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Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klara
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Beitragvon Klara » 06.02.2010, 16:08

z. Ü.
Zuletzt geändert von Klara am 06.05.2010, 13:42, insgesamt 1-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 07.02.2010, 13:56

Liebe Klara,

habe jetzt deinen Text bei einem Pöttchen Kaffee in einem Rutsch durchgelesen und manches von dem, was du erzählst, erinnert mich an meine eigene Schulzeit und die Mädels aus meinen Klassen :engel:

Lass mich dir ein paar Gedanken zum Text schreiben.

Ich war zunächst etwas "unlustig" wegen der Länge des Textes und wollte ihn mir schon ausdrucken lassen, um mir das Lesen zu erleichtern (ich bin für die neuen Ebooks definitiv nicht geeignet!), aber nachdem ich dann einmal begonnen hatte, las ich, wie schon gesagt, in einem durch. Das spricht ja schon mal für den Text. Dennoch hätte ich mir im Sinne einer größeren Anschaulichkeit, Lebendigkeit mehr wörtliche Rede, Dialog, gewünscht. Das kommt für mein Leseempfinden zu kurz, und Möglichkeiten zu ihrer Anwendung bieten sich ja genügend. So könnten auch die Charaktere mehr Kontur, mehr Farbe bekommen.

Du hast die "Mädchenbande" unter der Rubrik Erzählungen eingesetzt, doch als solche fehlt mir einerseits eine Art Höhepunkt im Verlauf des Textes. Andererseits hast du ihn ja unterteilt in verschiedene thematische Kapitel, so dass ich mir unsicher bin, was den Höhepunkt betrifft. Wäre bei dieser Gliederung überhaupt ein (einzelner)Höhepunkt vorstellbar oder müsste jedes Kapitel einen eigenen aufweisen? Vom Erzählstil her ist der Text zwar flüssig gestaltet, aber er "plätschert" mir irgendwie ohne eine inhaltliche Klimax dahin.

Mette, Sanne und Babsi werden erst im vierten Kapitel eingeführt - warum so spät? Valerie wird sogar erst im vorletzten Kapitel erwähnt und bleibt für mich recht konturlos und blass.

Ein paar Anmerkungen noch zu Sprachlichem:

Klara hat geschrieben:Ihre Mutter, eine kantige Frau mit strähnigen langen schwarzen Haaren und Hippie-Klamotten, ging für ein Jahr nach Indien, mit ihrem Freund und ihrem Motorrad.

Ist hier das Tempus richtig oder müsste es Plusquamperfekt sein > war gegangen?

Klara hat geschrieben:Manchmal war ich eifersüchtig auf all die Zuwendung, die Nadja von den Erwachsenen bekam,

Diese Eifersucht kommt etwas überraschend für mich, da du zuvor nirgends erwähnst, dass Nadja überhaupt Zuwendung erhält.

Klara hat geschrieben:In unserer Bande besaß sie eine Art Sonderstatus, weil sie nicht immer Lust hatte

Lust wozu?

Klara hat geschrieben:Das wurde nie besprochen, auch nicht in all die Hefte geschrieben, die ich wie ein Bandentagebuch führte, um unsere Erlebnisse zu dokumentieren und möglichst gleichberechtigt zu gestalten.

Hier verstehe ich nicht, was gleichberechtigt gestaltet werden sollte und was dieses Wort im Kontext überhaupt bedeutet.

Liebe Klara, soweit einige hoffentlich nicht zu verquaste Gedanken zu deinem Text.

Herzliche Sonntagsgrüße,
Herby

Klara
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Beitragvon Klara » 07.02.2010, 14:51

Hallo Herby,
dank dir fürs aufmerksame Lesen.

Dennoch hätte ich mir im Sinne einer größeren Anschaulichkeit, Lebendigkeit mehr wörtliche Rede, Dialog, gewünscht.

warum?
So könnten auch die Charaktere mehr Kontur, mehr Farbe bekommen.

