Ist der Teufel tot? Oder hat er selbst geschossen?

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klara
Beiträge: 4530
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 04.05.2011, 11:38

Internes Protokoll einer unerwünschten Verweigerung

Die Nachricht – breaking news! – gibt Grund zur Freude.

(Oder?)

Ich bemühe mich aufrichtig. Ich will mich freuen! Ich muss! (Muss ich?)

Ich kannte den Mann nicht, und mir fällt ein, dass er von keinem Gericht als Schuldiger verurteilt wurde. Nun ist er tot. Sein Tod soll mir, mit all den Beweisen, Berichten und Bekenntnissen der Täter und Ankläger, als Beweis für die immanente Bosheit eines Menschen, dessen Unheilbarkeit und Nicht-(Re)sozialisierbarkeit reichen, soll die Notwendigkeit der Strafe, die keine ist, sondern ein Schießbefehl belegen. Da wird das Recht redundant, denn es ist von vornherein auf „unserer“ Seite. Ein Mörder weniger! Hurra!

Aber… – ach, dieses Aber, es erschöpft mich! Bin ich kleinlich? Sollte ich nicht endlich aufhören, so furchtbar kleinlich zu sein, furchtsam und schwach? Nicht länger all diese Zweifel hegen. (Oder?) Im Recht sein dürfen! Endlich nicht mehr diese lästigen Fragen stellen, die mich selbst am meisten quälen! Nur weil kein Richter das letzte Wort hatte, das gültige Wort, sondern eine Waffe, die den Segen der Mächtigen der Welt hatte. (Ist mein Zweifel an der Legitimität dieser Wortlosigkeit ein rein formaler?) Nur weil – ach, diese lästigen Details... – ohne Gericht und Schuldspruch nicht zweifelsfrei erwiesen ist, wen der Erschossene wann warum ermordet hat. Und ob. Und weil im Zweifel für den Angeklagten sogar bei Vergewaltigern und Kindsschändern gilt, solange sie eben nicht zweifelsfrei undsoweiter. Weil in einem Rechtsstaat nicht Unschuld bewiesen, sondern Schuld nachgewiesen werden muss, und all das mit guten, aufgeklärten Gründen, die eine lange Tradition haben, die es schwer genug hatten, sich durchzusetzen, es immer noch schwer genug haben – und nun also noch schwerer, nach diesem Todesschuss. Ich sollte aufhören, an der Rechtmäßigkeit oder zumindest, oweh, Legitimität dieses befohlenen Todes, dieser Vollstreckung zu zweifeln. (Sollte ich? Wer könnt mir das befehlen?)

Mit diesem Unbehagen fühle ich mich draußen . Sogar meine leidenschaftslose Kanzlerin freut sich öffentlich! Über den Tod! Ich versuche, mich gegen meine Abwehr zu wehren, mich zu freuen dass jemand tot ist, erschossen mit geballter Staatsgewalt, die gesamte freie Welt im Rücken. Ich sollte mich über den Sieg der Freiheit freuen. Mir gelingt jedoch nur Unbehagen, das wächst unter meinem Herzen, allem Unbehagen gegenüber dem Unbehagen zum Trotz. Ich prüfe mich: Bin ich kleinlich? Darf man das überhaupt? Jetzt, wo die Freiheit siegt? Die Guten eine Schlacht gewonnen haben? Darf man sich da – nicht freuen?

Ich erhalte Rückendeckung vom verwalteten Evangelium: Man dürfe sich als Christ nicht freuen, wenn jemand gezielt erschossen wurde. Ich lese: Der Mann war unbewaffnet, als die Schüsse ihn trafen. Und: Es wird keine Bilder vom Toten geben, sondern eine Versenkung im großen, schweigenden Meer. Pietät? Taktik? Strategie? Vorausschauende Vermeidung von Märtyrer-Huldigungen (die werden ohnehin ihre Stätten finden, so wie neue Waffen wachsen an neuen Händen, die neues Blut bringen)? Oder doch auch der Rest eines wie auch immer verworfenen, weil in Gewaltzeiten verwerflich gewordenen schlechten Gewissens, das mahnt, dass nicht Recht sein kann, was Tot mit Tod vergilt – ohne unabhängiges Gericht (auch wenn es kein unabhängiges Gericht der Welt gibt, nirgendwo auf der Welt, weil sie eine Idee bleibt, die Sache mit der Gerechtigkeit, eine dringend notwendige Idee bleiben muss!) Eines schlechtes Gewissens, weil kein Schuss von Kriegsbeteiligten frei von Rache sein kann – und weil Rache nunmal immer ein schlechtes Motiv ist – und verdammt noch mal bleibt und bleiben sollte! –, wenn es um Recht geht? Um Frieden, um Politik, um Heilung.

