umspült vom weiten nichts

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.03.2010, 21:01

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umspült vom weiten nichts

möcht ich in nebelbänken schreiten
allein mir zugewandt
im tagelangen schweigen
begleitet von der möwen flug

doch jagt es mich aus meinem eiland
zu schmerzbefrieden/glätten/reparieren

ich brauch dich, schreit’s
ich lieb dich, will dich bei mir
haben wir’s nicht herrlich miteinand

so folge ich doch wieder diesen rufen
winke von fern der stille zu


.

edit: 1. Str. geändert
möcht ich in nebelbänken schreiten
blick und sinn mir zugewandt
im tagelangen schweigen
geteilt nur durch der möwen schrei
Danke Lisa, Leonie, Mucki!
Zuletzt geändert von Elsa am 24.03.2010, 17:25, insgesamt 1-mal geändert.
Schreiben ist atmen

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 18.03.2010, 21:58

Liebe Elsa,

Ich habe deine Bilder und Worte voll und ganz genossen, dann beim genauen Nachlesen, nach dem Visualisieren der Bilder sah ich etwas anderes als beim ersten Durchlesen. Und ich weiß nun nicht, ob es an dem heutigen Abend liegt, aber ich sehe wieder eine Opposition zwischen dem lyrIch einerseits, seinem Wunsch nach Nebel-Nichts-Möwenschrei-Einsamkeit :
möcht ich in nebelbänken schreiten
blick und sinn mir zugewandt
im tagelangen schweigen
geteilt nur durch der möwen schrei


und dann dieses "es jagt mich" , das ich anfangs für ein inneres "es" hielt. Beim zweiten Lesen glaubte ich zu erkennen, dass mit diesem "es" ein "man" gemeint ist: es ruft mich = man ruft mich. Jedenfalls sind diese zwei Zeilen vielleicht noch in beiden Bedeutungen zu verstehen:
doch jagt es mich aus meinem eiland
zu schmerzbefrieden/glätten/reparieren


Aber diese vier Zeilen erwecken schon deutlicher den Eindruck, dass da etwas von außen schreit, eine äußere Stimme:
sollte das so von dir intendiert sein, fände ich das "irgendwie störend" (entschuldige den platten Ausdruck ...)
ich brauch dich, schreit’s
ich lieb dich, will dich bei mir
haben wir’s nicht herrlich miteinand

und da find ichs immer schade, wenn sich eine Dichtung allzu defensiv gegenüber 'denen, die rufen' ausdrückt. (das edle lyrIch wandelt allein im Nebel, und diese Banausen dort draußen schrein nur wüld herum ... :rolleyes: :-) :rolleyes: :-) :-)
Dazu kommt dann noch diese Szene, die dies wieder bestätigt.
so folge ich doch wieder diesen rufen
winke von fern der stille zu

So, jetzt habe ich natürlich beim Aufschreiben meiner Eindrücke NOCH genauer hingeschaut: ich muss die Kritik etwas abschwächen, denn im Grunde ist diese Leseweise nur eine - der beiden - so bleibt im Grunde in der Schwebe, im Nebelhaften, wer genau diese Schreie verlauten lässt, wer (oder was) ruft.

Sprachlich und von der Metaphorik her wunderbar geschrieben : Inhaltlich vielleicht etwas zu zweigeteilt.

Liebe - bewundernde Grüße
Renée
.[/quote]

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.03.2010, 22:48

Liebe Renée,

hab herzlichen Dank für die intensiven Überlegungen und natürlich das so schöne Lob, da freu ich mich.

Also ich meine damit nicht, dass jemand anders (Menschen) nach dem LI schreien, sondern, dass es (nicht man) im LI nach dem prallen Leben schreit (das pralle Leben wiederum nach dem LI), was das Meditieren und die Innenschau unterbricht. Mit Recht, denn für den Menschen ist es mM besser, mittendrin zu sein, sich auseinanderzusetzen mit anderen, kurzum, es sind innere Rufe, Appelle ans Ich, das sich ja aus mehreren Anteilen zusammensetzt. Dasselbe gilt für die Aufzählungen, was LI zu tun hat. Zuerst sich den eigenen Schmerzen stellen, dann mit denen "da draußen" umgehen erlernen. Das alles geht aber nicht vom Elfenbeinturm (dem Eiland) aus, sondern halt "mitten im Leben". Das versuche ich zu formulieren im Text.
Wenn ichs aber erst erklären muss, dürfte doch was nicht stimmen damit? *überleg*

Liebe Grüße
ELsa
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 18.03.2010, 23:52

Liebe Elsie,

deine Zeilen hab ich so gelesen, wie von dir beschrieben. Ich finde es gelungen, es gibt nur eine Stelle, hier:
Elsa hat geschrieben:zu schmerzbefrieden/glätten/reparieren

mag ich das "reparieren" nicht so. Es klingt zu technisch. Wie wäre als Alternative "heilen"?

Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 19.03.2010, 00:22

Liebe Mucki,

Danke! Ja, das reparieren, das ist genau der wunde Punkt. "heilen" habe ich auch schon gehabt, aber das erscheint mir zu "heilig" irgendwie, hm ... vielleicht findet sich noch was anderes, nicht so Großes.

