Die Weizenmehl-Verschwörung

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Andreas

Beitragvon Andreas » 24.09.2010, 13:31

Leser, Konsumierer, Freunde,

sicher kennen viele den Spruch, dass jemand den 'IQ eines Stück Toasts' habe oder auch den, dass jemand 'dumm wie Stulle' sei. Gestern widerfuhr mir etwas in der Öffentlichkeit, was mich wundern und, bei näherer Betrachtung, erschaudern ließ. Während ich an einer Fußgängerampel auf die Grünphase wartete, tadelte eine Mutter ihr Kind mit den Worten "Lass doch jetzt mal das dumme Brötchen", wonach sie es dem Kind entriß und in naheliegendem Abfall entsorgte.

Gehen wir davon aus, dass jedes Elternteil eine Fürsorgepflicht verspürt, was bewegte diese Mutter, ihr Kind so zu tadeln? Es ist im Grunde genommen keine Seltenheit, dass Eltern gerne ihre Kinder darauf hinweisen, dass sie nicht mit den 'schmutzigen Nachbarskindern spielen' sollen oder, dass sie 'mal die Oma winken tun', aber die Sache mit dem Brötchen scheint mir ernst genug, um sie hier nochmals aufzugreifen. Folgte also die Mutter einem natürlichen Instinkt oder höherem Wissen, welches sich bisher in letzter Konsequenz in unseren Köpfen noch nicht manifestiert hat, vielleicht auch darum, weil wir noch keine weitreichenden, wissenschaftlichen Erkenntnisse besitzen? Auch darum stoße ich dieses Thema, gewiß ein heißes Eisen, an, damit ihr, die Öffentlichkeit, diese Kunde weitertragen könnt.

Alle vorgenannten Sprüche, so wie die Aussage der Mutter haben einen gemeinsamen Nenner - Brot bzw. Backwaren - die Stulle (optional sogar belegt), das/der Toast (mehrheitlich Weizentoast) und auch das Brötchen (es handelte sich um ein einfaches Brötchen, kein Körner Schnickschnack, nicht gemohnt oder gesesamt). Wenn wir zwischen diesen drei exemplarischen Produkten eine Gemeinsamkeit suchen, neben der Tatsache, dass es sich um Backwaren handelt, fällt uns auf, dass diesen dreien gemeinsam ist, dass sie mehrheitlich mit hohen Weizen- bzw. Weizenmehlanteilen gebacken werden. Das fertige Produkt kennzeichnet sich dann zumeist durch eine helle Kruste oder zumindestens durch ein sehr helles Inneres. Zudem erkennen wir, wenn wir nur die Bezeichnungen der Produkte ansich genauer betrachten, dass keines dieser Worte mehr als 2 Silben besitzt - seht selbst: Stul-le, Bröt-chen (manchmal auch Sem-mel, Rund-stück o.ä.) und Toast (nur eine Silbe, selbst das Ausgangsprodukt Weiss-brot hat nur 2 Silben). Das ist, lässt man es sich auf der Zunge zergehen, frappierend, nicht wahr? Denken wir nun an andere Backwaren, wie z.B. Roggenmischbrot, Pumpernickel, Roggenbrötchen uvm, dann fällt uns auf, dass hier weit vielsilbiger gebacken wird.

Fangen wir also an, die bisherigen Auffälligkeiten ein bisschen genauer zu betrachten. Obwohl Weizen und Roggen jeweils zweisilbig sind, sind ihre Endprodukte mehrheitlich grundverschieden; Weizenprodukte bleiben zweisilbig, Roggenprodukte schaffen häufig locker 4 oder mehr Silben. Legt man nun über diese backwissenschaftliche Erkenntnis die Schablone korrekter Orthographie fällt uns auf, dass es weit wahrscheinlicher ist, dass man ein Wort, was nur aus einer Silbe oder 2 besteht, weit eher korrekt ausschreiben kann, als ein orthographisch herausforderndes Roggenprodukt. Der Roggen dient übrigens nur exemplarisch; gleiches würde sich bei Dinkelprodukten ergeben.