Ich wehre mich, doch die Fragen bleiben hartnäckig.
Wurde der Mann in einem Krieg erschossen? Gegen welches Land? In wessen Namen? Wer war der Mann überhaupt? Warum trug er so einen grauslichen Bart, einen verkehrten Weihnachtsmannbart? War er der Anti-Christ? Muss man Christ sein, um Unbehagen zu spüren statt Freude? Darf man auch Moslem sein? Oder reicht einfach nur „Mensch“? Wiegen Tote Tote auf? Ab welcher Zahl? Wie viele? Und wie lange noch lässt unsere geheiligte, unsere allzu anfällige Vernunft sich bieten, von Gewalt in ihrem Innersten bedroht zu werden, indem sie Gewalt mit Gewalt die Stirn zu bieten sucht, so hilflos dann beide!, und nicht etwa, Gott bewahre, die andere Wange hinhält! Wir sind doch nicht blöd! (Oder doch?) Wann hätte Gewalt je Gewalt besiegt, anstatt neue zu zeugen? In Wahrheit, meine ich, frage ich, nicht in der Propaganda, die jeden Krieg, jeden Sieg, jede Niederlage, jede Unrechtmäßigkeit begleitet.

Dummerweise hat der rechtsfreie Raum die Eigenschaft, sich gierig auszubreiten, je mehr Platz man ihm macht, in jedes Vakuum stößt er vor, nutzt jedes Gefühl hemmungslos aus, denn wenn jemand meinen Bruder tötet, will ich instinktiv den Brudertöter töten. Davon muss mich das Recht abhalten, damit nicht alle Brüder irgendwann tot sind. Dafür hat man das Recht erfunden. Die Aufklärung. Die heiligen Werte der Vernunft, der übergeordneten Menschlichkeit. Dafür, dass der rechtsfreie Raum sich nicht gierig ausbreitet, sondern so klein wie möglich in jeder Herzkammer klopfen muss. In jenem Individuum, dessen Rechte es zu verteidigen gilt, weil es sich bei all diesen Individuen um Menschen handelt. Ich fürchte: Das Individuum steht genauso wie die Freiheit auf dem Spiel mit diesem Sieg der Freiheit über die Vernunft. Der tote Mann wird über sich selbst hinauswachsen, ein Monster der Unfreiheit, uns zur Geisel nehmen, weil wir uns über seine Unrechtmäßigkeit freuen. Endlich wieder zuschlagen dürfen (Ein Feind!) (Dürfen wir?)

Für jeden getöteten Gewalttäter wachsen zehn neue nach; das ist wahrscheinlich wie mit den Besen, die der alte Hexenmeister gewesen machen muss, nur dass kein Hexenmeister in Sicht ist, nichts als kleinlaute Stimmen, Stimmchen, die sich nicht aus ihrer instinktlosen Ecke trauen, zu laut wüten all die Lehrlinge der barbarischen Aufklärung, die – ach, Dialektik, vergessene! – in ihrer Ohnmacht und Hilflosigkeit ihre eisernen Besen so gnadenlos überschätzen, dass sie all jene Werte, die sie zu verteidigen glauben, gleich mit auskehren, mit ihrer eisernen Hand.

Der Hexenmeister schaut zu, aus seinem stimmlosen Loch, wartet: Wie lange noch, ehe die „aufgeklärte Welt“ (der Westen, mein Gott!) wieder aufgeklärt handeln darf, anstatt Alternativlosigkeit zu behaupten?

Man ahnt, und man hat es immer wieder neu zu wissen: Die * Verletztlichkeit und Gefährdung des Rechtsstaats, der Demokratie gehören zu ihrem Wesen, darin liegt ihre Kraft: im Zweifel! Unsere eigene Verletzlichkeit als Mensch ist Bedingung für unsere Lebendigkeit. Vielleicht hat man ihn erschießen dürfen, weil er ein Zombie war, aber ich hätte es gerne korrekt. Ich hätte es gerne menschlich. Ich hätte gerne, dass das wieder zusammen gehört, auch in den Nachrichten, die ich lesen und hören muss: das Recht und das Rechthaben, das Menschsein und die Vernunft. So anspruchsvoll sollten wir sein, mit uns selbst, wir aufgeklärten Menschen, finde ich. Anmaßend im Zweifel bleiben. Das ist das Gegenteil von kleinlich! Andernfalls überlassen wir, mit jedem Schuss, der die Unabänderlichkeit behauptet, den zweifelsfrei Brutalen das Feld und werden – unabhängig von deren Motivation! – in die zweifelsfreie Brutalität des Terrors genötigt.

