sanssouci

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 05.08.2016, 16:13

allerlei leere
treibt uns in den müßiggang
arbeitsbienen sind wir
geschunden in verwackelten träumen
einen weggeträumten herzraum weit

zusammenreißen und
wegfliehen zurück
zur grundeinstellung
zu dem schloss ohne sorgen
und doch
immer gebunden sein
ans hindenken und wegducken
und irgendwie
bleiben und müssen
so besinnen wir uns
auf das andocken
und das lernen zu lieben
und werden meister
In der kunst des verstellens
Zuletzt geändert von Niko am 08.08.2016, 11:34, insgesamt 1-mal geändert.

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birke
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Beitragvon birke » 06.08.2016, 00:20

nicht schlecht, niko, steckt viel drin.

allerdings ist mir das alles viel zu verallgemeinernd... mag sein, dass das u. a. an dem "wir" liegt, das mich hier im text tatsächlich stört. ich fühle mich als leser vereinnahmt... oder wer ist hier das "wir"?

ins "ans" ;) gehört kein apostroph und ich glaube, bei der zeile "und das lernen zu lieben", was ich inhaltlich toll finde! fehlt in deinem text grammatikalisch gesehen ein "darauf"?

so besinnen wir uns
auf das andocken
und darauf das lernen zu lieben

(...)

soweit... mein leseeindruck. :)

liebe grüße
diana
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 06.08.2016, 10:24

Ich habe Probleme mit dem Anfang: "allerlei leere treibt uns in den müßiggang" ...

Stimmt das?

Wenn ich keine Ziele habe, werde ich müßig?

Was ist eigentlich mit "Leere" gemeint?

Sehr geschäftige Menschen, wenn sie plötzlich reich werden, fangen an, nichts zu tun, sich gehen zu lassen. Es sei denn, ihre Geschäftigkeit war nicht durch die Notwendigkeit bestimmt, Geld zu verdienen, sondern Folge einer Berufung. Diese agieren weiter wie gehabt.

Der Titel, ist es der Versuch, sich mit dem Gedanken, ohne Sorgen zu leben auseinanderzusetzen? Ist das überhaupt möglich? Meistens versteht man darunter "ohne finanzielle Sorgen", was allgemein als Grundvoraussetzung für ein derartiges Leben verstanden wird. Symbolisiert in einem Schloss, das uns von der Welt trennt.

Aber auch da kann ein goldener Wurm sitzen.

Blind irren wir in einem Labyrinth: Ohne einen Faden, ohne Ariadne sind wir verloren.

Niko

Beitragvon Niko » 07.08.2016, 23:13

Hallo Diana, hallo klimperer!
Vielen dank für eure Kommentare.

"an's" werde ich ändern. Obschon ich mein Apostroph logisch und richtig finde. Bin mir halt nicht sicher.
Das "wir" ist unersetzlich, da es sich nicht um das klugscheißer-wir handelt, sondern um ein wir, daß eine Form von Beziehung zwischen Menschen ausdrücken soll.
Das "darauf", was du vorschlägt, Diana, kann ich nicht einbauen, da du meiner Meinung nach den Text an der Stelle falsch liest. Wie liest du da? Ich versteh nicht ganz, wie du auf dieses für mich ganz unpassend erscheinende "darauf" kommst....
Lieber klimperer - auch dir sei gesagt, dass das "wir" eng gedacht war und nicht verallgemeinernd. Aus einer subjektiven Sicht kann leere zu müßiggang führen. Naja....leere ist das, was du als leere empfindest. Ich bin kein Autor, der Inhalte vorkaut. Es ist wichtig, dass der Leser seinen Inhalt im Text findet. Ungeachtet meiner Interpretation. Sanssouci ist ein schloss in Potsdam.ich glaube erbaut von Friedrich dem großen. "Ohne Sorgen" sollte die Zeit dort sein, frei von allen Pflichten und Belastungen. Aber....Auch damals galt schon,dass das leben einen immer einholt....
Nochmals danke, dass ihr euch mit meinem Text beschäftigt habt!

Bestgrüßend - niko

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birke
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Beitragvon birke » 08.08.2016, 00:09

hallo niko, ich beziehe diese zeile auf "so besinnen wir uns ... darauf, das lernen zu lieben". wie meinst du es denn? ich kann es eigentlich nicht anders lesen...?
lg,
diana
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Beitragvon ZaunköniG » 08.08.2016, 01:35

Ohne Interpunktion sind oft mehrere Lesarten möglich.

Ich stolpere gerade an der selben Stelle aus anderem Grund:

Soll das Lernen geliebt werden? oder das Andocken?
also

so besinnen wir uns auf das andocken
und dieses lernen zu lieben
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 08.08.2016, 10:52

Ich teile die Meinungen von Birke und ZaunköniG.

Was Anderes: Dieses

"...und werden meister
in der kunst des verstellens"

bezieht sich auf alle Menschen oder eher, speziell auf die Deutschen? Im letzten Fall, würde ich gerne hören, was Pjotr dazu sagt ...