DAs könnte sein. Im Moment sind sie nur skizziert. Allerdings hätte der Text dich noch "unlustiger" gemacht, wenn ich alles in einem Rutsch auserzählt hatte, was da jetzt angelegt ist... ;)

Ich weiß nicht, ob es einen Höhepunkt geben muss, oder gar für jeden Absatz einen. Die Zwischenüberschriften sind keine Kapitel, sondern eher als Leseerleichterungen eingefügt, damit es z.B. dich nciht so unlustig macht ob der Länge :)

Mette, Sanne und Babsi werden erst im vierten Kapitel eingeführt - warum so spät?
Nadja ist am wichtigsten. Der Sonderstatus von Nadja steht für die gesamte Clique, als Beschreibung. Valerie wird in der Tat etwas stiefmütterlich behandelt - da hast du recht. Sie war gewissermaßen die Blasseste der Bande.

MIt dem Tempus beim Fortgang der Hippie-Mutter bin ich mir nicht sicher (das hatte ich auch überlegt), weil sie nicht vorher weggehen soll, sondern während Nadja in der Klasse neu ist.

Die überraschende Eifersucht auf Nadja kann, glaube ich, überraschend sein - es wird ja dann gesagt, dass sie Zuwendung erhält (liegt quasi auf der Hand, oder, dass ein Kind, dessen Mutter fort ist, Zuwendung bekommt), aber vielleicht ist es richtig, dass ich mehr auf die Mutter der Ich-Erzählerin eingehen sollte: um IHRE Zuwendung geht es im wesentlichen, und diesen Satz hatte ich gekillt...


Klara hat geschrieben:
In unserer Bande besaß sie eine Art Sonderstatus, weil sie nicht immer Lust hatte

Lust wozu?

Lust auf die Bande. Ist das undeutlich? Nadja ist etwas älter und wohnt weiter weg.

Klara hat geschrieben:
Das wurde nie besprochen, auch nicht in all die Hefte geschrieben, die ich wie ein Bandentagebuch führte, um unsere Erlebnisse zu dokumentieren und möglichst gleichberechtigt zu gestalten.

Hier verstehe ich nicht, was gleichberechtigt gestaltet werden sollte und was dieses Wort im Kontext überhaupt bedeutet.

Äußerst schade, dass das unklar ist! Ich würde es am liebsten den Leser selbst (er)schließen bzw. denken lassen. Wenn das nicht klappt, muss ich mir was Anderes einfallen lassen.

Dank dir, Herby! Gar nicht verquaste, sondern glasklare Fragen stellst du mir :)

Herzlich
klara

Lyrillies

Beitragvon Lyrillies » 08.02.2010, 12:29

Hallo Klara,

ich wage mich mal an deinen Text heran. Ich habe ihn gerade zum ersten und bisher einzigen Mal gelesen, von daher gebe ich dir jetzt erstmal unsortierte Direkteindrücke.

Ich fände ihn schöner ohne die Zwischenüberschriften. Als ich an die erste kam, war ich ziemlich irritiert, weil so der Titel "Mädchenbande" in den Hintergrund gerät.

Die einzelnen Abschnitte erscheinen mir alle recht angenehm, sanft, klar - jeder Einzelne wie eine Einführung zu einer längeren Geschichte. Ich sehe hier verschiedene Absätze des Beginns eines Romans oder so, vielleicht ein erstes Kapitel, auch wenn das etwas weit gefasst wäre. Ich habe den Eindruck, ein Höhepunkt muss noch kommen, etwas, was mir verrät, warum du diesen Text geschrieben hast.
Bisher ist es so, dass ich denke, das ist ja alles schön und auch nett erzählt, aber was soll es mir jetzt sagen? Für die reine Beschreibung dieser Mädchenbande und um das Gefühl, die Erinnerungen des LIchs, stimmungsvoll und bewegend heraus zu zeichnen reicht es mir nicht ganz. Da fehlt etwas, vielleicht ein längeres Stück, vielleicht der Kitt zwischen den einzelnen Absätzen. So habe ich das Gefühl, da sind Gedanken und Erinnerungen, da ist eine Idee, aber die Frage der Umsetzung ist noch etwas neblig.
Ja, ich glaube ein längeres, zusammenhängendes Stück würde mir besser gefallen als viele Einzelspots auf verschiedene Momente dieser Mädchenbande.

