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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 21.02.2010, 11:26

im senken der lider
sperrst du
mich
aus deiner welt

für deinen augenblick
verwehrst du
uns
zu sehen






.keinsilbig ´ 10


---------------
version 1:

im senken der lider
sperrst du mich
fort
aus deiner welt

für deinen augenblick
verwehrst du
uns
zu sehen.
Zuletzt geändert von keinsilbig am 22.02.2010, 20:17, insgesamt 2-mal geändert.

DonKju

Beitragvon DonKju » 21.02.2010, 13:11

Hallo keinsilbig,

denn auf diesem Wege erst einmal ein "Herzlich Willkommen" im Blauen Salon. Und nun zum Text: Hier sehe ich noch eine Verdichtungsmöglichkeit, wenn sie Dir nicht den Rhytmus zu sehr nimmt, nämlich:

im senken der lider
sperrst du mich
aus deiner welt

und die letzte Strophe wurde ich so zusammenziehen zu :

für deinen augenblick
verwehrst du
uns zu sehen.

Vielleicht ist es Dir ja eine Überlegung wert.

Mit lieben Sonntagsgrüßen dazu der Hannes

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 21.02.2010, 13:28

Bilbo hat geschrieben:...

Vielleicht ist es Dir ja eine Überlegung wert.




aber immer, Bilbo,

und danke für die netten willkommensgrüße btw. :smile:


Bilbo hat geschrieben:.... wenn sie Dir nicht den Rhytmus zu sehr nimmt


ja. der würde dann ein ganz anderer. das schon.
ich lass es mir noch eine weile durch kopf und ohr gehen, bevor ich mich für verdichtung auf kosten der ursprünglichen rythmik oder umgekehrt entscheide.
wenn ich dich also richtig interpretiere, sagt dir persönlich also der von mir gewählte rythmus nicht zu... oder lieg ich da jetzt falsch?
du wirst da ja nicht deutlicher.


gruß,

keinsilbig

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noel
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Beitragvon noel » 21.02.2010, 14:02

das uns in der extra zeile
gibt dem
ganzen noch eine nuance mehr
ich würde es so lassen
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 21.02.2010, 14:19

danke, noel,


für die rückmeldung und das wahrnehmen dieser nuance.



gruß,

keinsilbig

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.02.2010, 17:33

Hallo keinsilbig,

die einzelne Setzung von "uns" finde ich auch stimmig. Das "mich" würde ich dann konsequenterweise auch einzeln setzen: meine Idee wäre deshalb:

im senken der lider
sperrst du
mich
aus deiner welt

für deinen augenblick
verwehrst du
uns
zu sehen



Ein Gedicht, das mit wenigen Worten große Sehnsucht beim LI ausdrückt. So kommt es jedenfalls bei mir an. ,-)

Saludos
Gabriella

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 21.02.2010, 17:39

genial, der vorschlag mit dem "mich" anstelle des "fort", Gabriella,


"mich" als gegenpart zum "uns" in S2 ist ja das, was ich irgendwie betriebsblind gar nicht gesehen hab.
einfach gut!!!


DANKE!
das nehm ich sofort und begeistert.

und mich freut auch, dass die sehnsucht darin für dich lesbar ist.



lieber gruß,

keinsilbig

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 22.02.2010, 08:52

Hallo Keinsilbig,

:eek: Sehnsucht kommt bei mir nicht an.

Durch die Einzelsetzung entsteht eine starke Betonung, ich würde das gar nicht als Nuance bezeichnen. Das passt für mich auch zu meinem Eindruck, der Stimmung, die das Gedicht aufkommen lässt. Ich empfinde LIch als übergriffig-aufdringlich-vorwurfsvoll, und rätsele dann am "uns".

LDu sperrt LIch aus seiner Welt aus, weil es diesen "Augenblick" (also sehend!) für sich haben möchte.
Warum LIch dann davon ausgeht, dass LDu in seiner Welt nichts sehen kann, warum LIch nur durch LDus Augen sehen kann, oder wenn ich das "uns" anders lese, warum LIch das Gemeinsame nur in den Augen und der Welt des LDu sehen kann, warum es das "uns" nicht in sich, in seinen eigenen Augen trägt, woher der Anspruch an das LDu kommt, jeden Augenblick mit ihm teilen zu müssen, warum ihm die Verantwortung für das "uns" und gar für das eigene Sehen aufgedrückt wird, und wie es zu diesem Vorwurf (aussperren/verwehren) kommt, erfahre ich nicht aus den Zeilen, es bleibt meiner Vorstellung überlassen. Und ich muss sagen mich überkommt ein großes Mitgefühl mit LDu.
Interessant, wie unterschiedlich das wohl ankommt. Ich kann das Gedicht also stimmig für mich lesen, nur vermutlich auch hier überhaupt nicht deiner Intention nach. :rolleyes:

