Überarbeitete Version:
Die Kalifornierin
Our passion is just as great as the power you have to do us harm.
Do to us whatever you want; we will love you all the same.
Martin Luther King
Die Nekropole von Populonia am Golf von Baratti war der Schauplatz der nachfolgend berichteten Ereignisse, die mich ins Gefängnis von Volterra gebracht haben – ob verdienter- oder unverdientermaßen, wage ich nicht zu entscheiden. Dankenswerter Weise verweigert man mir nun, wo ich freigestellt bin von der Arbeit in den Wäldern des Appenin, nicht Block und Bleistift. Und auf die Gefahr hin, als einer der vielen zu erscheinen, die sich darüber beklagen, sie säßen zu Unrecht ein, will ich, nachdem ich hier ein halbes Menschenleben verbrachte, aufzeichnen, was sich damals zutrug.
Ich war nach Populonia mit einem Mädchen geflohen, das ich in Florenz kennen- und lieben gelernt hatte. Taliyah fühlte sich bedroht von ihrem Mann, der ihr aus den Staaten nachgereist war und beobachtet hatte, dass sie zu Dario, einem Studenten, der in den Straßen zur Gitarre sang, in einem zärtlichen Verhältnis stand. „Dario sprach kein Wort englisch, ich kein Wort Italienisch, das war die ideale Grundlage für eine Sommerliebschaft,“ erklärte sie mir. Warum sie nicht mit ihm geflohen sei? Sie habe ihm ihr Problem nicht mitteilen können, und obgleich er die Angst, mit der sie das Auftauchen Earls im Kreis der Fans wahrnahm, kaum übersehen konnte, schien er Komplikationen aus dem Weg gehen zu wollen und freundete sich mit einer deutschen Kunstgeschichtsstudentin an.
Ich benutzte einen Trick, ich behauptete, ich könne meinen Citroen nicht wiederfinden. Ich hätte ihn in einer Seitengasse nicht weit von San Lorenzo abgestellt. Dabei stand er nicht weit vom Bahnhof, aber dort suchend hätten wir ihn viel zu schnell gefunden. So durchkämmten wir stundenlang die Altstadt, entdeckten hunderterlei verborgene Schönheiten, und ich sah mich nicht satt, sondern immer hungriger an der braun gebrannten Malibu-Schönheit meiner kalifornischen Begleiterin. Da sie es nicht wagte, in ihr Hotel zurückzukehren, wo Earl sich bereits eingenistet hatte, war sie dankbar, mit zu mir kommen zu können ins Cinque Arance, das zwischen spitzwinklig zusammenlaufenden Gassen lag, durch die die Moto Guzzi nächtlicher Kavaliere donnerten. Wir gossen Wasser auf den Fliesenboden, schliefen in getrennten Betten in der beunruhigenden Gewissheit, mehr zu einander zu gehören, als es sich für eine Ferienliebe geziemt.
Am Morgen gestand ich Taliyah die Täuschung. Sie lächelte, schüttelte den Kopf und sagte, sie habe sich sowas schon gedacht, sei aber durch meine nachts bewiesene Zurückhaltung so von mir angetan, dass sie mit mir zusammen bleiben wolle. Ob wir Florenz nicht verlassen und Orte aufsuchen könnten, an denen sie vor Earl sicherer sei. Als ich ihr die vernarbten Lausbubenknie küsste und einwilligte, gab sie mir die Adresse ihres Hotels und den Zimmerschlüssel, ich ging hin, packte ihre Wäsche, ihre Blusen und Jeans und ihr Waschzeug zusammen, presste mein Gesicht in eins ihrer Hemden, beglich die Hotelrechnung, und unsere Reise ging los. Wir verließen Florenz in westlicher Richtung über Prato, wo wir die stattlichen Überreste einer Burg bestiegen und aus der Höhe auf die Silhouette der Stadt zurückblickten, die uns zusammengeführt hatte.
In Lucca bestiegen wir einen Turm, auf dem ein Wäldchen von Steineichen den Betrachtern der rotgeziegelten Dächer Schatten bietet. Für uns zwei Zusammengeworfene war es ein Blick auf die Landkarte unserer Zukunft, wir sogen uns voll mit der Fülle des Möglichen, vertrauensvoll lag Taliyahs Kopf an meiner Schulter, sie sah mich glücklich an, ihre dunklen Augen mit den blauen Einsprengseln („My mother was Danish“) lachten, ihre Lippen lösten sich von einander und gaben den Glanz der Verheißung frei.
Bei Tirrenia gelangten wir ans Meer; Taliyah hatte sich durch den Namen angezogen gefühlt, aber wir mussten feststellen, dass es sich um einen Fall von vergangener Pracht handelte: Leer stehende Hotels, verödete Baustellen und ein von Felsen versperrter Strand waren nicht dazu angetan, uns zu fesseln. Wir fuhren südwärts in die Nähe von Piombino, wo wir im Albergo Etruria ein schlichtes und familiäres Quartier fanden. Großvater und Großmutter hüteten einen rotzfrechen Vierjährigen, an der Wand im Wohnzimmer hing eine feuerrote Moto Guzzi Falcone, und vom Frühstücksplatz aus überblickte man den lachenden Golf von Baratti.
Das Essen war gut im Albergo Etruria, aber nachdem wir zweimal dort gegessen hatten, sehnten wir uns nach Abwechslung und erhielten die Adresse eines Freundes von Emilio, der Gäste zu einem privaten Abendessen bewillkommnete. Es gab weder Karte noch Rechnung, aber einen vorzüglichen Brotsalat, delikate Lammleber mit Salbei und Minze und Mandelplätzchen, in Abendmahlswein zu stippen. Alles hätte wunderschön sein können – wenn nicht Taliyah plötzlich die Hand auf den Mund gepresst hätte, um einen Aufschrei zu ersticken. In einer Gruppe neuer Gäste hatte sie Earl entdeckt, der mit weit ausholenden Bewegungen seiner schlanken Hände dozierte. Ich beobachtete ihn, aber er schaute nicht zu uns herüber. Wir legten Geld auf den Tisch und verließen den Garten so, dass wir das Blickfeld der lachend um ein dickes Baby und seine madonnenhafte Mutter sich scharenden Gruppe vermieden.
„Warum hast du solche Angst vor Earl?“ Diese Frage stellte ich ich ihr, und sie begann zu erzählen. Sie entrollte das Panorama einer leidenschaftlichen Liebe, die nach drei Jahren in Hass umgeschlagen war. „Ich studierte noch in Yale und habe ihn bewundert, wie er uns mitriss in einer Rede, die den Burgfrieden mit den Weißen endgültig aufkündigte und die sogar Martin Luther King als uncle Tom verächtlich machte, aber ich habe ihn auch begehrt – am meisten wegen seiner Hände, du hast sie gesehen. Ich meldete mich für einen von ihm geleiteten Kurs, war dort die einzige Kaukasierin, er wollte meine Motive kennenlernen, behielt mich nach dem Unterricht da – und lernte sie kennen. Es war eine Leidenschaft, wie sie wohl nur zwischen so unterschiedlichen Menschen entbrennen kann, wir glaubten, sie durch die Ehe bändigen und kanalisieren zu können, aber dieser äußere Zwang hatte nur eine Folge: Dass wir einander zu hassen begannen, und das mit derselben Inbrunst, mit der wir einander vorher liebten. Hast du schon erlebt, dass Hass die Grundlage sexueller Vereinigung werden kann? Ich habe es nicht einmal, ich habe es hundertmal erlebt und bin aus dieser Hölle schließlich hierher geflohen in der Hoffnung, Abstand zu gewinnen und loszukommen von ihm.“
Wir durchwanderten die etruskische Gräberstätte von San Cerbone und betraten die tomba dei carri, die nach bronzenen Kampfwagen heißt, die hier als Grabbeigaben gefunden wurden. Taliyah erfüllte der Tuffsockel, auf dem der zu Bestattende einst abgelegt worden war, mit makabrer Sehnsucht: Hier würde auch sie gern ausruhen wollen, murmelte sie. Hinaustretend bestaunten wir die von den alten Etruskern gefügten Steinmauern, die Taliyah an peruanisches Mauerwerk erinnerten, wie sie es in den Anden gesehen hatte: Die Steine waren mit ähnlicher Präzision lückenlos und unvermörtelt miteinander verfugt. „Was war der Grund für euern Hass?“ „Es war nicht unserer, es war vor allem seiner, aber wie in Notwehr erwachte auch meiner. Er behauptete, mein Urgroßvater, der bis zum Ende der dänischen Herrschaft eine Zuckerplantage auf Saint Croix besaß, sei Sklavenhalter gewesen. Von dort stammten auch seine, Earls, Vorfahren, und alles Unrecht, das die weiße Rasse der schwarzen angetan hat, schien sich wie durch ein Brennglas für ihn auf mich zu bündeln, an mir, seiner Geliebten, wollte er das Unsägliche rächen, das ihm und seinen Vorfahren angetan worden war, besonders einer Urgroßmutter: Sie war wegen einer Bagatelle ausgepeitscht worden, bis sie ihre Leibesfrucht verlor, und die hatte man den Hunden vorgeworfen. An mir war es, diese Rache zuzulassen, damit sie nicht andere traf – und um ihn durch das Übermaß der mir zugefügten Qualen ins Unrecht zu setzen.“
Ich begriff nicht, warum eine solche Rache an einem Menschen vollzogen werden muss, den man liebt; aber ich wagte danach nicht zu fragen, allzu tief war ich in Taliyahs Lebensschicksal nun schon eingedrungen, es erschien mir indiskret, mehr wissen zu wollen, und ich wollte auch den Anschein jener lächerlichen Eifersucht vermeiden, die sich auf längst Vergangenes bezieht. Sie aber las mir meine Fragen an den Augen ab, und dass ich sie nicht aussprach, rührte sie, wir küssten uns, unsere Zungen taten Sinnvolleres als reden, wir verzogen uns in den Schatten des Mimosengebüschs, sie genoss das Entzücken, das sie in mir auslöste, ich delirierte im krausen Kastaniengewölk ihrer aus Schläfen und Nacken mit Urgewalt hervorbrechenden Locken und wurde ihr Mann ohne Priester und Standesamt.