Nachdenkgrüße
ELsie
Schreiben ist atmen

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 19.03.2010, 08:12

Oh, Elsa, es ist mir peinlich, dass ich an deinen Intentionen so vorbei gesegelt bin. Das liegt mit Sicherheit nicht an deinem Gedicht, sondern an meiner Begriffstutzigkeit (ein schönes Wort, nicht wahr) in bestimmten Denkbereichen (Fühlbereichen). Deshalb die oft von mir wiederholte Behauptung, Lyrik läge mir nicht.

Sehr liebe Grüße
Renée
PS ... ich fand aber "reparieren" als "Bruchstelle" gut ... wiederum ??? hm.....

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 19.03.2010, 09:43

Liebe Renée,

Das sollte dir wirklich nicht peinlich sein! Es ist doch des Lesers Recht, ohne die Intentionen des Autors einen Text lesen zu dürfen, ja zu müssen. Denn die Autorenerklärungen hat man ja nicht parat i.R. :-)

Solange mir nichts anderes als "reparieren" einfällt, das so "taff" klingt, lass ich es eh stehen.

Hab lieben Dank für deine Wortmeldung,
Elsa mit lieben Grüßen
Schreiben ist atmen

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.03.2010, 21:11

Liebe Elsa,

ich möchte erstmal ganz ganz laut rufen, dass ich das reparieren gerade ganz wunderbar und wichtig für den Text finde! Bitte bitte behalten :-) (jetzt geht das wieder los .- ) )

Ich werde mit der ersten Strophe noch nicht ganz warm (mündet dann ganz arg in den Genitivmöwen), danach packts mich aber wundersam, obwohl da alles so ganz einfach nur dazustehen scheint und trifft mich: ja, so fühlt sich das an und wirds wohl immer, egal wie groß die Liebe ist.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon Elsa » 24.03.2010, 09:08

Liebe Lisa,

Oh, fein, ich danke dir. Das "reparieren" muss eh bleiben, sonst hätt ichs schon ... freut mich, dass du das auch so siehst!

Ich werde mit der ersten Strophe noch nicht ganz warm (mündet dann ganz arg in den Genitivmöwen)

Verstehe. Zugegeben, jetzt finde ich das auch einigermaßen schwülstig...
vielleicht so schlichter:

möcht ich in nebelbänken schreiten
allein mir zugewandt
im tagelangen schweigen
durchbrochen nur von möwengeschrei


Oder so in der Art?

Überschwülstige liebe Grüße
ELsa
Schreiben ist atmen

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Beitragvon leonie » 24.03.2010, 09:56

Liebe Elsa,

bei Deinem Text kann ich gut mitgehen, ich glaube, dass diese innere Zerrissenheit darin etwas sehr Weibliches ist, oder?
Ich finde, das reparieren auch unbedingt wichtig.

Wie wäre "durchbrochen nur vom möwenschrei"?

Der letzte Satz ist mir fast der liebste, weil er es so genau trifft.

Liebe Grüße
leonie

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Beitragvon Elsa » 24.03.2010, 13:10

Liebe leonie,

Fein, danke dir.

Ja, ich denke auch, Zerrissenheit ist eher eine weibliche Note :-)

"möwenschrei", meinst du, nun das wäre die elegantere Version.

dieses "- brochen", daran kau ich eher, auch wenn mir das ursprüngliche "geteilt" aus Schwulstgründen nimmer behagt, aber diese Str. 1 soll ja eine wohltuende Innensituation sein, ob da so ein brachiales Wort wie Brechen überhaupt stimmig ist? Hm...

Liebe Grüße
Elsa
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 24.03.2010, 13:34

Liebe Elsie,
Elsa hat geschrieben:aber diese Str. 1 soll ja eine wohltuende Innensituation sein, ob da so ein brachiales Wort wie Brechen überhaupt stimmig ist? Hm...

da gefiel mir das "geteilt" besser, da "gebrochen" m.E. in der Tat zu brachial ist. Du beschreibst ja in dieser Strophe ein für das LI sehr friedliches Empfinden. Die Möwenschreie begleiten das LI ja sozusagen. Deshalb würde ich hier sogar eher in Richtung "begleitet" gehen. Das würde es für mich jedenfalls stimmiger machen. Evtl. auch das "Schreie" durch "Rufe" oder "Laute" ersetzen, vielleicht so?

möcht ich in nebelbänken schreiten
blick und sinn mir zugewandt
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begleitet durch der möwen laute


Saludos
Mucki

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Beitragvon leonie » 24.03.2010, 14:05

Liebe Elsa,

ich habe sogar überlegt, ob die Zeile wirklich nötig ist. Ich kam zu der Frage, weil das Schreien ja an anderer Stelle im Gedicht anders konnotiert ist. Und wenn du in die Richtung gehst: Begleitet nur vom Möwenflug?

Eigentlich stört mich der genitiv gar nicht so sehr, weil er zur Sprache, die Du für diesen Teil gewählt hast, passt.

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon Elsa » 24.03.2010, 16:49

Liebe Mucki, liebe leo,

hey wie wärs wirklich damit:

begleitet nur vom möwenflug / begleitet von der möwen flug

Danke für eure Gedanken!

Liebe Grüße
Elsie
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