Hiermit ergibt sich zwangsläufig die Frage - sind also Weizenmehlprodukte die Blondinen unter den Backwaren? Und, setzt man mit der Überlegung fort, welche sich unmittelbar aus erstgestellter Frage ergibt - warum ist die Attraktivität von Weizenmehlprodukten ähnlich hoch wie die von Blondinen gegenüber andershaarigen Frauen? Dazu ein paar mögliche Szenarien, die uns so oder ähnlich jeden Tag begegnen.

Bestellt man ein belegtes Brötchen beim Bäcker oder Metzger - es wird, außer man wünscht es ausdrücklich, ein Blondinenbrötchen sein. Und was ist mit den belegten Brötchen, die man in der Kantine erhält oder die der Lieferservice anliefert? Gut, es gibt hier und da ein paar Roggen- und Körnerexoten, aber mehrheitlich auch hier die Blondinenbrötchen. War jemand schon mal in England? Die Engländer stehen auf einen schnellen Snack insbesondere in Form von dreieckigen, zusammengeklappten Toastscheiben und ratet mal, ob es sich dabei in der Majorität um Weizentoast oder Vollkorntoast handelt? Steckt eure Nase mal z.B. nach Marks & Spencer hinein und lasst euch überraschen. Nun, das war eine rhetorische Frage, wie wir richtig erkannt haben.

Werden wir doch mal ein wenig globaler, polyglotter und denken an Nationen wie die Amerikaner oder auch die Franzosen. Wer diese Länder schon einmal bereist hat oder über das Wissen eines durchschnittlichen Mitteleuropäers verfügt, weiss sehr wohl, dass es in diesen Ländern nahezu unmöglich ist, etwas anderes als Weizenmehlprodukte zu erhalten. Franzosen ohne Baguettes oder Croissants, Amerikaner ohne jegliche Form von Sandwiches, Burgern etc. pp. - sind wir mal ehrlich, wäre das vorstellbar? Spätestens jetzt stellen wir mit Schrecken fest, dass einige Verhaltensmuster bei diesen Völkern sonderbar anmuten und wir sie mit unserem Mischbrotintellekt nicht nachvollziehen können. Vielleicht der besseren Transparenz halber 1-2 frappierende Beispiele anhand der Amerikaner:

1) Häuserbauweise - Wie wir wissen, wird Amerika sehr oft von Hurrikans heimgesucht. Ein Großteil der dortigen Verwüstung resultiert häufig vor allem daraus, dass die meisten Häuser nur eine zusammengenagelte, lose Brettsammlung ist. Um diese Bretterbuden dem Erdboden gleich zu machen, würde es vermutlich nicht einmal eines Hurrikans bedürfen, dieses zerstörerische Werk könnte sogar ein ausgewachsener Orkan verursachen. Und was machen die Amerikaner, nachdem sie fertig gejammert haben; richtig, sie bauen eine neue Bretterbude. Kann ein normal intelligenter, deutscher Mitbürger darin wirklich einen Sinn entdecken?

2) Demographische Volksverfettung - Hier gehen wir an die Quelle des Brötchenübels und schauen etwas auf die Eßkultur der Amerikaner. Mittlerweile sieht der großstädtische Wohnungsmarkt dort sogar weitestgehend so aus, dass Mietwohnungen keine Küchen mehr beinhalten. Amerikaner schwören auf Fast- und Junk Food und egal, welchem Produkt man dort begegnet, es ist immer in eine ordentlichen Portion Weizenmehlprodukt geschlungen. Die populärsten Beispiele sind wohl Hot Dogs und Burger. Trotz des klaren Zusammenhangs zwischen immer stärker werdender Verfettung und daraus resultierender, verkürzter Lebenserwartung geht das große Fressen jeden Tag von neuem los, frei nach dem Motto: Und täglich grüßt das Weizenmehl. Fakt ist, egal wie unbeschwert unsereins auch seine Nahrungsaufnahme gestaltet, kann man solche konsequente, lebensverneinende Haltung logisch nachvollziehen?