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 22.02.2010, 09:41

Flora hat geschrieben:Interessant, wie unterschiedlich das wohl ankommt. Ich kann das Gedicht also stimmig für mich lesen, nur vermutlich auch hier überhaupt nicht deiner Intention nach. :rolleyes:




hallo, Flora,


wer sagt, dass meine intention bzw. die intention des textes nur eine einseitige sicht der dinge darstellen wollte?
das ist mE ein etwas voreiliger rückschluss auf den autor und seine mutmaßliche intention, der beim lesen von lyrik allzu oft gezogen wird - und dann logischerweise zum urteil führt, der autor hätte hier nicht gründlich genug gearbeitet. vorausgesetzt natürlich, lyrik hat das recht, dinge absichtlich so offen zu lassen und den leser mit seiner sicht der dinge so allein und in ihrer richtigkeit unbestätigt.

das psychogramm des LIch mit einer nicht nur liebevoll, sehnsüchtigen motivation in einer beziehung, das du hier als "fordernd, übergriffig" zeichnest, ist absolut korrekt - genauso wie auch die interpretation der gelesenen sehnsucht und traurigkeit des LIch korrekt oder berechtigt ist bzw. sein kann.

der text definiert schließlich nirgendwo genauer, warum (aufgrund welcher vorgeschichte der beiden) LDu die augen schließt, um das LIch auf distanz zu rücken - daher ist auch nicht festgelegt, ob der vorwurf, der ja auch in diesen zeilen an das LDu zu lesen ist, eben seine berechtigung hat oder nicht. die erklärungsmöglichkeiten, warum LDu nur so handeln kann, sind da vielfältig wie die menschen selbst und die beziehungen zwischen ihnen.

die botschaft, die also beim leser ankommt, kann - wie bei dir - eben auch eine sein, die nicht nur das oberflächlich sichtbar sehnsüchtige transportiert, sondern gleich eine schicht in die tiefe geht und dort den übergriff lesbar macht - je nach den rezensionsästhetischen gegebenheiten des lesers. der filtert durch diese ja auch unbewusst in jene richtungen, die halt mehr "seinen" lesarten entspricht.


mich freut jedenfalls, dass der text das anscheinend "kann". diesen spielraum lassen für den leser.


daher freu ich mich auch über diesen kommentar.

danke.


gruß,

keinsilbig

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 22.02.2010, 15:37

Hallo Keinsilbig,


wer sagt, dass meine intention bzw. die intention des textes nur eine einseitige sicht der dinge darstellen wollte?
das ist mE ein etwas voreiliger rückschluss auf den autor und seine mutmaßliche intention, der beim lesen von lyrik allzu oft gezogen wird
Die mutmaßliche Intention habe ich zugegeben einfach aus deiner Antwort an Mucki und der Freude über ihre Leseweise abgeleitet und fand dann den Unterschied zu meinem Lesen so groß, dass ich nicht davon ausging, beide Leseweisen seien von dir intendiert.
Da gehe ich wohl von mir aus, und bei den meisten meiner Gedichte ist es schon so, dass ich zumindest eine bestimmte Grundstimmung hineinlege und nachdenklich werde, wenn etwas ganz anderes beim Leser ankommt.
Siehst du das bei allen deinen Gedichten so, oder gibt es auch welche, bei denen dir eine bestimmte Leseweise wichtig ist?
vorausgesetzt natürlich, lyrik hat das recht, dinge absichtlich so offen zu lassen und den leser mit seiner sicht der dinge so allein und in ihrer richtigkeit unbestätigt.
Ja natürlich hat der Autor das Recht, Lyrik bedeutungsoffen zu gestalten. Eine interessante Frage ist für mich dann jedoch, ob es ausgehend von diesem Gedanken, für mich nicht schnell zur Beliebigkeit gerät und zwar sowohl im Schreiben, als auch im Lesen.
Aber das ist sicher von Text zu Text neu anzuschauen.
mich freut jedenfalls, dass der text das anscheinend "kann". diesen spielraum lassen für den leser.


daher freu ich mich auch über diesen kommentar.
Das freut mich dann auch, dank dir für deine interessante Antwort.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 22.02.2010, 17:25

Flora hat geschrieben:Die mutmaßliche Intention habe ich zugegeben einfach aus deiner Antwort an Mucki und der Freude über ihre Leseweise abgeleitet und fand dann den Unterschied zu meinem Lesen so groß, dass ich nicht davon ausging, beide Leseweisen seien von dir intendiert.


das kann ich nachvollziehen, Flora.

ja, in dem kontext ist es natürlich verständlicher, dahingehend rückzuschließen.

