zur überarbeitung

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klara
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Beitragvon Klara » 06.01.2010, 08:08

musste erstmal raus
Zuletzt geändert von Klara am 19.03.2010, 14:39, insgesamt 6-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 07.01.2010, 14:31

Hallo Flora,

danke für deinen Kommentar, aber jetzt stehe ich, glaube ich, irgendwie auf der Leitung. Es gibt doch immer einen Erzähler? Manchmal auch auktorial?

Der Einstieg ist als eine Art Zitat-Verfremdung (und Zugleich Verbeugung vor dem Urheber des Zitats) gedacht, der Anfang eines großen Romans:

„Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; aber jede unglückliche Familie ist auf ihre besondere Art unglücklich.“

Kleines Ratespiel: Wer hat's geschrieben? GOOGLEN VERBOTEN!

Was meinst du mit "Innenschau"?

Das Wort "Fesseln" hatte ich erst nicht dabei, dann reingenommen, dann gestrichen, dann wieder reingenommen... Bin mir unsicher, ob es zu sehr einengt. Eigentlich wollte ich nur das Funktionieren haben, wertfrei. Dann hab ich mich das nicht getraut, weil ich fürchtete, dass es nicht verstanden wird. Außerdem hat es sich aufgedrängt.

"Denn würden das Peter und Hannah wirklich so definieren, empfinden, sehen? Mir scheinen da viele Ängste, Hoffnungen, Sehnsüchte und Sichtweisen, Bewertungen untergeschoben." Auch hier stehe ich auf der Leitung. Untergeschoben? Klar, das macht man ja in einer Tour beim Erzählen ;) Damit habe ich die beiden ausgestattet, ein Teil davon ist auktorial. Ich begreife, fürchte ich, nicht, was du meinst (bzw. wie du liest).

Herzlich
klara

Sam

Beitragvon Sam » 07.01.2010, 14:37

Tolstoi. Anna Karenina. Erster Satz. (glaube ich zumindest)

Weiteres folgt.

LG

Sam

Klara
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Beitragvon Klara » 07.01.2010, 14:46

Der Kandidat hat 100 Punkte.

Sam

Beitragvon Sam » 07.01.2010, 15:03

Hallo Klara,

entschuldige das obige Klugscheißen (wenn es denn stimmt, ich habe noch nicht nachgeschaut). Aber das Zitat gibt mir einen guten Ansatzpunkt um zu formulieren, warum mich der Text doch sehr unberührt lässt. Das Unglück eines Ehepaares ist bestimmt auf seine Weise ganz individuell. Aber gerade das erfährt der Leser hier nicht. Denn hier wird ja nicht der Alltag gezeigt, sondern der (von vornherein zum Scheitern verurteilte) Versuch, dem Alltag zu entfliehgen und damit vielleicht die Starre aufzubrechen, die in dieser Beziehung herrscht. Natürlich kann das nicht funktionieren, da keiner der beiden wirklich dazu bereit ist. Du beschreibst in deinem Text keine unglückliche Ehe, sondern einen verunglückten Ausflug, einen missglückten Versuch die Fesseln zu lösen. Das ist ein großer Unterschied. Natürlich kann man viele Rückschlüsse ziehen auf das, was da im Alltag so abgeht, aber es bleibt theoretisch. Wirklich erleben kann man nur diesen Ausflug, der allenfalls ein Spiegel ist. Man fragt sich, warum sind die beiden überhaupt zusammen gekommen? Die eigentliche Tragödie der meisten Ehen ist ja, dass sie mit vielen Illusionen begonnen haben, die nach und nach alle beerdigt wurden. Der schale Geschmack, der am Ende bleibt, ist eben deswegen schal, weil man einst meinte alle möglichen Aromen schmecken zu können. Und man wäre weniger unglücklich in seiner Beziehung, wenn es diese nicht einst gegeben hätte. Irgendwo findet sich immer ein Rest davon, ein Echo, das zu hören sehr schmerzhaft ist. Davon fehlt es aber bei Peter und Hannah. Das macht die ganze Geschichte ein wenig wie gesetzt. Und da kommt der von Flora erwähnte Erzähler ins Spiel. Er ist tatsächlich die Hauptperson. Mit ihm steht und fällt der Text. Hannah und Peter sind als Figuren so festgelegt und unbeweglich, dass nur die Sicht des Erzählers vermag, Dynamik in den Text zu bringen. Das gelingt ihm meiner Meinung aber nicht. Als wäre die Monotonie von Hannahs und Peters Beziehung auf ihn übergegangen. In einem Kommentar wurde Sybille Berg erwähnt. Sie hat ja oft schon ähnliche Tristessen beschrieben, aber auf eine böse und bissige Art und Weise, dass es amüsant und abstossend zugleich war. Das fehlt mir hier. Nicht weil ich grundsätzlich der Meinung bin, ein Erzähler sollte Stellung beziehen( nein, manchmal vermeide ich das ganz bewusst in Texten). Aber bei diesem Thema und einer geschichte, in der sich eigentlich überhaupt nichts bewegt, erwarte ich als Leser wenigstens die Bewegung im Erzähler. Er soll mich beschäftigen. Die Personen, von denen erzählt wird, sind ja in ihren Positionen ganz genau definiert.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig klar machen, warum bei mir der Funke hier nicht überspringt. Aber vielleicht muss ich noch genauer lesen.

