Das Klavier

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Nicole

Beitragvon Nicole » 27.09.2010, 20:10

Als ich klein war, sagte meine Großmutter einmal zu mir. „Du bist wie das Land, in dem unsere Wurzeln sind.“ Und sie beschrieb mir dieses Land mit warmen Worten und mit einem Pathos, wie es wohl nur Menschen können, die ihre Heimat verloren haben. Für mich ist seither meine Heimat ein Ort, an dem ich noch nie gewesen bin.

Das Klavier

Hin und wieder hörte Paul von Ferne das Donnern der Geschütze, so als sitze der Krieg mit hungrig knurrendem Magen neben ihm. Alle menschlichen Geräusche verlor der Wind auf dem Weg. Schloss Paul die Augen, war er wieder an der Front. Deshalb bemühte er sich, während der Fahrt die Augen geöffnet zu lassen und die unschuldig weiße Winterlandschaft zu betrachten, die im strahlenden Sonnenlicht vor ihm lag. Glitzerndes Stillleben, unter hohem Schnee begrabenes Land. Bäume, deren Äste sich beugten unter kalter Last. Es war ein wunderschöner Wintertag im Januar 1945, Nähe Zinten, Ostpreussen.

Der Wagen hielt vor einem dunklen Backsteingebäude, an dessen First das Zunftzeichen der Schmiede angebracht war. An einem großen Metallring, neben dem weit geöffneten, zweiflügligen Tor, war ein unruhig schnaubendes Pferd angebunden. Ein Junge stand am Kopf des Tieres, streichelte ihm den Hals und sprach beruhigend auf es ein, während aus dem Inneren des Gebäudes das Schlagen eines schweren Hammers auf Metall zu vernehmen war. Es roch nach Feuer und verbranntem Horn. Paul trat näher und verschaffte sich mit einem lauten „Heil Hitler!“ Aufmerksamkeit. Das Pferd wieherte und machte einen hektischen Sprung zur Seite. Ein alter Mann trat fluchend aus der Schmiede „Dammelskopp, mach‘ doch de‘ Gaul net wild!“

Paul hob erneut den Arm zum Gruß. „Heil Hitler! Der Kommandant des 401ten schickt mich. Ihr sollt eine Achse für uns richten.“ „Soso. Soll ich das.“ Der Alte runzelte die Stirn. „Ich muss jetzt erst mal den Hamlet fertig machen.“ Er deutete auf das Pferd. „Und dann kann ich mich um Euer Kriegsgerät kümmern.“ Er dreht sich um, klopfte dem Pferd auf die Hinterhand, hob energisch den Huf an und legte ihn auf seinem Oberschenkel ab. Kurz prüfte er nochmal den exakten Sitz des Eisens, dann versenkte er die Hufnägel mit geübten Schlägen, kniff die überstehenden Nagelspitzen mit einer Zange ab und glättete den Hufrand. Prüfend strich er mit dem Daumen über die Kante, dann stellte er zufrieden den Huf des Tieres wieder auf den Boden.

Nachdem der Schmied den Jungen angewiesen hatte, das Werkzeug wegzuräumen, wendete er sich wieder an Paul. „So, und nun Sie. Lassen Sie uns das Teil mal in die Werkstatt bringen, ich schaue mir an, was ich machen kann.“ Gemeinsam mit dem alten Mann trug Paul die Achse in die Schmiede. Der Alte begutachtete das verbogene Stück und brummelte: „Na, da habt Ihr ja ganze Arbeite geleistet. Das Ding ist völlig krumm und die Ritzelaufnahme hat auch einen Schlag weg. Das wird ein Weilchen dauern. Ihr könnt derweil ins Haus gehen und Euch aufwärmen.“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung eines weißgetünchten, zweistöckigen Wohnhauses.“Meine Schwiegertochter Margarete ist drinnen.“

