XI

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 02.08.2013, 09:11

XI

sie schienen
so merkwürdig festlich
gekleidet

die männer
die dunkle klumpen
aus den gleisen pflückten

vor der grauen stadt
Zuletzt geändert von Amanita am 04.08.2013, 12:47, insgesamt 1-mal geändert.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 02.08.2013, 09:56

Glückauf,

die Idee, die Arbeitskleidung der Kumpels mit schwarzer Festkleidung zu vergleichen, finde ich originell. Aber ich würde an den Formulierungen noch etwas schleifen.

Ein paar Gedanken, aber ich weiß nicht, ob ich richtig liege:

so merkwürdig -- Merkwürdig bedeutet, dass man sich das merken sollte; warum sollte man sich das merken?

sie schienen -- Waren sie nicht wirklich festlich gekleidet? Schien der Anblick merkwürdig, tatsächlich war er nicht merkwürdig? Schienen sie gekleidet, aber in Wirklichkeit nackt? Wenn das "schienen" -- wie ich vermute -- keine Kalauerverbindung mit Bahn-Schienen und "gleisen" hat, dann würde ich das "schienen" ersetzen oder ganz entfernen.

die männer
die dunkle klumpen
-- Wenn ich das langsam und zum ersten mal lese, sind "die männer" diese "dunklen klumpen." Die, die. Die Männer, die Klumpen. Ist das als kleine Grammatikwitz-Pointe gemeint, die sich mit der nächsten Zeile erst auflösen soll? Wenn nicht, brauchen die Männer wirklich ein "die"?

aus den gleisen pflückten -- Sind die Klumpen in den Gleisen? Ich male mir das so aus: Klumpen sind von den Zugwägen gefallen, Männer lesen sie auf, über Tage. Ist das so gemeint? Dann passt das auch für mich. Normalerweise denke ich bei Kumpelarbeit eher an Klumpenhacken unter Tage. Damit böte sich in dieser Stadtserie außerdem auch mal eine perspektivische Abwechslung an, nämlich:

unter der grauen stadt

Aber ich sehe ein, dass Lydia Lyrich sie nicht unter Tage beobachtete. Also bleiben sie vor der Stadt, beim Pflücken, nicht beim Hacken.

Wenn man sich die Satzzeichen hinzudenkt, ist der gesamte Text ein vollständiger Prosa-Satz. In Lyrik umgesetzt, ließen sich die erste Zeile und das "die" vor "männer" herausnehmen, ohne das der Text etwas verlieren würde, oder?


Cheers

P.


P.S.: Könnten allerdings auch Schornsteinfeger gewesen sein, festlich mit Zylinderhut.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 02.08.2013, 10:22

Hallo Pjotr, man kann das Szenario* wohl nur ahnen, wenn man es gesehen hat

merkwürdig: ja, zum Sich-Merken; das ist richtig hier; unfreiwillig

schienen: Auf den Schienen sind Menschen in "anderer" Arbeitskleidung tatsächlich auffällig; es war eine spezielle Uniform - von wem auch immer, BGS oder was, mit sehr viel Weiß

nee, die Männer nehmen die dunklen Klumpen respektvoll aus den Schienen, sind sind es wirklich nicht selbst


Vielleicht sollte ich "dunkelrote Klumpen" schreiben... oder blutige...

*Es geht um eine versehentlich zu frühe Freigabe einer Zugstrecke nach einem Selbstmord auf den Schienen

Also nix "Glückauf".

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 02.08.2013, 10:32

Oje, da lag ich ja wohl komplett daneben :-)

Wie kam ich eigentlich auf Kumpels? Ich weiß es gar nicht mehr! Ja, vielleicht lags and den Klumpen. Und an der "festlichen" Kleidung; darunter verstehe ich schwarze Kleidung. Und im Hinterkopf habe ich wohl immer den Ruhrpott ...

Vielleicht Fleisch statt Klumpen?


Pechab

P.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 02.08.2013, 11:08

Nur so, zur eventuellen Berücksichtigung:

ich hatte gleich vor Augen das Szenario.

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Beitragvon Pjotr » 02.08.2013, 11:37

Umso peinlicher ist mir jetzt mein Kommentar da oben. Bitte komplett ignorieren :-)

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Beitragvon Amanita » 02.08.2013, 11:46

Lieber Pjotr, peinlich ist da gar nichts - für mich durchaus wichtig zu wissen, wie schwierig die "Entschlüsselung" sein kann. Deutlicher möchte ich andererseits nicht werden, denn die Szene hatte etwas Surreal-Unbeschreibliches.

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Beitragvon Amanita » 02.08.2013, 11:48

vielleicht so:

die fleischdunkle Klumpen
aus den Gleisen pflückten

?

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.08.2013, 13:19

Hallo Amanita,

auch ich hatte sofort eine Unglückssituation vor Augen, sah dort tote Menschen bzw. Teile von ihnen liegen. *grusel*
Ich würde auf keinen Fall "fleischdunkle Klumpen" oder irgendetwas mit "blutig" schreiben.

Liebe Grüße
Gabi

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Beitragvon Amanita » 02.08.2013, 13:26

Gut, liebe Gabriella, dann lasse ich alles so, wie es ist.

Wollte nur einen "Anflug von Verständlichkeit" bieten, denn Pjotrs Lesart war mir zu weit ab.

RäuberKneißl

Beitragvon RäuberKneißl » 03.08.2013, 12:54

Hallo Amanita,

sehr gelungen und atmosphärisch. Ich finde 'Klumpen' unbehaglich - sprechend.

Nur das Ende ...'grauen Stadt' ist mir zu zeigefingerig.

Grüße
Franz

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Beitragvon Amanita » 03.08.2013, 13:18

... könnte man auch weglassen, Franz. Hatte ich schon hin und her überlegt, ich hatte einen (zugegeben: fadenscheinigen) Grund, es anzufügen.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 21.10.2016, 08:22

Dieses Gedicht, meinte ich.

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Beitragvon Amanita » 21.10.2016, 09:07

Danke, Klimperer! Mir war klar, welches Du meinst, ich hätte es aber glaube ich nicht wiedergefunden.


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