Ein Protokoll

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Klimperer

Beitragvon Klimperer » 04.09.2014, 11:49

In einem Rumpelkammer des Museums habe ich, auf dem Boden, eine Schrift gefunden, ein Protokoll über eine Begehung des Museums zwecks Sauberkeit. Drei Seiten lang. Hier eine kleine Probe:
(Im Übrigen, es waren 7 Personen anwesend, was mich an "Die glorreichen 7" denken lässt).
Frau Dr. F (die Direktorin des Museums) eröffnet den Rundgang durch das Haus mit folgender Zielvorstellung: „Die Sauberkeit des Hauses besprechen“.
Eine Stange muss besorgt werden, die es ermöglicht, dass die Spinnweben hinter dem Glas am Eingang grundsätzlich, wenigstens einmal die Woche, weg geputzt werden.
Das kann ich gut verstehen. Ich selbst, als ich vor Jahren das Metropolitan Museum in New York besuchte, entdeckte in der kleinen ägyptischen Abteilung Fingerflecken an der Vitrine einer Mumie. Ich trug es im Besucherbuch ein. Geschweige denn Spinnweben! Ich kann mir den unterdrückten Horrorschrei von Besucher aus Japan, aus den USA vorstellen, wenn sie zwei Wochen alte Spinnweben am Eingang entdecken würden.

"Die Frage wurde gestellt, wie die Türtaster gereinigt werden. Können das die Aufsichten übernehmen?" Beim Lesen dieses Punktes fühle ich mich, als Aufseher, direkt bedroht.
Mittlerweile ist der Rundgang im "Forum" angelangt. Ich frage mich, wer außer der Direktorin und dem Chef der Reinigungsfirma wirklich mit Leib und Seele dabei ist. Herr P, der Hausmeister, bestimmt nicht. Das Einzige, was ihn wirklich interessiert ist die Diskothek, die er in Aquis Mattiacis betreibt. Ich muss lächeln als ich bei Punkt 17 lese: "Die Hebebühne für den Rollstuhl wird 2 mal im Jahr geputzt. (Herr P. schaut nochmals in den Unterlagen nach.)"

Ich schreibe komplett ab, was in der RENAISSANCE protokolliert wird:

1. Die Podeste werden nicht von der Reinigungsfirma geputzt.
2. Die Sockel, Podeste und Touchscreens werden von den Aufsichten geputzt. Vorschlag von Frau G.: Niemals das Putzmittel auf den Monitor sprühen, sondern in das Putztuch und dann damit abwischen.
3. Die Wand hinter der Vitrine "Das blaue Wunder" bedarf einer besonderen Beachtung:
- mit einem Mikrofasertuch ohne Chemie vorsichtig drüberfahren
- ab sofort wird diese Vitrine nicht mehr von den Aufsichten geputzt. Sie putzen
lediglich die anderen Vitrinen und die Eingangstüren.

Die glorreichen 7 marschieren durch die "Niederländische Malerei". Ich schreibe hier nur Punkt 3 ab:
"Zuerst soll die grobe Fläche des Tuches benutzt werden, dann wird das Tuch ausgespült in lauwarmem Wasser, danach wird mit weicher Seite nachgewischt. Frau G. bringt 20 Tücher mit und wird das Aufsichtspersonal informieren."

Im "Goethe" Raum wird etwas Verhängnisvolles protokolliert: "Das Abstellen von Sachen am Fenster hinter den Vorhängen geht nicht." Schade, da konnte man gut die Butterbrote verstecken.

Es gab Zeiten, in denen sich die Leute vom Staub nicht terrorisieren ließen, die den Staub nicht als einen Feind betrachteten. Ein ehemaliger Direktor störte sich nicht daran und pflegte zu den Aufsichten zu sagen: "Wo Staub ist, da ist auch Frieden".

Unter den "Glorreichen 7" war auch Frau X. dabei, die Oberaufseherin. Kein Wort von ihr ist in diesem Protokoll festgehalten, außer „ja“ scheint sie nichts vorgeschlagen zu haben. Ich weiß nicht genau in welcher Beziehung sie zu Staub stand. Wenige Monate nach dieser Begehung erkrankte sie plötzlich und starb nach kurzer Zeit.

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