Paul machte sich auf den Weg über den Hof zum Wohnhaus. Von irgendwoher waren Kinderstimmen zu hören „ … fünfundzwanzig … ich komme!“.
Er klopfte an die Tür und eine kleine Frau öffnete. „Ihr Schwiegervater schickt mich, ich soll hier warten, bis er mit einer Reparatur fertig ist. Ich heiße Paul, Paul Messer.“
Die kleine Frau nickte. „Ich bin Margarete Domnik. Kommen Sie herein.“ Sie deutete auf den Fußabtreter. „Würden Sie bitte Ihre Stiefel säubern, so gut es eben geht? Und dann kommen Sie einfach geradeaus in die Küche.“ Paul tat, wie ihm geheißen und stellte nach kurzer Überlegung auch sein Marschgepäck im Flur ab. Aus der Küche drang ein angenehmer Duft zu ihm. Als er diese betrat, hatte Margarete bereits eine dampfende Tasse auf den Küchentisch gestellt und war damit beschäftigt, Essen zu wärmen. Nun, Lebensmittelknappheit scheint es hier nicht zu geben, dachte er und begann hastig, den vor ihn gestellte Teller zu leeren. „Ja“ sagte Margarete, „dachte ich mir doch, dass Sie hungrig sind, das seid ihr doch alle. Wirklichen Kaffee kann ich Ihnen zwar nicht mehr anbieten, nur Muckefuck, aber die Bauern, die zahlen häufig in Naturalien. An Essen mangelt es uns nicht.“ Paul nickte mit vollem Mund und schob den leeren Teller von sich. „Vielen Dank, das war ganz vorzüglich.“ nuschelte er.
„Vorzüglich…“ Margarete lächelte.“ Ach je, dieses Wort habe ich ja lange nicht mehr gehört. Ihr Soldaten kommt zwar inzwischen recht häufig für Reparaturen, aber sowas hat noch keiner zu einfachem Spirgel gesagt. Wo kommen Sie her?“ Paul nahm einen Schluck. „Ich stamme aus dem Schwäbischen, aus der Nähe von Stuttgart.“ Er schaute sich um. Ein sauberer, heller Raum. Hätte er nicht aus den Augenwinkeln seine Uniformjacke gesehen und seine Stiefel, fast hätte er glauben können, er säße zu Hause bei seiner Mutter in der Küche.
Margarete wischte sich die Hände an der Schürze ab und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. „Sagen Sie … es kommen immer mehr Flüchtlinge von Osten … man hört ja nun schon den Krach, sind es Kanonen, Granaten? Und Flieger, Flieger sehen wir auch immer häufiger… Der Russe kommt doch nicht näher, oder? Müssen wir uns Sorgen machen? Der Gauleiter hat Flugblätter verteilen lassen, dass es uns verboten ist, zu fliehen. Wer es trotzdem versucht, wird erschossen, steht da. In der Verwaltung in Heiligenbeil heißt es auch, wir sollen zu Hause bleiben und Ruhe bewahren. Ostpreußen sei sicher, sagen sie. Aber … Ich habe Angst!“ Paul schloss kurz die Augen und sagte dann schnell: „Sie müssen sich keine Sorgen machen, wirklich nicht. Ja, der Russe kommt ein wenig näher. Aber das ist … Taktik. Taktik. Die Verstärkung ist auf dem Weg zu uns und dann werden wir sie zurückschlagen, einkesseln und zurückschlagen. Es ist schon richtig, wenn Sie bleiben, fliehen wäre ganz falsch. Wir machen das schon, ist nur noch eine Frage von ein paar Tagen. Sie sind hier ganz sicher.“

Durch die geöffnete Verbindungstür konnte er das Wohnzimmer sehen. Schonbezüge auf dem Sofa, eine Vitrine für das gute Geschirr, ein Lehnstuhl vor dem Fenster. Und daneben … ein Klavier. Für einen Moment starrte er das Instrument an, dann erhob er sich und fragte: „Frau Domnik, bitte, darf ich?“ Margarete schaute ihn überrascht an. „Sie möchten Klavier spielen? Ja, natürlich… Es hat schon lange niemand mehr darauf gespielt, das Instrument gehört meinem Mann, sonst spielt von uns niemand. Er liebt es sehr, nennt es gerne „seine Oase“. Vor dem Krieg spielte er jeden Abend nach dem Essen. Er war schon lange nicht mehr auf Heimaturlaub hier und doch lasse ich es regemäßig stimmen … Bitte, spielen Sie, wenn Sie möchten.“
Paul öffnete den Deckel behutsam, setzte sich auf den Hocker und ließ die Hände einen Moment auf den Tasten ruhen. Seine Stiefel waren viel zu steif und zu klobig für die Pedale, ihm wurde bewusst, wie schmutzig er war. Er betrachtet seine Hände, so als sähe er die Schwielen und Verletzungen darauf das erste Mal. Ungelenk schlug er ein E an, legte den Kopf leicht schräg, spürte dem Klang hinterher. Griff eine Oktave höher: E – Gis – Cis. Dann ein Akkord. Zögerlich zunächst, dann fließend perlten die ersten Töne von Chopins nocturne in Cis moll durch den Raum. Pauls Körper entspannte sich, wiegte sich leicht in der Musik. Margarete betrachtet den Mann in Felduniform, hager und verdreckt war er, wirkte völlig deplatziert an dem glänzenden Instrument und doch so richtig, wie er mit halb geschlossenen Augen und entrücktem Gesichtsausdruck spielte. Plötzlich hörte sie ein Kind schreien, Schritte im Flur. Die Tür wurde aufgerissen und ihre Jüngste stürmte ins Zimmer „Papa, Papa! Papa ist wieder da!“