Also, man vergebe mir, freue ich* mich nicht, sondern fürchte mich, und hoffe weiter: dass die Hoffnung zuletzt stirbt.

[*mit Dank an ferdi für Hinweis auf Sprechblasen/Redundanz und ein "ich"]
Zuletzt geändert von Klara am 05.05.2011, 11:26, insgesamt 1-mal geändert.

Sam

Beitragvon Sam » 04.05.2011, 17:24

Hallo Klara,

vielen Dank für deine offenen Worte. Vieles von dem, was du schreibst, geht mir auch durch den Kopf. Nur eins weiß ich: Freuen kann ich mich nicht. (Man kann eine gewisse Erleichterung empfinden über all die Daten, die angeblich gefunden wurden und die hilfreich sein können, terroristische Netzwerke auszuhebeln. Aber was heißt das? Noch mehr Tote. Aber vielleicht auch eine Menge weniger, wenn Anschläge dadurch verhindert werden können.)

Heute began in Stuttgart ein Prozess gegen zwei Afrikaner, die von Deutschland aus Killerkomondos im Kongo befohlen haben. Deren Kriegsführung bestand hauptsächlich im Vergewaltigen und anschließenden Verstümmeln von Frauen. Und viele dieser Soldaten waren an dem Mord von fast einer Millionen Hutus Mitte der Neunziger in Ruanda beteiligt. Wer sich darüber freut, dass mit Bin Laden so kurzer Prozess gemacht wurde, der müsste in diesem Fall für genau das gleiche Prozedere sein. Aber was sind eine Millionen Afrikaner gegen dreitausend tote Amerikaner?

Es gibt keine Gerechtigkeit. Nur das Recht des Stärkeren.

Gruß

Sam

Klara
Beiträge: 4530
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 04.05.2011, 20:33

Es gibt keine Gerechtigkeit. Nur das Recht des Stärkeren.

Siehst du, Sam - genau das ist die anti-aufklärerische Resignation, die Aufklärung wie Gerechtigkeit am Ende verhindern hilft. Weil sie gewollt oder ungewollt zynisch ist. Zumindest so wirkt. Anti-menschlich. Es gibt eben NICHT nur das Recht des Stärkeren, solange man - und das mag eine Glaubensfrage sein, ähnlich wie der Zynismus eine ist - nicht die Idee aufgibt. Wenn wir die Idee aufgeben, die Hoffnung darauf, dass es auch anders geht, dann gibt es tatsächlich nur noch das Recht des Stärkeren. Wenn wir aber darauf bestehen - und ich sage absichtlich dieses pathetische "wir" Menschheit - dass Stärke nicht mit Todesgewaltmöglichkeit gleichzusetzen ist, sondern dass STÄRKE auch heißen kann, für das Leben zu kämpfen, für das Stärkere des Lebens (als der Tod, als die Gewalt, als das Geld, als der Krieg, als die Propagandamacht), dann gibt es und nur solange gibt es NICHT NUR DAS RECHT DES STÄRKEREN, sondern auch Gedanken, Zweifel, Nachdenklichkeit, Menschlichkeit. Du magst einwenden, dass sich das leicht sagt im satten Deutschland, aber es denkt sich nicht leicht gegen den Mainstream. Außerdem ist es egal, ob leicht oder schwer, Hauptsache, man denkt und lässt sich das nicht austreiben.
Danke für deinen Kommentar.
Herzlich
klara

Benutzeravatar
ferdi
Beiträge: 3260
Registriert: 01.04.2007
Geschlecht:

Beitragvon ferdi » 04.05.2011, 20:39

Hallo Klara!

Als Text überzeugt mich das nicht sonderlich... Worauf es hinausläuft, ist ja schon nach zwei, drei Zeilen klar, und alles, was danach kommt, bewegt sich in dem Rahmen, den man nach den einleitenden Zeilen erwarten konnte. Ich frage mich daher, ob das ganze wirklich so lang sein muss - ob ihm ein wenig mehr "Zug zum Tor" nicht gut tun würde. Zum Beispiel da, wo sich die rhetorischen Fragen doch zu sehr häufen, oder bei Sprechblasen (nicht böse sein) wie "Die immanente Verletztlichkeit und Gefährdung des Rechtsstaats, der Demokratie gehören zu ihrem Wesen".

