Nach dem Frühstück bin ich zum Jardin de Luxembourg gelaufen, kehrte aber bald zum Hotel zurück, weil es mir nicht gut ging. Ich schlief ein Stündchen. Die Folgen des bleiernen Himmels.
Gegen 14 Uhr 30 bin ich wieder in den Jardin gegangen, es herrschte ein anderes, unpoetisches Licht.
Ich drehte mit meiner Kamera ein kleines Filmchen von Rilkes Karussell.
Da entdeckte ich eine kleine Freiheitsstatue und lief hinüber. Rechts von ihr stand eine unscheinbare Eiche, welche von den in Paris lebenden Amerikanern für die Opfer des elften Septembers gespendet (gestiftet?) wurde. Als ich das alles sah und las, hatte ich plötzlich das Gefühl, mein Schatten, meine Seele, mein Herz seien verschwunden ... Ich schaute in alle Richtungen, ich lief, rannte fast zu einem Ausgang des Parks, nichts. Kehrte zurück, die Freiheitsstatue, die Eiche waren immer noch da und viele Menschen drum herum. Ich ging schnell in eine andere Richtung, fragte zwei auf einer Bank sitzenden Frauen, in der Panik fiel mir das französische Wort für Seele, für Herz nicht ein.
Da sah ich sie.
Ich lief die Rue Vavin hoch zum LA ROTONDE, wo ich jetzt bei einem Bier sitze und schöne Grüße schreibe.
Ein junges Mädchen setzt sich zu einem alten, dicken Amerikaner an den Tisch. Er macht keine Anstalten, ihr etwas anzubieten. Der Kellner bringt ihr ein Glas Wasser, das sie aber nicht anrührt. Über den Tisch hinweg spricht das Mädchen zu dem Amerikaner. Sie trägt schwarz und unter dem Tisch kann ich ihre nackten Beine sehen. Ich glaube, sie trägt keinen Slip.
Der Amerikaner schaut zu dem Bistro auf der anderen Seite des Boulevards Montparnasse hinüber, auch ein Berühmtes, in dem Simone de Beauvoir zu schreiben pflegte. Der Mont Parnasse selbst, der Hügel, der dieser Straße den Namen gab, wurde im 19. Jahrhundert abgetragen.
Plötzlich weint das Mädchen. Sie wischt mit dem Handrücken diskret die Tränen fort, ohne dabei mit dem Reden aufzuhören. Da sagt er plötzlich etwas zu ihr und sie antwortet: „Exactly“. Er sagt noch etwas und sie wiederholt ihr "Exactly", zehnmal mindestens.
Ich habe mittlerweile die Idee, ins Kino zu gehen, fallengelassen.
Meine Schuhe tragen noch den Nebel, den Staub vom Jardin de Luxembourg.
In Paris VII
Hallo Carlos,
ich versuch's diesmal in Etappen abzuarbeiten, Teil 1 folgt unten. Diese Episode liest sich wieder besser, ist nicht ganz so voll gepackt wie die Nummer VI, vgl. auch meine Anmerkung dort.
"Nach dem Frühstück bin ich zum Jardin de Luxembourg gelaufen. Kehrte aber bald zum Hotel zurück, weil es mir nicht gut ging. Ich schlief ein Stündchen. Die Folgen des bleiernen Himmels.
Gegen 14 Uhr 30 bin ich wieder in den Jardin gegangen, es herrschte ein anderes, unpoetisches Licht.
Ich drehte (mit meinem Handy/Smartphone/Kamera ?)ein kleines Filmchen von Rilkes Karussell.
Da entdeckte ich eine kleine Freiheitsstatue und lief hinüber. Rechts von ihr steht eine unscheinbare Eiche, welche von den Amerikanern in Paris für die Opfer des elften Septembers gespendet wurde.
Als ich das sah und las, hatte ich plötzlich das Gefühl, mein Schatten, meine Seele, mein Herz seien verschwunden ... Ich schaute in alle Richtungen, ich lief, rannte fast zu einem der Ausgänge des Parks, nichts. Kehrte zurück, die Freiheitsstatue und die Eiche waren immer noch da, viele Menschen drum herum. Ich ging schnell in eine andere Richtung, fragte zwei auf einer Bank sitzenden Frauen, aber in der Panik fiel mir das französische Wort für Seele, für Herz nicht ein.
