Wir lösen uns auf in magere Tage

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Xanthippe
Beiträge: 1312
Registriert: 27.06.2008
Geschlecht:

Beitragvon Xanthippe » 03.09.2013, 10:19

Der Regen, sagte sie. Das war als sie schon lange nicht mehr schrieb. Als sie nicht mehr auf sich achtete, wie die Nachbarn sagten. Als sich nur noch die Kinder ihr näherten. Mit ihrer unverhohlenen Neugier. Ihr seid wie der Regen, sagte sie. Ihr löst mich auf. In magere Tage.
Zuletzt geändert von Xanthippe am 09.09.2013, 07:44, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 04.09.2013, 08:37

Hallo Xanthi,

den Text finde ich ganz wunderbar, aber ich verstehe das "wir" des Titels nicht. Für mich ist es eine ganz eigene Sicht, Beschreibung dieser alleinstehenden Frau, die nicht "übertragbar" ist auf ein allgemeines Wir und auch kein gemeinsames Wir-Gefühl zulässt?

Als sich nur noch die Kinder ihr näherten.
Hier stolpere ich immer ein wenig und würde das "ihr" vorziehen. Als sich ihr nur noch die Kinder näherten.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Xanthippe
Beiträge: 1312
Registriert: 27.06.2008
Geschlecht:

Beitragvon Xanthippe » 04.09.2013, 09:18

Du wirst lachen, liebe Flora. Genau der von Dir bemängelte Satz hat mir Schwierigkeiten gemacht, ich habe die Satzstellung einfach nicht hinbekommen. Genau, wie Du es schreibst, hätte ich es haben wollen. Danke, dass Du da meinen Knoten gelöst hast.
Über das wir denke ich nach.
Herzlichen Dank
Xanthi

ecb

Beitragvon ecb » 05.09.2013, 21:12

Ich mag den Text auch, Xanthippe. Aber auch ich würde das "Wir" des Titels vermeiden, denn es handelt sich ja nicht um etwas, was man verallgemeinern kann, denke ich. Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte, würde ich es so machen:

In magere Tage

Der Regen, sagte sie. Das war als sie schon lange nicht mehr schrieb. Als sie nicht mehr auf sich achtete, wie die Nachbarn sagten. Als sich nur noch die Kinder ihr näherten. Mit ihrer unverhohlenen Neugier. Ihr seid wie der Regen, sagte sie. Ihr löst mich auf.



mIt lieben Grüßen
Eva

Xanthippe
Beiträge: 1312
Registriert: 27.06.2008
Geschlecht:

Beitragvon Xanthippe » 07.09.2013, 11:11

Liebe Eva,
auch Dir vielen Dank für Deine Gedanken zu meinem kurzen Text. Den Du ja noch weiter verdichtest in Deinem Vorschlag. Ich habe darüber nachgedacht. Unter Umständen ist es gar keine schlechte Lösung "ihr löst mich auf" stehen zu lassen, das würde vieles offen lassen, eventuell werde ich es übernehmen.
Was das "wir" angeht, kann ich eure Einwände nachvollziehen, glaube aber trotzdem, dass es nicht nur um diese Frau geht, sondern um das Altwerden, das Sonderbarwerden allgemein, etwas, in dem wir uns alle wiederfinden könnten. Aber das gilt vielleicht für alles, was halbwegs literarisch aufgeschrieben wird.
Vielen Dank für die Anregungen, über die ich weiter nachdenken werde.
herzlich
Xanthi

Niko

Beitragvon Niko » 07.09.2013, 20:46

der titel, liebe xanthi, ist richtig geil!!!!
und der text ist für mich nahezu "perfekt" ich mag ihn sehr. du hast an einer stelle "nur nur" geschrieben. die satzstellung in besagter zeile wäre nach meinem sprachverständnis wie folgt am angenehmsten: Als sich ihr nur nur noch die Kinder näherten[b]

beste grüße: niko
(Gesendet von meinem iBrain)

scarlett

Beitragvon scarlett » 07.09.2013, 20:48

ich kann mich Niko nur anschließen, liebe xanthi, das ist genau so richtig, wie es jetzt dasteht!
ein toller text!

lg
monika

Xanthippe
Beiträge: 1312
Registriert: 27.06.2008
Geschlecht:

Beitragvon Xanthippe » 09.09.2013, 07:43

Lieber Niko,
der Tipp- Wiederholungsfehler wird umgehend geändert. Danke, ich hatte das tatsächlich übersehen.
Und Danke euch beiden, für die Bestätigung.
Herzlich
Xanthi

Benutzeravatar
Eule
Beiträge: 2055
Registriert: 16.04.2010

Beitragvon Eule » 06.10.2013, 16:08

Fast nur ein Fragment, kann diese Kurzprosa doch auch für sich als Text bestehen. Gefällt auch mir sehr !
Ein Klang zum Sprachspiel.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 16 Gäste