Mir scheint im letzten Satz ein "ich" zu fehlen?!

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6790
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 04.05.2011, 20:50

Stärke kann sich auf jede beliebige Eigenschaft beziehen.

Wein ist stärker als Milch. Milch ist stärker als Wein.

Gandhi ist stärker als Bush. Bush ist stärker als Gandhi.

Das Wort Stärke ist nichtssagend, wenn die Eigenschaft, die bestärkt ist, verschwiegen wird.

Deswegen münden solche Diskussionen und Texte meist in Endlosschleifen aus Begrifflichkeiten. Viel Geschwurbel, kein Erkenntnisgewinn.


Gruß

Pjotr

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 04.05.2011, 21:04

Liebe Klara,

der Text selbst hat für mich eine etwas komische Perspektive durch das ständige "bin ich zu kleinlich" und den Anfang, dass das lyr.Ich tatsächlich versucht sich zu freuen, das kommt irgendwie (weil sofort klar ist, was die Position des Ichs ist und dass es damit nicht alleine ist) komisch/eitel an.

Trotzdem bin ich froh, dass er da ist - als erster, als einziger bisher! Weil ich diesmal den Drang hab, auch loszuwerden, was bei mir passiert dabei...
ich bin - regelmäßig beschämt es mich, meistens aber bin ich damit gedankenlos bis trotzig zufrieden - kein besonders politisch gebildeter Mensch und somit auch nicht engagiert zu nennen. Aber es gibt immer wieder einzelne Ereignisse, die mich auf eine schwer zu beschreibende Weise erschrecken und angreifen, wie ein Albtraum, der eben nur kein Albtraum ist - Der 11. September gehörte für mich zum Beispiel nicht dazu, da war ich (wenn ich nachgehorcht habe) letztlich (bis heute) nicht zu Empfindungen fähig, aber Osama bin Ladens Tötung und (dabei zugleich, das war eine Wahrnehmung und ein Gefühl) der Umgang damit, hat mich erschüttert. Ich kannte den Menschen nicht, aber ich hatte das Gefühl durch die Art, wie er gestorben ist, etwas vergegenwärtigt zu kriegen, was sonst gar nicht hoch kommt in all dem präsentierten Müll und Nichtmüll. Das hatte auch damit zu tun, dass ich von seinem Tod in einem Kurzticker in der U-Bahn im Berliner Fenster las und da nur sinngemäß stand: Osama bin Laden ist tot. Seine Leiche wurde schon im Meer bestattet. Diese Details haben mich an einen sehr guten Film erinnert: "Ein kurzer Film über das Töten" in dem zuerst jemand jemand anderen umbringt und dieser dann dafür vom Staat hingerichtet wird. Diese durch Verurteilung und angestellte Henker eingeleitete Hinrichtung ist grausig anzusehen, meines Erachtens ist das, was man kaum daran aushält, insbesondere, dass obwohl alles verstaatlicht und professionalisiert ist, im Moment der Tötung die gleiche unkontrollierte Grausigkeit und Hektik, Irrquäligkeit stattfindet, die zuerst bei dem Mörder und seinem Opfer gezeigt wird. Das wirkt dann nicht schlimmer, aber noch einmal perverser. Und als ich eben dieses Detail las, dass bin Laden umgehend im Meer bestattet wurde, da trat vor meine Augen genau, wie die Tötung von bin Laden abgelaufen sein muss: ich bin sicher dieses perfektionistisch-robotoösen das Profikillerkomando ist sicherlich ab einem gewissen Punkt einfach außer Kontrolle geraten, also: sie haben natürlich gemacht, was sie sollten, aber ich glaube emotional waren da absolute Extremreaktionen, ein Übermaß an Gewalt, Hass & was nicht noch allem. Und die Seebestattung ist für mich Teil dieser Hektik, dieser Hetze (und sicher nicht nur, weil die Leiche völlig zugerichtet ausgesehen haben wird und das nicht vom Schuss), für mich ist es das, was wehtut.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
Beiträge: 4530
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 04.05.2011, 21:14

