Jetzt ist es passiert. In meiner Nachbarschaft. Alle sind aufgebracht, würden den Kerl am liebsten lynchen. Seine neunjährige Tochter soll er sexuell missbraucht haben, auf grauenvolle Weise. In der Kneipe erzählen sie die blutigen Details. Offensichtlich langweilt das nur einen – mich, während alle anderen es nicht fassen können. Der angetrunkene und verzweifelte Bruder des Täters droht ihn umzubringen, spricht von Familienschande und dem Riesenkerl strömen Tränen aus den Augen, als er sein Mitleid bekundet, mit seiner kleinen Nichte.
Mich lässt es natürlich ebenfalls nicht unberührt, aber ich finde es nicht unbegreiflich, mich langweilt ‘s, spreche von alten Mäuseböcken, von denen ich schon lange weiß, dass es nicht ungewöhnlich ist, die eigenen, noch nicht geschlechtsreifen Töchter, zu besteigen. Nun will mich die aufgebrachte Meute verprügeln. Kann ich verstehen.
Ich mache mich auf den Weg nach Hause. Der Bürgersteig spielt mir einen Streich, schwankt stark, kann mich aber nicht überraschen. Plötzlich spüre ich irgendetwas Hartes an meinem Rücken. Jemand will mir mein Geld abknöpfen. Ich drehe mich mit einem leichten Schlenker um, zeige mich von seinem auf mich gerichteten Schießeisen unbeeindruckt, schlage ihm mit meiner starken Rechten die Nase ein. Er stolpert rückwärts, fällt zu Boden, glotzt mich ungläubig an.
Ich zücke mein Portemonnaie, schüttele den gesamten Inhalt aus, über dem wie gelähmt auf dem Asphalt liegenden Ganoven. Die fünfzig Euro hat er sich redlich verdient, denn so wie bei dem habe ich mich noch nirgends gelangweilt.
Na und
Lieber Kurt!
Mir gefällt deine Geschichte.
Ähnlich, so wie Hannah Arendt, reagiere ich auf die empörten Reaktionen von Menschen gegenüber Menschen, die als Monster abgestempelt werden. Das schreibt sie in ihrem Buch: "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen".
Auf die menschliche Sexualität bezogen, sehe ich bei Menschen, deren unübliche Praktiken bekannt werden, eher Opfer als Monster. In erster Linie Opfer der sexuellen Unterdrückung.
Hast du "Der zerbrochene Krug", von Heinrich von Kleist gelesen? Da wird ein Richter als Täter entlarvt.
Und, auch von ihm, "Die Marquise von O....."?
Und so, wie du mit diesem Angreifer umgeganben bist, finde ich klasse!
Ich wünsche dir einen schönen Tag
Carlos
Mir gefällt deine Geschichte.
Ähnlich, so wie Hannah Arendt, reagiere ich auf die empörten Reaktionen von Menschen gegenüber Menschen, die als Monster abgestempelt werden. Das schreibt sie in ihrem Buch: "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen".
Auf die menschliche Sexualität bezogen, sehe ich bei Menschen, deren unübliche Praktiken bekannt werden, eher Opfer als Monster. In erster Linie Opfer der sexuellen Unterdrückung.
Hast du "Der zerbrochene Krug", von Heinrich von Kleist gelesen? Da wird ein Richter als Täter entlarvt.
Und, auch von ihm, "Die Marquise von O....."?
Und so, wie du mit diesem Angreifer umgeganben bist, finde ich klasse!
Ich wünsche dir einen schönen Tag
Carlos
Seine zehnjährige Tochter soll er sexuell missbraucht haben, auf grauenvolle Weise.
Da stehen mir die Haare zu Berge.Klimperer hat geschrieben:Auf die menschliche Sexualität bezogen, sehe ich bei Menschen, deren unübliche Praktiken bekannt werden, eher Opfer als Monster. In erster Linie Opfer der sexuellen Unterdrückung.
Klimperer hat geschrieben:Und so, wie du mit diesem Angreifer umgeganben bist, finde ich klasse!

Hallo Kurt,
ich kann deinen Text in seiner Bissigkeit, Einstellung und (Selbst-)Ironie lesen (anders geht es gar nicht?) und auch sehen, worauf er abzielt (für mich). Aber wenn ich dann Reaktionen, wie die von Klimperer sehe, graust es mir.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)
danke flora, stimme dir in allen punkten zu.
sollte sich das hier auf diesen text beziehen, wovon ich mal ausgehe, lieber carlos, dann muss ich doch erstaunt fragen:
der soll ein opfer sein, der kinder missbraucht??
das kann ich nicht so sehen.
jeder erwachsene ist verdammt verantwortlich für das, was er tut.
und kindesmissbrauch ist für mich so ziemlich das schlimmste, was ein mensch einem anderen antun kann.
nichts aber auch nichts kann das entschuldigen.
deinen text, lieber kurt - lese ich auch sehr zynisch/ ironisch. bitter!