Da sah ich sie."
Wie immer amüsiert über den "Wahnsinn des Alltäglichen" grüßt der DonKju
ich versuch's diesmal in Etappen abzuarbeiten, Teil 1 folgt unten. Diese Episode liest sich wieder besser, ist nicht ganz so voll gepackt wie die Nummer VI, vgl. auch meine Anmerkung dort.
"Nach dem Frühstück bin ich zum Jardin de Luxembourg gelaufen. Kehrte aber bald zum Hotel zurück, weil es mir nicht gut ging. Ich schlief ein Stündchen. Die Folgen des bleiernen Himmels.
Gegen 14 Uhr 30 bin ich wieder in den Jardin gegangen, es herrschte ein anderes, unpoetisches Licht.
Ich drehte (mit meinem Handy/Smartphone/Kamera ?)ein kleines Filmchen von Rilkes Karussell.
Da entdeckte ich eine kleine Freiheitsstatue und lief hinüber. Rechts von ihr steht eine unscheinbare Eiche, welche von den Amerikanern in Paris für die Opfer des elften Septembers gespendet wurde.
Als ich das sah und las, hatte ich plötzlich das Gefühl, mein Schatten, meine Seele, mein Herz seien verschwunden ... Ich schaute in alle Richtungen, ich lief, rannte fast zu einem der Ausgänge des Parks, nichts. Kehrte zurück, die Freiheitsstatue und die Eiche waren immer noch da, viele Menschen drum herum. Ich ging schnell in eine andere Richtung, fragte zwei auf einer Bank sitzenden Frauen, aber in der Panik fiel mir das französische Wort für Seele, für Herz nicht ein.
Da sah ich sie."
Wie immer amüsiert über den "Wahnsinn des Alltäglichen" grüßt der DonKju
Der noch offene Teil 2 der stilistischen Annotationen:
"Ich lief die Rue Vavin hoch zum 'LA ROTONDE', wo ich jetzt bei einem Bier sitze und Postkartengrüße schreibe. Und ich habe mich entschieden, den Literaturpreis ablehnen.
Ein junges Mädchen setzt sich zu einem alten, dicken Amerikaner an den Tisch. Dieser macht keinerlei Anstalten, ihr etwas anzubieten. Der Kellner bringt ihr ein Glas Wasser, das sie aber nicht anrührt. Über den Tisch hinweg spricht das Mädchen mit dem Amerikaner. Sie trägt schwarz und unter dem Tisch kann ich ihre nackten Beine sehen. Ich glaube, sie trägt keinen Slip. Der Amerikaner schaut zu dem Bistro auf der anderen Seite des Boulevard Montparnasse hinüber. Es ist auch berühmt, Simone de Beauvoir pflegte dort zu schreiben. Der wirkliche Mont Parnasse wurde schon im 19. Jahrhundert abgetragen.
Plötzlich weint das Mädchen. Sie wischt mit dem Handrücken diskret die Tränen fort, ohne dabei mit dem Reden aufzuhören. Da sagt er plötzlich etwas zu ihr und sie antwortet: „Exactly." Er sagt noch etwas und sie wiederholt ihr "Exactly“, zehnmal mindestens.
Ich habe mittlerweile die Idee, ins Kino zu gehen, fallengelassen.
Meine Schuhe tragen noch den Nebel, den Staub vom Jardin de Luxembourg.
Paris ist am Sonntag ein Dorf.
Zum Essen bin ich wieder zum Chinesen gegangen, bestellte mir das gleiche wie gestern, wie morgen. Es waren kaum Gäste da. Schöne, ruhige Musik. Ich betrachtete im Spiegel die eher Japanisch anmutenden Bilder. Und ich gab den Versuch auf, mit Stäbchen essen zu wollen."
Mit fröhlichen Grüßen der DonKju H.
"Ich lief die Rue Vavin hoch zum 'LA ROTONDE', wo ich jetzt bei einem Bier sitze und Postkartengrüße schreibe. Und ich habe mich entschieden, den Literaturpreis ablehnen.