„Vieles, was wir mit den Römern in Verbindung bringen,“ erklärte uns tags darauf eine deutsche Kunstgeschichtsstudentin, „die Vogelschau der haruspices, die Betrachtung und Ausdeutung der Leber des Opfertiers, das Umwinden der Äxte mit fasces, Reisern, sind Übernahmen etruskischen Brauchtums, wobei auch die Etrusker es nicht erfunden haben müssen, stammen sie doch ursprünglich aus dem Orient und waren dort mannigfachen Beeinflussungen ausgesetzt, so der babylonischen. Die Sehnsucht danach, für politisches Verhalten eine wissenschaftliche Grundlage zu finden, ist uralt und auch heute noch lebendig, denken Sie nur an den wissenschaftlichen Sozialismus, der seine Politik für dialektisch-marxistisch abgesichert hält.“
Hier zwinkerte sie mir auf eine Weise zu, die offen ließ, ob ihre Worte als Kritik oder als Propaganda zu verstehen waren. Ich bemerkte Taliyahs fassungslosen Blick, und als sie sich kurz darauf entschuldigte, die niederkeulende Sonne sei ihr trotz des Strohhuts zu heiß, sie wolle sich hinlegen, fand ich den Vortrag unserer Führerin zu interessant, um sie zu begleiten. Nach einer Stunde zurückkehrend, hörte ich Taliyah schon durch die Zimmertür weinen. „Was musst du dieses Mädchen anschmachten wie ein Schuljunge?“, schrie sie mich an, als ich hereinkam. „Du bist auch nicht besser als Dario, der sich in Brunilda mit ihren schwarzen Zähnen verknallt, ich hasse dich und es ekelt mich vor dir schon jetzt, denn ich weiß genau, du willst mich nur erniedrigen, und bitte, bitte, so tu’s doch, glaubst du etwa, mir macht’s was aus?“ Und ruhte nicht, bis sie mich in die Rolle des hassenden und zerstörerischen Liebhabers gedrängt hatte, bis ich vollzog, wofür ich mich von ihr verachtet wusste. Verwirrt und gedemütigt meinerseits floh ich aus dem Albergo Etruria.
Ich irrte die Nacht über durch den Pinienwald an der Küste, versuchte Schlaf zu finden, aber die diamantenen Sterne durchstachen mir die Augenlider. Morgens kehrte ich ins Hotel zurück – und fand Taliyah blutüberstömt auf ihrem Bett, den Leib mit einem langen Schnitt geöffnet, tot. Völlig verstört hob ich sie auf die Arme, trug sie, von der gelähmt mich anstarrenden Wirtsfamilie unbehindert, an der feuerroten Moto Guzzi Falcone vorbei hinüber nach San Cerbone und legte sie auf den Tuffsockel in der tomba dei carri.
Hier blieb ich, bis ich verhaftet wurde.
Jeder angehende Jurist lernt im ersten Semester, dass ein Geständnis kein Beweis ist. Aber in einem Land, das so auf Tourismus angewiesen ist wie Italien, werden Verbrechen an Touristen schnell und drakonisch bestraft. Der Staatsanwalt war froh, in mir einen geständigen Täter zu haben, und als ich zu Lebenslänglich verurteilt wurde, erfüllte mich tiefe Befriedigung, denn ich vollzog ein Vermächtnis Taliyahs: Es war jetzt an mir, die Rache zuzulassen, damit sie nicht andere traf, und den Rächer zu decken. Ein Detail wurde von der Boulevardpresse ungebührlich aufgebauscht: Der Toten war die Leber entnommen worden. Sie wurde erst Wochen nach dem Verbrechen in der tomba dei carri gefunden, verfärbt und geschrumpft zu einer schwarzen Faust.
Nachtragen will ich noch, dass mir ein gutes Dutzend Jahre später der Besuch eines Mannes mit Namen Yusuf al-Nadim angekündigt wurde. Da ich ihn nicht kannte, befürchtete ich, es könnte ein Klatschreporter unter diesem Namen sich an mich heranpirschen wollen – dann überwog aber doch die Neugier, und schon wenige Minuten später umschloss eine schlanke Hand die meine. Er sei gekommen, um mir seinen Dank und seine Hochachtung auszusprechen. Bevor wir auseinander gingen, umarmten wir uns.
Erstfassung:
Die Nekropole von Populonia am Golf von Baratti war der Schauplatz der nachfolgend berichteten Ereignisse, die mich in die Mediceerfestung von Volterra gebracht haben – ob verdienter- oder unverdientermaßen, wage ich nicht zu entscheiden. Dankenswerter Weise verweigert man mir nicht Block und Bleistift. Und auf die Gefahr hin, als einer der vielen zu erscheinen, die sich darüber beklagen, sie säßen zu Unrecht ein, will ich, nachdem ich hier ein halbes Menschenleben verbrachte, aufzeichnen, was sich damals zutrug.
Ich war nach Populonia mit einem Mädchen geflohen, das ich in Florenz wenige Jahre nach dem verheerenden Arnohochwasser im Schatten des Barghello kennen- und lieben lernte. Taliyah fühlte sich bedroht von ihrem Mann, der ihr aus den Staaten nachgereist war und beobachtet hatte, dass sie zu Dario, einem Studenten, der in den Straßen zur Gitarre sang, in einem zärtlichen Verhältnis stand. „Dario sprach kein Wort englisch, ich kein Wort Italienisch, das war die ideale Grundlage für eine Sommerliebschaft,“ erklärte sie mir. Warum sie nicht mit ihm geflohen sei? Sie habe ihm ihr Problem nicht mitteilen können, und obgleich er die Angst, mit der sie das Auftauchen Earls im Kreis der Fans wahrnahm, kaum übersehen konnte, schien er Komplikationen aus dem Weg gehen zu wollen und freundete sich mit einer Deutschen an.
Ich benutzte einen Trick, dessen ich mich alsbald schämte. Ich eröffnete Taliyah, ich könne meinen Citroen nicht wiederfinden. Ich hätte ihn in einer Seitengasse nicht weit von San Lorenzo abgestellt. Dabei stand er nicht weit vom Bahnhof, aber dort suchend hätten wir ihn viel zu schnell gefunden. So durchkämmten wir stundenlang die Altstadt, entdeckten hunderterlei verborgene Schönheiten, die in keinem Touristenführer stehen, und ich sah mich nicht satt, sondern immer hungriger an der braun gebrannten Malibu-Schönheit meiner kalifornischen Begleiterin. Da sie es nicht wagte, in ihr Hotel zurückzukehren, wo Earl sich bereits eingenistet hatte, war sie dankbar, mit zu mir kommen zu können ins Cinque Arance, das zwischen spitzwinklig zusammenlaufenden Gassen lag, durch die die Moto Guzzi nächtlicher Kavaliere donnerten. Wir gossen Wasser auf den Fliesenboden, damit seine Verdunstung den Raum ein wenig kühlte, schliefen in getrennten Betten in der beunruhigenden Gewissheit, mehr zu einander zu gehören, als es sich für eine Ferienliebe geziemt.
Am Morgen gestand ich Taliyah die Täuschung. Sie lächelte, schüttelte den Kopf und sagte, sie habe sich sowas schon gedacht, sei aber durch meine nachts bewiesene Zurückhaltung so von mir angetan, dass sie mit mir zusammen bleiben wolle. Ob wir Florenz nicht verlassen und Orte aufsuchen könnten, an denen sie vor Earl sicherer sei. Als ich ihr die vernarbten Lausbubenknie küsste und einwilligte, gab sie mir die Adresse ihres Hotels und den Zimmerschlüssel, ich ging hin, packte ihre Wäsche, ihre Blusen und Hosen und ihr Waschzeug zusammen (ich gestehe, ich habe mein Gesicht in eins ihrer Hemden gepresst), beglich die Hotelrechnung, und unsere Reise ging los. Wir verließen Florenz gen Westen über die alte Textilstadt Prato, wo wir die stattlichen Überreste der Stauferburg mit ihren ghibellinischen Zinnen bestiegen und aus der Höhe auf die Silhouette der Mediceermetropole zurückblickten, die uns zusammengeführt hatte.
In Lucca bestiegen wir den Torre Guinigi, auf dem ein Wäldchen von Steineichen den Betrachtern der rotgeziegelten Dächer denselben Schatten bietet wie einst Castruccio Castracani, dem grausamen Herrscher der Stadt. Für uns zwei Zusammengeworfene war es ein Blick auf die Landkarte unserer Zukunft, wir sogen uns voll mit der Fülle des Möglichen, vertrauensvoll lag Taliyahs Kopf an meiner Schulter, sie sah mich glücklich an, ihre dunklen Augen mit den blauen Einsprengseln („My mother was Danish“) lachten, ihre Lippen lösten sich von einander und gaben den Glanz der Verheißung frei.
Bei Tirrenia gelangten wir ans Meer; Taliyah hatte sich durch den Namen und durch die Nähe zu den Marmorbrüchen von Carrara angezogen gefühlt, aber wir mussten feststellen, dass es sich um einen Fall von vergangener Pracht handelte: Leer stehende Hotels, verödete Baustellen und ein von Felsen versperrter Strand waren nicht dazu angetan, uns zu fesseln. Bei einem Paar, bleich und düster wie Herbergsvater und –mutter einer Hadesabsteige, fanden wir ein entsprechend nüchternes Zimmer, in dem nur für das Nötigste gesorgt war. Beklommen lagen wir auf den Betten, betrachteten die magermilchblaue Zimmerdecke, erforschten erneut das Mögliche und fanden es auf unerträgliche Weise eingeschränkt. An den Wänden entdeckten wir die Schatten und Haken abgehängter Bilder. „Nein, hier bleiben wir nicht!“, fanden wir mit fröhlicher Gleichzeitigkeit heraus, gaben Schlüssel und Handtücher an Hades und Persephone zurück und fuhren südwärts bis in die Nähe der Erzstadt Piombino, wo wir im Albergo Etruria ein schlichtes und familiäres Quartier fanden. Großvater und Großmutter hüteten einen rotzfrechen Vierjährigen, an der Wand im Wohnzimmer hing als Devotionalie eine feuerrote Moto Guzzi Falcone und harrte der Anbetung, und vom Frühstücksplatz aus überblickte man den lachenden Golf von Baratti.
Das Essen war gut im Albergo Etruria, rührend besorgt präsentierte uns Emilio, der Wirt, eine Flasche Triestiner Bier wie eine Weinflasche zur Begutachtung von Jahrgang und Wachstum. Aber nachdem wir zweimal dort gegessen hatten, sehnten wir uns nach Abwechslung und erhielten die Adresse eines Freundes von Emilio, der Gäste zu einem privaten Abendessen bewillkommnete. Es gab weder Karte noch Rechnung, aber panzanella, einen vorzüglichen Brotsalat, delikaten fegato alla Toscana mit Salbei und Minze und cantuccini, Mandelplätzchen, in vino santo, Abendmahlswein, zu stippen, zum Abschluss. Alles hätte wunderschön sein können – wenn nicht Taliyah plötzlich die Hand auf den Mund gepresst hätte, um einen Aufschrei zu ersticken. In einer Gruppe neuer Gäste hatte sie Earl entdeckt, der mit weit ausholenden Bewegungen seiner überschlanken Hände dozierte. Ich beobachtete ihn, aber er schaute nicht zu uns herüber. Wir legten Geld auf den Tisch und verließen den Garten so, dass wir das Blickfeld der lachend um ein dickes Baby und seine madonnenhafte Mutter sich scharenden Gruppe vermieden.
