Über den Nutzen des Wartens und den Umgang mit Verhältniswörtern
Man kennt das ja: der Termin war um 14 Uhr 30, rein gerufen wird man um kurz vor vier. In der Zwischenzeit hat man zwei Möglichkeiten: entweder man starrt die Wände mit moderner Malerei an (Wartezimmer von Ärzten scheinen immer mit moderner Kunst ausstaffiert zu sein), die einen aber auch nicht davon abhält, sich kommende Schrecknisse auszumalen, oder man greift in den Zeitschriftenstapel. Ich tat Letzteres und fischte wahllos ein Exemplar heraus, dessen Cover von irgendeinem Lesezirkel nicht nur das Titelblatt verdeckte, sondern durch seine dezente Farbgebung in „diarrhoebraun“ auch in krassem Gegensatz zum Namen des darin befindlichen Heftes stand. Es handelte sich nämlich um ein Magazin mit vielen bunte-n Hochglanzbildchen von Prominenten und solchen, die sich zwar dafür halten, es aber nie werden, fein ordentlich kategorisiert in Szene, Society und Adel.
Je länger ich las, umso mehr hoffte ich, dass mein Name noch nicht aufgerufen würde, war ich doch gerade dabei, meinen geistigen Horizont zu erweitern.* So erfuhr ich z.B. von der Gattin eines Industriemagnaten (welchen Kriterien folgt eigentlich die Steigerung von Frau über Gattin zur Gemahlin? Denen von Szene – Society – Adel?), die plante, ihren Schönheitschirurgen in den Endkampf gegen ihre Mamma Pendulans zu schicken oder von einem im Adel vergreisten Mitglied der englischen High Nobility, dem doch wahrhaftig während eines Galadiners eine Flatulenz entfleucht war – hörbar (immerhin nur das!).
Beim Durchblättern der inhaltsschweren Seiten fiel mir auf, dass bei neun von zehn abgelichteten Damen neben ihrem Namen mit buchhalterischer Sorgfalt in Klammern vermerkt war „… in…“. Da Promissen und VIPeusen bekanntermaßen sehr mobil sind und mitunter an einem Tag gleich mehrere Schauplätze mit ihrer glamourösen oder auch nur wohltätigen Anwesenheit beehren, hätte ich bei diesen „ins“ Ortsangaben vermuten können. Doch weit gefehlt. Stattdessen las ich: „…in Eskada, …in Prada, …in Versace“ etc. Aha!
Bei den Herren, die zumeist nur rankendes Beiwerk der Damen waren, fehlten diese Angaben völlig, obwohl sie, wie die Photos dokumentierten, vollständig bekleidet waren. Hatten die Bellos der Bellas ihre Garderobe etwa bei einem Kostümverleih geliehen oder vom Manager heimlich bei C&A kaufen lassen? Einige meiner Geschlechtsgenossen traf gar die denkbar härteste regenbogenmediale Strafe, blieben sie doch nicht nur präpositions-, sondern auch noch namenlos.
Die Vorliebe dieses Druckerzeugnisses für die Präposition „in“ erinnerte mich an den Hang der Gastronomie zur inflationären Verwendung ihrer Schwester „an“, zuweilen ergänzt um ein erhellendes „vom“ oder „von“ auf Menu- und Speisekarten: „Gans an Traubenjulienne“ oder „Pute an Klößchen von der transsilvanischen Wildmarone“. Der Unterschied zur Journaille ist nur, dass im Reiche des Lukull die männlichen und weiblichen Darsteller gleichberechtigt behandelt werden, wie folgende Auszüge eindrucksvoll belegen: „Rinderhuft an Topinambur-Maisdefilee“ oder „Bayer. Hecht an sautiertem Algengspinst“.
Ich kann nur jedem, der sich vor kommenden gesellschaftlichen Großereignissen wie betrieblichen Weihnachtsfeiern, Partys, Bällen oder Wochenmärkten gerne drückt, weil er nicht weiß, worüber er reden soll, einen Arztbesuch empfehlen. Möglichst mit langer Wartezeit und der richtigen Zeitschrift auf dem Tisch.