Liebe Grüße

Sam
Zuletzt geändert von Sam am 07.01.2010, 15:15, insgesamt 1-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 07.01.2010, 15:13

Hallo Sam,
danke für deinen Kommentar.
Darüber muss ich noch nachdenken.
Nur erstmal eine Frage drängt sich mir auf: Warum muss der Leser vom Text "berührt" werden? Insbesondere bei einem Text, der den Mangel an Berührung zum Thema hat?
Herzlich
klara

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.01.2010, 15:33

Klara hat geschrieben:Nur erstmal eine Frage drängt sich mir auf: Warum muss der Leser vom Text "berührt" werden? Insbesondere bei einem Text, der den Mangel an Berührung zum Thema hat?

Mich hat der Text, bzw. der Mangel an Berührung, den er zum Inhalt hat, berührt in dem Sinne, dass er Wut bei mir erzeugte, eben gerade durch diesen Mangel an Berührung.
Und Wut ist ja eine Form von Berührung, sogar eine heftige.

Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.01.2010, 20:46

Hallo,

ich wollte mit "beste Texte" gar keine Wertung dieses Textes oder eines konkreten ausdrücken: Ich wollte nur sagen, Texte, die so funktionieren, wie ich es beschrieb, sind die, die mich am meisten fassen, die am meisten mit mir machen und die ich deshalb auch am "besten" finde. Und meiner Meinung nach will dieser Text hier genau so funktionieren, wie ich es beschrieb (und bei Renee etwa tut er das ja auch!).

KLara, du fragst, warum ein Text berrühren muss - für mich muss er das - ich glaube, dass du etwas anderes unter berrühren verstehst als ich: du verstehst: er muss weich machen, der Leser muss mitgehen, in die Figuren schlüpfen können und ähnliches. Ich verstehe berühren anders: ich meine damit: der Text muss etwas mit mir machen, er muss in mir wirken. Ohne diesen Ansatzpunkt kann ein Text doch nichts auslösen, auch keiner, der gerade von dem Mangel an Berührung erzählt, denn die Textebene und die Erzählebene sind doch verschiedene Dinge: Ein Text kann von einem Mangel erzählen, aber wenn er auf erzähltechnischer Ebene auch diesen Mangel hat, muss das nicht austomatisch (ich würde sogar eher sagen es ist selten so) bedeuten, dass der Text ausdrücken kann, was erzählen kann. Oder anders gesagt: Einen Text, der genauso stumm ist, wie sein Protagonist, kann man ebensowenig hören.
Allerdings kann ich dein Verständnis von "berühren" auch verstehen: Besser wäre es wohl, ich (& andere?) hätten so etwas geschrieben wie, dass der Text irgendetwas auslösen/bewirken muss im Leser. Und das ist der Moment, der mir beim Lesen eben (noch) fehlt. Ich denke, der Begriff "theoretisch" von Sam fasst es ganz gut: Wenn man eine Maschine konstruiert, die dem technischen Ablauf folgt, sich selbst zu zerstören, kann man dann Mitleid mit dieser Maschine empfinden? Und so ist für mich der Text samt seiner Protagonisten auch konstruiert (oder sagen wir, ich kann ihn nicht anders vorhersagbar lesen: der Ablauf ist irgendwie leer, fleischlos, theoretisch, obwohl es nichts theoretisches ist, was da geschieht. Hm, ne, das ist noch falsch ausgedrückt...ich komm nochmal vorbei, wenn ichs hinbekomme .-)

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 07.01.2010, 21:54

Hallo Klara,

danke für deinen Kommentar, aber jetzt stehe ich, glaube ich, irgendwie auf der Leitung. Es gibt doch immer einen Erzähler? Manchmal auch auktorial?

