengleich
fällt mein Herz dem Frieden heim
Ruht die Seele aus
den vollen Moment
gefahrlos rein
geborgen in der Fremde


oder Version I

Hör das
Tauchen in die Welt
der Stimmen
Fetzen fliegen
die sich auflösen
in Zeitungsrascheln
ein Ohr nur Gebet, das andre Sünde
Lachen...
Trommelwirbel, zart
ein Saxophon
ein Gläserklirrkonzert
ganz still
der Gang der Kellnerin
Und Friede füllt mein Herz
die Seele
ruht sich aus, einen vollen Moment
geborgen in dem Rauschen
unbedingter Fremdheit:
gehört ohne Gefahr dazu
Zuletzt geändert von Klara am 19.06.2017, 08:58, insgesamt 3-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 07.06.2017, 13:51

hallo klara, version 2. (..würde evtl. noch nachspüren, ob 'abend' als titel nicht ausreicht/klanglich mehr entspricht, und 'absichtslos' und 'katzengleich' rausnehmen.) gern gelesen.

Klara
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Beitragvon Klara » 07.06.2017, 14:00

... danke für die rasche Rückmeldung!
"Abend" hatte ich auch überlegt und ist auch noch nicht verworfen.
Der Text muss noch "abhängen" ;)

klara

Niko

Beitragvon Niko » 07.06.2017, 22:43

hallo klara!

die erste version wirkt auf mich ungestüm, es poltert ein wenig, aber es ist spontan und das zeigt auch wirkung. ein paar formulierungen finde ich nicht gelungen, aber.....ist geschmacksache. die erste version rüttelt mich.

dahingegen ist die zweite seichter im tonfall. nahezu gefällig. auch sehr bevorzugbar, aber hier wiederum fehlt mir gerade auch das ungesüme der ersten version. es ist.....bieder fast und aufgeräumt. gut. wenn du das transportieren willst, ist es ok. aber ich tendiere zu einem mittelding zwischen version ein und zwei.

herzlichst - niko

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 08.06.2017, 00:01

Ich stimme beiden Vorschreibern zu, die obere Version ist interessanter, spontaner ... und das "katzengleich" finde ich übrigens keineswegs überflüssig; es scheint sich sowohl auf den Gang der Kellnerin zu beziehen als auch auf die darauffolgende Zeile "fällt mein Herz dem Frieden heim" und ich sehe das Bild der Katze vor mir, wie sie bequem liegend ganz langsam die Augen schließt ... Ich würde eher "den vollen Moment" streichen, das klingt innerhalb der letzten vier Zeilen irgendwie bedeutungsleer.

Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Niko

Beitragvon Niko » 08.06.2017, 04:09

das katzengleich sehe ich wie zefi. eine, wie ich finde sehr interessante stelle. was mir jedesmal aufstößt ist diese stelle: "fällt mein Herz dem Frieden heim" muss es da nicht "fällt mein Herz dem Frieden anheim" heißen? oder überlese ich irgendwas? ich kriegs nicht auf die reihe......die Ohren-zeile und die saxophon -gläserklirr nachtgedicht-zeile sind meine absoluten favoriten.

Klara
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Beitragvon Klara » 09.06.2017, 09:22

Danke auch für eure Überlegungen, Niko und Zefi,

"den vollen Moment" zu streichen ist vielleicht eine gute Idee.
Im Moment tendiere ich zur glatteren Version (und war mir von Anfang an nicht sicher und bin es auch jetzt noch nicht, ob "geborgen in der Fremde" tatsächlich das ist, was ich sagen will. Bzw. ob das nicht überflüssig ist. Oft entpuppen sich letzte Verse als überflüssig - man merkt erst, wenn man sie wegstreicht. Ich stelle mal eine dritte Version dazu...

herzlich
klara

aram
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Beitragvon aram » 18.06.2017, 17:03

der Gang der Kellnerin, so katzengleich

hallo klara, einmal ist dieses assoziative bild schon recht abgegriffen, andererseits kann es hier als stilblüte gelesen werden.

etwas an den bewegungen der kellnerin mag 'katzengleich' wirken, aber speziell ihr gang, wie lässt sich das vorstellen, auf allen vieren? (assoziation zu einer katze hervorrufen und 'katzengleich' sind nicht dasselbe)

Klara
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Beitragvon Klara » 19.06.2017, 08:57

aram, danke, du hast völlig Recht. Das muss ich sofort ändern.

Gruß
klara

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 19.06.2017, 10:49

Ich fand das Wort "katzengleich" gut vorstellbar: Leisetretend, runde und fließende Bewegungsmuster, einen Fuß vor den anderen setzend, nur eine Spurenlinie hinterlassend (nicht zwei parallel), beim Innehalten langsam bremsen und beschleunigen, nichts Abruptes (außer beim Angriff). In den Spielfilmen der 50er Jahre gingen Damen immer so.

Oder zielt die Kritik mehr auf die Begrifflichkeit als auf das Bild? Sind "assoziieren" und "vergleichen" nicht nah genug beieinander?

aram
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Beitragvon aram » 19.06.2017, 14:48

hallo pjotr,

weder gehen katzen mehr als der mensch auf einer linie (>katze, >mensch), noch wirkt das auf mich besonders katzenartig: auf einer linie gehen

trotzdem finde ich deine argumentation gut: das gefühl von stimmigkeit, das sich bei guter argumentationsweise unabhängig von der argumentativen sachebene einstellt, entscheidet oft, ob man der argumentation folgt.

umso mehr gilt analoges für allgemein sprachlich-literarische formulierungen: natürlich geht es nicht zuerst um sachliche exaktheit. erst wenn ein ausdruck im spezifischen kontext unstimmig wirkt, wird er vom mitlesenden verstand einem 'belastungstest' unterzogen. auf sachinhalte bezogene argumente dienen dann eher einer begründeten sortierung.

diejenigen, die das bild als stimmig empfinden, werden auch argumente dafür finden, dass es gut passt. viele menschen sind z.b. darüber einig, dass helene-fischer-musik uninspirierend ist. viele menschen stimmen darin überein, dass sie davon inspiriert werden. die erste gruppe hat die besseren argumente. die zweite hat deshalb nicht unrecht.

literarische texte lesen (für mich auch: schreiben) ist ein wenig wie billardspielen - man wechselt ständig zwischen linker und rechter gehirnhälfte. wenn dieser wechsel reibungslos gelingt, ergibt sich ein feines und ruhiges, meditatives und genaues spiel.

(argumentationen in einem wiener billardcafé: der wirt, ehemaliger europameister, lässt sich dazu hinreißen, einem spieler 'in den stoß zu reden', weil der offensichtlich unmöglich ist: "diese stellung ließe sich so [konkreter tipp] lösen - so wie sie den stoß ansetzen, kann er nicht aufgehen." - antwort des spielers: "ja, da haben sie ganz recht. aber auf meine art liegt er mir mehr.")

um zum text zurückzukommen: er hat mich mit einigen feinen wendungen angesprochen. die katzenbildstelle schwächte für mich den duktus des textes. jedenfalls hätte sie in ihrer bezugsarchitektur genauer passen müssen, um das nicht zu tun. katzenbilder treten (wenigstens seit internet) stark inflationär auf, sie werden deshalb vielleicht auch kritischer betrachtet und höheren genauigkeitsanforderungen unterworfen als weniger verbreitete bilder. zur letzten frage: assozieren und gleich setzen sind einander entfernter als assozieren und vergleichen.


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