Lotte bremste abrupt, als sie den fremden Soldaten am Klavier entdeckte. „Papa?“ murmelte sie ein letztes Mal, dann verschwand das Strahlen aus Ihrem Gesicht. Paul war beim ersten Ausruf des Kindes vom Schemel aufgesprungen und blickte das Kind entsetzt an. Der Kleinen waren Tränen in die Augen gestiegen, sie schaute ihre Mutter an. „Aber das ist ja gar nicht der Papa.“ Ihre Schultern sanken nach vorn, dann dreht sie um und lief wortlos aus dem Zimmer.

Wenig später war die gerichtete Achse auf den LKW geladen. Paul schulterte sein Marschgepäck und schüttelte Margarete zum Abschied die Hand. Versteckt hinter einem Holzstapel konnte er das kleine Mädchen sehen, das ihn aus der Entfernung beobachtete. Sie erinnerte ihn mit dem mittig gescheitelten, braunen Haar, das in zwei ordentlichen Zöpfen geflochten über ihre Schultern fiel, der hellen Haut und der trotzig vorgeschobenen Unterlippe an seine eigene Tochter. Sie musste ungefähr im selben Alter sein.
„Frau Domnik … würden Sie mir einen Gefallen tun? Ich … ich habe ein paar Schuhe, als Geschenk für meine Tochter. Würden Sie die wohl für mich zur Post geben?“ Margarete nickte. Paul zog ein in Packpapier gewickeltes Bündel aus seinem Rucksack, kritzelte eine Adresse darauf und reichte es ihr. „ Danke.“ Er schob beide Hände tief in die Taschen seiner Uniform und ging die Treppe hinunter. Nach einigen Metern zögerte er und sah sich um. Margarete stand noch immer in der geöffneten Tür.
Er ging zurück zum Haus, ergriff ihre Hände und sagte: „Und … Margarete. Vergessen Sie, was ich Ihnen vorhin erzählt habe. Bitte, gehen Sie. Egal wie, aber gehen Sie. Gehen Sie bald.“

Und Margarete ging. Ihre Flucht begann zwei Tage später. Bevor sie das Haus verließ, machte sie einen letzten Gang durch alle Zimmer. Zog hier eine Decke gerade, richtete dort ein Kissen. Im Wohnzimmer strich sie einmal vorsichtig mit den Fingerspitzen über die Tasten des Klaviers, dann schloss sie behutsam den Deckel.

Im Februar 1945 wurde Margaretes Haus Quartier einer russischen Einheit. Auf dem Klavier wurden russische Weisen gespielt, zu seinem Klang gesungen und getanzt. Im darauffolgenden Winter wurde es von Nachbarn zerschlagen und verfeuert.
Ich selbst bekam im Grundschulalter Klavierunterricht. Einige Male saß mein Großvater im Zimmer, während ich übte. Dass er selbst einmal ein Klavier besessen hatte, erfuhr ich erst einige Zeit nach seinem Tod. Spielen gehört habe ich ihn nie.




Erste Fassung
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Korrekturem 28.09.10, einige Kommas 'reingeworfen und Tippfehler eliminiert. Danke!
Korrekturen am 09.10.10 "Kill your darlings"
Zuletzt geändert von Nicole am 10.10.2010, 12:28, insgesamt 4-mal geändert.

Yorick

Beitragvon Yorick » 27.09.2010, 20:54

Wunderbar. Schon das Intro mit den runden, warmen Sätzen hatte mich. Aus einem Guss, unkompliziert, nah und "mehr als dort steht". Schöne Bilder, vielschichtig, fühlbare Figuren.

Sehr gerne gelesen. Toller Text.
Gruß,
Yorick.