Ich hoffe das ist nicht ZU unsortiert ;)

Liebe Grüße,
Ellie

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 08.02.2010, 18:21

Was mich an diesem Text sehr stark berührt hat, ist die scheinbar lockere Verarbeitung von Katastrophen. Und es bleibt die Frage, ob der Text "unmaskiert" erzählt ist und wenn nein, ob nun die kindliche Erzählerin eine Schutzhaut getragen hat oder die erwachsene Erzählerin mittlerweile eine trägt.
Im nachhinein habe ich mich gefragt, ob es vielleicht gerade das ist, worum es in dem Text geht.
(Dies bezogen auf Ellies obige Frage.)

Muss noch ein wenig darüber nachdenken.
Grüße von Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
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(Ikkyu Sojun)

Klara
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Beitragvon Klara » 08.02.2010, 18:56

Hallo Ellie/Lyrillies,
danke für deine Direkteindrücke!
Das mit den Zwischenüberschriften ist, glaub ich, eine Krücke.
Und du hast das schon richtig erspürt, glaub ich: es ist nicht fertig. Es ist eine Skizze. Das schreibe ich wohl öfter als Antwort auf Kritik - aber es ist nunmal öfter so...:) Ich suche und notiere. Vielleicht war das dann falsch, es unter Erzählungen einzustellen, weil es im Grunde mehrere Geschichten birgt, oder eine größere.
Beim Suchen helfen mir Reaktionen wie die, die ich hier bekomme. Man verliert sich oder jedenfalls den Text, der erst entstehen soll, sonst leicht beim Suchen ;)

Andererseits ist es aber doch "fertig"! Im Rahmen dieses Textes. Es ist durchaus als eigener Text gemeint. Wenn daraus etwas Größeres wird, ist es ein anderer Text.

Warum schreibst du "ich wage mich mal an deinen Text heran"? Macht er den Zugang schwer oder war das nur so ein Einstieg zum Warmwerden?

Das mit dem fehlenden Höhepunkt schrieb ja auch Herby schon...

Danke :)

Liebe Zefira,
das ist ja schon mal ein Fortschritt: zu berühren ;) In der letzten Zeit habe ich hier eher Texte reingestellt, die die meisten auf für sie (und dann natürlich auch für mich) eher unangenehme Art kalt ließen. Jetzt wollt ich's wohl mal wieder wärmer haben...

Ich wüsste gern, was du mit "unmaskiert" meinst, um deinen Kommentar verstehen zu können.

Es handelt sich, denke ich, nicht um eine "Verarbeitung von Katastrophen", sondern eine Beobachtung/Beschreibung aus Sicht des Kindes bzw. des Erwachsenen, der zurückschlüpft in seine Kinderhaut. So gesehen, wüsste ich auch gern, um welche Schutzhaut es sich eigentlich handelt - und ob es wirklich eine ist. Darum geht es offenbar in der Tat. Danke für deinen scharfen Blick.
"Katastrophe" wäre, glaube ich, ein zu starkes Wort. Es sind eher Unannehmlichkeiten von Kindheiten - oder? Abgesehen von Nadja und Mette natürlich, aber die Erzählerin selbst erlebt Unangenehmes ja eher aus zweiter Hand.