Es gibt immer einen Autor, aber im Text wird der Erzähler für mich nicht immer als zusätzliche Instanz/ Person sichtbar oder wahrnehmbar. Und wenn er es wird, ist es entweder ein schlechter Text, (wie es auch ein schlechter Schauspieler/Film ist, wenn man ihm das Schauspielern ansieht und man dadurch diese Ebene nicht vergessen kann, es nicht "real" werden kann) oder eben einer, der mit dieser zusätzlichen Ebene arbeitet.

Was meinst du mit "Innenschau"?

Ich meine, dass die Figuren nicht aus sich heraus erzählen, sondern der Erzähler ihnen etwas von sich in den Kopf bzw. ins "Herz" legt. So zumindest mein Eindruck.

Das Wort "Fesseln" hatte ich erst nicht dabei, dann reingenommen, dann gestrichen, dann wieder reingenommen... Bin mir unsicher, ob es zu sehr einengt. Eigentlich wollte ich nur das Funktionieren haben, wertfrei. Dann hab ich mich das nicht getraut, weil ich fürchtete, dass es nicht verstanden wird. Außerdem hat es sich aufgedrängt.

Warum meinst du, dass man es nicht versteht? Weil man es eventuell auch positiv deuten könnte? (Ein bisschen erinnert mich das an "immerrot" versus "winterbloß".)
Möchte der Text das "funktionieren" zeigen, oder im Grunde zeigen, dass es eben so nicht "funktionieren" kann oder darf, und wenn nicht, für wen, die Figuren oder den Erzähler oder die Autorin?
Auch hier stehe ich auf der Leitung. Untergeschoben? Klar, das macht man ja in einer Tour beim Erzählen ;) Damit habe ich die beiden ausgestattet, ein Teil davon ist auktorial. Ich begreife, fürchte ich, nicht, was du meinst (bzw. wie du liest).

Nein, das macht man nicht in einer Tour... .-) oder sollte es zumindest nicht, wenn man seine Figuren ernst nimmt. (Bei den meisten deiner Texte geht es mir auch ganz anders, da scheinen sie mir fast schon erschreckend "echt" .-)) Aber "ausgestattet" trifft es hier vielleicht ganz gut.
Ich musste gerade an einen anderen Text von dir denken (ist wohl gerade in Überarbeitung):
Da ging mein Kommentar in eine ähnliche Richtung ausgehend von diesem Satz (den ich immer noch genial finde!):
weil man bestimmte Geschichten nur kontrollieren kann, indem man sie tötet.

Dort schrieb ich:
... Und das liegt vermutlich daran, dass ich (auch durch den letzten Satz) das Gefühl habe, dass mir eine Geschichte erzählt wird ...

Auch da war es für mich so, dass der Erzähler sichtbar wurde und genau das die Geschichte für mich eingefangen hat... das berührende an diesen beiden Texten ist für mich, dass und warum sie erzählt werden müssen, nicht was erzählt wird.

Mmmh, wird es so klarer?

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.01.2010, 09:31

Sam hat geschrieben:In einem Kommentar wurde Sybille Berg erwähnt. Sie hat ja oft schon ähnliche Tristessen beschrieben, aber auf eine böse und bissige Art und Weise, dass es amüsant und abstossend zugleich war. Das fehlt mir hier.

Aber bei diesem Thema und einer geschichte, in der sich eigentlich überhaupt nichts bewegt, erwarte ich als Leser wenigstens die Bewegung im Erzähler. Er soll mich beschäftigen.

