Gehen wir auf einem Markt spazieren...

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 07.02.2010, 16:51

Gehen wir auf einem Markt spazieren,
einen, wo sie Kiwis! oder Kürbis! schreien,
wo es bemalte Aschenbecher gibt
zu Überpreisen - und wir sie kaufen,

als wären wir auf Reisen, als müssten wir
etwas von hier nach Hause tragen
und es unseren Bekannten zeigen,
dass wir fort gewesen sind.

Am nächsten Stand pflück mir die Feigen,
viele, bis sie aus den Körben fallen!
Es verzweigt sich deine Hand mit meiner,
zu einem Waldstück weit von hier -
Frisch wie der Aal sprechen wir
und kehren heim mit allem,
was für heute reicht.

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leonie
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Beitragvon leonie » 08.02.2010, 12:42

Liebe Louisa,

das ist wieder ein Text von mir, den ich sehr mag. Die beiden Anfangsstrophen finde ich sehr stark. Die Liebe als Land, in das man verreist ist, die Einkäufe als eine Art Nachweis für ihre Existenz.
Für mich wäre dieser Gedanke noch ausbaubar und eigentlich ruft er für mein Empfinden nach einem spannenderen Schluss als dem, der dann kommt.

Das Bild von den verzweigten Händen mag ich sehr. Das kann ich auch mit dem anderen zusammenbringen.
Die Feigen bringe ich inhaltlich nicht so recht unter (vom Bild her passen sie natürlich zum Basar) und der Schluss - hm, ich weiß nicht so recht. Aal, das ist ja nun wiederum sehr "heimisch", ich kriege das schwer mit dem exotischen Basar zusammen. Und ich finde auch den Schluss etwas "langweilig", er fällt gegen den starken Einstieg für mein Empfinden zu sehr ab. Vielleicht kommt er mir auch zu früh, wenn ich mehr über den Basar, die "Reise" erfahren hätte, könnte ich ihn mir eher gefallen lassen, glaube ich.

Liebe Grüße

leonie

Nicole

Beitragvon Nicole » 08.02.2010, 13:13

Hi Lou, hi leonie,

Strophie 1 und 2 stimm eich leo vollkommen zu, die sind klasse. Bei strophe drei bin ich allerdings ganz anderer Meinung. Feigen, das ist, soweit ich richtig informiert bin, eines der aphrodisierensten Lebensmittel, die Feige steht für Leidenschaft und das weibliche Geschlecht.
Von daher finde ich das Bild des "pflück mir Feigen! Viele, viele, mehr!" in Kombi mit dem "Abgang" des Paares zu einem Waldstück Hand in Hand sehr gelungen.
Beim frischen Aal bin ich nicht sicher, ob Lou da bewußt den Aal gewählt hat oder ob der einfach nur für einen gaaanz frischen Fisch ("der japst ja noch) steht. Irgendwie mag ich den Aal da nicht, liegt vielleicht daran, das ich den Fisch irgendwie unheimlich/unappetitlich finde. (Optisch, geräucherter Aal ist was feines...)
Liebe Lou, bist Du dir sicher mit "und kehren abens Heim" (groß geschrieben) Ich habe nicht nachgeschaut, hätte aber spontan gesagt, es muß "und kehren abends heim" heißen.
Über das "mit allen, was für heute reicht" muß ich noch ein bißchen grübeln...

Nicole

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leonie
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Beitragvon leonie » 08.02.2010, 15:13

Also, mit den Feigen: Ich finde auch zu einem Basar passen sie gut, auch natürlich zur Liebe. Aber irgendwie empfinde ich thematisch einen Bruch, was das "Reisen" betrifft. Ich glaube, das liegt daran, dass der Schwenk wieder in die Gegenwart, vielleicht auch Zukunft geht.
Ich war irgendwie bei dem, was "war", als die beiden "fort gewesen sind". Das hat mich neugierig gemacht. In mir ist durch die ersten beiden Strophen die Erwartung einer Art "Rückblende" geweckt und auch ein Hinweis darauf, warum jetzt nötig ist, etwas vorweisen zu können oder auch sich selbst zu vergewissern.
Mir kommt der Übergang zum nächsten Stand zu schnell. Das ist es eher.

