Wahre Liebe?

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 16.12.2014, 15:07

„Du sagst, du liebst mich, bei Sonnenschein, wenn ich so einen
riesigen Schatten werfe.“
„Ich lieb' dich auch unter bewölktem Himmel bei Sturm.“
„Du begehrst meinen geräumigen Windschatten, liebst mich
nicht, weil ich so stattlich bin.“
„Wahre Liebe geht über jene Eigenschaften hinaus.“
„Ich liebe alles an dir, nicht nur die äußeren Werte, liebe deine
Aufrichtigkeit, bin tief bei dir.“

„Im Arsch bist du!!!“
Zuletzt geändert von Kurt am 19.12.2014, 14:59, insgesamt 1-mal geändert.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

Niko

Beitragvon Niko » 17.12.2014, 19:09

Das ist für mich proll-poesie. Man muss nicht zwingend hochtrabende verse schreiben. Aber trotz doppeldeutigkeit am ende, oder deswegen gerade, ist es mit einem grundmaß an lyrischem anspruch nichts. Ich finde es auch wegen der "och" nicht "kunstvoll" sprich: es lässt für mich jeden Anspruch missen.

Beste grüße-niko

Kurt
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Beitragvon Kurt » 18.12.2014, 15:18

Lieber Nico,

das ist gar keine Lyrik, vielleicht Anti-Lyrik. Ich würde sagen Sprechblasen-Dialog für einen Comicstrip.

Wenn man es nun inhaltlich so beließe, jedoch lyrisch gestalten würde, wäre es über die Frage, ob Anspruch oder nicht erhaben. Für mich wäre es anspruchsvoller, wenn ein Gedicht eine, wenn auch unästhetische profane Wahrheit aufdeckt, als uns die Welt zu verklären mit schönen Worten. (Man könnte wohl auch beides unterbringen.)

Lies dir nur mal den ersten Satz durch. Wenn nur dastehen würde, dass sie ihn wegen des riesigen Schattens liebt, so wäre klar, weil er so stattlich ist. Sie liebt ihn aber bei Sonnenschein; ist es also doch der Schatten, den sie liebt oder die Kombination usw. und so fort. Also Gedankenpotential ist eine Menge enthalten.

LG Kurt
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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 18.12.2014, 16:21

Naja, das Alphabet enthält auch Potential. In der Lyrik oder der Kunst allgemein, geht es aber darum dieses Potential aufzuzeigen und zu entwickeln. Lyrik muss nicht schön klingen. Sie darf hässlich, traurig, beängstigend sein - aber niemals banal.
Das gelingt nicht immer - aber dann ist es eben keine gute Lyrik.

Anti-Lyrik? Um dagegen zu sein bräuchte es erstmal ein Grundverständnis, was Lyrik ist. Diesen Text kann ich auch nicht als Parodie- oder Persiflage lesen. Du ergötzt dich blos an derbem Wortspiel. ein Spiel das sich selbst genügt ohne Bezug zu irgendeiner Realität oder Theorie. Auch als Sprechblase in einem Comic-Strip wäre mir der Dialog zu platt.

Gruß ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Kurt
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Beitragvon Kurt » 18.12.2014, 17:08

Ja, man muss es aufzeigen. Ich könnte ja noch einige klärende Zeilen hinzufügen. Kann ja keiner meine Hintergrundgedanken daraus erahnen, die aber wichtig wären, um Zusammenhänge herzustellen.

Nur mir fehlt die rechte Lust dazu; ich sage mir dann, wen interessiert es eigentlich, ob die wahre Liebe, also die welche über Sex hinaus gehen soll, und über die gerade die Lyriker in höchsten Tönen schwärmen, eine Illusion ist.

Aber bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als es nachvollziehbar darzustellen. Der Dialog hier ist zu wenig, genügt mir mit dem ergänzenden Hintergrundwissen, aber verstehe schon, wenn es für den Leser zu wenig ist.

LG Kurt
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Kurt
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Beitragvon Kurt » 19.12.2014, 00:06

Eine Frage in dem Zusammenhang bzw. zum Thema:

Ich hatte ja auch mal eine Freundin, und die hatte einen Hund. Irgendwann ging ich mit ihm Gassi, obwohl ich nicht vorhatte, mich ums Tier in irgendeiner Weise zu kümmern. Der Hund schlawenzelte nur noch um mich herum, und das Schlimmste, ich fühlte mich irgendwann für ihn verantwortlich; es hatte sich eine regelrechte Beziehung zu ihm eingeschlichen. Bei seinem Anblick dürfte ich Opiate ausgeschüttet haben. Aber wie gesagt, es war nicht auf den ersten Blick. Ich glaube ohnehin, prompte Zuneigung beim ersten Zusammentreffen entsteht dann, wenn man offen für eine Beziehung ist. Wenn ich beispielsweise auf der Arbeitsstelle mit jemanden zusammenkomme, ist diese Öffnung eingeschränkt. Würde man denselben Menschen unter anderen Umständen kennenlernen, etwa in der Freizeit beim Tanz, könnte es sich ganz anders verhalten.