Darüber habe ich nochmal nachgedacht. Mir fehlt das nicht und der Erzähler beschäftigt mich. Ich glaube für mich funktioniert es deshalb bei diesen beiden Texten, weil der Erzähler so nah dran ist, dass ich seine Angst und diese Sehnsucht hinter jedem Satz spüre, er aber doch gerade noch weit genug weg ist, um noch eine Geschichte daraus machen zu können. Gerade durch dieses "fast" entsteht für mich die Spannung und auch die Möglichkeit, es anschauen zu können, selbst so nah ran zu gehen. Wäre der Erzähler distanzierter, bissig, ironisch, böse würde das für mich schnell wieder kippen, dass ich es gar nicht annehmen könnte. Amüsant und abstoßend ist für mich sowieso eine seltsame Kombination, aber hier würde es für mich gar nicht funktionieren.

Liebe Grüße
Flora
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Klara
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Beitragvon Klara » 08.01.2010, 09:50

Hallo Flora,

"wird es so klarer?"
ein bisschen... (hoffe ich)

Hallo Lisa,

immer noch bin ich mir nicht sicher (keine rhetorische Frage!), ob ein Text berühren muss, auch nicht in dem von dir erläuterten Sinn (das hatte ich, glaub ich, schon so verstanden), dass er etwas auslösen soll. Ich frage mich das wirklich. Also, im Grunde, klar: Wenn mich eine Sache (Bild, Musik, Text) kalt lässt, ist es nix für mich. Dann ist es - irrelevant. Andererseits: Die Botschaft entsteht beim Empfänger, also bei mir, bei der Betrachterin/Hörerin/Leserin, und nicht NUR beim Sender. Das kann man steuern, und das sollte ich offenbar noch vieeeeel besser lernen zu steuern, was da ankommt und wie ich berühre und auslöse - und mitten im Lernen frage ich mich dann immer wieder: Muss es etwas auslösen? Bei jedem? Oder "reicht" es, in manchen Fällen, wenn der Text sich in die Arena stellt, auf sich zeigt und sagt: Schaut, so hässlich bin ich, so dumm und so unberührend. Kalt. Mir selbst würde als erstes Wort "kalt" einfallen beim Lesen des Textes - und das hat im Moment nichts mit den Außentemperaturen zu tun ;)

Also, Flora und Lisa (und auch Sam), ich glaube langsam zu beginnen zu verstehen, was ihr meint, was da zum Teil fehlt (weniger für Flora, die es durch einen wahrnehmbaren Erzähler offenbar weniger defizitär liest, berührender sozusagen durch von hinten durch die Brust ins Auge), fürchte jedoch, dass das in Bezug auf diesen Text eine so grundsätzliche Kritik ist, dass ich sie nicht in Änderung umsetzen könnte, selbst wenn ich wollte. Also: Ich, klara, kann nicht. Die Gründe für dieses Unvermögen sind ja erstmal egal (im Übrigen mir selbst nicht klar). Seid bitte nicht böse. ES wäre ein anderer Text, und eine bestimmte Art von Wachsen, von Lernen, kann glaub ich nicht innerhalb eines Textes stattfinden, sondern beim nächsten und übernächsten and so on. Der Text, dieser da oben, lebt sozusagen davon, dass er nicht lebt. Sonst hätte ich ihn im Moment nicht schreiben können. Auch wenn du natürlich Recht hast, Lisa, dass mein Versuch, deine Kritik abzuwehren damit, dass das Erzählen vom Mangel nicht funktioniert durch Mangel, also: Ich reicht nicht, wenn der Text kalt ist, sondern das Fehlen der Wärme muss auch nachvollziehbar sein - erzählt werden. (Ich hoffe, ich verstehe richtig), kontrastiert werden durch Nicht-Fehlen. Irgendwas muss da sein, sonst ist es - nichts. Irgendwas muss man zeigen, ein Motiv, eine Haltung (obwohl, wieder diese Frage, die mir hier bei diesem Text kommt: muss man? Also: Muss man immer?