Flora hat geschrieben:Siehst du das bei allen deinen Gedichten so, oder gibt es auch welche, bei denen dir eine bestimmte Leseweise wichtig ist?


es ist bei meinen texte eher selten so, dass sie sich derart gestalten lassen, dass das aufginge.
aber ja - ich lasse, wenn es sich als sinnvolle und spannende option auftut - gerne etwas offen und sozusagen dem leser als arbeit übrig.
bei beziehungstexten, die mit zwischenmenschlichem zu tun haben, das sich den betroffenen selbst ja auch nicht immer von seiner "wahren seite" erkennbar macht.
die versuche ich dann aber auch - obwohl ich oft ein LIch sprechen lasse - doch so distanziert zu formulieren, dass sie nicht zu "psychogelaber" (den ausdruck hab ich hier im forum von irgendjemand aufgeschnappt beim nachlesen in den diskussionsfäden zum thema rezensionen im forum) verkommen. der grat dort ist ja ein schmaler und auch nicht immer hat der autor in der hand, ob nicht doch ein text einen leser persönlicher berührt, als eigentlich gedacht.

Flora hat geschrieben:Eine interessante Frage ist für mich dann jedoch, ob es ausgehend von diesem Gedanken, für mich nicht schnell zur Beliebigkeit gerät und zwar sowohl im Schreiben, als auch im Lesen.
Aber das ist sicher von Text zu Text neu anzuschauen.



ja. das ist eine interessante frage, Flora. und sicherlich etwas, das nicht immer gleich gut gelingt. das sehe ich auch so.


herzlicher gruß,

keinsilbig

Niko

Beitragvon Niko » 22.02.2010, 19:40

hallo keinsilbig!
die anderen kommentare hab ich jetzt mal nicht gelesen (macht mich unbefangener).
das ist eine sehr treffende momentaufnahme. ein kleinod, wie ich finde.

im senken der lider
sperrst du
mich
aus deiner welt


du.....deiner......deinen......du - acht zeilen, viermal "lyrdu" das finde ich persönlich etwas zu lastig.
im senken der lider
sperrst du
mich
aus

- im hinblick auf die nächste zeile, wo "deinen" wieder vorkommt, wäre mir das ausreichend. "aus deiner welt" ist im grunde nicht wirklich notwendig, weil es aus dem vorangegangenen hervorgeht.


für deinen augenblick
verwehrst du
uns
zu sehen.


zunächst wollte ich immer "einen augenblick" lesen. ist zu gebräuchlich, abgenutzt und nicht das, was du sagen möchtest, vermute ich. mir kam das wort "augenblicklich" in den sinn. es hat hier für mich die genau passende doppelsinnigkeit.
verwehrst du / verwehrst du uns / verwehrst du uns zu sehen - das finde ich toll! den punkt am ende würd ich noch entfernen, da du ja ansonsten konsequent auf interpunktion verzichtest.

hab´s gerne gelesen!

lieben gruß: Niko

keinsilbig

Beitragvon keinsilbig » 22.02.2010, 20:16

danke, Niko,


ich werds mir durch den kopf gehen lassen.

die betonung von "du" und "dein" war da ja ganz bewusst. auch bewusst in der menge.
immerhin geht es in dem text um das "dein" - (und somit automatisch auch das) "mein" in beziehungen und somit auch implizit um die frage "wieviel DEIN und MEIN verträgt oder braucht eine beziehung, um ein gesundes UNS zu ergeben?"

insofern hat die menge von "dein" und "du" hier ja grund und berechtigung mE.

aber ich lass es mal sacken. für sowas brauch ich ein wenig zeit und distanz zur "ersten" version, damit sie eventuell mal eine "alte" version werden kann...


danke fürs aufmerksame und interessante kommentieren!


lieber gruß,

keinsilbig

Max

Beitragvon Max » 22.02.2010, 22:36

Liebe Keinsilbig
(das habe ich eben verkehrt gemacht),

eine kleine Anmerkung zu diesem Text, der für mich sehr schön mit einer Augenblicksaufnahme spielt. Der Text hat bei aller Schärfe der Beobachtung für mich eine Leichtigkeit. Diese Leichtigkeit wird allerdings durch die grammatische Konstruktion der ersen zeile etwas gestört. Ich würde das einfachere

Du senkst die Lider
und sperrst mich
aus deiner welt

bevorzugen.

Liebe Grüße
von max


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