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leonie
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Beitragvon leonie » 27.09.2010, 22:08

Liebe Nicole,

mich packt die Geschichte nicht so richtig, wenn ich ehrlich bin. Ich glaube, es hat viel mit dem Anfang zu tun, in dem meiner Meinung nach vieles doppelt gemoppelt ist in den Formulierungen (vor allem durch Adjektive, dei wenig Neues aussagen), zudem sind einige Rechtschreibfehler drin:

Nicole hat geschrieben:Als ich klein war, sagte meine Großmutter einmal zu mir. „Du bist wie das Land, in dem unsere Wurzeln sind.“ Und sie beschrieb mir dieses Land mit warmen Worten und mit einem Pathos (das ist mir einfach zuviel, warme Worte, das ist viel zu abgedroschen für so eine Geschichte), wie es wohl nur Menschen können, die Ihre Heimat verloren haben. Für mich ist seither meine Heimat ein Ort, an dem ich noch nie gewesen bin. Über mehr allerdings(,) als die Landschaft(,) sprach meine Großmutter nie.
Meine Mutter erzählt manchmal, nach ein oder zwei gemeinsamen Gläsern Wein, aus Ihrer Kinderzeit. (Und damit unweigerlich) vom Krieg und von der Flucht. Hauptakteure ihrer Geschichten sind starke Frauen, kleine(n) Kinder, Soldaten und alte(n) Männer(n). Es sind Geschichten, die es wert sind, aufbewahrt zu werden (Meiner Meinung nach muss das hier nicht rein, das zeigt doch die Geschichte selbst). Geschichten wie die folgende:

Das Klavier

Hin und wieder hörte Paul von Ferne (leise) das Donnern der Geschütze, so als sitze der Krieg mit (hungrig) knurrendem Magen neben ihm. Alle menschlichen Geräusche verlor der Wind auf dem Weg. Sobald Paul die Augen schloss, war er wieder an der Front. Deshalb bemühte er sich, während der Fahrt die Augen geöffnet zu lassen und die unschuldig (weiße) Winterlandschaft zu betrachten, die im (strahlenden) Sonnenlicht vor ihm lag. Glitzerndes Stillleben, unter (hohem) Schnee begrabenes Land. Bäume, deren Äste sich beugten unter (schwerer, kalter, stattdessen:ihrer) Last. (Es war ein wunderschöner Wintertag, das geht doch aus der Beschreibung hervor) im Januar 1945, Nähe Zinten, Ostpreussen.

Der Wagen hielt vor einem (dunklen) Backsteingebäude, an dessen First das Zunftzeichen der Schmiede angebracht war. An einem (großen) Metallring neben dem weit geöffneten, zweiflügligen Tor war ein (unruhig) schnaubendes Pferd angebunden. Ein Junge stand am Kopf des Tieres, streichelte ihm den Hals und sprach (beruhigend) auf es ein, während aus dem Inneren des Gebäudes das Schlagen eines schweren Hammers auf Metall zu vernehmen war. Es roch nach Feuer und verbranntem Horn. Paul trat näher und verschaffte sich mit einem lauten „Heil Hitler!“ Aufmerksamkeit. Das Pferd wieherte und machte einen (hektischen) Sprung zur Seite. Ein alter Mann trat fluchend aus der Schmiede „ Dammelskopp, mach‘ doch de‘ Gaul net wild!“

Paul hob erneut den Arm zum Gruß. „ Heil Hitler! Der Kommandant des 401ten schickt mich. Ihr sollt eine Achse für uns zu richten.“ „Soso. Soll ich das.“ Der Alte runzelte die Stirn. „Ich muss jetzt erst mal den Hamlet fertig machen.“ Er deutete auf das Pferd. „Und dann kann ich mich um Euer Kriegsgerät kümmern.“ Er dreht sich um, klopfte dem Pferd auf die Hinterhand, hob energisch den Huf an und legte ihn auf seinem Oberschenkel ab. Kurz prüfte er nochmal den (exakten) Sitz des Eisens, dann versenkte er die Hufnägel mit geübten Schlägen, kniff die überstehenden Nagelspitzen mit einer Zange ab und glättete den Hufrand. Prüfend strich er mit dem Daumen über die Kante, dann stellte er zufrieden den Huf des Tieres wieder auf den Boden.



Im Weiteren wird das besser, finde ich, es sind aber noch einige Rechtschreibfehler drin (ich brauche aber gerade eine PC-Pause), vielleicht schaust Du nochmal drüber.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.09.2010, 22:31

Hallo Nicole,

das hab ich sehr gern gelesen. Man ist als Leser sofort drin, weil du es so schön flüssig erzählst. Vor- und Nachwort bilden einen sehr runden Rahmen. Fein!
Ein paar Anmerkungen, sind alles nur peanuts: (bin fett drin und in Klammern)