Die Neigung zu einem psychologisierenden Lesen ist mir ja nicht völlig fremd, Sam (im Übrigen habe ich keinerlei "Klugscheißen" zu entschuldigen, weil ich ja selbst dazu herausgefordert hatte ;)). Du schreibst: "Denn hier wird ja nicht der Alltag gezeigt, sondern der (von vornherein zum Scheitern verurteilte) Versuch, dem Alltag zu entfliehgen und damit vielleicht die Starre aufzubrechen, die in dieser Beziehung herrscht. Natürlich kann das nicht funktionieren, da keiner der beiden wirklich dazu bereit ist." Dieses "bereit sein" scheint mir ein Wort der durchpsychologisierten Gesellschaft, der Berater- und Sozialpädagogendurchdringung zu sein. Im Grunde, wenn du mal richtig überlegt, bedeutet es nichts. "bereit sein" heißt alles - und nichts. Es ist eine Aufforderung, eine Unterstellung, eine Notwendigkeit, die behauptet wird, die aber in bestimmten Situationen und von bestimmten Personen gar nicth erfüllt werden kann. Es ist ein Fremdwort von außen. Bereit sein. Für Peter und Hannah macht dieses Wort keinen Sinn, denn sie sind immerzu bereit - und nie. Sie sind gar nicth in der Lage, bereit zu sein. Und wenn sie es mal gewesen waren oder irgendwann sein werden - so iwäre das nicht Thema das Textes. Wenn ich ein Foto von einer verwelkten Blume mache, kann ich nicht gleichzeitig die blühende Zeigen, und auch nicht das Verwelken. (Warum komme ich immer wieder auf Foto? Wahrscheinlich wegen der Unbeweglichkeit, der Erstarrung, die ich beschreibe, und die dich verständlicherweise "nervt", und die wohl zu wenig - nach deiner und Lisas Ansicht - wegerzählt wird. Es ist, wenn ich euch richtig verstehe, zu wenig Bewegung in der Erstarrung ;)

Ich glaub, ich mag den Text auch nicht. Aber ich glaube, er drückt das aus, was er ausdrücken sollte. Vielleicht sind Hannah und Peter Aliens, nicht in der Lage zu echten Gefühlen.

"Hannah und Peter sind als Figuren so festgelegt und unbeweglich, dass nur die Sicht des Erzählers vermag, Dynamik in den Text zu bringen. Das gelingt ihm meiner Meinung aber nicht. Als wäre die Monotonie von Hannahs und Peters Beziehung auf ihn übergegangen. " Das finde ich spannend (ich habe, hoffe ich, gerade versucht, das mit meinen Sätzen mir selbst nachzuerklären).


Hallo Gabriella,
das ist interessant: Warum Wut?

Dank euch allen fürs genaue Lesen und Hinterfragen und Kritisieren! Ich hoffe, meine Antworten kommen nicht zu stur rüber...

klara

Klara
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Beitragvon Klara » 08.01.2010, 10:01

Hallo Flora nochmal
(unsere Kommentare haben sich überschnitten),
dein letzter Kommentar freut mich sehr. Dass dieses Balancieren eben doch gelingt, jedenfalls für dich.

(von welchen BEIDEN TExten sprichst du?)

OT: Sybille Berg ist ihre Art des Schreibens zum Teil, fürchte ich, zur Masche geworden, so dass Wahrnehmung kaum noch stattfindet. Ich habe sie mal ziemlich bewundert - ihre Texte können einsamkeitslindernd wirken, weil man sich mit seiner Macke, mit seinem Zwang, so genau (hin)schauen zu müssen und auch nocht alles dunkel gefärbt zu sehen, nicht mehr so allein vorkommt, aber es bleibt auch immer auf diesem Level, sie geht nicht drüber hinaus, irgendwie. Ihr neues Buch hab ich nicht gelesen, darin geht es wohl um Verliebtsein und doch eine Sehnsucht nach Glück, die nicht von vornherein unerfüllbar ist? Hat das jemand gelesen? Ich habe sie mal bei einer Lesung live gesehen (mit Droste), und dasselbe beunruhigend Distanzierte und zugleich Nahe strahlt auch ihr Körper aus: beängstigend dünn ist sie, man könnte Magersucht vermuten. Nicht zuhause in sich - und doch sehr stark, heftig verbissen. Und darunter zart. Wie ihre Texte, im Grunde, das war interessant... Aber ich glaube, man kann nicht zu viel davon lesen (ich jedenfalls nicht), man muss in der Stimmung sein (oder auf keinen Fall in dieser Stimmung sein). Rein künstlerisch-ästethisch, distanziert, kann ich sowas nicht lesen.

Herzlich
klara

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 08.01.2010, 10:11

(von welchen BEIDEN TExten sprichst du?)