„Warum hast du solche Angst vor Earl?“ Diese Frage stellte ich ich ihr, und sie begann zu erzählen. Sie entrollte das Panorama einer leidenschaftlichen Liebe, die nach drei Jahren in Hass umgeschlagen war. „Ich studierte noch in Yale und habe ihn bewundert, wie er uns mitriss in einer Rede, die den Burgfrieden mit den Weißen endgültig aufkündigte und die sogar den großen Martin Luther King als uncle Tom verächtlich machte, aber ich habe ihn auch begehrt – am meisten wegen seiner überschlanken Hände, du hast sie gesehen. Ich meldete mich für einen von ihm geleiteten Kurs, war dort die einzige Kaukasierin, er wollte meine Motive kennenlernen, behielt mich nach dem Unterricht da – und lernte sie kennen. Es war eine Leidenschaft, wie sie wohl nur zwischen so unterschiedlichen Menschen entbrennen kann, wir glaubten sie durch die Ehe bändigen und kanalisieren zu können, aber dieser äußere Zwang hatte nur eine Folge: Dass wir einander zu hassen begannen, und das mit derselben Inbrunst, mit der wir einander vorher liebten. Hast du schon erlebt, dass Hass die Grundlage sexueller Vereinigung werden kann? Ich habe es nicht einmal, ich habe es hundertmal erlebt und bin aus dieser Hölle schließlich hierher geflohen in der Hoffnung, Abstand zu gewinnen und loszukommen von ihm.“
Wir durchwanderten die Nekropole von San Cerbone und betraten die tomba dei carri, die nach den bronzenen Kampfwagen heißt, die hier als Grabbeigaben gefunden wurden. Taliyah erfüllte der Tuffsockel, auf dem der zu Bestattende einst abgelegt worden war, mit makabrer Sehnsucht: Hier würde auch sie gern ausruhen wollen, murmelte sie. Hinaustretend bestaunten wir die wundersam von den alten Etruskern gefügten Steinmauern, die Taliyah an peruanisches Inkamauerwerk erinnerten, wie sie es in Cuzco hoch in den Anden zu bewundern Gelegenheit gehabt hatte: Die Steine waren mit ähnlicher Präzision lückenlos und unvermörtelt miteinander verfugt. „Was war der Grund für euern Hass?“ „Es war nicht unserer, es war vor allem seiner, aber wie in Notwehr entbrannte auch der meine. Er behauptete, mein Urgroßvater, der bis zum Ende der dänischen Herrschaft eine Zuckerplantage auf Saint Croix besaß, sei Sklavenhalter gewesen. Von dort stammten auch seine, Earls, Vorfahren, und alles Unrecht, das die weiße Rasse der schwarzen angetan hat, schien sich wie durch ein Brennglas für ihn auf mich zu bündeln, an mir, seiner Geliebten, wollte er das Unsägliche rächen, das ihm und seinen Vorfahren angetan worden war, besonders einer Urgroßmutter, die ausgepeitscht worden war, bis sie ihre Leibesfrucht verlor, die man den Hunden vorwarf. An mir war es, diese Rache zuzulassen, damit sie nicht andere traf – und um ihn durch das Übermaß der mir zugefügten Qualen ins Unrecht zu setzen.“
Ich begriff nicht, warum eine solche Rache an einem Menschen vollzogen werden muss, den man liebt; aber ich wagte danach nicht zu fragen, allzu tief war ich in Taliyahs Lebensschicksal nun schon eingedrungen, und es erschien mir indiskret, ja, mit dem Anschein jener lächerlichen Eifersucht, die sich auf längst Vergangenes bezieht, behaftet, mehr wissen zu wollen. Sie aber las mir meine Fragen an den Augen ab, und dass ich sie nicht aussprach, rührte sie, wir küssten uns, unsere Zungen taten Sinnvolleres als reden, wir verzogen uns in den Schatten des gelb blühenden Mimosengebüschs, sie genoss das Entzücken, das ihre braun gebrannte Malibu-Schönheit in mir auslöste, ich delirierte im krausen Kastaniengewölk ihrer aus Schläfen und Nacken mit Urgewalt hervorbrechenden Locken und wurde ihr Mann ohne Priester und Standesamt.
„Vieles, was wir mit den Römern in Verbindung bringen,“ erklärte uns tags darauf die glutäugige Führerin der Touristengruppe durch die Nekropole, „die Vogelschau der haruspices, die Betrachtung und Ausdeutung der Leber des Opfertiers, das Umwinden der Äxte mit fasces, Reisern, sind Übernahmen etruskischen Brauchtums, wobei auch die Etrusker es nicht erfunden haben müssen, stammen sie doch ursprünglich aus dem Orient und waren dort mannigfachen Beeinflussungen ausgesetzt, so der babylonischen. Die Sehnsucht danach, für politisches Verhalten eine wissenschaftliche Grundlage zu finden, ist uralt und auch heute noch lebendig, denken Sie nur an den wissenschaftlichen Sozialismus, der seine Politik für dialektisch-marxistisch abgesichert hält.“
Hier zwinkerte und lächelte sie mir mit ihren Kohleaugen auf eine Weise zu, die offen ließ, ob ihre Worte als Kritik oder als Propaganda zu verstehen waren. Ich bemerkte Taliyahs fassungslosen Blick, und als sie sich kurz darauf entschuldigte, die niederkeulende Sonne sei ihr trotz des Strohhuts zu heiß, sie wolle sich hinlegen, fand ich den Vortrag unserer Führerin zu interessant, um sie zu begleiten. Nach einer Stunde zurückkehrend, hörte ich Taliyah schon durch die Zimmertür weinen. „Was musst du diese italienische Geierin anschmachten wie ein Schuljunge?“, schrie sie mich an, als ich hereinkam. „Du bist auch nicht besser als Dario, der sich ausgerechnet in Brunilda, this kraut bimbo, mit ihren schwarzen Zähnen verknallt, ich hasse dich und es ekelt mich vor dir schon jetzt, denn ich weiß genau, du willst mich nur erniedrigen, und bitte, bitte, so tu’s doch, glaubst du etwa, mir macht’s was aus?“ Und ruhte nicht, bis sie mich in die Rolle des hassenden und zerstörerischen Liebhabers gedrängt hatte, bis ich vollzog, wofür ich mich von ihr verachtet wusste. Verwirrt und gedemütigt nun meinerseits floh ich aus dem Albergo Etruria.
Ich irrte die Nacht über durch die pineta an der Küste, versuchte Schlaf zu finden, aber die diamantenen Sterne durchstachen mir die Augenlider. Morgens kehrte ich ins Hotel zurück – und fand Taliyah blutüberstömt auf ihrem Bett, den Leib mit einem langen Schnitt geöffnet, tot. Fast wahnsinnig vor Entsetzen hob ich sie auf die Arme, trug sie, von der gelähmt mich anstarrenden Wirtsfamilie unbehindert, an der feuerroten Moto Guzzi Falcone vorbei hinüber nach San Cerbone und legte sie ab auf dem Katafalk aus Tuffstein in der tomba dei carri.
Hier blieb ich fassungslos vor ihr knien, bis ich verhaftet wurde.
Jeder angehende Jurist lernt im ersten Semester, dass ein Geständnis kein Beweis ist. Aber in einem Land, das so auf Tourismus angewiesen ist wie Italien, werden Verbrechen an Touristen schnell und drakonisch bestraft. Der procuratore war froh, in mir einen geständigen Täter zu haben, und als ich a vita verurteilt wurde, erfüllte mich tiefe Befriedigung, denn ich vollzog ein Vermächtnis Taliyahs: Es war jetzt an mir, die Rache zuzulassen, damit sie nicht andere traf, und den Rächer zu decken. Ein düsteres Detail wurde von der Boulevardpresse ungebührlich aufgebauscht: Der Toten war die Leber entnommen worden. Sie wurde erst Wochen nach dem Verbrechen in der tomba dei carri gefunden, verfärbt und geschrumpft zu einer schwarzen Faust.
Nachtragen will ich noch, dass mir ein gutes Dutzend Jahre später der Besuch eines Mannes mit Namen Yusuf al-Nadim angekündigt wurde. Da ich ihn nicht kannte, befürchtete ich, es könnte ein Klatschreporter unter diesem Namen sich an mich heranpirschen wollen – dann überwog aber doch die Neugier, und schon wenige Minuten später umschloss eine wundervoll schlanke Hand die meine. Er sei gekommen, um mir seinen Dank und seine Hochachtung auszusprechen. Und dann verriet er mir das Kennwort derer, denen die Zukunft gehört.
1. Änderung: "Romantische Flucht" gestrichen, Schreibfehler verbessert.
2. Änderung: Neufassung eingestellt
Die Kalifornierin
Hallo Quoth.
Für mich ist dieser Teil des ersten Bandwurmsatzes charakteristisch für den ganzen Text, den ich als "bildungsbürgerlich spießig" bezeichnen würde. Oder wurde einfach eine Story in einen Reiseführer gepresst? Dieser Stil verursacht für mich zwei Probleme, zum einen eine Schwächung der Glaubwürdiglkeit der Protagonisten (Statusinkongruenzen) und zum anderen lässt er mich als Leser außen vor der Erzählung. Diese "Settingkompresse" lässt mich völlig kalt und versetzt mich nicht dorthin, ein winziges Banaldetail würde viel mehr leisten als zehn Seiten Marco Polo.
aufschreiben/aufzeigen, wieso zeichnen?
Warum erst nach einem halben Leben? Eigentlich hätte der Druck doch anfänglich noch größer sein müssen?
Diese großväterliche Rauschebart-Erzähl-Rahmenstruktur finde ich überdies nicht sonderlich originell.
Schade, dass das so ein Klischeestrotzbild ist, sonst hätte es mir gut gefallen.
Ich denke, da hatte sich der Earl schon eingenistet? Und dieses etwas abgestoßene Bild vom "Gesicht in die Wäsche drücken" passt darob nicht recht zur Dynamik/Aufregung der Situation (Mr. Brav hätte doch sicher schnell raus gewollt?).
"vernarbte Knie küssen" gefällt mir ausgezeichnet...
Auch lustig, dass der Satz mit Kien beginnt und "ging los" endet. Trotzdem ein unsäglicher Hickhackwurmsatz.
Ich weiß, ich bin nicht der sensibelste beim Lesen und dichte Hühnerleerstellen nicht das Universum an, aber heißa!, schmeiße solche Erklärungen raus!
Was bringt der Ausflug ins Kulinarische der Geschichte? Da schlafft der Bogen ab.
"bewillkommnete" ist nicht dein Ernst, oder?
