m. und das verlorene paradies

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pjesma

Beitragvon pjesma » 04.05.2012, 15:02

das anwesen ist breit und groß. das anwesen ist bergig und unbewohnt, grün.
wie sattgrün es geworden ist! wie maiwonnig bloß! staunt die marinika, visualisierend, mit füßen am balkongelender überkreuzt, mit dem kopf im nacken an der stuhllehne angelehnt, und hinter geschlossenen lidern. sobald der sonnenfleck im augennetz abebbt, diese wilden kleinen flugzeugbewegungen in der innenhaut des lides, und die negativbilder der gegenstände um sie, breitet sich plötzlich das anwesen vor ihrem inneren bildschirm aus, in satter grüner pracht umhüllt.
sie betritt das anwesen nicht, sie übefliegt es, wie ein vogel im tiefflug. sie hört sich gar fliegen: wusch. wusch.wusch. immer ist da mai, manchmal nur ist es august…und an den tagen, wenn august auf dem anwesen herrscht, befliegt sie es schneller als sonst---um durch die hohen verflochtenen gräßer durchrauschen zu können. wusch! murmelt die marinika auf dem balkon.
ein vogel ist sie nur, falls die vögel riechen können, weil sie riecht: die frisch gemähte wiese, feuchte erde und schlangenbrut. vielleicht ist sie ein insekt.
vielleicht bin ich ein insekt, denkt die marinika und weiß nicht was sie ist, da sie fliegen kann und da sie riechen kann, und da sie die peitschen der graßspitzen spürt an dem was ihre beine sein könnten, oder sollten.
spüren die insektenbeine das peitschen der gräßer? murmelt die marinika auf dem balkon. vielleicht ist sie eine fledermaus, denkt sie, weil immer streckt sich die grünne wonne dämmernd vor ihr, egal in welcher tages oder nachtzeit sie sie anfliegt und egal wie lange auch immer sie sich dort aufhält. die zeit hängt immer angehalten, auf der kippe zwischen dem grellen tag und dem sonnenuntergang. immer fängt es gerade an kälter zu werden und wird ‘s nicht kälter. immer fangen die schatten sich zu strecken an, gerade eben, und werden dann doch nicht länger, wie mitten im gähnen unterbrochen.
vielleicht bin ich eine fledermaus, meint die marinika und mag nicht eine fledermaus sein.
und überhaupt: das ist nicht die flughöhe einer fledermaus .
an der stelle, an der sie immer schweben bleibt, bleibt sie auch diesmal schweben, zwischen dem brunnen und dem erdbeerfeld. aber diesmal misst die marinika die schwebehöhe, sie misst sie nach ihrem balkonkörper; und weiß, dass ihre augen aus dieser höhe die gegend noch nie betrachteten. sie schwebt in der bauchhöhe ihres balkonkörpers. sie schaut aus ihrem bauch. und wie sich das jetzt mit vögeln vereinbaren lässt, ist ihr ein rätsel. oder mit insektenbeinen. und weil sie aus bauchperspektive die grüne fülle betrachtet, weiß sie auch weiterhin nicht was sie ist,
bloß so viel weiß sie, dass sie keine fledermaus sein möchte.
ein glühwürmchen, vielleicht. damit kann sie sich anfreunden. ein seelchen, dass nicht loslassen will. ein…….blatt fällt der marinika auf die nase, von der ampelpflanze auf dem balkon, und als sie,erschrocken, die augen öffnet, versteht sie erst mal nicht wo sie sich befindet. durch marinikas beine, überkreuzt am balkongelender, fließt wenig blut, und als sie aufsteht, rasen tausende ameisen durch ihre waden. marinika hüpft auf dem balkon ,damit das blut wieder fließt in ihren adern. dannach raucht sie eine zigarette und betrachtet die fahrenden autos unten auf der straße. und dann, bevor sie ins zimmer geht, gießt sie einmal die ampelpflanze und spricht zu ihr.
du arme sau, spricht die marinika. du arme arme sau, dass du auch wirklich nicht los lassen kannst!

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Eule
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Beitragvon Eule » 06.05.2012, 11:25

Hallo pjesma, Marinika läßt wieder mal ihre Fantasie schweifen, sich fallen in die Geräusche und Stimmungen der Umgebung ... das passt gut zu der sympathischen Haupfigur, die mit Humor und allen menschlichen Mitteln versucht, sich in ihrem Leben zu behaupten.
Vielleicht beschreibst Du am Anfang des Textes zu viel, Marinikas Gedanken und Eindrücke würden eigentlich ausreichen, den Aufenthaltsort zu beschreiben, ohne die Zusatzinformationen des Erzählers, zumindest die dritte Stelle dazu "... breitet sich plötzlich das anwesen ..." könntest Du streichen, möglicherweise auch den Einleitungssatz.
Und muß die Marinika sich wirklich böse sein, dass sie zu wenig Mut hätte ? Wäre es nicht verständlicher, wenn Sie sich darüber freuen würde, was für "verrückte" Sachen sie denkt oder erlebt - das wäre mir sympathischer, als sie in "gewöhnlicher" Verbitterung sich treiben lassend zu lesen.
Zuletzt geändert von Eule am 06.05.2012, 14:29, insgesamt 1-mal geändert.
Ein Klang zum Sprachspiel.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.05.2012, 13:54

...
Zuletzt geändert von Mucki am 30.05.2016, 20:03, insgesamt 1-mal geändert.

pjesma

Beitragvon pjesma » 06.05.2012, 15:23

danke euch für komms, ihr lieben :-)
da das eine "frische" marinika ist, eule, weiß ich noch nicht in wie weit ich sie später korrigieren werde...muss erstmal etwas abhängen ;-)
die frage von "böse" auf sich sein...ist hm, wird mich jetzt einige zeit beschäftigen. ist das so? ich empfinde es mehr als eine art unzufriedenheit...die sich durchzieht durch diese texte...sich nach etwas anderem sehnen als nach dem was man lebt...wie die ampelpflanze, die arme, umgepflanzte, die nicht sterben kann und will, aber so im luft leben auch nicht ihre "bestimmung" ist...
und gabi, auch dank :-)...dieses "trotz" pflege ich auch weiter...ein freund meinte er ließt meine marinikas als mitalterndes kind in einem...das geht dann ohne trotz wirklisch net ;-)))
lg


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