ich habe nie gefroren

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 12.04.2010, 21:41




ich habe nie gefroren


und dann kommt wer anders
sticht dir seine blumen ins gemüt
und friert sich wieder davon

ich habe nie gefroren
unter deinen deckblättern

aber heute wärme ich vor mich hin
hier und da wen anderes
das lenkt vom sterben ab

und von dir





.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 14.04.2010, 12:03

Hallo Niko,

ich versuche mal zu zeigen, was da so ankommt bei mir, vielleicht liege ich auch wieder ganz daneben. ;-)
Der Titel passt für mich in der Betonung dieser Zeile sehr gut zum Text. Ich Das macht den Anfang und darum kreist es. Fasst ergänze ich mir ein "pah!" vor die erste Zeile und es schwingt durch das ganze Gedicht dieses "ja, hör nur genau zu, das hast du jetzt davon" mit.
Die Deckblätter... ein Deckblatt enthält die wichtigsten Informationen? Die erste Seite einer losen Blattsammlung? Die Titelseite? Ein Buchdeckel? Da weiß ich nicht so recht, dass es mehrere sind, könnte man so interpretieren, dass LDu sich immer anders zeigte, viele Facetten hatte, aber nie tiefer schauen ließ, oder eben außer LIch nichts nennenswertes darunter zu finden war. .-) LIch hat nicht gefroren. Fast weich und schmeichelnd könnten diese beiden Zeilen sein, ein Vorführen, Erinnern, vielleicht der Moment, in dem es noch ins "Liebende" kippen könnte, was dann aber doch nur die Vorbereitung zum Dolchstoß scheint.
Denn dann folgt die dritte Strophe. Die Wärme hatte gar nichts mit LDu zu tun, Deckblätter hin oder her, LIch ist sich selbst die Wärmequelle. LDu ist kalt, weshalb es wahrscheinlich auch den Blumenstecher davongefroren hat, der hatte wohl selbst nicht genug Hitze. :o)) Und jetzt wärmt LIch halt, was gerade so kommt, (so gibt er zumindest an) nur LDu nicht mehr.

das lenkt vom sterben ab

und von dir


Sehr verbittert, verletzt und vorwurfsvoll klingt mir das. Sicher kein "schönes" Liebesgedicht, oder sympathisches Bild das von LIch gezeichnet wird, aber für mich in sich stimmig erzählt.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 14.04.2010, 23:18

Lieber Niko,

das finde ich einen spannenden Text, auch wenn ich ihn noch nicht gleich entschlüsseln kann.

Für mich ist die Hauptfrage (also die hauptsächlich offene Frage), was eigentlich as Lyr. Ich sein soll. Meine erste Assoziation war eine Art Blume-Biene-Geschichte, wobei dann die Decklblätter in eine Blüte gehörten ... dann wieder gefällt mir auch die Buchinterpretation - und schließlich: Haben nicht auch Zigarren Deckblätter ;-) ?

Sehr gute finde ich


und friert sich wieder davon


weil das eine gewisse Armseligkeit illustriert (des anderen), ein Zukurzkommen der beiderseitegn Beziehung, die da geschildert wird. Gut auch finde ich das Bild der Beschäftigung mit dem anderen aus Ablenkung der Sicht aufs selbst - das kenne ich von menschen wirklich und das finde ich hier plastisch geschildert. Und natülich ist der lakonische Ton zum Schluss gut, der das Sterben als die mildere Variante des Gedankens an das lyr. Du beschreibt.

Bin gespannt, ob die anderen meine Frage lösen können :-)

Liebe Grüße
Max

Niko

Beitragvon Niko » 24.04.2010, 12:16

hallo flora und max!
Sehr verbittert, verletzt und vorwurfsvoll klingt mir das. Sicher kein "schönes" Liebesgedicht, oder sympathisches Bild das von LIch gezeichnet wird, aber für mich in sich stimmig erzählt.

als verbittert verletzt und vor allem als vorwurfsvoll empfinde ich das nicht. es ist eine zustandsbeschreibung. ganz subjektiv. aber fernab für mich von vorwürfen. eher hat es für mich etwas von einem "jetzt erst recht". also eine kämpferische note.
das hast du jetzt davon
das war zumindest nicht angedacht. denn jeder ist ein schicksal. und eine subjektive einschätzung eines schicksals, womöglich gepaart mit schadenfreude, soll ganz bestimmt nicht ausgedrückt werden.
was du zu dem "deckblatt" schreibst, finde ich gut, weil es genau das ist, was ich sagen wollte. aber gerade das deckblatt war mir immer ausdruckstechnisch ein wackelkandidat.
LIch ist sich selbst die Wärmequelle.
das sollte gnau die essenz schlussendlich sein.
dank dir für´s befassen!
hmax.....es ist echt witzig: natürlich diskutiere ich hier mit meiner frau die gedichte durch. und gerade das deckblatt, was du auch hier ansprichst, war diskussionspunkt. und vor allem auch: und friert sich wieder davon.
und ich hab gewonnen! denn ich habe mit ihr gewettet, dass es so ankommt, wie von mir gedacht. sie hingegen behauptet, dass der begriff so wie er da steht, irreführend wäre. du versüßt mir somit quasi das wochenende. hab wieder trümpfe in der hand ;-)

welche frage muss denn deiner meinung nach noch gelöst werden?

liebe grüße an euch: Niko

Max

Beitragvon Max » 24.04.2010, 21:38

Lieber Niko,

das freut mich, dass ich Dich da stärken konnte. Interessant scheint mir auch aus Deiner Antwort an Flora, dass ich den Text wirklich ziemlich nahe an Deiner Intention verstanden habe.

Liebe Grüße
Max


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