Diesem hier und "ein denkwürdiger Tag", aus dem auch dein Zitat in meinem Komm ist.
(Das Zitat könnte für mich auch gut als Titel über einer ganzen Reihe solcher Geschichten stehen.)

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.01.2010, 14:23

Hallo Klara,

Klara hat geschrieben:das ist interessant: Warum Wut?

weil die beiden es geschehen lassen, zulassen wie es ist, weitermachen im "Programm", das abgespult wird ("Den Sex hatten sie bereits vorher erledigt"). Sie sich nicht dazu aufraffen, reinen Tisch zu machen, über ihre Probleme zu sprechen oder sich scheiden zu lassen, sprich etwas zu verändern. Sondern stattdessen an etwas festhalten, was nicht mehr da ist. Nirgends ein Hauch zu irgendeinem Schritt in eine andere Richtung. Diese Apathie macht mich kirre. Deshalb schrieb ich gleich zu Beginn, ich möchte sie am liebsten schütteln.
Saludos
Mucki

Sam

Beitragvon Sam » 09.01.2010, 09:10

Hallo Klara,

Seid bitte nicht böse. ES wäre ein anderer Text, und eine bestimmte Art von Wachsen, von Lernen, kann glaub ich nicht innerhalb eines Textes stattfinden, sondern beim nächsten und übernächsten and so on.


Das kann ich nur unterschreiben!! Deswegen erwarte ich auch nie, dass jemand einen Text grundsätzlich ändert. Also auch keinerlei Grund böse zu sein. Kritik nützt einem Text (wenn es nicht um einzelne Wörter oder Passagen geht) wenig, aber der Autor kann seine Sichtweise erweitern und beim nächsten Text noch ein wenig aufmerksamer sein. So zumindest arbeitet Kritik in mir.


Nun noch dazu:

Dieses "bereit sein" scheint mir ein Wort der durchpsychologisierten Gesellschaft, der Berater- und Sozialpädagogendurchdringung zu sein. Im Grunde, wenn du mal richtig überlegt, bedeutet es nichts. "bereit sein" heißt alles - und nichts.


Ob ich psychologisierend lese weiß ich gar nicht. Wenn ich einen Kommentar verfasse, versuche ich ja eigentlich nur schreibend darüber nachzudenken, warum mir der Text gefällt oder nicht.
Mit dem "bereit sein" meinte ich, dass weder bei Hannah noch bei Peter irgendeine Erwartung vorherrscht, der Ausflug könne ihre Situation ändern. Im Gegenteil, es scheint fast so, als wollten sie das Statische in ihrer Beziehung nur bestätigt sehen. Offenbar haben sie sich in ihren Rollen und den damit verbunden negativen Gefühlen dermaßen häuslich eingerichtet, dass sie an Auszug überhaupt nicht denken, oder nur mal die Möbel umzustellen.

Wenn ich ein Foto von einer verwelkten Blume mache, kann ich nicht gleichzeitig die blühende Zeigen, und auch nicht das Verwelken.

Nein. Aber die Wirkung das Anblicks einer verwelkten Blue beruht auf der Tatsache, dass man sich unweigerlich den Zustand des Blühens vor Augen führt. Die emotionale Erfahrung des Anblicks besteht dann im Bewusstwerden der Veränderung. Das Bewusstsein entsteht bei deinem Text aber nicht. Es ist so, als würdest du das Bild der Blume mit dem Titel versehen: Die schon immer verwelkte Blume. Das würde den Blick des Betrachters verändern. Er würde auf einer rationellen Ebene versuchen an das Bild hernazukommen. Sich z.B: fragen, ob es so was wirklich gibt. Aber vor allem, was der Maler/Fotograf nun damit eigentlich sagen will. Und plötzlich ist weniger das Bild, als sein Schöpfer im Mittelpunkt. Ähnlich geht es mir bei deinem Text.

Ich habe noch lange über deinen Text nachgedacht und warum er mich so kalt lässt. Vielleicht ist es einfach die Tatache, dass Hannahund Peter einfach furchtbar langweilig sind. So wie Reich-Ranicki mal in einer Sendung über ein Buch gemeckert hat und dabei sagte: "Die Leute in dem Buch sind alle langweilig. Und über langweilige Leute mag ich nichts lesen" ;-)

Verschneite Grüße

Sam


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