Niko

Beitragvon Niko » 08.08.2016, 11:27

Hallo ihr!
"so besinnen wir uns auf das andocken und (auf) das lernen zu lieben"

So sollte es empfunden und gelesen werden. Als eine Aufzählung. Ich glaube, das es unerheblich ist, ob da ein "darauf" eingeschoben steht oder nicht.

"und (wir) werden meister
in der kunst des verstellens"....lieber Klimperer....Wenn du meinen vorigen Kommentar beherzigst und das "wir" beziehungsweise liest und nicht auf die Menschheit oder die Deutschen bezogen, wird es dann für dich verständnisvoller?
Ich bin ein wenig irritiert, dass mein Text so nebulös rüberkommt. Das überrascht mich irgendwie.

Beste grüße - Niko

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Beitragvon Pjotr » 08.08.2016, 12:02

Klimperer hat geschrieben:Was Anderes: Dieses

"...und werden meister
in der kunst des verstellens"

bezieht sich auf alle Menschen oder eher, speziell auf die Deutschen? Im letzten Fall, würde ich gerne hören, was Pjotr dazu sagt ...

Warum sollte der Text sich allein auf die Deutschen beziehen? Wegen der "arbeitsbienen" vielleicht? Die gibts auch in Asien, Afrika, in den Amerikas, überall. Im gesamten Text sehe ich keinerlei auf die Deutschen bezogene Alleinstellungsmerkmale. Also sind wohl weltweit alle diejenigen Menschen gemeint, die sich von dem Text angesprochen fühlen.

Oder wegen "sanssouci"? Ich lese nie die Fadentitel mit. Habe ich übersehen. Ist das "Schloss Sanssouci" in Deutschland? Ist das eine Metapher auf die Deutschen, oder ein Beispiel einer allgemeinen Schloss-Metapher? -- Na jedenfalls kann man da auch das Taj Mahal nehmen, oder irgendein westliches Königshaus, oder sonstige Märchentempel und Prinzengehäuse.


Edit:

Potsdam also schon. Ich hatte die anderen Kommentare nicht gelesen. Es soll wohl ein zwischenmenschliches "wir" sein, was Niko da meint. Also geht es hier nicht um eine Definition der "Deutschen" und auch nicht der Menschheit.

"Sanssouci" würde ich einfach weglassen. Es sei denn, hier sind wirklich nur die Deutschen gemeint, was ich wahrlich blöd fände.
Zuletzt geändert von Pjotr am 08.08.2016, 12:45, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon ZaunköniG » 08.08.2016, 12:43

Ah, Pjotr,
Das Taj Mahal ist aber ein Grabmal! Das wäre nicht die erste Alternative für mich.

Das Schloss Sanssouci liegt in Deutschland, genauer in Potsdam, aber schon der Name verrät dass es französische Vorbilder hat.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

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Beitragvon Pjotr » 08.08.2016, 12:46

Ja, Potsdam, ich hab gerade erst Nikos Kommentar oben gelesen und meinen daraufhin editiert.

(Ja, das Taj Mahal ist ein Grabmal. Aber es ist ein märchenhafter Ort sorgenfreier Ruhe.)

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 08.08.2016, 12:52

Ich will in Ruhe überlegen, bevor ich, womöglich, etwas Falsches sage. Ich melde mich wieder.

Nur noch Eines: Oft habe ich Aussagen gelesen, die mit "Wir Deutschen... " anfangen.

Ich hoffe, das soll nicht zum Tabu erklärt werden?

Bis bald

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Beitragvon Pjotr » 08.08.2016, 12:58

Ob das für mich ein Tabu ist, hängt vom Kontext ab. -- Beispiele:

Das würde ich jederzeit sagen: "Wir Deutschen haben eine besondere Verantwortung in Bezug auf ..."

Das würde ich niemals sagen: "Wir Deutschen lieben Sauerkraut und sind immer pünktlich ..."

Gleiches gilt auch für andere Staaten. "Ihr Franzosen ..."

ZaunköniG hat geschrieben:... aber schon der Name verrät dass es französische Vorbilder hat.

Der Begriff "französisch" müsste man in diesem Zusammenhang dann auch konkretisieren: Es ist nicht das Frankreich von heute; es ist jenes vor der Revolution. Das Gedicht bezieht sich sicherlich auf die Gegenwart. Also ist der "französische" Anklang irrelevant, denke ich. (Eine gewisse erotische Methode ist damit wahrscheinlich auch nicht gemeint.)

Ah! "Sans" bedeutet "ohne", richtig? Bedeutet "souci" "Sorgen"?

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Beitragvon ZaunköniG » 08.08.2016, 13:48

Ich sehe das auch Kontextabhängig, Klimperer,

Ich lese genauso oft Sätze, die mit "Wir Menschen ... " beginnen oder "Wir Männer..." oder "Wir Künstler..." etc. aber es kann auch ein gewöhnliches Paar-Wir sein: Wir wollen uns einen Hund anschaffen...

und natürlich gibt es ein rhetorisches Wir, das den Sprecher gar nicht mitmeint:

Wir müssen den Umsatz steigern
Wir müssen den Gürtel enger schnallen,
Wir müssen endlich begreifen...
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck


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