* "auf ungemein amüsante Art und Weise" gestrichen - Danke, leonie, für den Hinweis!
Über den Nutzen des Wartens und den Umgang mit Verhältniswör
Lieber Herby,
darf ich hier nur einfach mal vorbeikommen und kurz anmerken, dass ich finde, dass dies der geschliffenste Satiretext von dir ist, soweit mein Gedächtnis mich trägt? Ich finde es fabelhaft, wie die Sprache den Humor trägt und das feine ist, dass der Text für mich nirgends ins Überhebliche fällt, das ist doch komisch, oder?
Kurz/knapp: mehr davon!
Lisa
(ich musste mich übrigens beim Lesen doch hünsch konzentrieren!)
darf ich hier nur einfach mal vorbeikommen und kurz anmerken, dass ich finde, dass dies der geschliffenste Satiretext von dir ist, soweit mein Gedächtnis mich trägt? Ich finde es fabelhaft, wie die Sprache den Humor trägt und das feine ist, dass der Text für mich nirgends ins Überhebliche fällt, das ist doch komisch, oder?
Kurz/knapp: mehr davon!
Lisa
(ich musste mich übrigens beim Lesen doch hünsch konzentrieren!)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Lieber Herby,
dieser Text hat so viele feine Beobachtungen und führt auch in seinen Nebensätzen an so reichlich gedeckte Tafeln, dass ich grinsend bei der Lektüre saß und Tom, mit dem ich agerade auf Juist bin, sich bestimmt gefragt hat, ob das dümmliche Grinsen denn auf meinem Gesicht eingefressen bleiben wird.
Große Klasse
Max
dieser Text hat so viele feine Beobachtungen und führt auch in seinen Nebensätzen an so reichlich gedeckte Tafeln, dass ich grinsend bei der Lektüre saß und Tom, mit dem ich agerade auf Juist bin, sich bestimmt gefragt hat, ob das dümmliche Grinsen denn auf meinem Gesicht eingefressen bleiben wird.
Große Klasse
Max
Hallo Ferdi,
Danke für deine Anregungen, ich werde sie im Hinterkopf behalten.
Liebe Lisa, lieber Max,
euer Lob freut mich sehr, herzlichen Dank! Und, Lisa, wenn denn wirklich Konzentration zum Lesen des Textes erforderlich sein sollte, so ist mir das allemal noch lieber, als hättest du mir das Gegenteil versichert
Lieben Gruß
Herby
Danke für deine Anregungen, ich werde sie im Hinterkopf behalten.
Liebe Lisa, lieber Max,
euer Lob freut mich sehr, herzlichen Dank! Und, Lisa, wenn denn wirklich Konzentration zum Lesen des Textes erforderlich sein sollte, so ist mir das allemal noch lieber, als hättest du mir das Gegenteil versichert
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Lieben Gruß
Herby
Nicht nur der "Originaltext" von Herby ist für mich
pures Lesevergnügen, auch die angeregte Diskus-
sion darüber.
Es mag sein, dass für manche Konsumenten "bunter"
Blätter Herbys "Wartezimmer-Episode" zu anspruchs-
voll ist. Dafür verstehe ich nichts von Adelsgeschlechtern
und Partylöwen...
Gruß aus der Steiermark!
Hans
pures Lesevergnügen, auch die angeregte Diskus-
sion darüber.
Es mag sein, dass für manche Konsumenten "bunter"
Blätter Herbys "Wartezimmer-Episode" zu anspruchs-
voll ist. Dafür verstehe ich nichts von Adelsgeschlechtern
und Partylöwen...
Gruß aus der Steiermark!
Hans
Lieber Herby,
hihi, ja, ich fand das auch nichts Schlechtes. Ich wollte mich nur bekennen ...
liebe Grüße,
Lisa
hihi, ja, ich fand das auch nichts Schlechtes. Ich wollte mich nur bekennen ...