lg
birke
Klimperer hat geschrieben:Auf die menschliche Sexualität bezogen, sehe ich bei Menschen, deren unübliche Praktiken bekannt werden, eher Opfer als Monster.
sollte sich das hier auf diesen text beziehen, wovon ich mal ausgehe, lieber carlos, dann muss ich doch erstaunt fragen:
der soll ein opfer sein, der kinder missbraucht??
das kann ich nicht so sehen.
jeder erwachsene ist verdammt verantwortlich für das, was er tut.
und kindesmissbrauch ist für mich so ziemlich das schlimmste, was ein mensch einem anderen antun kann.
nichts aber auch nichts kann das entschuldigen.
deinen text, lieber kurt - lese ich auch sehr zynisch/ ironisch. bitter!
lg
birke
Mich erinnert die Geschichte an eine Szene in Emile Zolas "Nana". Da steht auf einer Abendgesellschaft ein gelangweilter Mensch an die Wand gelehnt, trinkt alles mögliche durcheinander - Wein, Schnäpse, Liköre - und erzählt der Gesellschaft mit wachsender Lautstärke: "Ich kann mich nicht besaufen. Hab alles probiert - ich kann mich einfach nicht besaufen." Das geht eine Ewigkeit so, bis er wie ein gefällter Baum der Länge nach hinschlägt, sinnlos betrunken.
Für mich ist das ein Monolog eines Menschen, der dabei ist, sich das Hirn wegzusaufen.
Stilistisch könnte man da und dort noch einiges tun; aber vielleicht wäre das gar nicht so zielführend. Schließlich ist der Sprecher nicht ganz compos mentis.
Ich finde den Text amüsant.
Prost,
Zefira
Der Bürgersteig spielt mir einen Streich, schwankt stark, kann mich aber nicht überraschen.
Für mich ist das ein Monolog eines Menschen, der dabei ist, sich das Hirn wegzusaufen.
Stilistisch könnte man da und dort noch einiges tun; aber vielleicht wäre das gar nicht so zielführend. Schließlich ist der Sprecher nicht ganz compos mentis.
Ich finde den Text amüsant.
Prost,
Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
das ist ein text über jemanden der am liebsten tot sein möchte weil der welt scheiße ist und die leute schlecht...nur reflex hält ihm noch am leben. tief depri. ob es gut ist oder schlecht, der text, mag ich nicht urteilen. aber mir gibt er nichts, außer dass er mich runter zöge wenn ich ihn an mich gelassen hätte. sorry.
pjesma
pjesma
Danke euch für die Rückmeldungen.
Dass der Prot. vom Langweilen spricht, soll etwas provokativ wirken. Unser Held kennt die Menschen und weiß wie und warum die Leute so reagieren und dass sie gerne blutige Details zum Besten geben. Welche kann er sich ausmalen; er würde sich auch keine BILD-Zeitung kaufen, die ebenfalls Blut enthalten muss, damit die Leute sie kaufen. Und dass der Täter als Monster hingestellt wird, geschieht nicht nur aus Mitgefühl zu dem Opfer, sondern enthält gleichzeitig ein egoistisches Motiv, um sich selber zu entlasten bzw. zu erhöhen, wobei dem Täter eine Sündenbockfunktion zukommt. Sogar bei den Mördern im Knast steht der Kindesschänder ganz oben auf dem Index, obwohl sie selbst getötet haben. Es geschieht nicht nur aus Mitleid zum Opfer, sondern sie entlasten sich damit selber von ihrer Schuld.
Ich denke aber, ich sollte dazu nicht erweitert Konkretisierendes hinzufügen, es den Leser überlassen. Einzig sollte ich vielleicht nur klarmachen, dass die „Langeweile“ keine Abgestumpftheit/Gleichgültigkeit des Prot. bedeutet. Wenn ihm am Schluss sein Überfaller langweilt, so deswegen, weil der Prot. die Menschen kennt. Wenn ihr mal mit Verbrechern zu tun habt, werdet ihr merken, dass es eigentlich ganz normale Menschen sind, mit „Schwächen“ halt. Und einer, der einen beklaut, ist ja nun häufiger und „langweiliger“ als ein Kinderschänder oder geisteskranker Serientäter.
LG Kurt
Dass der Prot. vom Langweilen spricht, soll etwas provokativ wirken. Unser Held kennt die Menschen und weiß wie und warum die Leute so reagieren und dass sie gerne blutige Details zum Besten geben. Welche kann er sich ausmalen; er würde sich auch keine BILD-Zeitung kaufen, die ebenfalls Blut enthalten muss, damit die Leute sie kaufen. Und dass der Täter als Monster hingestellt wird, geschieht nicht nur aus Mitgefühl zu dem Opfer, sondern enthält gleichzeitig ein egoistisches Motiv, um sich selber zu entlasten bzw. zu erhöhen, wobei dem Täter eine Sündenbockfunktion zukommt. Sogar bei den Mördern im Knast steht der Kindesschänder ganz oben auf dem Index, obwohl sie selbst getötet haben. Es geschieht nicht nur aus Mitleid zum Opfer, sondern sie entlasten sich damit selber von ihrer Schuld.