Ab wann sind Hände als "überschlank" zu bezeichnen?
das dritte Mal "Nekropole" da helfen auch Glutaugen nicht über Langeweile hinweg.
Kohleglut sozusagen?
So spricht doch keiner in erregtem Zustand
Fremdenführer raus, Figurenzeichnung rein, Erklärungen raus, Details rein...
In der vorliegenden Form kannst du mich leider nicht als Leser binden, was eigentlich schade ist, weil der Plot bei einer weniger oberflächlichen Erzählweise durchaus Potenzial hat.
LG
Nifl
Die Nekropole von Populonia am Golf von Baratti war der Schauplatz der nachfolgend berichteten Ereignisse, die mich in die Mediceerfestung von Volterra gebracht haben
Für mich ist dieser Teil des ersten Bandwurmsatzes charakteristisch für den ganzen Text, den ich als "bildungsbürgerlich spießig" bezeichnen würde. Oder wurde einfach eine Story in einen Reiseführer gepresst? Dieser Stil verursacht für mich zwei Probleme, zum einen eine Schwächung der Glaubwürdiglkeit der Protagonisten (Statusinkongruenzen) und zum anderen lässt er mich als Leser außen vor der Erzählung. Diese "Settingkompresse" lässt mich völlig kalt und versetzt mich nicht dorthin, ein winziges Banaldetail würde viel mehr leisten als zehn Seiten Marco Polo.
will ich, nachdem ich hier ein halbes Menschenleben verbrachte, aufzeichnen, was sich damals zutrug.
aufschreiben/aufzeigen, wieso zeichnen?
Warum erst nach einem halben Leben? Eigentlich hätte der Druck doch anfänglich noch größer sein müssen?
Diese großväterliche Rauschebart-Erzähl-Rahmenstruktur finde ich überdies nicht sonderlich originell.
durch die die Moto Guzzi nächtlicher Kavaliere donnerten.
Schade, dass das so ein Klischeestrotzbild ist, sonst hätte es mir gut gefallen.
ich ging hin, packte ihre Wäsche, ihre Blusen und Hosen und ihr Waschzeug zusammen (ich gestehe, ich habe mein Gesicht in eins ihrer Hemden gepresst), beglich die Hotelrechnung,
Ich denke, da hatte sich der Earl schon eingenistet? Und dieses etwas abgestoßene Bild vom "Gesicht in die Wäsche drücken" passt darob nicht recht zur Dynamik/Aufregung der Situation (Mr. Brav hätte doch sicher schnell raus gewollt?).
Als ich ihr die vernarbten Lausbubenknie küsste und einwilligte, gab sie mir die Adresse ihres Hotels und den Zimmerschlüssel, ich ging hin, packte ihre Wäsche, ihre Blusen und Hosen und ihr Waschzeug zusammen (ich gestehe, ich habe mein Gesicht in eins ihrer Hemden gepresst), beglich die Hotelrechnung, und unsere Reise, die zugleich auch eine romantische Flucht war, ging los.
"vernarbte Knie küssen" gefällt mir ausgezeichnet...
Auch lustig, dass der Satz mit Kien beginnt und "ging los" endet. Trotzdem ein unsäglicher Hickhackwurmsatz.
die zugleich auch eine romantische Flucht war
Ich weiß, ich bin nicht der sensibelste beim Lesen und dichte Hühnerleerstellen nicht das Universum an, aber heißa!, schmeiße solche Erklärungen raus!
Das Essen war gut im Albergo Etruria, rührend besorgt präsentierte uns Emilio, der Wirt, eine Flasche Triestiner Bier wie eine Weinflasche zur Begutachtung von Jahrgang und Wachstum. Aber nachdem wir zweimal dort gegessen hatten, sehnten wir uns nach Abwechslung und erhielten die Adresse eines Freundes von Emilio, der Gäste zu einem privaten Abendessen bewillkommnete.
Was bringt der Ausflug ins Kulinarische der Geschichte? Da schlafft der Bogen ab.
"bewillkommnete" ist nicht dein Ernst, oder?
der mit weit ausholenden Bewegungen seiner überschlanken Hände dozierte.
Ab wann sind Hände als "überschlank" zu bezeichnen?
Touristengruppe durch die Nekropole,
das dritte Mal "Nekropole" da helfen auch Glutaugen nicht über Langeweile hinweg.
Hier zwinkerte und lächelte sie mir mit ihren Kohleaugen
Kohleglut sozusagen?
denn ich weiß genau,
So spricht doch keiner in erregtem Zustand
Fremdenführer raus, Figurenzeichnung rein, Erklärungen raus, Details rein...
In der vorliegenden Form kannst du mich leider nicht als Leser binden, was eigentlich schade ist, weil der Plot bei einer weniger oberflächlichen Erzählweise durchaus Potenzial hat.
LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
- allerleirauh
- Beiträge: 766
- Registriert: 26.06.2010
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hallo quoth,
mich fasziniert diese deine geschichte. ich habe sie bereits mehrfach gelesen, aber es fällt mir wirklich schwer, eine nützliche rückmeldung zu geben. nun, da nifl einen anfang gemacht hat, will ich einfach ein paar der gedanken, die mich im zusmamenhang mit dem text beschäftigen, aufschreiben. das wird jetzt ein bisschen ungeordnet, fürchte ich.
zunächst: ich habe kürzlich "sommerlügen" von schlink gelesen. der zurückgenommene, teilweise dozierende, erzählduktus deines textes erinnert mich an schlink. ich finde, dass er, der duktus, "der kalifornierin" gut zu gesicht steht, auch, wenn er mich als leserin fast automatisch auf distanz hält.
im gegensatz zu nifl sehe ich im ersten (und letzten) abschnitt einen bewusst gewählten rahmen, der den text für mich a. in die nähe der novelle (?) rückt und der b. bewirkt, dass ich das geschehen bereits zu beginn der rezeption als wirklich außergewöhnlich und einmalig einordne, was erneut für das genre der novelle spräche.
die italienischen ortsnamen geben dem text einerseits ein bestimmtes kolorit, das mir generell reizvoll erscheint, nach der lektüre der ersten abschnitte habe ich mich allerdings vollständig überfressen an den wohlklingenden bezeichnungen und der reiseführerton, so informativ er auch sein mag, beginnt mich zu nerven. wie ein von TUI durch rom geschlepptwerdender touri kann ich nur eine begrenzte menge an fakten und eindrücken fassen, in verbindung bringen und miteinander kombinieren.
einige im text enthaltene bezüge zur griechischem mythologie (z.b. die "hadesabsteige" - "hades und persephone") kommen mir persönlich zu bemüht daher. ich werde als leser unsicher und frage mich, in welche richtung der guide mich zu drängen sucht.
ich kann verstehen und nachempfinden, wie der ich-erzähler sich in taliyah ("lamm") verliebt, aber was ich beim besten willen nicht kapiere, sind die handlungsmotive von earl. warum rächt er die ungerechtigkeiten, die angeblich seinen vorfahren widerfuhren, ausgerechnet an der eigenen ehefrau? weil er komplett wahnsinnig ist?
oder ist sie, taliyah, die eigentlich durchgeknallte? ihr eifersuchtsanfall und ihr wunsch, in der nekropole ein nickerchen halten zu wollen, sprechen fast dafür. der in klammern fast beiläufig erwähnte hinweis auf ihre dänischen wurzeln hingegen, deutet auf den earl.
blutrache also, um die vergangenheit abschließen zu können? vendetta, um die ehre der eigenen familie wiederherzustellen?
und taliyah, wenn sie die pläne des irren geliebten denn wirklich durchschaute, wie es wohl den anschein macht, wusste sie denn keinen planvolleren ausweg, sich seinen nachstellungen zu entziehen? waren ihre kleinen amouren nur winzige versuche, das opfer gewissermaßen zeitlich herauszuzögern?
man vermutet als leser zeitig, dass die geschichte kein gutes ende nehmen wird. der mord findet (nicht unerwartet)statt, die tatsache, dass dem opfer die leber herausgerissen wird, passt perfekt ins düster-antike setting (welch zufall, auch die glutäugige fremdenführerin hatte schon auf das haruspicium verwiesen), galt doch das organ als sitz der niederen instinkte.
dass der ich-erzähler zuguterletzt ein weiteres mehr oder weniger freiwilliges opfer bringt, um den schlankhändigen earl, der schließlich sogar unter vermutlich falschem (arabischen---ist das der entscheidende hinweis?) namen in den knast zu besuch kommt, zu schützen - warum auch immer - ist ein weiteres mysterium des textes, das ich nicht erschließen oder deuten kann.
lg
a
mich fasziniert diese deine geschichte. ich habe sie bereits mehrfach gelesen, aber es fällt mir wirklich schwer, eine nützliche rückmeldung zu geben. nun, da nifl einen anfang gemacht hat, will ich einfach ein paar der gedanken, die mich im zusmamenhang mit dem text beschäftigen, aufschreiben. das wird jetzt ein bisschen ungeordnet, fürchte ich.
zunächst: ich habe kürzlich "sommerlügen" von schlink gelesen. der zurückgenommene, teilweise dozierende, erzählduktus deines textes erinnert mich an schlink. ich finde, dass er, der duktus, "der kalifornierin" gut zu gesicht steht, auch, wenn er mich als leserin fast automatisch auf distanz hält.
im gegensatz zu nifl sehe ich im ersten (und letzten) abschnitt einen bewusst gewählten rahmen, der den text für mich a. in die nähe der novelle (?) rückt und der b. bewirkt, dass ich das geschehen bereits zu beginn der rezeption als wirklich außergewöhnlich und einmalig einordne, was erneut für das genre der novelle spräche.
die italienischen ortsnamen geben dem text einerseits ein bestimmtes kolorit, das mir generell reizvoll erscheint, nach der lektüre der ersten abschnitte habe ich mich allerdings vollständig überfressen an den wohlklingenden bezeichnungen und der reiseführerton, so informativ er auch sein mag, beginnt mich zu nerven. wie ein von TUI durch rom geschlepptwerdender touri kann ich nur eine begrenzte menge an fakten und eindrücken fassen, in verbindung bringen und miteinander kombinieren.
einige im text enthaltene bezüge zur griechischem mythologie (z.b. die "hadesabsteige" - "hades und persephone") kommen mir persönlich zu bemüht daher. ich werde als leser unsicher und frage mich, in welche richtung der guide mich zu drängen sucht.
ich kann verstehen und nachempfinden, wie der ich-erzähler sich in taliyah ("lamm") verliebt, aber was ich beim besten willen nicht kapiere, sind die handlungsmotive von earl. warum rächt er die ungerechtigkeiten, die angeblich seinen vorfahren widerfuhren, ausgerechnet an der eigenen ehefrau? weil er komplett wahnsinnig ist?
