zeitzeuge

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 08.05.2010, 11:28





zeitzeuge


doch immer bleiben die worte
zittrig hinter dem atem
und drängen sich wund
verwittern wie der sandstein
eines turmes
zur mahnenden ruine

zeitzeuge

von ihr selbst zum relikt
verkommen






URVERSION

zeitzeuge


doch immer bleiben die worte
zittrig hinter dem atem
und drängen sich wund
verwittern wie der sandstein
eines wachturms
zur mahnenden ruine

zeitzeuge

von ihr selbst zum relikt
verkommen


.
Zuletzt geändert von Niko am 10.05.2010, 18:29, insgesamt 1-mal geändert.

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noel
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Beitragvon noel » 08.05.2010, 12:02

"doch immer bleiben die worte
zittrig hinter dem atem
und drängen sich wund
verwittern wie dersandstein
eines wachturms
zur mahnenden ruine"

bei wachturm denke ich sofort an zeugen jehovas...
das bringt mich aus dem bild.
welches ich per se sehr schön verwortet finde

bedarf es der erläuternden worte "mahnende ruine"?


erst ruine, dann relikt?
& das zeitzeuge, das verbindet mir diebeiden textteile nicht wirklich...
ich bekomme den bogen nicht gespannt.
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Quoth
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Beitragvon Quoth » 08.05.2010, 12:44

Hallo, Niko,
mit "Wachturm" und "Zeitzeuge" ist tatsächlich eine Spur zu den "Zeugen", wie sie sich abgekürzt nennen, gelegt (auch wenn ihr Publikationsorgan "Wachtturm" heißt). Gemeint scheint mir das aber nicht zu sein, die Frage ist, ob es durch Umformulierung vermieden werden muss.
Es ist wohl kaum ein Zufall, dass Du diesen Text heute, am 66. Jahrestag der Kapitulation mit all seinen Gedenkworten, einstellst.
Auch ich habe Mühe, das "ihr" in der vorletzten Zeile über den Zeitzeugen hinweg auf die mahnende Ruine zu beziehen, und suche nach einem zusätzlich insgeheim gemeinten Weiblichen (z.B. die Bundeskanzlerin????).
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

Niko

Beitragvon Niko » 08.05.2010, 13:46

hallo ihr zwei!
danke für die schnelle reaktion!
der wachturm - natürlich war er nicht auf jehovas zeugen ausgerichtet. erst jetzt sehe ich den doch starken bezug darauf. war mir vorher überhaupt nicht klar.
mahnende ruine......ich finde, noel, es gibt auch viele ruinen, die nicht mahnen. zb. einfache alte häuser, die zerfallen, ruinen sind, mahnen für mich nicht wirklich. sie sind nur ein bild des jammers. allenfalls machen sie wütend. entweder, weil sie ein ekliger schandfleck sind inmitten herausgeputzter straßenzüge, oder weil es eine schande ist, so etwas tolles derart vergammeln und zerfallen zu lassen... von daher finde ich "mahnend" nicht unbedingt fehl am platz. ein ruine ist vielleicht immer ein relikt, aber ein rlikt nicht zwingend eine ruine ;-) allerdings ist das relikt auch nicht auf die ruine bezogen, die ja nur als vergleich diente, sondern soll sowohl auf den bauvergleich als auch auf die hinter dem zittrigen atem drängenden worte sich beziehen.
das "sie", quoth, hat seinen bezug zur zeit. und - ich muss es leider gestehen - es ist doch zufall, das mit dem 66 jahrestag und so....aber ich finde es toll, das (m)ein gedicht auch auf solcher ebene (halbwegs) funktioniert. ich glaube, ich mache aus dem wachturm einfach einen turm.......

liebe grüße: Niko

Max

Beitragvon Max » 08.05.2010, 21:40

Lieber Niko,

diesen Text finde ich durchaus ansprechend.