Hallo,
ich fürchte, ich sehe das tatsächlich eher als - wenn auch als völlig ungebildeter - Christ, nicht als Schreiber oder Literat oder wasweiß ich, mithin mögen all die Worte mäßig gesetzt und zu viele sein, weil ich das Bedürfnis hatte - mag es eitel sein, meinetwegen -, sie zu äußern, gerade weil in bestimmten Fällen tatsächlich ZU WENIG Worte gemacht werden, und in einer Demokratie, beim täglichen und alltäglichen Aushandeln von Menschlichkeit eigentlich NIE zu viele Worte gemacht werden können. Reden, Worte, Sagen, Sprechen, Verhandeln, Verteidigen, Argumentieren. DAs wird oft belächelt von Dezisionisten wie Sarrazin oder Bush, und bleibt doch wesentlich für das Funktioneren eines Gemeinwesens, das sich nicht gemein machen will mit Gemeinheiten und scheinbaren Notwendigkeiten.
Ursache und Grund für Textkritik ist daher sicherlich vorhanden, aber meinerseits wenig Lust, am Text zu arbeiten, man möge mir vergeben. Ich musste das sozusagen einfach loswerden, und wem es nichts bringt, oder wer das redundant fidnet und alles selber schonw eiß oder anders denkt/fühlt und nicht anders lesen will - dann ist es so. Dann kann ich demjenigen nichts geben.
Mir liegt daran, dass es ein Mensch ist. Und dass ich weiterhin davon ausgehen will, dass Menschen ihre Toten betrauern wollen, und dass ihnen auch dieses Recht genommen wird, in diesem Fall, durch die - widersprüchlich gewaltsame, hektische (das sehe ich ähnlich, Lisa) Meerbestattung. Was kann das Meer dafür? Was hat der Tote mit dem Meer zu tun? Warum setzt man sich in diesem einen Fall über alle möglichen Rechte und Bedürfnisse Hinterbliebener zurück? Oder gilt Sippenhaft? Gibt es Trauerverbot? Auch dies ein meinetwegen redundanter, kleinlicher Gedanke, ich denke dennoch,d ass ich vielleicht viele Fehler habe, aber übertriebene Eitelkeit in dieser Art und Weise zählt hoffentlich nicht dazu, das weise ich von mir. Redundanz - zugegeben. Larmoyanz - sicherlich, hier und da. Vielleicht ist es aber auch "erlaubt", einfach mal diese schlichte Perspektive als Ausgangspunktzu nehmen, um sich etwas von der Seele zu reden? Hat ja ein paar Tage gedauert seit der Nachricht... Wenn das zu schlecht ist, textlich, schiebt es meinetehalben ins Café, da gehört es wohle her hin, hatte das auch erwogen. Mir ist es gleich.
herzlich
klara
PS Was sind "Sprechblasen"? Soll das abwertend sein oder behaupten, dass ich etwas nicht gemeint hätte, nur nachplappere oder demonstrativ in den Raum stelle? Dann hätte ich dafür gern ein Argument, damit ich mich damit argumentativ -abseits von Etiketten wie "Sprechblasen" - auseinandersetzen kann. Es sieht ja vielliecht nicht so aus und mag schlecht geschrieben sein, aber Nachgeplapper ist es deshalb noch lange nicht, jedenfalls nicht notwendigerweise, und sogar Sprechblasenkönnten ja - "uff, aua, schrei" - etwas bedeuten, das nciht notwendig falsch oder "sprechblasig" sein muss.
Zuletzt geändert von Klara am 04.05.2011, 21:52, insgesamt 1-mal geändert.

scarlett

Beitragvon scarlett » 04.05.2011, 21:26

das ist textlich überhaupt nicht schlecht, klara, lass dich bloß nicht kirre machen!
daraus spricht herzblut und hirn gleichermaßen und rhetorik ebenso.
das ist gekonnt und mitreißend.
und es ist legitim!

scarlett

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 04.05.2011, 21:35

Liebe Klara,

ich finde den Text nicht schlecht, falls das so angekommen ist! Ehrlich gesagt sollte ich hinzufügen, dass ich vermute, dass in diesem Fall es mir gar kein Text recht machen könnte, außer vielleicht einer, der das Furchtbare eben anhand einer völlig anderen Erzählung erzählt. Aber auch das brauch ich derzeit nicht und später würde ich die Ähnlichkeit (zum konkreten Anlass) nicht bemerken. Was mir wichtig ist: Dass der Text da ist (setz überall für Text Worte ein um mit dir zu sprechen) und ich seinetwegen auch was sagen konnte. Und deshalb bin ich froh um ihn.