Ein junges Mädchen setzt sich zu einem alten, dicken Amerikaner an den Tisch. Dieser macht keinerlei Anstalten, ihr etwas anzubieten. Der Kellner bringt ihr ein Glas Wasser, das sie aber nicht anrührt. Über den Tisch hinweg spricht das Mädchen mit dem Amerikaner. Sie trägt schwarz und unter dem Tisch kann ich ihre nackten Beine sehen. Ich glaube, sie trägt keinen Slip. Der Amerikaner schaut zu dem Bistro auf der anderen Seite des Boulevard Montparnasse hinüber. Es ist auch berühmt, Simone de Beauvoir pflegte dort zu schreiben. Der wirkliche Mont Parnasse wurde schon im 19. Jahrhundert abgetragen.
Plötzlich weint das Mädchen. Sie wischt mit dem Handrücken diskret die Tränen fort, ohne dabei mit dem Reden aufzuhören. Da sagt er plötzlich etwas zu ihr und sie antwortet: „Exactly." Er sagt noch etwas und sie wiederholt ihr "Exactly“, zehnmal mindestens.
Ich habe mittlerweile die Idee, ins Kino zu gehen, fallengelassen.
Meine Schuhe tragen noch den Nebel, den Staub vom Jardin de Luxembourg.
Paris ist am Sonntag ein Dorf.
Zum Essen bin ich wieder zum Chinesen gegangen, bestellte mir das gleiche wie gestern, wie morgen. Es waren kaum Gäste da. Schöne, ruhige Musik. Ich betrachtete im Spiegel die eher Japanisch anmutenden Bilder. Und ich gab den Versuch auf, mit Stäbchen essen zu wollen."
Mit fröhlichen Grüßen der DonKju H.
Good morning, Hannes!
Etwa eine Stunde lang habe ich an der Umsetzung deiner Korrekturen und Vorschläge gearbeitet, ich meine, jetzt, von dem zweiten Teil.
Dabei kam ich mir wie ein Goldschmied vor, der einen Rohdiamant vorsichtig poliert um ihn zum Glänzen zu bringen.
Ein kleiner, winziger Diamant, von dem Nichts übrig bleiben würde, wenn man nicht aufpasst.
Bei dieser Aufgabe hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, plötzlich meinen eigenen Stil zu entdecken.
Ich habe die Geschichte reduziert, den letzten Teil habe ich gestrichen. Die ganze Episode betrachte ich jetzt als eine Fassung für einen winzigen Diamant, für einen, den letzten Satz: "Meine Schuhe tragen noch den Nebel, den Staub vom Jardin de Luxembourg".
Yours faithfuly
Carlos
Etwa eine Stunde lang habe ich an der Umsetzung deiner Korrekturen und Vorschläge gearbeitet, ich meine, jetzt, von dem zweiten Teil.
Dabei kam ich mir wie ein Goldschmied vor, der einen Rohdiamant vorsichtig poliert um ihn zum Glänzen zu bringen.
Ein kleiner, winziger Diamant, von dem Nichts übrig bleiben würde, wenn man nicht aufpasst.
Bei dieser Aufgabe hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, plötzlich meinen eigenen Stil zu entdecken.
Ich habe die Geschichte reduziert, den letzten Teil habe ich gestrichen. Die ganze Episode betrachte ich jetzt als eine Fassung für einen winzigen Diamant, für einen, den letzten Satz: "Meine Schuhe tragen noch den Nebel, den Staub vom Jardin de Luxembourg".
Yours faithfuly
Carlos
Good afternoon, Carlos,
must be hard work, aber ich finde die Epsisode ist, auch durch das offenere Ende, runder geworden. Eine Kleinigkeit noch: "... Filmchen von Rilkes Karussell" müsste es korrekt heißen oder soll ich es unter stilistische Eigenwilligkeit verbuchen? Und, yes indeed, the diamond starts to glitter ...
Yours faithfully with kindest regards Jack
must be hard work, aber ich finde die Epsisode ist, auch durch das offenere Ende, runder geworden. Eine Kleinigkeit noch: "... Filmchen von Rilkes Karussell" müsste es korrekt heißen oder soll ich es unter stilistische Eigenwilligkeit verbuchen? Und, yes indeed, the diamond starts to glitter ...
Yours faithfully with kindest regards Jack
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