Ich frage mich gerade sehr - aber das nur off topic - was ich mit diesen Mädchen mache. Sie sind plötzlich aufgetaucht, standen uneingeladen vor meiner Tür und wollen jetzt hereingelassen und erzählt werden. Na mal gucken, vielleicht sagen sie es mir selbst -

Herzlich
klara

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 08.02.2010, 19:15

Liebe Klara,
ich würde auch die prügelnden "Väter" und den gebrochenen Knöchel zu den Katastrophen zählen, aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil sich das Nicht-weinen-Dürfen wie ein roter Faden durch die Schilderungen hindurchzieht. Man bleibt als Leser im Unklaren, wie schlimm es eigentlich wirklich war. Das meinte ich mit "unmaskiertem Erzählen". Ging bzw. geht sich die Erzählerin wirklich selbst so wenig an, wie es in dem Text scheint, oder tut sie nur so?

Ich kann mich nur hineinzudenken versuchen, wie schlimm es für mich gewesen wäre - ich hätte vieles von dem, was da erzählt wird, als Katastrophe erlebt und glaube nicht, dass ich als Erwachsene einen solchen Erzählton gefunden hätte. Das soll keineswegs eine Kritik sein; ich frage mich wie gesagt nur, ob die Art von verarbeitender Kraft, die zu einer solchen autobiographischen Darstellung führen könnte, gerade das Thema des Textes ist.
Weiß nicht, ob das jetzt klarer ist, irgendwie fehlen mir heut die Worte :a050:

Gruß von Zefira
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Klara
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Beitragvon Klara » 08.02.2010, 19:37

Ach so, Zefira, du fragst dich, ob es unglaubwürdig ist? Offenbar befremdet bzw. irritiert dich der Ton?

Die Erzählerin kommt im Text ja kaum vor (außer als Erzählerin), so dass sie gar nicht im Zentrum des Erzählten steht (außer durchs Erzählen, durch den Ton).

Man bleibt als Leser im Unklaren, wie schlimm es eigentlich wirklich war.
Gut! Das gefällt mir. So soll es sein. "Schlimm" ist nicht die Kategorie des kindhaft Wahrnehmenden hier: Es gibt da keine Mutter und keinen Trost. Das ist der Hintergrund, das Setting, wenn du so willst: abwesende Väter, wenig oder gar nicht präsente Mütter, und der Versuch, damit auf glückliche Weise und miteinander, also im Team umzugehen: Abenteuer suchen. Kind sein. Leben. Auch: mit sich selbst umzugehen. Es ist im Grunde egal, ob es "schlimm" war oder wie schlimm. Wichtig ist, dass es erzählt wird. Das Verlorensein, auch das Einanderverlieren, das Sichselbstverlieren - und, wer weiß Sichgewinnen?

Klingt das denn wirklich so krass? Ich hab natürlich erfunden, aber man lässt sich ja immer auch vom Eigenen inspirieren, nicht wahr, und da hab ich früher doch so Einiges erlebt, gesehen, mitbekommen und von anderen meiner Generation ähnlich "Schlimmes" gehört, auch in sogenannten "behüteten" Kindheiten, dass es mir eher normal vorkommt. Oder? Und ich schätze, 70 Prozent der Kinder dieser Erde erleben täglich 100fach Schlimmeres, weil sie das Pech hatten, in sanktionierte Gewalt, Krieg und Elend geboren zu werden. Ein gebrochener Knöchel - ist dagegen ein Kinderspiel ;)

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 08.02.2010, 20:01

Ach so, Zefira, du fragst dich, ob es unglaubwürdig ist? Offenbar befremdet bzw. irritiert dich der Ton?


