Ach, Anwesenheitspflichten! Und diese elende Punktefuchserei! Wie haben sie die akademische Kultur auf unabsehbare Zeiten verschandelt! Zu Beginn einer Veranstaltung wird eine Liste herumgereicht, und wehe! wenn auch nur ein Name darauf fehlt. Im übrigen mag man sich die Nägel feilen, die Grenzen des Internets suchen und nach erfolgtem Besuch alles gleich wieder vergessen: Dasein, und nicht Dabeisein, ist nun alles.
Im Grunde war es ein brillanter Einfall, wie man studentischerseits diesen neuen Anforderungen begegnete. Soweit ich weiß, begann es damals im Oberseminar bei den Verhaltensbiologen. Statt selbst zu erscheinen, schickten sie dressierte Schimpansen, die gelernt hatten, ihre Unterschrift leidlich gut zu imitieren und ansonsten still zu sitzen. Anfangs waren diese sogenannten "Uni-Chimps" noch eine Seltenheit und für die anderen Teilnehmer Grund zu großer Erheiterung. Zwei Jahre später ließ sich schon gut die Hälfte der Studenten derart vertreten, inzwischen ist es nahezu jeder.
Nun bin ich selbst in der unglücklichen Lage, mir keinen Schimpansen leisten zu können. Daher unterschreibe ich die Listen noch persönlich, was allgemein als antiquierte Verschrobenheit belächelt wird. Ich gestehe es offen: Die Lage ist dramatisch. Eine gute Viertelstunde vor Beginn eines Seminars muß ich spätestens da sein, um noch einen freien Sitz zu ergattern. Andernfalls platzt der Hörsaal schon aus allen Nähten. Die Tiere benehmen sich zwar gewöhnlich recht manierlich, will man sie aber von ihrem Platz verscheuchen, neigen sie dazu, ausfällig zu werden. Mir bleibt meistens nichts anderes übrig, als mich zwischen ihnen auf dem Boden niederzulassen. Immerhin kann ich mir dann die Zeit damit vertreiben, meinen Vordermann zu lausen.
Die Dozenten scheinen von dem Wandel nicht viel zu bemerken. Sie sehen meistens an die Tafel, auf den Boden oder über die Zuhörer hinweg. Vergißt doch mal eines der Tiere seine Dressur und schaukelt etwa ein wenig an der Deckenbeleuchtung herum, übersehen sie es gekonnt. Aber auch sie werden die Vorzüge der neuen Praxis sicher noch begreifen.
Professor Zaus kam mir jedenfalls heute schon verdächtig haarig vor.
1. Fassung:
Ach, Anwesenheitspflichten! Und diese elende Punktefuchserei! Wie haben sie die akademische Kultur auf unabsehbare Zeiten verschandelt! Zu Beginn einer Veranstaltung wird eine Liste herumgereicht, und wehe! wenn auch nur ein Name darauf fehlt. Im übrigen mag man sich die Nägel feilen, die Grenzen des Internets suchen und nach erfolgtem Besuch alles gleich wieder vergessen: Dasein, und nicht Dabeisein, ist nun alles.
Im Grunde war es ein brillanter Einfall, wie man studentischerseits diesen neuen Anforderungen begegnete. Soweit ich weiß, begann es damals im Oberseminar bei den Verhaltensbiologen. Statt selbst zu erscheinen, schickten sie dressierte Schimpansen, die gelernt hatten, ihre Unterschrift leidlich gut zu imitieren und ansonsten still zu sitzen. Anfangs waren diese sogenannten "Uni-Chimps" noch eine Seltenheit und für die anderen Teilnehmer Grund zu großer Erheiterung. Zwei Jahre später ließ sich schon gut die Hälfte der Studenten derart vertreten, inzwischen ist es nahezu jeder.
Nun bin ich selbst in der unglücklichen Lage, mir keinen Schimpansen leisten zu können. Daher leiste ich meine Unterschriften noch persönlich, was allgemein als antiquierte Verschrobenheit belächelt wird. Ich gestehe es offen: Die Lage ist dramatisch. Eine gute Viertelstunde vor Beginn eines Seminars muß ich spätestens da sein, um noch einen freien Sitz zu ergattern. Andernfalls platzt der Hörsaal schon aus allen Nähten. Die Tiere benehmen sich zwar gewöhnlich recht manierlich, will man sie aber von ihrem Platz verscheuchen, neigen sie dazu, ausfällig zu werden. Mir bleibt dann nichts anderes übrig, als mich zwischen ihnen auf dem Boden niederzulassen und mir die Zeit damit zu vertreiben, meinen Vordermann zu lausen.