Ich denke aber, ich sollte dazu nicht erweitert Konkretisierendes hinzufügen, es den Leser überlassen. Einzig sollte ich vielleicht nur klarmachen, dass die „Langeweile“ keine Abgestumpftheit/Gleichgültigkeit des Prot. bedeutet. Wenn ihm am Schluss sein Überfaller langweilt, so deswegen, weil der Prot. die Menschen kennt. Wenn ihr mal mit Verbrechern zu tun habt, werdet ihr merken, dass es eigentlich ganz normale Menschen sind, mit „Schwächen“ halt. Und einer, der einen beklaut, ist ja nun häufiger und „langweiliger“ als ein Kinderschänder oder geisteskranker Serientäter.
LG Kurt
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
Na ja, Klimperer hatte es ja gleich in meinem Sinne aufgefasst. Und für alle anderen habe ich jetzt den Schlusssatz verändert, so dass klar wird, dass sich die "Langeweile" nicht aufs ganze Leben des Prot. bezieht. In dem Text geht es ja um Verbrechen:
"Ich zücke mein Portemonnaie, schüttele den gesamten Inhalt aus, über dem wie gelähmt auf dem Asphalt liegenden Ganoven. Die fünfzig Euro hat er sich redlich verdient, denn so wie bei dem Verbrechen habe ich mich noch bei keinem gelangweilt."
Ob ich noch weitere klärende Einschübsel vornehmen muss? Ich denke nicht. Mal schauen.
LG Kurt
"Ich zücke mein Portemonnaie, schüttele den gesamten Inhalt aus, über dem wie gelähmt auf dem Asphalt liegenden Ganoven. Die fünfzig Euro hat er sich redlich verdient, denn so wie bei dem Verbrechen habe ich mich noch bei keinem gelangweilt."
Ob ich noch weitere klärende Einschübsel vornehmen muss? Ich denke nicht. Mal schauen.
LG Kurt
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)
hi alle,
ich glaube auch nicht, dass Carlos hier eine Lanze für die "armen, missverstandenen Kinderschänder" brechen wollte. Sicherlich meinte er generell Menschen mit "unüblichen Praktiken" unter Erwachsenen ohne die Verbindung zu dem Kind herzustellen. Ich bin sicher, dass auch für Carlos ein Verbrechen ein Verbrechen ist.
Lieber Namensvetter Kurt. Dein Text hat mich angeregt über den Werteverfall und das globale Schulterzucken nachzudenken.
Wir weinen und hassen in Selbstdarstellung wenn so etwas in der Nachbarschaft passiert. Wieviele Frauen und Mädchen auf's Übelste in den Krisenregionen der Welt geschändet und gequält werden verkommt zur Statistik. Falls wir es überhaupt je erfahren.
Deshalb langweilt mich das Stammtischgejammer auch...
Guter Text. Danke.
Kurt
der Mann auf dem Esel
ich glaube auch nicht, dass Carlos hier eine Lanze für die "armen, missverstandenen Kinderschänder" brechen wollte. Sicherlich meinte er generell Menschen mit "unüblichen Praktiken" unter Erwachsenen ohne die Verbindung zu dem Kind herzustellen. Ich bin sicher, dass auch für Carlos ein Verbrechen ein Verbrechen ist.
Lieber Namensvetter Kurt. Dein Text hat mich angeregt über den Werteverfall und das globale Schulterzucken nachzudenken.
Wir weinen und hassen in Selbstdarstellung wenn so etwas in der Nachbarschaft passiert. Wieviele Frauen und Mädchen auf's Übelste in den Krisenregionen der Welt geschändet und gequält werden verkommt zur Statistik. Falls wir es überhaupt je erfahren.
Deshalb langweilt mich das Stammtischgejammer auch...
Guter Text. Danke.
Kurt
der Mann auf dem Esel
ich fand oder finde den text gut, weil alle protagonisten arschlöcher für mich sind, einschließlich dem ich-erzähler. wenn ich jetzt von einem verbrechen-ranking lese und einem abgeklärten menschenversteher, kommt da für mich ein unangenehmes zeigefingergehabe durch. nö.
Ich sehe auch keinen "abgeklärten Menschenversteher", dazu ist mir der Text in der Sprachhaltung zu selbstverliebt. Für mich bringt er einen aufgesetzten Zynismus zum Ausdruck, den man bisweilen unter Menschen mit eher wenig Lebenserfahrung begegnet, also Jugendlichen, die sich abgeklärt geben wollen.
Aber gut, ums Zwischenmenschliche geht es Kurt ja eher nicht ... ;o)
Aber gut, ums Zwischenmenschliche geht es Kurt ja eher nicht ... ;o)
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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