oder ist sie, taliyah, die eigentlich durchgeknallte? ihr eifersuchtsanfall und ihr wunsch, in der nekropole ein nickerchen halten zu wollen, sprechen fast dafür. der in klammern fast beiläufig erwähnte hinweis auf ihre dänischen wurzeln hingegen, deutet auf den earl.
blutrache also, um die vergangenheit abschließen zu können? vendetta, um die ehre der eigenen familie wiederherzustellen?
und taliyah, wenn sie die pläne des irren geliebten denn wirklich durchschaute, wie es wohl den anschein macht, wusste sie denn keinen planvolleren ausweg, sich seinen nachstellungen zu entziehen? waren ihre kleinen amouren nur winzige versuche, das opfer gewissermaßen zeitlich herauszuzögern?
man vermutet als leser zeitig, dass die geschichte kein gutes ende nehmen wird. der mord findet (nicht unerwartet)statt, die tatsache, dass dem opfer die leber herausgerissen wird, passt perfekt ins düster-antike setting (welch zufall, auch die glutäugige fremdenführerin hatte schon auf das haruspicium verwiesen), galt doch das organ als sitz der niederen instinkte.
dass der ich-erzähler zuguterletzt ein weiteres mehr oder weniger freiwilliges opfer bringt, um den schlankhändigen earl, der schließlich sogar unter vermutlich falschem (arabischen---ist das der entscheidende hinweis?) namen in den knast zu besuch kommt, zu schützen - warum auch immer - ist ein weiteres mysterium des textes, das ich nicht erschließen oder deuten kann.
lg
a
Hallo Quoth,
es hat mir großes Vergnügen bereitet, die Geschichte zu lesen und mich in sie zu vertiefen. Drei Aspekte haben sich dabei für mich herauskristalisiert, unter denen man die Geschichte betrachten/kritisieren kann:
1. Die Handlung
Der Plot geflällt mir sehr gut. Der Erzähler, dessen Herkunft im Dunkeln bleibt, trifft auf eine kalifornische Schönheit, die auf der Flucht vor ihrem Ehemann ist. In Wirklichkeit aber ist sie auf der Flucht vor dem Schicksal, zu dem sie ausersehen wurde, nämlich ein Opfer zu werden, ein Sühnopfer für vor langer Zeit begangenes Unrecht. Das hat was von klassischer Tragödie und deswegen kann sie ihrem Schicksal auch nicht entfliehen. Am Ende findet sie ihr Mann und bringt sie um. Aber auch der Erzähler findet sich in der Tragödie wieder, ist er doch ab dem Zeitpunkt, in welchem er auf die Frau trifft, nicht mehr Herr seines Schicksals (auch wenn die Illusion für eine kurze Zeit entsteht). Der Eifersuchtsausbruch der Frau wegen einer rassigen Touristenführerin, zieht ihn hinein, in den Strudel aus Liebe, Leidenschaft, Gewalt und Hass, in dem die Frau schon seit Jahren lebt. Am Ende opfert er sich selbst, indem er die Schuld für ein Verbrechen auf sich nimmt, dass er nicht begangen hat, um diesen endlosen Schuld/Opferkreislauf zu durchbrechen. Dass ihm das gelungen ist, wird durch das Ende jedoch in Frage gestellt.
Das ist fein ausgedacht, herrlich doppelbödig und erzeugt eine beklemmende, fast unheimliche Atmosphäre. Die leichte Melodie einer Sommerliebe wird unterlegt mit den schweren Tönen von Rache, Schuld, Schicksal und Tod, ja sie gewinnen am Ende die Überhand und schon beim zweiten Lesen klingt die Sommerliebenmelodie gar nicht mehr so leicht. Wer Geschichten mag, in denen sich urplötzlich Abgründe auftun ( wenn du in einen Abgrund schaust, dann schaut der Abgrund auch immer in dich -Nietzsche ), wird an deinem Text wirklich seine Freude haben.
2. Symbolik
Je öfter man deinen Text liest, um so mehr stößt man auf Dinge, die einen gewissen Symbolcharakter haben. Da wären z.T. die Orte (der Katafalk z.B.) aber auch Namen und Dinge/Handlungen. Ich habe gegooglet. Taliyah bedeutet Tau Gottes oder auch Lamm. Die Entnahme der Leber bei den Toten etc. Soetwas macht einen Text sehr spannend. Es besteht allerdings die Gefahr, dass man sich als Leser darin verzettelt. Es wimmelt im Text ja von Details, wobei einigen eine besondere Betonung zukommt und man berechtigterweise dahinter auch einen Sinn vermutet, so zum Beispiel die mehrfache Erwähnung der Moto Guzzis. Fehlt es einem Leser am nötigen Hintergrundwissen, womöglich sogar an einem Internetzugang, so ist er auf Vermutungen angewiesen und es mag sein, dass er schießlich vor dem Text kapituliert. Ganz so erging es mir nicht, aber ich bin mir dennoch sicher, einiges noch übersehen bzw. nicht verstanden zu haben (so z.B. auch den Schluß), was in mir dann doch ein etwas unbefriedigendes Gefühl erzeugt.
3. Die Sprache
Hiermit habe ich ehrlich gesagt die größten Probleme bei dem Text. Der Erzähler redet in einer altmodischen, z.T. umständlichen, dann wieder recht blumigen Art und Weise. Dazu die genaue Bennung und auch Umschreibung der Orte (Mediccieermetropole z.B.), die mich an Reiseberichte des 19. und frühen 20. Jahrunderts erinnert. Zeitlich lässt sich die Handlung eigentlich ganz gut verorten, durch die Erwähnung von Tourismus und Hotelbauten, Moto Guzzis und Martin Luther King. Ich würde sagen, sie spielt Ende der sechziger, spätestens Anfang der siebziger Jahre. Ist der Zeitpunkt, in dem der Erzähler seine Geschichte aufschreibt heute, dann hat er bisher also ca. 40 Jahre im Gefängnis verbracht, sein halbes Leben, war also zum Tatzeitpunkt irgendwo zwischen 30 und 40 Jahre alt. Nun handelt es sich ja bei ihm offensichtlich um einen sehr bildungsbeflissenen Menchen, aber selbst dafür klingt mir seine Sprache etwas zu abgehoben (kann aber auch wieder Teil der Symbolik des Textes sein. Aber wenn ja, geht es leider zu Lasten des Lesegenusses).
Zudem hebt sich Taliyahs Sprache nur sehr wenig von der des Erzählers ab. Ebenfalls die kurze Passage der Touristenführererin. Auch diese Formulierung könnte direkt vom Erzähler stammen.
Du siehst, einerseits fasziniert mich dein Text, vor allem die Geschichte, die du erzählst und auch die Verästelungen und Hintergründigkeiten. Anderseits erschließt er sich mir nicht ganz, lässt mich mir selbst ein wenig zu ungebildet vorkommen, um ihn wirklich zu verstehen und zu durchschauen. Und letztendlich stört mich die altmodische, z.T. aufgesetzt wirkende Sprache mit jeder Lektüre ein wenig mehr.
Gruß
Sam
es hat mir großes Vergnügen bereitet, die Geschichte zu lesen und mich in sie zu vertiefen. Drei Aspekte haben sich dabei für mich herauskristalisiert, unter denen man die Geschichte betrachten/kritisieren kann:
1. Die Handlung
Der Plot geflällt mir sehr gut. Der Erzähler, dessen Herkunft im Dunkeln bleibt, trifft auf eine kalifornische Schönheit, die auf der Flucht vor ihrem Ehemann ist. In Wirklichkeit aber ist sie auf der Flucht vor dem Schicksal, zu dem sie ausersehen wurde, nämlich ein Opfer zu werden, ein Sühnopfer für vor langer Zeit begangenes Unrecht. Das hat was von klassischer Tragödie und deswegen kann sie ihrem Schicksal auch nicht entfliehen. Am Ende findet sie ihr Mann und bringt sie um. Aber auch der Erzähler findet sich in der Tragödie wieder, ist er doch ab dem Zeitpunkt, in welchem er auf die Frau trifft, nicht mehr Herr seines Schicksals (auch wenn die Illusion für eine kurze Zeit entsteht). Der Eifersuchtsausbruch der Frau wegen einer rassigen Touristenführerin, zieht ihn hinein, in den Strudel aus Liebe, Leidenschaft, Gewalt und Hass, in dem die Frau schon seit Jahren lebt. Am Ende opfert er sich selbst, indem er die Schuld für ein Verbrechen auf sich nimmt, dass er nicht begangen hat, um diesen endlosen Schuld/Opferkreislauf zu durchbrechen. Dass ihm das gelungen ist, wird durch das Ende jedoch in Frage gestellt.
Das ist fein ausgedacht, herrlich doppelbödig und erzeugt eine beklemmende, fast unheimliche Atmosphäre. Die leichte Melodie einer Sommerliebe wird unterlegt mit den schweren Tönen von Rache, Schuld, Schicksal und Tod, ja sie gewinnen am Ende die Überhand und schon beim zweiten Lesen klingt die Sommerliebenmelodie gar nicht mehr so leicht. Wer Geschichten mag, in denen sich urplötzlich Abgründe auftun ( wenn du in einen Abgrund schaust, dann schaut der Abgrund auch immer in dich -Nietzsche ), wird an deinem Text wirklich seine Freude haben.
2. Symbolik
Je öfter man deinen Text liest, um so mehr stößt man auf Dinge, die einen gewissen Symbolcharakter haben. Da wären z.T. die Orte (der Katafalk z.B.) aber auch Namen und Dinge/Handlungen. Ich habe gegooglet. Taliyah bedeutet Tau Gottes oder auch Lamm. Die Entnahme der Leber bei den Toten etc. Soetwas macht einen Text sehr spannend. Es besteht allerdings die Gefahr, dass man sich als Leser darin verzettelt. Es wimmelt im Text ja von Details, wobei einigen eine besondere Betonung zukommt und man berechtigterweise dahinter auch einen Sinn vermutet, so zum Beispiel die mehrfache Erwähnung der Moto Guzzis. Fehlt es einem Leser am nötigen Hintergrundwissen, womöglich sogar an einem Internetzugang, so ist er auf Vermutungen angewiesen und es mag sein, dass er schießlich vor dem Text kapituliert. Ganz so erging es mir nicht, aber ich bin mir dennoch sicher, einiges noch übersehen bzw. nicht verstanden zu haben (so z.B. auch den Schluß), was in mir dann doch ein etwas unbefriedigendes Gefühl erzeugt.
