Bejahung

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 01.12.2014, 18:47

Ja.











Die oben stehende Version ist die dritte. Die vorigen Versionen waren eine Collage aus Alltagssituationen und -ideen: Saudi-arabische Polizisten befahlen einer Frau, das eigenhändige Autofahren zu beenden; deutsche Polizisten befahlen einer fahrradfahrenden Frau, ihren Schleier abzulegen; eine führende CDU-Politikerin kam auf die Idee, das Schleiertragen zu bestrafen; eine Dame an der Wurstbude kam auf die Idee, das Bikini-Tragen zu bestrafen. Diese Collage zündete nicht. Um das Internet zu entlasten, und der dritten Version mehr Raum zu geben, Raum, der nötig ist, um sie als eigenständiges Werk auszuhängen, habe ich die vorigen Versionen rückstandslos ausradiert. Der Schwund der vorigen im Kontext mit der Kürze der dritten Version versteht sich im Großen Ganzen als Kurzprosa in ihrer radikalsten Form.
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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 28.12.2014, 14:45

Das Große Ganze ist eben sehr groß. Zu Groß um es umfassend darzustellen. Oder wenn man es abstrahiert, auf das "wesentliche" reduzieren will, landet man doch sehr schnell bei Allgemeinplätzen.
Dass sich viele Kreative vor allem mit der eigenen Situation befaffen liegt aber auch daran, dass sie sich dort am besten auskennen. Das Schicksal eines syrischen Kriegsflüchtlichs oder eines japanischen Walfängers mag interessant sein, aber was kann ich darüber sagen? und so bleibe ich, wenn schon nicht bei meiner Person, so doch bei meiner bundesdeutschen Bürgerlichkeit. Nennt es nun selbstbezogen oder authentisch. Aber das Ich ist ja nicht das Gegenteil des Großen ganzen, sondern ein Teil davon, und so spiegelt sich das Große Ganze auch in meinen Reaktionen auf mein persönliches Umfeld. Und was bedeutet das Große Ganze schon ohne ein erlebendes Subjekt? Man kann über Themen wie Liebe und Tod auch philosophisch oder spirituell schreiben aber ohne meine persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen bleibt ein solcher Ansatz bloßes Glasperlenspiel.
Dass normale Menschen ihr Leiden einfach besser wegstecken, halte ich wiederum für einen Mythos. Sie fühlen genauso intensiv, und sie teilen es auch mit, im persönlichen Gespräch, per Twitter oder Facebook. Nicht künstlerisch verziert aber genauso leidend und ichbezogen, wie es ein leidender Mensch eben ist.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

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birke
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Beitragvon birke » 28.12.2014, 23:34

Pjotr hat geschrieben:Ja.











Die oben stehende Version ist die dritte. Die vorigen Versionen waren eine Collage aus Alltagssituationen und -ideen: Saudi-arabische Polizisten befahlen einer Frau, das eigenhändige Autofahren zu beenden; deutsche Polizisten befahlen einer fahrradfahrenden Frau, ihren Schleier abzulegen; eine führende CDU-Politikerin kam auf die Idee, das Schleiertragen zu bestrafen; eine Dame an der Wurstbude kam auf die Idee, das Bikini-Tragen zu bestrafen. Diese Collage zündete nicht. Um das Internet zu entlasten, und der dritten Version mehr Raum zu geben, Raum, der nötig ist, um sie als eigenständiges Werk auszuhängen, habe ich die vorigen Versionen rückstandslos ausradiert. Der Schwund der vorigen im Kontext mit der Kürze der dritten Version versteht sich im Großen Ganzen als Kurzprosa in ihrer radikalsten Form.


das hat was :mrgreen:
aber warum ja und nicht nein? und zu was genau eigentlich?
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 29.12.2014, 18:09

Vielleicht, weil es nicht nichts gibt. Mir war danach, ja zu sagen. Wir alle bejahen das eigene Leben. Sogar Selbstmörder bejahen ihr Leben, deshalb sind sie traurig.

Das oben mitsamt dem Kleingedruckten bildet die vierte Version. Das lapidarische zerflacht das "moralische". So werde ich es lassen.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.12.2014, 21:35

Eine interessante Entwicklung. :)
Das oben mitsamt dem Kleingedruckten bildet die vierte Version. Das lapidarische zerflacht das "moralische".
Das würde ich der letzten Version noch dazugeben. (Bei "zerflacht" lese ich immer "zerfleischt" mit.)