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Ja! Das hat sich sehr schön flockig und fast so dahinpletschernd wie eben diese Wartezeitungen, nur nicht so dämlich
gelesen - hat mir auch gefallen - aber ich hatte noch auf den großen Knaller am Ende gewartet - das zum Beispiel der Arzt sagt: "Guten Tag, entschuldigen sie mein Herr, tragen sie da etwa Armani?" oder so etwas ähnlich Skurilles in dieser detaillierten Sprache... das hätte bei mir das Sahnehäubchen ergeben.
Aber auch so hat mich der Text erfreut! Schön!
l
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Aber auch so hat mich der Text erfreut! Schön!
l
Ganz meine (bisherige) Rede - schön, dass ich da nicht allein binaber ich hatte noch auf den großen Knaller am Ende gewartet [...] etwas ähnlich Skurilles in dieser detaillierten Sprache... das hätte bei mir das Sahnehäubchen ergeben.
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Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)
Lieber Hans,
für "pures Lesevergnügen" danke ich dir und grüße in die vermutlich tief verschneite Steiermark.
Liebe Louisa,
ich finde es schön, dass der Text dich auch ohne Sahnehäubchen erfreuen konnte. Als ich ihn schrieb, hatte ich in Anbetracht der kommenden Festtage auf die Zugabe solcher Kalorien verzichtet
Nein, im Ernst: ich verstehe, was du meinst, vielleicht ist mir am Schluss die Puste ausgegegangen. Ferdi hat ja auch schon darauf hingewiesen. Im Nachhinein fragt man sich dann, wieso man nicht selbst auf die Idee(n) kam. So bleibt dieser Text etwas für "Kalorienbewusste", von denen es ja immerhin einige hier im Salon zu geben scheint
Danke jedenfalls fürs Lesen und die Anregung und euch beiden schon jetzt einen fröhlichen (oder, je nach Gusto, besinnlichen) Wechsel ins nächste Jahr.
Herzlich
Herby
für "pures Lesevergnügen" danke ich dir und grüße in die vermutlich tief verschneite Steiermark.
Liebe Louisa,
ich finde es schön, dass der Text dich auch ohne Sahnehäubchen erfreuen konnte. Als ich ihn schrieb, hatte ich in Anbetracht der kommenden Festtage auf die Zugabe solcher Kalorien verzichtet


Danke jedenfalls fürs Lesen und die Anregung und euch beiden schon jetzt einen fröhlichen (oder, je nach Gusto, besinnlichen) Wechsel ins nächste Jahr.
Herzlich
Herby
Schön, dass Ferdi schon vor mir meiner Meinung war
(ich glaube das war die beste Umschreibung für Unwissen, die ich je abgegeben habe
!)
Immer her mit den Kalorien, Herby! Noch kann man jede Stolle als "Winterspeck" durchgehen lassen! Bis der erste Schnee schmilzt!!! Es graut mir davor!
Man kommt gar nicht mehr heraus aus dem Wünschen! Ich wünsche dir dies, du wünscht mir das, er wünscht ihr jenes...erst ein frohes Weihnachtsfest, dann einen guten Rutsch, dann Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag (in meinem Fall) und dann frohe Ostern!
Deshalb wünsche ich schon mal vorsorglich frohe Ostern
!
l


Immer her mit den Kalorien, Herby! Noch kann man jede Stolle als "Winterspeck" durchgehen lassen! Bis der erste Schnee schmilzt!!! Es graut mir davor!
Man kommt gar nicht mehr heraus aus dem Wünschen! Ich wünsche dir dies, du wünscht mir das, er wünscht ihr jenes...erst ein frohes Weihnachtsfest, dann einen guten Rutsch, dann Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag (in meinem Fall) und dann frohe Ostern!
Deshalb wünsche ich schon mal vorsorglich frohe Ostern

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