3. Die Sprache
Hiermit habe ich ehrlich gesagt die größten Probleme bei dem Text. Der Erzähler redet in einer altmodischen, z.T. umständlichen, dann wieder recht blumigen Art und Weise. Dazu die genaue Bennung und auch Umschreibung der Orte (Mediccieermetropole z.B.), die mich an Reiseberichte des 19. und frühen 20. Jahrunderts erinnert. Zeitlich lässt sich die Handlung eigentlich ganz gut verorten, durch die Erwähnung von Tourismus und Hotelbauten, Moto Guzzis und Martin Luther King. Ich würde sagen, sie spielt Ende der sechziger, spätestens Anfang der siebziger Jahre. Ist der Zeitpunkt, in dem der Erzähler seine Geschichte aufschreibt heute, dann hat er bisher also ca. 40 Jahre im Gefängnis verbracht, sein halbes Leben, war also zum Tatzeitpunkt irgendwo zwischen 30 und 40 Jahre alt. Nun handelt es sich ja bei ihm offensichtlich um einen sehr bildungsbeflissenen Menchen, aber selbst dafür klingt mir seine Sprache etwas zu abgehoben (kann aber auch wieder Teil der Symbolik des Textes sein. Aber wenn ja, geht es leider zu Lasten des Lesegenusses).
Zudem hebt sich Taliyahs Sprache nur sehr wenig von der des Erzählers ab. Ebenfalls die kurze Passage der Touristenführererin. Auch diese Formulierung könnte direkt vom Erzähler stammen.
Du siehst, einerseits fasziniert mich dein Text, vor allem die Geschichte, die du erzählst und auch die Verästelungen und Hintergründigkeiten. Anderseits erschließt er sich mir nicht ganz, lässt mich mir selbst ein wenig zu ungebildet vorkommen, um ihn wirklich zu verstehen und zu durchschauen. Und letztendlich stört mich die altmodische, z.T. aufgesetzt wirkende Sprache mit jeder Lektüre ein wenig mehr.
Gruß
Sam
Lieber Nifl,
vielen Dank, dass Du Dich hier nach einer Woche Frost als Eisbrecher betätigt hast. Dafür braucht es immer ein gewisses Selbstbewusstsein, an dem es Dir ja zum Glück nicht mangelt! Ich glaube, die Satzgefüge hast Du mir schon früher mal abzugewöhnen versucht - schaffst Du nicht. Ich kann anders gar nicht schreiben, ich müsste es dann ganz lassen (wär ja vielleicht auch nicht schade). Und ich habe auch den Eindruck, dass verwickelte Abläufe und eine verzwickte Wirklichkleit durch allzu schlichte Sätze verfälscht werden. Was das spießige Bildungsbürgertum betrifft, dem gehöre ich zugleich an und versuche mich davon zu befreien, insofern sind die "Glyptothek", die "Krummen Hunde" und dieser Text alle aus demselben Grundmaterial geschnitzt. Ich finde auch, dass die Zeit, sich des Bildungsbürgerlichen nur zu schämen, vorbei ist, seit wir uns darum bemühen, aus dem Orkus der im Pisa-Ranking ermittelten Verblödung ein wenig wieder ans Licht zu steigen.
Das Klischeestrotzbild liebe ich. Muss bleiben!
Das mit Druck, der anfänglich größer hätte sein müssen, überleg ich mir mal. Vielleicht fällt mir da eine Begründung ein - z.B. Arbeitsfreistellung o.ä.
Der inkriminierte "Hickhack-Wurmsatz" ist eine schlichte Satzreihe (bis auf eine Parenthese und einen Nebensatz) und dürfte auch die lesende Netzoma kaum überfordern! Auf die "romantische Flucht" hingegen verzichte ich gern!
Der Ausflug ins Kulinarische hat was mit dem Touristischen zu tun. Hier spricht ein Tourist, der ganz offensichtlich in Italien so vernarrt ist, dass er beschließt, den Rest seines Lebens dort zu verbringen.
Was hast Du gegen "bewillkommnen"? Ich habe auch solche Allergien, kommentiere z.B. grundsätzlich keine Gedichte, in denen Worte wie All, Kristall, Komos oder kosmisch enthalten sind. Aber "bewillkommnen"... Klingt ein bisschen nach dem "gerne begrüßen" bei der Bahn. Tourisprache hier rollenprosabedingt.
Nekropole ist nun tatsächlich ein Zentralbegriff, den ich gar nicht oft genug benutzen kann. Der ganze Text ist eine Nekropole.
Vielen Dank für die "vernarbten Knie" und das "Potenzial" im Plot!
Gruß
Quoth
vielen Dank, dass Du Dich hier nach einer Woche Frost als Eisbrecher betätigt hast. Dafür braucht es immer ein gewisses Selbstbewusstsein, an dem es Dir ja zum Glück nicht mangelt! Ich glaube, die Satzgefüge hast Du mir schon früher mal abzugewöhnen versucht - schaffst Du nicht. Ich kann anders gar nicht schreiben, ich müsste es dann ganz lassen (wär ja vielleicht auch nicht schade). Und ich habe auch den Eindruck, dass verwickelte Abläufe und eine verzwickte Wirklichkleit durch allzu schlichte Sätze verfälscht werden. Was das spießige Bildungsbürgertum betrifft, dem gehöre ich zugleich an und versuche mich davon zu befreien, insofern sind die "Glyptothek", die "Krummen Hunde" und dieser Text alle aus demselben Grundmaterial geschnitzt. Ich finde auch, dass die Zeit, sich des Bildungsbürgerlichen nur zu schämen, vorbei ist, seit wir uns darum bemühen, aus dem Orkus der im Pisa-Ranking ermittelten Verblödung ein wenig wieder ans Licht zu steigen.
Das Klischeestrotzbild liebe ich. Muss bleiben!
Das mit Druck, der anfänglich größer hätte sein müssen, überleg ich mir mal. Vielleicht fällt mir da eine Begründung ein - z.B. Arbeitsfreistellung o.ä.
Der inkriminierte "Hickhack-Wurmsatz" ist eine schlichte Satzreihe (bis auf eine Parenthese und einen Nebensatz) und dürfte auch die lesende Netzoma kaum überfordern! Auf die "romantische Flucht" hingegen verzichte ich gern!
Der Ausflug ins Kulinarische hat was mit dem Touristischen zu tun. Hier spricht ein Tourist, der ganz offensichtlich in Italien so vernarrt ist, dass er beschließt, den Rest seines Lebens dort zu verbringen.
Was hast Du gegen "bewillkommnen"? Ich habe auch solche Allergien, kommentiere z.B. grundsätzlich keine Gedichte, in denen Worte wie All, Kristall, Komos oder kosmisch enthalten sind. Aber "bewillkommnen"... Klingt ein bisschen nach dem "gerne begrüßen" bei der Bahn. Tourisprache hier rollenprosabedingt.
Nekropole ist nun tatsächlich ein Zentralbegriff, den ich gar nicht oft genug benutzen kann. Der ganze Text ist eine Nekropole.
Vielen Dank für die "vernarbten Knie" und das "Potenzial" im Plot!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.
Hallo allerleirauh,
schön dass Du, Eisbrecher Nifl folgend, Deine Gedanken kundgetan hast! Was Schlink betrifft, den ich meistens schätze, ist vielleicht ein gemeinsamer "Stallgeruch" spürbar - denn ich habe etwa zu seiner Zeit auch Jura studiert. Mit Sicherheit steht der Text einer Novelle näher als einer Kurzgeschichte, schon durch die Abrundung des Rahmens, aber bewusst habe ich diese Form nicht gewählt. Dass ich ein wenig zu viel italienisches Kolorit verspritzt habe ("Reiseführerton"), leuchtet mir ein, ich will versuchen, das in einer Zweitfassung zu reduzieren. Dass es sich um touristische Rollenprosa handelt, ist dafür wahrscheinlich keine Rechtfertigung. Auch die Hadesabsteige könnte geopfert werden.
Die Handlungsmotive von Earl sind irrational und beruhen auf dem politischen Radikalismus der Black Power Bewegung (Symbol: Schwarze Faust) in den Vereinigten Staaten Ende der 60er Jahre. Es liegt gleichsam im Wesen des Radikalismus, "durchgeknallt" zu sein. Wieso der Hinweis auf Taliyahs dänische Wurzeln auf Earl deutet, ist mir nicht ganz klar. Taliyah ist sehr erschöpft und müde von der jahrelang ertragenen Strapaze einer Hassliebe. Die Überbleibsel der Black Power schlossen sich in den 70ern vielfach der Nation of Islam an, was meist mit einem Namenswechsel verbunden war. Die letztliche Entscheidung des Protagonisten ist ebenfalls irrational und vielleicht vergleichbar mit der der Trappisten in "Des hommes et des dieux" von Xavier Beauvois (ich kenne den Film, der in 3 Tagen Kinostart hat, bisher auch nur aus Vorbesprechungen).
Mit Gruß
Quoth
schön dass Du, Eisbrecher Nifl folgend, Deine Gedanken kundgetan hast! Was Schlink betrifft, den ich meistens schätze, ist vielleicht ein gemeinsamer "Stallgeruch" spürbar - denn ich habe etwa zu seiner Zeit auch Jura studiert. Mit Sicherheit steht der Text einer Novelle näher als einer Kurzgeschichte, schon durch die Abrundung des Rahmens, aber bewusst habe ich diese Form nicht gewählt. Dass ich ein wenig zu viel italienisches Kolorit verspritzt habe ("Reiseführerton"), leuchtet mir ein, ich will versuchen, das in einer Zweitfassung zu reduzieren. Dass es sich um touristische Rollenprosa handelt, ist dafür wahrscheinlich keine Rechtfertigung. Auch die Hadesabsteige könnte geopfert werden.
Die Handlungsmotive von Earl sind irrational und beruhen auf dem politischen Radikalismus der Black Power Bewegung (Symbol: Schwarze Faust) in den Vereinigten Staaten Ende der 60er Jahre. Es liegt gleichsam im Wesen des Radikalismus, "durchgeknallt" zu sein. Wieso der Hinweis auf Taliyahs dänische Wurzeln auf Earl deutet, ist mir nicht ganz klar. Taliyah ist sehr erschöpft und müde von der jahrelang ertragenen Strapaze einer Hassliebe. Die Überbleibsel der Black Power schlossen sich in den 70ern vielfach der Nation of Islam an, was meist mit einem Namenswechsel verbunden war. Die letztliche Entscheidung des Protagonisten ist ebenfalls irrational und vielleicht vergleichbar mit der der Trappisten in "Des hommes et des dieux" von Xavier Beauvois (ich kenne den Film, der in 3 Tagen Kinostart hat, bisher auch nur aus Vorbesprechungen).
Mit Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.
Hallo Quoth!
Noch mal zur Sprache: Ich find's nett, aber leider auch etwas eintönig, weil dieselbe Tonlage und dieselbe Geschwindigkeit von Anfang bis Ende beibehalten werden. Als Leser würde ich mir schon ab und an einen kleinen Aufwecker wünschen
Die Stimmen der Figuren klingen z.B. genauso wie die Erzählerstimme, da könnte man doch sicher etwas unterscheiden. Und an ein, zwei Stellen scheint es mir auch wirklich so, dass deine Feude am "langen Satz" Einzelheiten zusammenzwingt, die eigenständig genug sind, um einen eigenen Satz zu verdienen. Aber je nun
Eine Kleinigkeit solltest du aber wohl auf jeden Fall ausbessern:
ob ihre Worte als Kritik oder als Propaganda zu verstehen war.