Die Dozenten scheinen von dem Wandel nicht viel zu bemerken. Sie sehen meistens an die Tafel, auf den Boden oder über die Zuhörer hinweg. Wenn doch mal eines der Tiere kurz seine Dressur vergißt, gehen sie darüber rasch hinweg. Aber auch sie werden die Vorzüge der neuen Praxis sicher noch begreifen.
Professor Zaus kam mir jedenfalls heute schon verdächtig haarig vor.
Der letzte Student
Lieber Merlin, das ist köstlich!
Meine Töchter, beide studierend, haben mir schon dergleichen erzählt, aber ich hielt es für eine Ente (oder sollte ich besser sagen, einen Affen?).
Hier hakt es für mein Gefühl:
Das sind ein bisschen viel Infinitive auf einmal - mach doch zwei Sätze draus und beuge wenigstens einen der Infinitive. Das tut ihnen gut ,-)
Abgesehen von dem unschönen zweimaligen "hinweg" hätte ich das gern ein bisschen genauer. Was machen die Tiere denn falsch? Ich meine mal gehört zu haben, dass es praktisch unmöglich sei. Schimpansen stubenrein zu bekommen, mögen die auch noch so intelligent sein ...
Solange es noch bemerkt wird, dass Du kein Affe bist, ist doch alles im grünen Bereich
Pelzigen Gruß von Zefira
Meine Töchter, beide studierend, haben mir schon dergleichen erzählt, aber ich hielt es für eine Ente (oder sollte ich besser sagen, einen Affen?).
Hier hakt es für mein Gefühl:
Mir bleibt dann nichts anderes übrig, als mich zwischen ihnen auf dem Boden niederzulassen und mir die Zeit damit zu vertreiben, meinen Vordermann zu lausen.
Das sind ein bisschen viel Infinitive auf einmal - mach doch zwei Sätze draus und beuge wenigstens einen der Infinitive. Das tut ihnen gut ,-)
Sie sehen meistens an die Tafel, auf den Boden oder über die Zuhörer hinweg. Wenn doch mal eines der Tiere kurz seine Dressur vergißt, gehen sie darüber rasch hinweg.
Abgesehen von dem unschönen zweimaligen "hinweg" hätte ich das gern ein bisschen genauer. Was machen die Tiere denn falsch? Ich meine mal gehört zu haben, dass es praktisch unmöglich sei. Schimpansen stubenrein zu bekommen, mögen die auch noch so intelligent sein ...
Nun bin ich selbst in der unglücklichen Lage, mir keinen Schimpansen leisten zu können. Daher unterschreibe ich die Listen noch persönlich, was allgemein als antiquierte Verschrobenheit belächelt wird.
Solange es noch bemerkt wird, dass Du kein Affe bist, ist doch alles im grünen Bereich

Pelzigen Gruß von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Hallo Zefira,
danke für die Hinweise! Die stilistischen Punkte habe ich gleich eingearbeitet, zum Fehlverhalten der Affen (Kreischen, Kämpfen, Bananenessen, an der Decke herumklettern...) lasse ich mir noch etwas einfallen. Von den angesprochenen Änderungen war ich zum Glück nicht mehr selbst betroffen, bekomme aber noch genug davon mit, um froh darüber sein...
Liebe Grüße
Merlin
danke für die Hinweise! Die stilistischen Punkte habe ich gleich eingearbeitet, zum Fehlverhalten der Affen (Kreischen, Kämpfen, Bananenessen, an der Decke herumklettern...) lasse ich mir noch etwas einfallen. Von den angesprochenen Änderungen war ich zum Glück nicht mehr selbst betroffen, bekomme aber noch genug davon mit, um froh darüber sein...
Liebe Grüße
Merlin
Hallo Merlin,
hach, das ist ja ein köstlicher Text.
Was hab ich gelacht, vor allem hier:
Klar, das Ganze könnte man noch weiter herrlich auf die Spitze treiben.
Aber mir gefällt das schon in der jetzigen Fassung so gut!
Amüsierte Grüße
Mucki
hach, das ist ja ein köstlicher Text.

Mnemosyne hat geschrieben:Immerhin kann ich mir dann die Zeit damit vertreiben, meinen Vordermann zu lausen.

Klar, das Ganze könnte man noch weiter herrlich auf die Spitze treiben.
Aber mir gefällt das schon in der jetzigen Fassung so gut!
Amüsierte Grüße
Mucki
Hallo, Merlin,
damit bringst du ein echtes Problem des Studierens nach dem Bologna-Prozess auf den Punkt, und das auch noch auf herrlich absurde Weise! Fehlt nur noch, dass der letzte Anwesende in Menschengestalt von dem "affigen" Professor des Saales verwiesen wird.