Saludos
Mucki

Nicole hat geschrieben:„Du bist wie das Land, in dem unsere Wurzel (Wurzeln) sind.“ ... Über mehr allerdings, als die Landschaft, (keine Kommas) sprach meine Großmutter nie. ... die Ihre (ihre) Heimat verloren haben. ... Gläsern Wein, aus Ihrer (ihrer) Kinderzeit. .... Hauptakteure ihrer Geschichten sind starke Frauen, kleinen (kleine) Kinder, Soldaten und alten Männern (alte Männer). ... Geschichten (Komma) wie die folgende:

...
An einem großen Metallring (Komma) neben dem weit geöffneten, zweiflügligen Tor (Komma)war ein unruhig schnaubendes ("unruhig" ist überflüssig, da in "schnaubend" enthalten) Pferd angebunden. ...
Das Pferd wieherte und machte einen hektischen Sprung zur Seite. (evtl. besser: und sprang hektisch zur Seite das "machte" ist nicht so schön) Ein alter Mann trat fluchend aus der Schmiede „(Leerzeichen zu viel) Dammelskopp, mach‘ doch de‘ Gaul net wild!“

Paul hob erneut den Arm zum Gruß. „(Leerzeichen zu viel) Heil Hitler! Der Kommandant des 401ten schickt mich. Ihr sollt eine Achse für uns zu richten.“ (für uns richten) ... Er dreht (drehte) sich um, ...

Nachdem der Schmied den Jungen angewiesen hatte, das Werkzeug wegzuräumen, wendete er sich wieder an Paul. „So, und nun Sie. Lassen Sie uns das Teil mal in die Werkstatt bringen, ich schaue mir an, was ich machen kann.“ (Hier frage ich mich, wieso er auf einmal Hochdeutsch spricht. Ich fände es klasse, wenn er weiterhin im Dialekt spräche) Gemeinsam mit dem alten Mann trug Paul die Achse in die Schmiede. Der Alte begutachtete das verbogene Stück und brummelte: „Na, da habt ihr ([b]weiter oben und weiter unten hast du "Euer" und "Ihr" und "Euch" geschrieben, hier jetzt in klein "ihr", würde ich einheitlich machen) ja ganze Arbeite geleistet. ...

Von irgendwoher waren Kinderstimmen zu hören „ … fünfundzwanzig … ich komme!“. (Punkt zu viel)
Er klopfte an die Tür und eine kleine Frau öffnete. (Hier müsste konsequenterweise eigentlich auch ein Heil Hitler rein, oder?) „Ihr Schwiegervater schickt ...
Die kleine Frau nickte. ... Nun, Lebensmittelknappheit scheint es hier nicht zu geben, dachte er und begann hastig (Komma) den vor ihn gestellte(n) Teller zu leeren. „Ja“(Komma) sagte Margarete, „dachte ich mir ..... „Vielen Dank, das war ganz vorzüglich.“(vorzüglich", nuschelte er) nuschelte er. ......
... Hätte er nicht aus den Augenwinkeln seine Uniformjacke gesehen und seine Stiefel, fast hätte er glauben können, er sitze (säße) zu Hause bei seiner Mutter in der Küche. ...
Ja, der Russe kommt ein wenig näher. Aber das ist … Taktik. Taktik. Die Verstärkung ist auf dem Weg zu uns und dann werden wir sie zurück schlagen (zurückschlagen), einkesseln und zurück schlagen (zurückschlagen). ...

Es hat schon lange niemand mehr darauf gespielt, das Instrument gehört meinem Mann, sonst spielt von uns niemand. Er liebt es sehr, nennt es gerne „seine Oase“ ('seine Oase'). Vor dem Krieg spielte er jeden Abend nach dem Essen. Er war schon lange nicht mehr auf Heimaturlaub hier und doch lasse ich es regemäßig (regelmäßig) stimmen …
Seine Stiefel war (waren) viel zu steif und zu klobig für die Pedale, ihm wurde bewusst, wie schmutzig er war und wie ungewaschen ("ungewaschen" weg, steckt ja im "wie schmutzig er war"). Er betrachtet (betrachtete) seine Hände, so als sähe er die Schwielen und Verletzungen darauf das erste Mal. ... Zögerlich zunächst, dann fließend (Komma) perlten die ersten Töne von ... Margarete betrachtet (betrachtete, hier würde ich aber ein anderes Wort nehmen wg. Wh) den Mann in Felduniform .....

Lotte bremste abrupt, als sie den fremden Soldaten am Klavier entdeckte. „Papa?“(Komma) murmelte sie ein letztes Mal, dann verschwand das Strahlen aus Ihrem (ihrem) Gesicht. ... Ihre Schultern sanken nach vorn, dann dreht (drehte) sie um und lief wortlos aus dem Zimmer. ... Paul hob den umgefallenen Klavierschemel auf. „ (Leerzeichen zu viel)Mir tut es leid. ...