Darüber hinaus könnte man sich, finde ich, Gedanken über einzelne Wörter und Ausdrücke machen (z.B. ob du gegen Ende wirklich zweimal dicht nacheinander das blässlich-abstrakte "fassungslos" benötigst), aber das überlasse ich gerne denen, die der Prosa kundig sind
Ferdigruß!
Noch mal zur Sprache: Ich find's nett, aber leider auch etwas eintönig, weil dieselbe Tonlage und dieselbe Geschwindigkeit von Anfang bis Ende beibehalten werden. Als Leser würde ich mir schon ab und an einen kleinen Aufwecker wünschen
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ob ihre Worte als Kritik oder als Propaganda zu verstehen war.
Darüber hinaus könnte man sich, finde ich, Gedanken über einzelne Wörter und Ausdrücke machen (z.B. ob du gegen Ende wirklich zweimal dicht nacheinander das blässlich-abstrakte "fassungslos" benötigst), aber das überlasse ich gerne denen, die der Prosa kundig sind

Ferdigruß!
Zuletzt geändert von ferdi am 14.12.2010, 10:15, insgesamt 1-mal geändert.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)
Lieber Sam,
Teil 1 Deiner Kritik ist so schmeichelhaft, dass ich mir nur wünschen kann, der Text möge mehr Leser wie Dich bekommen, die da so einsteigen! In Teil 2 bemängelst Du eine Überfülle von Symbolischem. Da lässt sich vielleicht auch etwas reduzieren, die Moto-Guzzis aber nicht, sie haben etwas mit einer nicht nur von außen hereingetragenen, sondern auch innerlich vorhandenen Gewalthaltigkeit der italienischen Szenerie zu tun. Teil 3, die Sprache! Ja, die Kritik an der Sprache der Fremdenführerin hat mich auf den Gedanken gebracht, sie mit Brunilda, der Deutschen, zu verschmelzen, was nicht fernliegt, da es in Italien von deutschen Kunsthistoriker(inne)n wimmelt. Die Sprache einer Deutschen ist für mich leichter individualisierbar als das (übersetzte) Italienisch einer Italienerin. Das "Zeitfenster" der Geschichte hast Du sehr exakt ermittelt.
Ob es mir auch gelingt, Taliyah ein eignes sprachliches Profil zu geben, muss ich sehen.
Was das "Aufgesetzte" der Sprache betrifft, bringe ich es mit dem Touristenführerhaften in Verbindung, das ich zurückzudrehen versuchen werde.
Mit Dank
Quoth
Teil 1 Deiner Kritik ist so schmeichelhaft, dass ich mir nur wünschen kann, der Text möge mehr Leser wie Dich bekommen, die da so einsteigen! In Teil 2 bemängelst Du eine Überfülle von Symbolischem. Da lässt sich vielleicht auch etwas reduzieren, die Moto-Guzzis aber nicht, sie haben etwas mit einer nicht nur von außen hereingetragenen, sondern auch innerlich vorhandenen Gewalthaltigkeit der italienischen Szenerie zu tun. Teil 3, die Sprache! Ja, die Kritik an der Sprache der Fremdenführerin hat mich auf den Gedanken gebracht, sie mit Brunilda, der Deutschen, zu verschmelzen, was nicht fernliegt, da es in Italien von deutschen Kunsthistoriker(inne)n wimmelt. Die Sprache einer Deutschen ist für mich leichter individualisierbar als das (übersetzte) Italienisch einer Italienerin. Das "Zeitfenster" der Geschichte hast Du sehr exakt ermittelt.
Ob es mir auch gelingt, Taliyah ein eignes sprachliches Profil zu geben, muss ich sehen.
Was das "Aufgesetzte" der Sprache betrifft, bringe ich es mit dem Touristenführerhaften in Verbindung, das ich zurückzudrehen versuchen werde.
Mit Dank
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.
Hallo Quoth, der Text hat durch die schon erwähnte Überfülle von Details starke parodistische und sarkastische Qualitäten und erscheint dadurch mehrschichtig, sperrig und insgesamt nicht leicht interpretierbar. Du bemühst sämtliche romantische Clichés, denen Du habhaft werden kannst, von den Kulissen über den Schauplatz, die Leidenschaftlichkeit, rassistische Motive, Gewalt, Eifersucht, und Todesnähe. Als bitterböse Satire über Politik und menschliches Verstricktsein beeindruckt mich der Text, dem vielleicht an der ein oder anderen Stelle eine weniger barocke Sprachgestaltung gut täte. Viele Grüße !
Ein Klang zum Sprachspiel.
Hallo, Ferdi,
was meinst Du eigentlich mit "Geschwindigkeit" bei einem Prosatext? Wie erhöht man, wie senkt man sie? Was ist ein "Aufwecker"??? Was Lustiges wie Dein Karl der Kahle? Es tut mir leid, dass ich Dich eingeschläfert habe - hoffentlich erst kurz vor dem Zubettgehen! Der Bezugsfehler und das doppelte "fassungslos" sind notiert.
Hallo Arne,
Wenn ich mir Deine Texte anschaue, in denen Du aus Wenigem und Zartem viel zu machen verstehst, dann drängt sich mir die Befürchtung auf, dass ich hier in Deinen Augen aus viel sehr wenig gemacht habe. Du schaust gleichsam mit der Lupe auf die Welt, ich mit einem verkehrt herum gehaltenen Fernrohr ... "Difficile satyrias non scribere" hat ein Römer gesagt: Es sei schwer, (angesichts der grauenhaften Wirklichkeit) keine Satiren zu schreiben. So mag durch das Zusammendrängen von vielem, auch Schrecklichem, ein satirischer Effekt entstanden sein.
Mit Dank für Befassung
Quoth
was meinst Du eigentlich mit "Geschwindigkeit" bei einem Prosatext? Wie erhöht man, wie senkt man sie? Was ist ein "Aufwecker"??? Was Lustiges wie Dein Karl der Kahle? Es tut mir leid, dass ich Dich eingeschläfert habe - hoffentlich erst kurz vor dem Zubettgehen! Der Bezugsfehler und das doppelte "fassungslos" sind notiert.
Hallo Arne,
Wenn ich mir Deine Texte anschaue, in denen Du aus Wenigem und Zartem viel zu machen verstehst, dann drängt sich mir die Befürchtung auf, dass ich hier in Deinen Augen aus viel sehr wenig gemacht habe. Du schaust gleichsam mit der Lupe auf die Welt, ich mit einem verkehrt herum gehaltenen Fernrohr ... "Difficile satyrias non scribere" hat ein Römer gesagt: Es sei schwer, (angesichts der grauenhaften Wirklichkeit) keine Satiren zu schreiben. So mag durch das Zusammendrängen von vielem, auch Schrecklichem, ein satirischer Effekt entstanden sein.
Mit Dank für Befassung
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.
Hallo Quoth!
Du hast mich nicht "eingeschläfert". Mit "Aufwecker" meinte ich einfach etwas, dass die Aufmerksamkeit des Lesers neu wachruft, eine kleine, spürbare Veränderung, die gerade dann kommt, wenn der Leser etwas als selbstverständlich zu nehmen beginnt und anfängt, nicht mehr so genau hinzusehen... Oder so ähnlich. Wie gesagt, ich äußere mich mangels Kenntnis nur ungern zu Prosa. Die Geschwindigkeit ist zuerst einmal die Lesegeschwindigkeit, denke ich - in diesem Fall meine. Und die hängt ja schon davon ab, wieviel Worte verwendet werden, um etwas auszudrücken, und wie sie angeordnet sind. Als Beispiel bei dir:
dass wir das Blickfeld der lachend um ein dickes Baby und seine madonnenhafte Mutter sich scharenden Gruppe vermieden.
Die Klammer "der ... Gruppe" ist für's Deutsche übertrieben (Ginge vielleicht im Lateinischen?!), das Partizip ist deutlich ungebräuchlicher als der Relativsatz, die Ergänzungen - lachend, dickes, madonnenhafte - sind eigentlich nur "Füllung"; all das drückt die Lesegeschwindigkeit.
Auch die ganzen Namen, die ja für viele Leser erstmal Leerstellen sind und bleiben werden, tragen dazu bei. Wie Nebel auf der Autobahn
Und dann gibt es noch Schlaglöcher (um in Bild zu bleiben):
und es erschien mir indiskret, ja, mit dem Anschein jener lächerlichen Eifersucht, die sich auf längst Vergangenes bezieht, behaftet, mehr wissen zu wollen.
Hier etwa das "bezieht, behaftet, mehr" - das rumpelt arg.
Und auf dieser gleichmäßig niedrigen Geschwindigkeit hält mich der Text fest. Was nicht sooo schlimm ist, aber ein wenig Schwanken um diesen Mittelwert hätte ja auch was
Wenn ich noch einen Vorschlag machen darf?
Dass wir einander zu hassen begannen, und das mit derselben Inbrunst, mit der wir einander vorher liebten.
liebten -> geliebt hatten
Ferdigruß!
Du hast mich nicht "eingeschläfert". Mit "Aufwecker" meinte ich einfach etwas, dass die Aufmerksamkeit des Lesers neu wachruft, eine kleine, spürbare Veränderung, die gerade dann kommt, wenn der Leser etwas als selbstverständlich zu nehmen beginnt und anfängt, nicht mehr so genau hinzusehen... Oder so ähnlich. Wie gesagt, ich äußere mich mangels Kenntnis nur ungern zu Prosa. Die Geschwindigkeit ist zuerst einmal die Lesegeschwindigkeit, denke ich - in diesem Fall meine. Und die hängt ja schon davon ab, wieviel Worte verwendet werden, um etwas auszudrücken, und wie sie angeordnet sind. Als Beispiel bei dir:
dass wir das Blickfeld der lachend um ein dickes Baby und seine madonnenhafte Mutter sich scharenden Gruppe vermieden.
Die Klammer "der ... Gruppe" ist für's Deutsche übertrieben (Ginge vielleicht im Lateinischen?!), das Partizip ist deutlich ungebräuchlicher als der Relativsatz, die Ergänzungen - lachend, dickes, madonnenhafte - sind eigentlich nur "Füllung"; all das drückt die Lesegeschwindigkeit.
Auch die ganzen Namen, die ja für viele Leser erstmal Leerstellen sind und bleiben werden, tragen dazu bei. Wie Nebel auf der Autobahn
.gif)
und es erschien mir indiskret, ja, mit dem Anschein jener lächerlichen Eifersucht, die sich auf längst Vergangenes bezieht, behaftet, mehr wissen zu wollen.