Sehr gern gelesen und gar nichts zu meckern!
lg
fenestra
damit bringst du ein echtes Problem des Studierens nach dem Bologna-Prozess auf den Punkt, und das auch noch auf herrlich absurde Weise! Fehlt nur noch, dass der letzte Anwesende in Menschengestalt von dem "affigen" Professor des Saales verwiesen wird.
Sehr gern gelesen und gar nichts zu meckern!
lg
fenestra
Hallo ihr Lieben,
habt schönen Dank für eure Kommentare. An Einfällen, den Text auszubauen, fehlt es mir nicht, aber ob er dadurch wirklich gewinnen würde? Schließlich kann der hier noch gut sichtbare Kerngedanke durch zu viel Rankwerk auch verhüllt werden. Der Saalverweis ist allerdings eine gute Möglichkeit für eine zusätzliche Schlußpointe, ich glaube, den baue ich noch ein.
Liebe Grüße
Merlin
habt schönen Dank für eure Kommentare. An Einfällen, den Text auszubauen, fehlt es mir nicht, aber ob er dadurch wirklich gewinnen würde? Schließlich kann der hier noch gut sichtbare Kerngedanke durch zu viel Rankwerk auch verhüllt werden. Der Saalverweis ist allerdings eine gute Möglichkeit für eine zusätzliche Schlußpointe, ich glaube, den baue ich noch ein.
Liebe Grüße
Merlin
Hi Merlin,
diesen Text hab ich mit großem Amüsement gelesen und so manches aus meiner eigenen Studizeit tauchte wieder aus der Erinnerung auf.
Ich wäre jedoch vorsichtig, ihn auszubauen. So verständlich ein Leserwunsch nach Mehr auch sein mag und so sehr er den Autor auch freut, oft tut gerade ein "Nachschlag" einem Text nicht gut. Ich fände es schade, wenn deine Betrachtung dadurch verlöre.
Lieben Gruß
Herby
diesen Text hab ich mit großem Amüsement gelesen und so manches aus meiner eigenen Studizeit tauchte wieder aus der Erinnerung auf.
Ich wäre jedoch vorsichtig, ihn auszubauen. So verständlich ein Leserwunsch nach Mehr auch sein mag und so sehr er den Autor auch freut, oft tut gerade ein "Nachschlag" einem Text nicht gut. Ich fände es schade, wenn deine Betrachtung dadurch verlöre.
Lieben Gruß
Herby
Lieber Merlin,
da ich die Grenzen menschlicher und studentischer Vernunft und das blühende Wachstum der Bürokratie nun seit geraumer Zeit beobachten darf (ich ernte Staunen, wenn ich von meiner Studizeit berichte, in der ich an einer sogenannten Reformuni studierte, an der keine Scheine notwendig waren - ich habe als Tutor die Einführung der Scheine miterlebt und sie hat nachweislich einfach zu einer Verdopplung der Abschreibequote geführt ... nun harre (haare wäre auch gut) ich des ersten Jahrgangs, der Abi nach 12 Jahren gemacht hat, der zwar exp kennt, aber nicht mehr log (das braucht man laut Ministerium ja nur für Rechenschieber), der also seeeehr vorsichtig ist beim Gebrauch der Exponentialfunktion, man bekommt den dreck ja nie wieder weg ... ), kann ich nur sagen: Der Text spricht mir aus dem Herzen!
Die Studies, die nicht mehr wissen wollen, ob etwas richtig oder falsch ist (es sind nicht alle, aber zu viele), sondern, ob man nicht für ihre falsche Lösung auch viele Punkte geben könnte, wir züchten sie uns selbst ...
Gern gelesen!
Max
da ich die Grenzen menschlicher und studentischer Vernunft und das blühende Wachstum der Bürokratie nun seit geraumer Zeit beobachten darf (ich ernte Staunen, wenn ich von meiner Studizeit berichte, in der ich an einer sogenannten Reformuni studierte, an der keine Scheine notwendig waren - ich habe als Tutor die Einführung der Scheine miterlebt und sie hat nachweislich einfach zu einer Verdopplung der Abschreibequote geführt ... nun harre (haare wäre auch gut) ich des ersten Jahrgangs, der Abi nach 12 Jahren gemacht hat, der zwar exp kennt, aber nicht mehr log (das braucht man laut Ministerium ja nur für Rechenschieber), der also seeeehr vorsichtig ist beim Gebrauch der Exponentialfunktion, man bekommt den dreck ja nie wieder weg ... ), kann ich nur sagen: Der Text spricht mir aus dem Herzen!
Die Studies, die nicht mehr wissen wollen, ob etwas richtig oder falsch ist (es sind nicht alle, aber zu viele), sondern, ob man nicht für ihre falsche Lösung auch viele Punkte geben könnte, wir züchten sie uns selbst ...
Gern gelesen!
Max
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