"mit allem, was für heute reicht" als Gegenbild zu dem, was Erinnerungszeichen braucht, fände ich ganz spannend. Aber so ist es mir irgendwie zu wenig ausgeführt...Ich weiß nicht, ob das verständlich ist, die Schwenks kommen mir zu plötzlich, zu schnell, zu unvermittelt. Ich hätte gern ein wenig mehr von der Geschichte erzählt bekommen....

Louisa, hattest Du das Bild mit Früchten, die aus den Körben fallen nicht schon einmal (Kirschen?) oder erinnere ich mich da falsch? Besteht ein Zusammenhang?

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon Klara » 08.02.2010, 19:23

oh wie schön!

Hallo Louisa,

das gefällt mir. Aber nicht genug.

Ich hab das Gefühl, die ersten beiden Strophen sind sehr intensiv und nahezu perfekt. ("unseren Bekannten" ist vielleicht ein klein wenig unbeholfen - vielleicht wäre "unseren Leuten" oder "ihnen" und ohne "es" besser?)

Die letzten beiden Strophen fallen in der Intensität ab, wirken auf mich, als habe das zu Bedichtende nicht bis zum Schluss getragen, sei aber forciert worden durch - sicherlich künstlerische, gekonnte etc. - Bilder. Es mag an mir liegen, aber ich sehe die Feigen nicht, und das Bild vom Wald/Baum/verzweigte Hand sträubt sich mir, auch wenn es hübsch überlegt ist: Feigen pflücken, Zweige, Bäume...

"Frisch wie der Aal" ist nun ein Vergleich, den ich sozusagen nachvollziehbar interessant finde, gerade weil er nicht für mich nicht nachvollziehbar ist (bei Aal denke ich geräuchert oder an Aquarium - und auch nicht an etwas, das man unbedingt sein möchte, um sich einander zugetan nach Hause zusammenzukuscheln...)

"abends" wirkt ungenau, weil die meisten mitteleuropäischen Märkte, also die guten, nicht touristischen Märkte, nicht bis abends verkaufen, sondern höchstens bis 15 Uhr.

Schlussvers wieder sehr hübsch.

Ein schöner Text!
klara

Louisa

Beitragvon Louisa » 11.02.2010, 01:41

Hallo!

Danke für eure Kommentare.

Entschuldigt, ich musste meine Kommunkationsfähigkeit erst wieder reanimieren. Also :smile: ...

Liebe Leonie,

Ich empfinde die Schwächen des Textes genauso wie du. Wie meinst du das mit: "mehr über den Basar" erfahren? Meinst du es sollte exotischer sein? Ich bin auch gar nicht zufrieden mit der dritten Strophe... ;-)

Das schließt gut an Nicoles Kommentar an,

liebe Nicole,

ja, das stimmt - Aal und Feigen beißen sich irgendwie :smile: ... Aber ich dachte das drückt vielleicht dieses Vielfältige schön aus... Die "Aschenbecher" sollten ja auch ein bisschen herausfallen... Vielleicht ist das aber auch alles zu wirr :smile: ... Ich bin ja (besonders mit dem Ende) auch noch nicht zufrieden...

Und Leonie noch einmal!

Wäre euch denn ein anderer Fisch lieber? Ich habe neulich gehört, dass Aale auf ganz weite Strecken hinweg Gerüche entziffern können... Das fand ich lustig, *lach* - Aber es hat gar nichts mit dem Text zu tun :mrgreen: ...haha...

Also...ich versuche mal ein bisschen daran zu basteln jetzt... Vielleicht streiche ich einfach das Doofe :smile: ?

Danke euch! Ich bin ganz eurer Meinung :smile: !
l

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Beitragvon leonie » 11.02.2010, 08:11

Liebe Louisa,

ich fände es spannend, wenn noch eine Strophe drin wäre zum "Fortgewesensein", eine Art Rückblende. Und die zwei dann weiterwandern.
Mir kommt es von der Geschichte, die Du erzählst, so kurz vor...