Nun meine Frage: Würdet ihr mein Verhältnis zum Hund als eine Form von Liebe bezeichnen? (Sex hatte ich mit ihm nicht!) ;-)))

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nera
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Beitragvon nera » 19.12.2014, 01:28

sei froh kurt, dass sie einen hund hatte und keine katze! oder ein schaf! wegen der opiate, die du ausgeschüttet hast.

Kurt
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Beitragvon Kurt » 19.12.2014, 08:57

Nera, deine Worte sprechen wahr. Nun geht es den Herren hier ja außerdem um Anspruch. Wie wäre es eigentlich mit einem Menschenaffen? Nein, nicht die Liebe. Von überall hört man, der Mensch wäre intelligenter, dem Affen überlegen. Ich kann das so nicht stehen lassen. Es gibt Intelligenzbereiche, wo der Affe besser ist. Nun er kommt aus dem Urwald, wir aus der Savanne. Würden Affen einen Intelligenztest entwickeln, ständen die Bereiche mit Symbolen, in denen sie besser sind als Menschen im Vordergrund. Aber ich kenne keinen Affen, der einen solchen Test erfunden hat. Im Ganzen scheint der Mensch schlauer und erfolgreicher. Er hat sich technisch und in der Wissenschaft enorm verbessert. Im Sinne der Evolution kann aber nicht von einem Fortschritt gesprochen werden. Und ob dieser Fortschritt letztendlich „intelligent“ ist, wage ich zu bezweifeln, da die Erde zugrunde gerichtet wird. Also ist der Mensch dem Affen doch nicht überlegen? Ich meine, man muss sich von diesen Interpretationen trennen. Wenn sich eine Spezies gegenüber einer anderen erfolgreich ausbreitet, so ist sie nicht gleich als überlegen zu bezeichnen. Nur weil bei den „Wilden“ die Spanier sich breit gemacht haben, würden wir sie heute nicht mehr als „überlegen“ ansehen.

Um auf die „wahre Liebe“ zurückzukommen; ist es letztendlich auch nur Definitionssache bzw. legt man sich da etwas zurecht? Hm.

LG Kurt
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Beitragvon ZaunköniG » 19.12.2014, 11:03

Hallo Kurt,

Liebe im engeren Sinn ist ein Ideal, dass auch in der Partnerschaft nur näherungsweise erreicht werden kann. Liebe im weiteren Sinn ist nur ein Synonym für Zuneigung, dazu zählen dann auch Gottesliebe, Tierliebe oder Liebe zur Literatur.
Bei einem so viel verwendeten Begriff kommt es immer auf den Kontext an. Sich für das Wohlergehen des anderen verantwortlich zu fühlen ist sicher ein Aspekt von Liebe, aber nicht mit ihr gleichzusetzen. Der Begriff "Wahre Liebe" setzt voraus dass es sowas wie objektive Wahrheit gibt, im Zusammenhang mit Gefühlen eine ziemlich absurde Vorstellung. "Ehrliche Liebe" oder "uneigennützige Liebe" wäre eigentlich präziser, aber in dem Sinne ist wohl auch "Wahre Liebe" gemeint und wird so verstanden, da muß man dann nicht jede Silbe auf die Goldwaage legen.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Kurt
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Beitragvon Kurt » 19.12.2014, 11:59

Danke, Zaunkönig, für den schönen Komm.

Ja, wie weiter oben festgestellt, muss ich den Text erweitern (Darstellen!) Okay.

Die krasse, derbe Wendung am Ende jedoch werde ich so belassen. Er redet von „wahrer“ Liebe. Wie du in deinem Komm schon sagst, kennt die absolute Wahrheit keiner. Und da finde ich es witzig, wenn Sie feststellt, „im Arsch“. Denn er ist ja vermessen von wahrer Liebe zu sprechen, überhaupt in so einer Situation, und hat es verdient, wenn Sie ihre nüchterne Wahrheit dagegensetzt. Ich liebe solche Wendungen. Wenn ich etwas schreibe, kommt automatisch dies „Lästern“. Das gehört unweigerlich irgendwie zu mir.

LG Kurt
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