Das "Ja." lese ich in diesem Fall als Hilflosigkeit, Schulterzucken, Ratlosigkeit, Resignation, im Sinne von "Was will man da machen.", nicht (lebens)bejahend.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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nera
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Beitragvon nera » 03.01.2015, 03:32

hm. es geht doch gar nicht ums große ganze. es geht doch auch nicht darum, ob irgendwer mehr oder wenig "fühlt". es geht darum (für mich) etwas fühlbar zu machen. und damit fragen zu stellen, die vielleicht dazu führen über ein thema zu reflektieren. dazu muss der künstler, der kreative doch nicht der "gute mensch" sein. zaunkönig hat vom glasperlenspiel geschrieben. für mich war dieses buch eine enttäuschung. aber weil es geschrieben wurde, können wir es fast schon wie eine floskel benutzen. schillers räuber hat zu, sagen wir mal, erregungen geführt und zu einer hinterfragung von werten, obwohhl er später probleme mit den ausmaßen der revulotion in frankreich hatte. bei goethe sind heute manche erbost, weil er als geheimer rat, seine maßgebliche stimme abgab, zur todesstrafe einer kindmörderin. nun, er hat faust geschrieben? oder was ist mit "der meister und magarita" "kassandra" "die todesfuge". natürlich hat alles auch einen subjektiven bezug. aber dazu muss man doch die subjektivität auch zulassen.

die collage hat gezündet, pjotr, sonst hätte sie die diskussion nicht entzündet. schade, dass sie weg ist.

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nera
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Beitragvon nera » 03.01.2015, 03:54

"wer weiß, wann sie dem land die grenzen zogen
und um die kiefern stacheldrahtverhau.......
..

...ein wort? wir habens´s gut im mund verwahrt;
......."
bachmann

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 03.01.2015, 05:44

nera hat geschrieben:hm. es geht doch gar nicht ums große ganze. es geht doch auch nicht darum, ob irgendwer mehr oder wenig "fühlt". es geht darum (für mich) etwas fühlbar zu machen.

Ich geb ja Zaunkönig recht; letztendlich bedarf eines fühlenden, denkenden Subjekts, um das Große Ganze überhaupt wiederzugeben.

Der Übergang vom Kleinen zum Großen ist fließend und lang. Was ich sagen wollte ist einfach, dass Texte oftmals sehr viel näher am Kleinen sind als am Großen. In meiner Jugend habe ich beispielsweise gerne die Bücher von Hoimar von Ditfurth gelesen -- das waren allgemeine und spannend beschriebene Zusammenhänge (im Großen); und obwohl nichts persönliches darin vorkam, war es persönlich berührend. Solche Texte wären in Literaturforen nicht gerne gelesen, da bin ich mir sicher. Eher in Naturwissenschafts- und Philosophieforen. Ich glaube das liegt daran, dass die meisten guten Schreiber eher sogenannte "Bauchmenschen" als "Kopfmenschen" sind. Selten findet man beide Extreme vereint in einer einzelnen Person. "Bauchmenschen" verwenden manchmal beim Kritisieren den Ausdruck "das ist mir zu verkopft", was soviel heißt wie: zuviel Kopf ist schlecht. Ich würde niemals so kritisieren.


nera hat geschrieben:die collage hat gezündet, pjotr, sonst hätte sie die diskussion nicht entzündet. schade, dass sie weg ist.

Sie ist nicht weg. Nur die Schrift ist kleiner, und Lametta ist jetzt dabei. Alles noch da! Ich ziehe manchmal die Forumtechnik in meine Werke mit ein. Meta-Ebenen und so. Musste aufpassen :-)


Ahoy

P.

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nera
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Beitragvon nera » 03.01.2015, 13:13

das lametta ist wohl das resignierte schulterzucken? und das "22mal geändert" :)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 03.01.2015, 14:08

Das Lametta (Lamenta?) sind die Wörter vor und nach der Vierer-Collage. Sie ist heimlich eingebettet, in einem als Fußnote getarntem Text.

Kennst Du den Trick? Man kommt auf die Bühne und tut so, als hätte man den Text vergessen, und als würde man abbrechen und von nun an aus dem Nähkästchen plaudern. Aber alles steht genau so im Drehbuch. Dadurch distanziert sich der Akteur scheinbar von der geplanten Aufführung und stellt sich auf die Ebene des Publikums, das denkt, jetzt sind wir alle unter uns, und der Ursprungstext ist Nebensache. Der Text wird natürlich trotzdem wahrgenommen, aber nicht mehr so prall. In dem obigen Fall: Nicht mehr so moralisch.


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