Ich empfinde es nicht als ungewöhnlich, dass mir diese Gedanken, die sich langsam zu einem Mosaik zusammenfügen, einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Vielmehr manifestiert sich in mir immer mehr eine Frage, ob ein übermäßiger Konsum von Weizenmehlprodukten zu einem irreversiblen, genetischen Defekt führen kann? Gibt es Teile der DNA, welche, bisher nicht nachweislich, weil nicht untersucht, empfindlich auf dem Verdauungs- oder Aufnahmeprozeß von Weizenmehlprodukten oder jeglichen Brötchenderivaten reagieren? Verändern diese Nahrungsmittel also unser Ergbut unwiderbringlich und, was noch wichtiger scheint, sind diese genetischen Defekte vererblich? Was, wenn ein dominantes XY Chromosom, welches Weizenmehl geschädigt ist, mit einem XX Chromosom verschmilzt? Oder reicht gar ein genetischer Defekt eines schwachen XX Chromosoms?

Leider bin ich nicht in der Lage, mich tiefer in dieses wissenschaftliche Gebiet zu begeben, sei es aus ganz einfachen Gründen, wie den dafür erforderlichen Mitteln oder den entsprechenden Kontakten. Gewiß werde ich aber nicht zögern, diese Auftaktstudie an namhafte Lebensmittelinstitute zu leiten, um diese für dieses Problem zu sensibilisieren.

Damit möchte ich an dieser Stelle schließen und kann nur jedem ans Herz legen, mindestens einen Mischkonsum an Backwaren zu pflegen, wenn nicht komplett auf Weizenmehlprodukte zu verzichten. Bei näherem Nachdenken fiel mir eben übrigens ein, dass die eingangs erwähnte Mutter, keine blonden Haare hatte.

Es grüßt herzlich, jedoch besorgt
Andreas

Quoth
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Beitragvon Quoth » 24.09.2010, 21:46

Hallo, besorgter Andreas,
es gibt eine Weizenunverträglichkeit namens Zöliakie, die vor allem bei der Kinderaufzucht ziemlich viel Arbeit, Sorge und Kummer bereitet, auch Erwachsene können davon betroffen sein, man muss auf Reis, Buchweizen und Mais ausweichen - aber Dein Versuch, die Redensart "Dumm wie Brot" zu widerlegen, indem Du eine aberwitzige Theorie entwickelst, nach der wir durch Weizengenuss genetisch verblöden, scheint mir nicht gelungen. Die pseudowissenschaftliche Argumentation ist zu durchsichtig und zu albern (vor allem, wenn Weizenmehlprodukte mit Blondinen gleichgesetzt werden), als dass man sie auch nur mal zum Spaß ernst nehmen könnte!
Mit Gruß
Quoth (der gern gelacht hätte)
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Sam

Beitragvon Sam » 26.09.2010, 11:03

Hallo Andreas,

also ich muss zugeben, dass ich bei dem Satz...
sind also Weizenmehlprodukte die Blondinen unter den Backwaren?

...lauthals gelacht habe.

Auch der Rest ist ganz amüsant, aber am Ende ein bisschen zu weitschweifig.

Bleibt zu hoffen, dass Herr Sarrazin diesen Text nicht liest. Sonst könnte es sein, dass er für ein Verbot des Verkaufs von Weizenmehlprodukten an Migranten plädiert.


Gruß


Sam

Max

Beitragvon Max » 26.09.2010, 16:41

Lieber Andreas,

vielleicht liegt es daran, dass ich es ab un dan ganz gerne auch albern mag, aber passagenweise gefällt mir Dein Text - besonders die schon von Sam zitierte Stelle. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass der Text auf der Hälfte der Länge wesentlich spritziger daher käme.

Liebe Grüße
Max


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