Quoth
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Beitragvon Quoth » 27.09.2010, 22:51

Hallo, Nicole,
eine Kriegsendzeitsgeschichte. Ist es wirklich schon eine Geschichte? Oder ist es nur eine Zusammenfassung von Erzähltem?
Den folgenden Passus
Margarete schüttelte bekümmert den Kopf. „Sie muss das Klavier gehört haben – wie ich schon sagte, ihr Vater ist der Einzige in dieser Familie, der darauf spielt. Tut mir leid.“ Paul hob den umgefallenen Klavierschemel auf. „ Mir tut es leid. Sie muss ihren Vater sehr vermissen.“

würde ich auf jeden Fall streichen. Dieser Erklärung bedarf es nicht. Der Leser reimt sich das selbst zusammen, und es ist gut, das nur im Leserkopf entstehen zu lassen.
Mit manchen Worten habe ich Schwierigkeiten: Behutsam, perlte. Das Beschlagen finde ich sehr treffend beschrieben.
Schwer, solchen mit viel Familienpietät behafteten Geschichten gerecht zu werden!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.09.2010, 23:01

Hallo Quoth,

also, ich lese es als eine Geschichte. Eine Geschichte von vielen, die von ihrer Mutter erzählt wurden.
Ja, der Passus mit dem Beschlagen hat es mir auch sehr angetan, da wunderbar im Detail geschrieben.

Saludos
Gabriella

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leonie
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Beitragvon leonie » 27.09.2010, 23:15

Oh, Mucki, jetzt hast Du ja schon da weiter gemacht, wo ich aufgehört hatte...

Liebe Nicole,

ich habe auch weiter nachgedacht und eine ähnliche Frage wie Quoth: Ist es wirklich schon eine Geschichte im literarischen Sinn?

Und noch eine Frage, die mir in den Sinn kam: Warum erzählst Du aus der Perspektive des fremden Soldaten? Mir scheint das fast eine eher ungünstige zu sein.

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon Mucki » 27.09.2010, 23:30

Hi leonie,

ich war gerade mittendrin. Als ich es absandte, sah ich in der Vorschau, dass du auch schon begonnen hattest.
Na, zwei Mal hält besser. ,-)

leonie hat geschrieben:Warum erzählst Du aus der Perspektive des fremden Soldaten? Mir scheint das fast eine eher ungünstige zu sein.

Gegenfrage: ist dieser Soldat wirklich ein Fremder? Den Bogen spannt das Klavier. Das finde ich ja gerade so gut an dieser Geschichte.

Saludos
Mucki

Nicole

Beitragvon Nicole » 28.09.2010, 08:11

Hallo zusammen und guten Morgen!

@ Yorick:
Vielen Dank! Es freut mich besonders, dass ich Dich scheinbar erreicht habe. :-)

@ Leonie:

Für mich ist Pathos an sich eine Form, Dinge auszudrücken, die noch keine "Richtung" enthält. Von daher braucht es für mich das "warm" um der Erzählweise der Großmutter die gewünschte Richtung zu geben. Die weiteren, von Dir "gestrichenen" Adjektive braucht es für mich. (Vor allem den hungrig knurrenden Magen.)
Zu Deiner Frage "Ist es wirklich schon eine Geschichte im literarischen Sinn?"
Mmh, was unterscheidet eine Geschichte im literarischen Sinn von einer im unliterarischen Sinn? Von daher kann ich Dir nur antworten: "Ja, für mich ist das eine Geschichte."
Warum ich aus der Perspektive von Paul Messer schreibe? Ich wüßte nicht, wie es anders gehen sollte. Weder Margarete, noch der alte Schmied, noch das kleine Mädchen im Focus könnten meiner Meinung nach so durch die Geschichte führen, wie es möglich ist, wenn ich den Leser mit ihm durch diese Begegnung gehen lasse.

@Gabriella:

Vielen Dank für Deine Korrekturen bezgl. Kommata und Schreibfehlern. Vielleicht sollte ich dir zukünftige Texte vorab schicken, dann würde ich mich ob dieser "Schreibschwäche" weniger blamieren. :-)
Ansonsten vielen Dank für die Blumen!
Achja, zum "Heil Hitler" bei der Begrüßung Margaretes: Da stand tatsächlich in der ersten Variante ebenfalls noch eines. Das habe ich allerdings beim letzten Änderungslauf gelöscht. Zum einen war 1945 bereits, gerade unter den Frontsoldaten, eine "Hitler-Müdigkeit" weit verbreitet, heißt, die Bedeutung dieses Grußes änderte meines Erachtens nach seine Bedeutung. Vom "Geglaubten" zur Floskel. Deswegen grüßt Paul zwar im "dienstlichen" Teil (Übergabe der Achse zur Reparatur) noch wie vorgeschrieben, läßt es jedoch im "privaten" dann sein. Ist mehr Mensch, weniger Soldat, wenn Du so willst.