Liebe Grüße

leonie

Niko

Beitragvon Niko » 11.02.2010, 16:54

hallo louisa!
dein text gefällt mir. besonders haben es mir die beiden letzten strofen angetan. das verzweigen der hände ist stark. aber ebenso das bild der mittleren strofe find ich sehr gelungen! beim wiederholten lesen bleibe ich immer beim gleichen wort hängen: "sie" in der letzten zeile der ersten strofe. geschmeidiger lesen würde es sich ohne selbiges, finde ich.
sehr gern gelesen, und immer wieder neues entdeckt!

lieben gruß: Niko

Louisa

Beitragvon Louisa » 12.02.2010, 15:32

Hallo, hallo!

Ich muss die Damen wieder enttäuschen, denn Lisa hat mir außerhalb des Forums den Aal wieder eingeredet :smile: - das heißt sie nannte mir plausible Gründe, weshalb dieses doch eher "eklige", "unkoventionelle" und "verstörende" Vieh im Text bleiben sollte - und ich sah es ein - denn es passt auch gut zu den "Aschenbechern", glaube ich...

Ich denke trotzdem noch weiter über die letzte Strophe nach...und über das "Fortsein", leonie...

Niko, aber das "sie" bezieht sich ja auf die Aschenbecher... Was sollte man sonst sagen?

Danke dir und den anderen noch mal!

Schönes Wochenende!
l-Aal

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Beitragvon Mnemosyne » 12.02.2010, 15:55

Hallo Louisa,
dieser Text hat es mir angetan. Dieser sanfte, liebevolle Spott, mit der in den ersten beiden Strophen die Irrationalität des eigenen Tuns betrachtet wird gefällt mir ganz ausgezeichnet. Wie einige meiner Vorposter sehe ich auch einen gewissen Abstand zur letzten Strophe, der mich aber nicht stört.
Liebe Grüße
Merlin

Niko

Beitragvon Niko » 12.02.2010, 18:08

klar bezieht es sich auf die aschenbecher, louisa. aber im grunde ist es doch egal, ob es sich auf die aschenbecher bezieht, oder allgemein aussagt: und wir kaufen". - finde ich jedenfalls..
mit aal kannte ich den text noch nicht. aber dein "bazar"-bild mutet mir eher fernöstlich an. da will mir ein aal nicht so recht passen. eher ein kugelfisch oder octopus.
liebe grüße: Niko

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Beitragvon Lisa » 12.02.2010, 21:54

Liebe Louisa,

ich fand/finde (ich sehe oben gerade nicht, was der derzeitige Zustand ist) die Aalstrophe bzw. die letzten beiden kritisierten Strophen genauso gelungen wie den ersten Teil. Und gerade das Bild des Aales mochte ich, wofür du es verwendest. Denn du "benutzt" ja die Marktlandschaft, um einen bestimmten (zweisamkeits-)zustand zu beschreiben und das für die Frische da am Ende der Aal steht, finde ich zum einen bildkonsequent (wenn man an den Markt denkt, hat man den Aal so klar und stark vor Augen) und zum anderen auch schön bostigromantisch, also nicht so glatt auftauchend, sondern eigen und genau beobachtet, auch eben etwas derb in der Übertragung, aber da shebt eben für mich alles (weil es auch das Ernste fortnimmt und zugleich dadurch wieder hineingibt, weil die zum Waldstück verschränkten Hände und das Beschriebene an sich dadurch viel lesbarer sind).

Also: Lisa pro Aal!

Ansonsten: Dieser Text hat eine besondere Ruhe in sich, wodurch er mir durch und durch ging, obwohl er so harmlos & bekannt daherkommt - gefällt mir sehr!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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noel
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Beitragvon noel » 13.02.2010, 12:09

ich verstehe,
dass das südlich anmutende ambiente den aal in frage stellen
kann.
aber der aal, wie auch die feige sind ja symbole & als solche tragend.
aber wenn du sie als symbole verwendest, verstehe ich den plural der feige eher nicht
& die frische des aals auch nicht(?)
vielleicht liege ich ja mit der symbolik fehl?
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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Beitragvon ferdi » 13.02.2010, 22:33

Hallo!

Ich verstehe nicht ganz, warum ich euch in dieser Diskussion aalt (hust) - der Text ist gut, wenn der Aal da ist, und gut, wenn er nicht da ist :-) Ansonsten ist das einer von deinen Texten, Louisa, bei denen mir die "Gedichtschreibung" mehr wie eine Dekoration vorkommt, aber das mach ja weniger als nichts :-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)


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