Allerdings würde ich die Wachturmstelle noch einmal überdenken. Auch bei mir löst dieser Terminus sofort die Zeugen-Jehovas-Assoziation aus . Zudem finde ich den Sandstein dort irgendwie befremdlich, weil ich entweder ganze Gebäude oder aber eben nix aus Samdstein bauen würde, wieso gerade der Wachttur? (Maybe I am picky ...)

Liebe grüße
Max

Quoth
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Beitragvon Quoth » 10.05.2010, 13:31

Korrektur: Nicht der 66., sondern der 65. Jahrestag. Kopfrechnen schwach, Quoth!
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

DonKju

Beitragvon DonKju » 10.05.2010, 18:26

Hallo Niko,

auch wenn ich mich frage, ob man Wachtürme überhaupt aus Sandstein bauen würde, insgesamt gefällt mir dieser Text so gut, daß ich diese Frage als nebensächlich abtun würde. Die Assoziationen zu den Zeugen Jehovas kamen mir in diesem Kontext, im Gegensatz zu den anderen Lesern, auch nicht in den Sinn.

MlG DonKju

Niko

Beitragvon Niko » 10.05.2010, 18:31

hallo max!
der wachturm war nur symbolisch gemeint. wachen, aufpassen, verteidigen.......in diesem sinne war es gedacht. und als ein teil einer befestigung, die ein sicherer ort ist. nicht zuletzt durch wachtürme!

liebe grüße: Niko

danke für deinen kommentar, DonKju!
wach hab ich bei den wachtürmen gestrichen!

lieben gruß: Niko

PS: eine erklärung von dir steht noch aus zu deinem kommentar in einem anderen fade, wo du mich um mehr sorgfalt (oder sowas) gebeten hast.

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 11.05.2010, 08:54

Guten Morgen,

also beim Wachturm kamen mir Gedanken an Mahnwache und Denkmal, besonders in dem obigen Zusammenhang. Die Mahnwachen ziehen ab, das Denkmal verwittert, der oder die Zeitzeugen werden zum Relikt ihrer selbst.

Liebe Grüße
Marlene

scarlett

Beitragvon scarlett » 11.05.2010, 09:08

Die ersten Zeilen, Niko, sind schon ein Gedicht! Ich würde die gerne, wenn ich darf, in einem eigenen Text verworten, selbstverständlich als Zitat gekennzeichnet und mit Quellenangabe.

Zum Gedicht selbst: es trägt, und der Gedanke dahinter ist klar.

Für meinen Geschmack und mein Verständnis allerdings bräuchte es "zeitzeuge" im Text selbst nicht mehr, ich würde am Schluss ein wenig umstellen, ohne dass m M nach die Aussage leiden würde.

Nichtsdestotrotz: ich finde das sehr gut und hab mich gern mit diesen Zeilen beschäftigt, nicht zuletzt angesichts der Mahnlesungen, die erst wieder stattgefunden haben.

LG
scarlett

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 11.05.2010, 10:15

Hallo Niko!

Wenn dir und den anderen Wachturm zu "sektenbelastet", kannst du ja Wartturm nehmen - das meint (fast) dasselbe... Du hast ja auch einen gewissen Draht zu älteren Wörtern, dass müsste dann ja passen. Auch Wart / Warte ist oft als "Turm" verstanden worden, aber das geht heute wohl nicht mehr. Schau mal bei Wikipedia, da gibt es ein paar Wartturm-Beispiele :-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Niko

Beitragvon Niko » 11.05.2010, 19:28

wartturm gefällt mir....... kommt "wartburg" auch wohl von diesem wortstamm?......

ich warte noch den ein oder anderen kommentar ab, ferdi. auch um sich den wartturm setzen zu lassen. und dann werd ich ihn wohl einbauen, schätz ich mal...denn ich liebäugele doch sehr damit!

danke für deinen wartwurf!

liebe grüße: Niko


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