@ Quoth:

ähnlich wie Leonie fragst Du: "Ist es wirklich schon eine Geschichte? Oder ist es nur eine Zusammenfassung von Erzähltem?"
Ja, für mich ist es eine Geschichte. Woraus eine Geschichte entsteht, ob rein aus der Phantasie des Erzählers, auf selbst Erlebtem oder auf "Hören-Sagen", spielt für mich keine wirklich Rolle.
"behutsam", "perlten".
Mmh, ich habe kein Problem damit, ein Wort zu verwenden, das möglicherweise abgedroschen und oft verwendet ist, wenn es das, was ich sagen möchte, trifft. Etwas behutsam zu schließen, beinhaltet für mich Achtsamkeit, Sorgfalt, Sanftheit und eine Form von Respekt. Man / Ich fasse etwas behutsam an, wenn es wir wichtig ist und ich darauf bedacht bin, es "gut zu behandeln". von daher paßt diese Wort zu Margaretes Tun "wie die Faust aufs Auge".
Ebenso ist es für mich mit den Tönen des Klaviers. Wenn ich das genannte Stück höre, perlt das einfach für mich. Das ist das Bild, was vor meinen Augen dabei entsteht...

Der Absatz, in dem Margarete erklärt, warum das Mädchen gerufen hat und Paul sich entschuldigt. Ja, das hast Du möglicherweise recht, der könnte tatsächlich wegfallen. Ich freue mich über diese Anregung und denke darüber nach.

Vielen Dank Euch fürs Lesen!

Liebe Grüße,

Nicole

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 28.09.2010, 10:36

Liebe Nicole,
ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen, das ist eine sehr schöne und packende Geschichte ... ich finde auch die Perspektive richtig gewählt.
Etwas ins Stocken gebracht hat mich die Stelle mit den Schuhen, die Paul an seine Tochter schicken möchte. Wie kommt es, dass er die so plötzlich in der Tasche hat? Ist diese Einzelheit überhaupt wichtig? Mir kommt das irgendwie implantiert vor, als sei es nur eingeflochten, um die Info unterzubringen, dass Paul eine Tochter im gleichen Alter hat. (Ich vermute mal, die Geschichte hat sich wirklich so abgespielt, aber an dieser Stelle würde ich jedenfalls darüber nachdenken, etwas glatter zu streichen. Ich glaube, wir haben uns über diesen Punkt schon mal per Mail ausgetauscht?)
War es eigentlich zu dieser Zeit noch üblich, einander zu "ihrzen"?
Und was ist bitte Spirgel?
Sehr gern gelesen jedenfalls!
Lieben Gruß von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Nicole

Beitragvon Nicole » 28.09.2010, 11:12

Hi Zefira,

nur auf die Schnelle:

Spirgel
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Spirgel oder Spirkel (dem Baltischen entlehnt, vermutlich aus litauisch spirgai, „gebratener Speck“) ist der ostpreußische Name für gebratenen Speck oder Schweinebauch sowie für ein einfaches Gericht aus gewürfeltem Bauchspeck oder Schweinebauch und Zwiebeln. Traditionell wurde es drei Tage vor Weihnachten gemeinsam von der ganzen Familie gegessen.
Zubereitung
Je nach Rezept und Verwendungszweck werden zur Zubereitung geräucherter Speck und etwa die doppelte Menge Zwiebeln gewürfelt und knusprig gebraten oder Schweinebauch und Zwiebeln sehr langsam in der Pfanne geschmort, bis ein sämiges Ragout entsteht.
Gegessen wird Spirgel z. B. nur mit Brot oder mit Kartoffelkeilchen, kleinen, länglich geformten Kartoffelklößen aus rohen und gekochten Kartoffeln. Ein verwandtes Gericht sind die litauischen Cepelinai.
Typisch ist auch die Kombination mit einer süßen Suppe aus Dörrobst zu der Spirgel und Stampfkartoffeln gereicht werden.


Vielen Dank erstmal, zu den Schuhen später, ja?