Ich meinte das wie gesagt nicht als Kritik. Damit wir jetzt nicht aneinander vorbeireden: Der Erzählton des Textes ist völlig in Ordnung so, wie er ist. Ich frage mich nur, wie er zustande gekommen ist. Ich will versuchen, es an zwei eher trivialen Beispielen zu erklären: In Wilkie Collins' "Der rote Schal" erzählt eine der Hauptpersonen, Midwinter, aus seiner Kindheit etwa so: "Das erste, woran ich mich erinnere, ist, wie mein Vater mich prügelte, ohne dass ich wusste warum." (Sinngemäß zitiert, ich habe das Buch gerade nicht greifbar.) Man merkt, dass er als Kind gelitten hat; sein Erzählton ist aber eher nüchtern; er hat es überwunden oder will jedenfalls beim Zuhörer diesen Eindruck erwecken. Ein Gegenbeispiel - mir fällt leider gerade kein besseres ein - die Perspektive des Kroaten Christo (in Jo Nesbos "Erlöser"), der als Zwölfjähriger Minen an feindliche Panzer klebt. Er hat sich schon im kindlichen Alter eine Schutzhaut wachsen lassen, die seine Wahrnehmung von Tod und Zerstörung beeinflusst. (Vermutlich erlaubt ihm diese Schutzhaut dann in der späteren Friedenszeit eine Karriere als Berufskiller.)
Ich lehne mich gerade sehr weit aus dem Fenster ... Zumindest das letzte Beispiel ist nicht gut gewählt; es geht ja um eine ganz andere Art von Katastrophen. Aber egal. Wenn ich lang genug überlege, falen mir sicher bessere Beispiele ein. Mir geht es nur um das Prinzip, wie ein Kind das Geschehen wahrnimmt und später davon berichtet.

Gruß von Zefira
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Beitragvon Klara » 08.02.2010, 20:09

Hallo Zefira,
danke für deine Mühe!
Ich muss darüber nachdenken, bevor ich entscheiden kann, ob ich verstehe, was du genau meinst.

Aber ich fürchte, auf die Frage nach der Schutzhaut hätte ich keine Antwort.

herzlich
klara
ps Ich glaube, man kann überhaupt nicht "unmaskiert" z.B. über etwas erzählen wie das, was Midwinter erlebte. Man ist gezwungen, es zur Fiktion zu machen, um erzählen zu können, mehr noch: Es wird automatisch Fiktion. Egal, ob es um literarisches Erzählen geht oder ob man beim Analytiker auf der Couch liegt: Jede Erwartung an das Erzählte, an die Geschichte schwingt mit, drängt sich in die Erzählung. Und auch jede Verfälschung, die möglich wäre, um es interessanter, rührend, sympathisch, hässlich oder spannend zu machen. Ich würde sogar so weit gehen, jede Erinnerung als Fiktion zu bezeichnen, auch da noch, wo sie nicht erzählt wird. Streng genommen wäre demnach "Authentizität" ein Konzept, das mehr mit PR und Darstellung zu tun hat als mit Texten. Authentizität darf einen Erzähler nicht interessieren, finde ich. Er muss sich irgendwie durchmogeln und trotzdem glaubhaft sein.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 08.02.2010, 22:09

Liebe Klara,
ich stimme Dir voll zu. Die Art des Erzählens verrät weit mehr über den Erzähler selbst als über das, was "tatsächlich" geschehen ist - sofern es ein "tatsächlich" überhaupt gibt.
Auch Midwinter (vermutlich kennt hier außer mir keiner das Buch, es gehört zu den trivialen Plüschkrimis meiner Jugend, ist aber glänzend geschrieben) ist ein tief verletzter Mensch; er hat seine Kindheit gleichsam eingekapselt.
Kennst Du vielleicht "Perlmanns Schweigen" von Pascal Mercier? Auch wenn man Herrn Mercier, wie ich, für weitgehend überschätzt hält, Perlmann ist ein tolles Buch. U.a. wird darin die These aufgestellt, dass jeder Mensch sich bei Berichten über Vergangenes (und auch beim schlichten Selbst-Erinnern) quasi selbst erfindet. Der Gedanke lässt mich nicht mehr los, seit ich das Buch gelesen habe.

Schönen Gruß von Zefira
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(Ikkyu Sojun)

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Beitragvon Klara » 15.02.2010, 13:39

Hallo Zefira,
nein, ahbe ich nicht gelesen. Aber die These - ist spannend :)
Herzlich
klara


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