Wenn man versucht mit den Fliegen zu tanzen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 05.01.2010, 11:36

Wenn man versucht mit den Fliegen zu tanzen
Sagt sie (sage ich)
Wird man so langsam
Als sei das Leben aus Luft
(baufällig traumlose Luft)

Die Möbel und das Auto bezahlt
Aber das Leben bleibt geliehen
Ich weiß nicht mehr wo wir uns befinden
(wie geht suchen?)
Und wie wir sie fürchten
Die Zeit

Die ohne uns vorbeiläuft
Ohne Genehmigung
(und doch nicht einfach)
Vergeht
(was ist vergehen?)
Die Heuwagen und auf den
Heuballen die Kinder
War das gestern
Oder nie erlebt

Ich bin ein Hauch
(das eitle Haschen nach Wind)
Ich bin ein Wirrsal
Ich bin voller Linien
Und unerträglich leicht
(wie der Sinn)
Zuletzt geändert von Xanthippe am 09.01.2010, 16:49, insgesamt 2-mal geändert.

geschmacksneutral

Beitragvon geschmacksneutral » 08.01.2010, 13:40

Hallo Xanthippe,

Ich kann mich Nifl anschließen. Die ersten drei Strophen sind wunderbar neu formuliert und ziehen den Leser in das Gedicht hinein. Besonders gefallen hat mir das Heuwagen-Bild und die anschließende Frage (auch ohne Fragezeichen).
Jedoch hinterlässt die letzte Strophe einen etwas langweiligen Nachgeschmack, das ist zu dramatisch und es fehlt die Kraft der vorangegangenen Zeilen. Eigentlich schade, denn sonst funktioniert das Gedicht sehr gut für mich, auch die Klammern fallen nicht aus dem Rahmen.

Liebe Grüße,
Marc

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 08.01.2010, 13:44

Lieber Marc,

vielen Dank für Deine Meinung. Ich würde ja gerne sagen, dass ich darüber nachdenken will, ich werde es auch versuchen, aber eigentlich ist für mich die letzte Strophe sehr wichtig, weil ohne sie das Gedicht wirklich larifari, aussagelos, bildüberfrachtet und eventuell sogar pathetisch ist

geschmacksneutral

Beitragvon geschmacksneutral » 08.01.2010, 14:12

Was mich wahrscheinlich vor allem zu meiner Meinung über die vierte Strophe gebracht hat, sind wohl die letzten beiden Verse, besonders "Und keine einzige führt hinaus". Natürlich zeigt es die Ausweglosigkeit, das Keine-Lösung-in-Sicht-Gefühl, aber es scheint so eine typische Formulierung dafür zu sein.
Beim zweiten Lesen dachte ich mir, dass "Ich bin ein Wirrsal // Ich bin voller Linien" das stärkere Ende wäre. Nicht zu deutlich und trotzdem aussagestark.
Aber natürlich entscheidet schlussendlich der Autor =)

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 09.01.2010, 15:45

Lieber Marc,

aber natürlich, stimmt. ja, du hast recht. du hast absolut recht. ich werde es ändern. Ich bin voller Linien als Ende, das ist eine sehr gute Idee. mal sehen.. Vielen Dank...

Lydie

Beitragvon Lydie » 09.01.2010, 16:27

Liebe Xanthippe,

Ich bin auch sehr angetan von diesem Text. Habe für mich versuchsweise mal alles Umklammerte weggelassen und etwas umgestellt. Was meinst du dazu?

Ganz besonders angetan hat es mir irgendwie dieses Bild:

"die Heuwagen und auf den
Heuballen die Kinder"

Eine Freude für mich, dich hier zu lesen,

Lydie


Wenn man versucht mit den Fliegen zu tanzen
Sagt sie
Wird man so langsam
Als sei das Leben aus Luft

die Möbel und das Auto bezahlt
aber das Leben bleibt geliehen
ich weiß nicht mehr
wo wir uns befinden

und wie wir sie fürchten
die Zeit
die ohne uns vorbeiläuft
ohne Genehmigung vergeht

die Heuwagen und auf den
Heuballen die Kinder
War das gestern
Oder nie erlebt

Ich bin ein Wirrsal
Ich bin voller Linien
Die sich kreuzen
Und keine einzige führt hinaus

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 09.01.2010, 16:52

Liebe Lydie,

ich habe es gerade ein wenig geändert, das Gedicht. Ich finde ohne die Klammern, also in deiner Version, ist es ein anderes Gedicht. Nicht mehr meins. Und außerdem : ich liebe Klammern. Aber Danke für Deine Gedanken. Und eins verrat mir noch: Haben dich denn die Klammern gestört?

Lydie

Beitragvon Lydie » 09.01.2010, 17:04

Nein, Xanthippe. Ich finde, mit Klammern ist es ein reicheres und komplexeres Gedicht, hat fast so was Zweigleisiges. Aber ich brauchte das wohl irgendwie zur Leseklärung. Es war auch gar nicht als Alternative gedacht, eher als Zwischenentwurf oder so etwas.

So oder so. Es ist ein sehr bewegendes Gedicht.

Lydie

Max

Beitragvon Max » 10.01.2010, 10:56

Liebe Xan,

noch einmal auf Deine Nachfrage hin: ich glaube bei Strophe 3 ist es vor allem die erste Hälfte, die mir weniger eindrücklich ist, weil sie etwas weniger bildkräftig ist. Aber das ist wohl auch nur im Verhältnis zu den anderen Strophen zu sehen.

Liebe Grüße
Max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.01.2010, 21:06

Liebe Xanthippe,

komme hier gerade vorbei, sieht gut aus so, finde ich :-)

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

geschmacksneutral

Beitragvon geschmacksneutral » 11.01.2010, 00:10

Liebe Xanthippe,

so gefällt mir das schon viel besser *Daumen hoch*

Gruß,
Marc

Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 11.01.2010, 11:02

Lieber Max, liebe Lisa, lieber Marc,

vielen Dank für eure nochmalige Rückmeldung. Ich bin euch wirklich sehr dankbar, euch allen! für eure Kommentare und Hilfestellungen.


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