Gruß, Nicole

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leonie
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Beitragvon leonie » 28.09.2010, 11:39

Liebe Nicole,

ich glaube einfach nicht, dass Du die Adjektive alle brauchst. Wenn man etwas aus der Ferne hört, dann ist es logisch, dass es leise ist. Wenn Land unter dem Schnee begraben ist, ist es logisch, dass der Schnee hoch sein muss. Wenn etwas im Sonnenlicht liegt, geht man davon aus, dass es strahlendes Licht ist. Interessant wäre wenn es ein anders Adjektiv wäre, das Neues bringt. Wenn Äste sich unter ihrer Last beugen, ist logisch, dass diese schwer ist.
Mag sein, dass es anderen nicht so geht, aber ich fühle mich wirklich für dumm verkauft, wenn jemand meint, mir das sagen zu müssen. Soviel Phantasie habe ich selber. Wenn Du schreibst: Die Winterlandschaft glitzerte im Sonnenlicht, die Äste aber ächzten unter ihrer Last" kann ein Bild entstehen. Wenn Du schreibst (ich übertreibe) Die weiße Winterlandschaft lag im strahlenden Sonnenlicht, aber die schneebeladenen Äste beugten sich unter ihrer schweren Last" machst Du es für mein Empfinden kaputt.

Ich glaube nicht, dass das eine leonie-Privatmeinung ist, ich habe das jedenfalls bei unterschiedlichen, von einander unabhängigen Lehrern gelernt. Adjektive, die unoriginell sind und sogar Bekanntes aussagen, machen einen Text platt. Und ich glaube, dass DU in jedes von Dir als gut empfunden Buch gucken kannst. Du wirst keine überflüssigen Adjektive finden.

Ich finde, Dein Text hat Potential, großes Potential. Aber so wie Du ihn stellenweise schreibst, hat man das Gefühl: Kenne ich. Solche Geschichten aus dem Krieg, von der Vertreibung habe ich tausendmal gehört.
Das ist auch das, was ich mit der Frage meine: Ist es eine Geschichte im literarischen Sinn? Natürlich sind auch das Geschichten, die von den Menschen, die das noch erlebt haben, weitererzählt werden. Aber Du hast diese hier aufgeschrieben, Du willst, dass sie weiter übermittelt wird. Ich glaube, dass Du sie für einen großen Leserkreis stellenweise interessanter gestalten müsstest. Und ob da weiter gelesen wird, entscheidet sich am Anfang.

Noch eine Kleinigkeit: eine dampfende Tasse, die Tasse selber dampft ja nicht, sondern der Inhalt.

Auch auf die Gefahr hin, dass Du sauer bist, weil ich insistiere: Ich finde, nur zu sagen, diese Adjektive brauche ich alle, reicht als Begründung nicht aus.

Liebe Grüße

leonie

african queen

Beitragvon african queen » 28.09.2010, 13:49

Liebe Nicole,
großartig, wie du deine Geschichte, eine, deine Familiengeschichte erzählst.
Achtsam und ohne Pathos schilderst du eine Begebenheit, die in Vergessenheit
geraten könnte. Familiengeschichte , die eigenen Wurzeln zu entdecken, vielleicht
sogar das Heimatland der Großeltern neu kennenzulernen, könnte sich daraus ergeben.
Generationsübergreifend ermöglicht dies, daß wir doch geheimnisvoll mit die unserer
Urfamilie ( in Afrika würde man sagen : Ahnen(geister) in einer Verbindung stehen-
bzw. geprägt werden. Der Lebensweg, den wir gehen, irgendwie damit zutun hat.
Wurzeln, bzw. Identität, Halt geben können, wenn wir uns den Zugang dazu erhalten, oder
finden können. Deine Geschichte finde ich wichtig, wenn auch häufig ähnlich erzählt.
Deinen persönlichen Zugang dazu macht die Erzählung sehr lebendig und flüssig, auch wenn
vielleicht Kleinigkeiten zu überarbeiten wären, aber zu perfekt erzählt würde mir dein eigener
Zugang vevtl. verloren gehen. Für mich ein gelungener Ansatz, wie du den Einstieg schaffst,
intressiert mich und habe die Erzählung gerne gelesen. Mehr davon bitte......
lg
african queen

Nicole

Beitragvon Nicole » 28.09.2010, 14:08

Hallo african queen,

gerade wollte ich eine Antwort an Leonie reinkopieren, da sehe ich Deinen Beitrag. Vielen Dank erstmal, ich gehe später noch ausführlicher darauf ein, ja? (Meine Mittaspause ist zu Ende und ich müßte erstmal weiter arbeiten, bevor ich wieder schreiben kann)

LG, bis später, Nicole


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