Hier etwa das "bezieht, behaftet, mehr" - das rumpelt arg.
Und auf dieser gleichmäßig niedrigen Geschwindigkeit hält mich der Text fest. Was nicht sooo schlimm ist, aber ein wenig Schwanken um diesen Mittelwert hätte ja auch was

Wenn ich noch einen Vorschlag machen darf?
Dass wir einander zu hassen begannen, und das mit derselben Inbrunst, mit der wir einander vorher liebten.
liebten -> geliebt hatten
Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)
Hallo Quoth, so wars nicht gemeint. Würde ich mit der Lupe untersuchen, wäre mein "Bericht" wahrscheinlich mindest annähernd so lang wie der Grundtext.
Aber als Kurzgeschichte irritiert er mich stilistisch ebenso, wie als Inhaltsverzeichnis zu einem Roman, für einen Klappentext ist er zu lang, aber als satirische Groteske, und das ist nicht negativ gemeint, wird er für mich verständlich, oder aber, wenn das an Deinen Intentionen vorbeigeht, doch von mir missverstanden.
Aber als Kurzgeschichte irritiert er mich stilistisch ebenso, wie als Inhaltsverzeichnis zu einem Roman, für einen Klappentext ist er zu lang, aber als satirische Groteske, und das ist nicht negativ gemeint, wird er für mich verständlich, oder aber, wenn das an Deinen Intentionen vorbeigeht, doch von mir missverstanden.
Ein Klang zum Sprachspiel.
Hallo Quoth,
gleich vorweg, ich habe die anderen Kommentare erst mal nur überflogen, schon um mich nicht allzu sehr beeinflussen zu lassen. Daher mag sich manches doppeln.
Die Geschichte an sich hat was, nicht absolut neu, aber interessant genug. Und dennoch habe ich mich ein wenig hindurch quälen müssen. Hauptproblem ist das permanente Namedropping. Mir scheint, hier wird ein wenig aufgeschnitten. All die Orte und Stätten, die man kennen könnte. Doch was bringen sie der Geschichte? Meines Erachtens nichts. Ein Fünftel davon hätte gereicht, um die Handlung klar zu verorten. Ein Drittel, um der Geschichte einen besonderen Stil zu geben.
Ähnlich geht es mir mit einigen der Adjektive. So zum Beispiel: "vernarbten Lausbubenknie", "stattlichen Überreste", "ghibellinischen Zinnen", "rotgeziegelten Dächer", "magermilchblaue Zimmerdecke", "abgehängter Bilder", "fröhlicher Gleichzeitigkeit", "rotzfrechen Vierjährigen", "feuerrote Moto Guzzi Falcone", "lachenden Golf von Baratti" etc. Etwas zu viel zugewiesene Attribute, zu viel Beschreibung für mich. Dabei stören mich die recht langen, schachteligen Sätze nicht. Ein wenig wohl die Fülle von Partizipien. Wirkt bemüht auf mich.
Zwei ganz konkrete Punkte: du verwendest "braun gebrannte Malibu-Schönheit" zweimal. Ich finde, einmal reicht schon. Am Anfang der Geschichte heißt sie Taliyah, am Ende nur noch Aliyah.
Durch die Überladung mit Namen und Beschreibungen fließt die Erzählung eher träge dahin, obwohl sie doch eigentlich von spannenden Dingen handelt. Es passiert lange Strecken nichts, es wird nur berichtet, mit großer Distanz. Das ist vermutlich Intention, wird ja auch verstärkt durch die Gefangenen-Klammer, die Retrospektive. Und als endlich wirklich was passiert, wird man arg kurz abgespeist. Es geschieht ein Mord, alles bricht zusammen. Und ganz schnell noch wird die Leiche in die tomba dei carri geschafft, wo sich der Protagonist ohne weiteres verhaften lässt. Lässt ihn das kalt? Da erzählt er so viel und detailgenau von allem anderen, und dann so wenig?
Ich denke, ein wenig Variation täte der Erzählung gut. Eine Art Spannungsbogen, den man auch sprachlich deutlicher spürt. Der Aufbau der Krise könnte dann auch gern etwas länger sein, das geht mir zu schnell. Gerade fragte ich mich noch, ob sie vielleicht unter Paranoia leidet, wo sie ihn plötzlich so angeht, da ist sie schon dahin. Schade.
Dann kommt der letzte Teil. Hier verlierst Du mich. Was ist mit der Leber? Wer hat sie entfernt? Wer ist denn nun der Mörder? Haben wir hier in Wahrheit Besessenheit als Motiv, ein wenig Angel Heart? Was soll der letzte Satz? Wovon redest Du da? Geheime Bünde, Verschwörer? Gib mir eine Hilfe, denn, ich gebe es zu, statt einer Erklärung, einer Lösung, eines Hinweises ist er mir nur die Frage, ob ich vielleicht die ganze Geschichte komplett falsch verstanden habe, weil ich zu blöd bin. Sollte das so sein, käme ich mir vor- und an der Nase herumgeführt vor, auf eine wenig lustige Art. So will ich das mal nicht vermuten.
Und nun lesen, was die anderen schrieben.
Grüße
Henkki
gleich vorweg, ich habe die anderen Kommentare erst mal nur überflogen, schon um mich nicht allzu sehr beeinflussen zu lassen. Daher mag sich manches doppeln.
Die Geschichte an sich hat was, nicht absolut neu, aber interessant genug. Und dennoch habe ich mich ein wenig hindurch quälen müssen. Hauptproblem ist das permanente Namedropping. Mir scheint, hier wird ein wenig aufgeschnitten. All die Orte und Stätten, die man kennen könnte. Doch was bringen sie der Geschichte? Meines Erachtens nichts. Ein Fünftel davon hätte gereicht, um die Handlung klar zu verorten. Ein Drittel, um der Geschichte einen besonderen Stil zu geben.
Ähnlich geht es mir mit einigen der Adjektive. So zum Beispiel: "vernarbten Lausbubenknie", "stattlichen Überreste", "ghibellinischen Zinnen", "rotgeziegelten Dächer", "magermilchblaue Zimmerdecke", "abgehängter Bilder", "fröhlicher Gleichzeitigkeit", "rotzfrechen Vierjährigen", "feuerrote Moto Guzzi Falcone", "lachenden Golf von Baratti" etc. Etwas zu viel zugewiesene Attribute, zu viel Beschreibung für mich. Dabei stören mich die recht langen, schachteligen Sätze nicht. Ein wenig wohl die Fülle von Partizipien. Wirkt bemüht auf mich.
Zwei ganz konkrete Punkte: du verwendest "braun gebrannte Malibu-Schönheit" zweimal. Ich finde, einmal reicht schon. Am Anfang der Geschichte heißt sie Taliyah, am Ende nur noch Aliyah.
Durch die Überladung mit Namen und Beschreibungen fließt die Erzählung eher träge dahin, obwohl sie doch eigentlich von spannenden Dingen handelt. Es passiert lange Strecken nichts, es wird nur berichtet, mit großer Distanz. Das ist vermutlich Intention, wird ja auch verstärkt durch die Gefangenen-Klammer, die Retrospektive. Und als endlich wirklich was passiert, wird man arg kurz abgespeist. Es geschieht ein Mord, alles bricht zusammen. Und ganz schnell noch wird die Leiche in die tomba dei carri geschafft, wo sich der Protagonist ohne weiteres verhaften lässt. Lässt ihn das kalt? Da erzählt er so viel und detailgenau von allem anderen, und dann so wenig?
Ich denke, ein wenig Variation täte der Erzählung gut. Eine Art Spannungsbogen, den man auch sprachlich deutlicher spürt. Der Aufbau der Krise könnte dann auch gern etwas länger sein, das geht mir zu schnell. Gerade fragte ich mich noch, ob sie vielleicht unter Paranoia leidet, wo sie ihn plötzlich so angeht, da ist sie schon dahin. Schade.
Dann kommt der letzte Teil. Hier verlierst Du mich. Was ist mit der Leber? Wer hat sie entfernt? Wer ist denn nun der Mörder? Haben wir hier in Wahrheit Besessenheit als Motiv, ein wenig Angel Heart? Was soll der letzte Satz? Wovon redest Du da? Geheime Bünde, Verschwörer? Gib mir eine Hilfe, denn, ich gebe es zu, statt einer Erklärung, einer Lösung, eines Hinweises ist er mir nur die Frage, ob ich vielleicht die ganze Geschichte komplett falsch verstanden habe, weil ich zu blöd bin. Sollte das so sein, käme ich mir vor- und an der Nase herumgeführt vor, auf eine wenig lustige Art. So will ich das mal nicht vermuten.
Und nun lesen, was die anderen schrieben.
Grüße
Henkki
Nachdem ich nun die anderen Kommentare rasch noch mal gelesen habe, erscheint mir einiges klarer. Besonders Sams Beitrag leuchtet mir wie eine Taschenlampe ins Dunkle. Ja, schöne Idee, die düsteren Motive in die leichte Sommerhülle zu packen. Aber leider nicht gelungen, wenn es das sein sollte, da dem Text das Leichte fehlt.
Auch Deine eigenen Erklärungen helfen mir, zumindest mit Earl. Aber ehrlich: mir ist das zu viel. Zu viel, was ich wissen müsste. Ja, ich hab gerade auch mal Aliyah nachgeschlagen. Aufstieg, hebräisch. Das ist dann noch eine Kultur zu den Römern, Italienern, Azteken, Amerikanern, Deutschen, Afro-Amerikanern. Für mich ist der Text nichts. Ich müsste anscheinend, um alle möglichen Bezüge auszuloten, jedes dritte Wort nachschlagen. Ich finde es wirklich schön, wenn mir ein Text neue Türen öffnet, aber hier sind es so viele.
Ich würde mich freuen, wenn Du den Text noch mal in die Werkstatt nähmst. Ein wenig entschlackt und eingängiger würde er mir besser gefallen.
Grüße
Henkki
Auch Deine eigenen Erklärungen helfen mir, zumindest mit Earl. Aber ehrlich: mir ist das zu viel. Zu viel, was ich wissen müsste. Ja, ich hab gerade auch mal Aliyah nachgeschlagen. Aufstieg, hebräisch. Das ist dann noch eine Kultur zu den Römern, Italienern, Azteken, Amerikanern, Deutschen, Afro-Amerikanern. Für mich ist der Text nichts. Ich müsste anscheinend, um alle möglichen Bezüge auszuloten, jedes dritte Wort nachschlagen. Ich finde es wirklich schön, wenn mir ein Text neue Türen öffnet, aber hier sind es so viele.
Ich würde mich freuen, wenn Du den Text noch mal in die Werkstatt nähmst. Ein wenig entschlackt und eingängiger würde er mir besser gefallen.
Grüße
Henkki
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