Was für ein Text hätte auch anstelle von diesem geschrieben werden sollen? Kunst muss sich manchmal verspäten, um zu funktionieren.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
Beiträge: 4530
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 04.05.2011, 21:49

alles i.o., Lisa, keine Sorge! Ich freu mich über deinen ersten und zweiten Kommentar!
("kunst" ist ein großes Wort, zu groß für mich, glaub ich.)
scarlett - danke (du bist süß :))
klara

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 04.05.2011, 21:59

Ja, für mich auch. Deshalb hab ich es hier gewählt .-)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
ferdi
Beiträge: 3260
Registriert: 01.04.2007
Geschlecht:

Beitragvon ferdi » 04.05.2011, 22:00

Hallo Klara!

Zu den Sprechblasen: Wenn du beschreibst, dass etwas, das einer Sache "immanent", also "innewohnend" ist, zu ihrem "Wesen" gehört, sagst du entweder zweimal dasselbe und bläst den Text damit unnötig auf, oder du siehst so feine Unterschiede, dass es besser wäre, an dieser Stelle länger zu verweilen und genauer zu werden. So wie es jetzt da steht, ist es für mich eine Sprechblase - etwas, das um seiner selbst willen da ist.

Dass du einen Text an einer Stelle einstellst, die Textarbeit vorsieht, und dann jeden Versuch dazu abbügelst, erstaunt mich allerdings.

Ferdigruß!
Zuletzt geändert von ferdi am 05.05.2011, 12:16, insgesamt 3-mal geändert.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 04.05.2011, 22:03

Ich habe nicht geschafft, alles zu lesen.

Ich weiß nicht, ob jemand von Euch den Aufsatz "Dem Rad in die Speichen fallen" von Dietrich Bonhoeffer kennt, der die ethische Problematik des Tyrannenmordes behandelt.
Die Quintessenz ist ungefähr (es ist lange her, dass ich ihn gelesen habe), dass es geboten sein kann, einen Tyrannen zu töten, um zu verhindern, dass er unendliches Leid verursacht. Dass man sich aber im Klaren darüber sein muss, dass auch man selbst, wenn man ihn tötet, ein Unrecht begeht.

Das habe ich hier vermisst und mir wird wirklich angst und bange, wenn sich auf so eine Weise über den Tod eines Menschen gefreut wird.

Ich fände es eigentlich schlimm, wenn man Christ sein muss, damit einem angst und bange bei der Vorgehensweise werden muss. Wenn man verlangt, dass die Tötung von Menschen bestraft wird, dann muss man auch selbst ein Unrechtsbewusstsein haben, wenn man einen anderen tötet. Das ist für mich übrigens letztlich der zwingende Grund für die Ablehnung des Todesstrafe. Wer einen Mörder oder Töter bestrafen will, der darf sich doch keinesfalls desselben Mittels bedienen wie dieser es getan hat. Wie soll denn daraus eine zivilisierte Gesellschaft entstehen?

Es mag sein, dass es Umstände gegeben hat, aufgrund derer es nicht anders möglich war, Bin Ladens Herr zu werden als ihn zu töten. Aber nach den Informationen, die ich bisher gehört habe, war das nicht unbedingt der Fall.
Es hätte einem Rechtsstaat besser angestanden, ihm einen Prozess zu machen. So sieht es für mein Empfinden ziemlich nach Lynchjustiz aus.

leo

Sam

Beitragvon Sam » 05.05.2011, 06:53

Hallo Klara,

auch wenn ich der Meinung bin, dass die Aufklärung grandios gescheitert ist, bin ich deswegen nicht anti-aufklärerisch eingestellt. Genausowenig wie ich anti-demokratisch bin, auch wenn ich die Überzeugung habe, dass die Idee der Demokratie gescheitert ist und immer wieder scheitert. Der Zynismus, der hindurchscheint, ist nur eine Spiegelung des Zynismus, den man tagtäglich beobachtet.

Es ist gut und wichtig zu reden, ja aufzuschreien. In meinem Fall ist der Grund aber nicht die Hoffnung, es könne doch noch gut gehen, sondern einfach der, dass es das Einzige ist, was einem noch bleibt, um nicht das Gefühl zu verlieren, ein Mensch zu sein.

Pjotr, deine sophistische Zerpflückerei von Begriffen wirkt in diesem Zusammenhang auf mich beinahe arrogant. Es freut mich für dich, wenn du so über den Dingen stehst. Ich halte es allerdings für legitim, wichtig und auch notwendig Betroffenheit zu zeigen, auch wenn sie mit keinerlei Erkenntnisgewinn daherkommt.


Gruß

Sam


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste