Anja hasste Erbsen. Verlegen räumte sie die grünen Kugeln auf dem Teller hin und her.
Die Kartoffeln rochen nach Chlor. Sie schob sie zwischen die Backenzähne, dabei atmete sie flach, um möglichst wenig zu schmecken.
England war schön. Südengland. Das Grün ein Besonderes. Sie war auf einem Bauernhof gelandet. Henry und Caties Tochter Sarah studierte schon und die beiden waren froh, Anja eine Weile bei sich zu haben.
Gestern hatte sie zugeschaut, wie ein Kälbchen zur Welt kam. Henry hatte Stricke um ein dickes Stück Holz gebunden und die losen Enden an den Läufen des Kälbchens befestigt, die schon aus dem Hintern der Kuh ragten. „It needs help“, sagte er ruhig und rau.
Die Kuh stand ruhig, sie war still. Als sei sie die Prozedur schon gewohnt. Henry hatte seine Füße fest auf den Boden gestemmt und mit aller Kraft gezogen. Dann ging alles ganz schnell. Das Kleine fiel auf den Boden, gleich hatten Anja und Henry es mit Stroh trocken gerieben. Der Kuh hingegen schien das Kälbchen seltsam egal zu sein.
Anja schaute einer Erbse hinterher, die über den Teller rollte. Sie aß auch nicht gerne Fleisch. Trotzdem schnitt sie ein Stück von der Scheibe ab, die auf dem Teller lag. Langsam schob sie es in ihren Mund. Sie zwang sich zu kauen und sich nichts anmerken zu lassen.
„That’s tongue“, sagte Caty. “Normally we eat it on Sundays.” Sie lächelte. “I hope, you like it.”
Anja riss sich zusammen. Sie versuchte den aufkommenden Brechreiz zu unterdrücken. Dann schluckte sie das Stück Fleisch unzerkaut hinunter. Sie spürte, wie es sich die Speiseröhre hinunterschob, ein Quadrat, das kaum vorwärts kam und immer wieder nach oben wollte.
„I’m so sorry!“ sagte sie leise und schluckte. „I’m not hungry. Too much breakfast this morning.” Sie schob den Teller von sich. Caties Mundwinkel rutschten für einen Moment nach unten. Dann lächelte sie wieder.
„What about tomorrow?“, fragte sie. “Would you like to go with me to Bath?”
“Yes”. Anja drückte die Tränen weg. Sie versuchte sich auf morgen zu freuen. Und auf das zu hören, was Caty von Bath erzählte. Aber sie war froh, als Caty endlich ihren fast vollen Teller entgegennahm und den Tisch abräumte.
Sie lief hinauf in ihr Zimmer und legte sich aufs Bett. Sarah war ManU-Fan. Ein Poster der Mannschaft prangte über dem Bett.
Anja drückte ihren Kopf ins Kissen. Ihr Magen fühlte sich an, als sei ein Stück Holz darin. Weiches Holz. Jetzt dehnte es sich aus.
Sie war vielleicht fünf gewesen. Ihre Mutter hatte sie auf den Tisch gesetzt und sie geküsst. „Und jetzt mach den Mund auf“, sagte sie, „dann reiben wir unsere Zungen aneinander.“ Anja hatte es probiert und dann schnell die Zunge zurückgezogen. „Ist doch schön“, sagte Mama. „Komm, noch mal.“ Anja mochte es nicht. Sie öffnete trotzdem den Mund...
Anja stolperte ins Bad. Sie kotzte den leeren Magen aus und wunderte sich, dass kein Holzbrei kam. Sie kotzte, bis es endlich grün wurde.
Schwer atmend setzte sie sich auf der Rand der Badewanne.
Es war der einzige Tag, an dem sie Heimweh hatte.
Erstfassung:
Anja hasste Erbsen. Verlegen räumte sie die grünen Kugeln auf dem Teller hin und her.
Die Kartoffeln rochen nach Chlor. Sie schob sie auf der Gabel in den Mund Richtung Backenzähne, dabei atmete sie flach, um möglichst wenig zu schmecken.
England war schön. Südengland. Das Grün ein Besonderes. Sie war auf einem Bauernhof gelandet. Henry und Caties Tochter Sarah studierte schon und die beiden waren froh, Anja eine Weile bei sich zu haben.
Gestern hatte sie zugeschaut, wie ein Kälbchen zur Welt kam. Henry hatte Stricke um ein dickes Stück Holz gebunden und die losen Enden an den Pfoten des Kälbchens befestigt, die schon aus dem Hintern der Kuh ragten. „It needs help“, sagte er mit seiner rauen Stimme.
Die Kuh stand ruhig, sie war still. Als sei sie die Prozedur schon gewohnt, zu gebären. Henry hatte seine Füße fest auf den Boden gestemmt und mit aller Kraft gezogen. Dann ging alles ganz schnell. Das Kleine fiel auf den Boden, sofort hatten Anja und Henry es mit Stroh trocken gerieben. Der Kuh aber schien das Kälbchen seltsam egal zu sein.
Anja schaute einer Erbse hinterher, die über den Teller rollte. Sie aß auch nicht gerne Fleisch. Trotzdem schnitt sie ein Stück von der Scheibe ab, die auf dem Teller lag. Langsam schob sie es in ihren Mund. Sie zwang sich zu kauen und sich nichts anmerken zu lassen.
„That’s tongue“, sagte Caty. “Normally we eat it on Sundays.” Sie lächelte. “I hope, you like it.”
Anja riss sich zusammen. Sie versuchte einen Brechreiz zu unterdrücken. Dann schluckte sie das Stück Fleisch unzerkaut hinunter. Sie spürte, wie es sich die Speiseröhre hinunterschob, ein Quadrat, das kaum vorwärts kam und immer wieder nach oben wollte.
„I’m so sorry!“ sagte sie leise und schluckte. „I’m not hungry. Too much breakfast this morning.” Sie schob den Teller von sich. Caties Mundwinkel rutschten für einen Moment nach unten. Dann lächelte sie wieder.
„What about tomorrow?", fragte sie. “Would you like to go with me to Bath?”
“Yes”. Anja drückte die Tränen weg. Sie versuchte sich auf morgen zu freuen. Und den Faden nicht zu verlieren. Aber sie war froh, als Caty endlich ihren fast vollen Teller entgegennahm und den Tisch abräumte.
Sie lief hinauf in das Zimmer und legte sich auf das Bett. Sarah war ManU-Fan. Ein Poster der Mannschaft prangte über dem Bett.
Anja drückte ihren Kopf ins Kissen. Ihr Magen fühlte sich an, als sei ein Stück Holz darin. Weiches Holz. Jetzt dehnte es sich aus.
Sie war vielleicht fünf gewesen. Ihre Mutter hatte sie auf den Tisch gesetzt und sie geküsst. „Und jetzt mach den Mund auf“, sagte sie, „dann reiben wir unsere Zungen aneinander.“ Anja hatte es probiert und dann schnell die Zunge zurückgezogen. „Ist doch schön“, sagte Mama. „Komm, noch mal.“ Anja fand es ekelig. Aber wenn Mama es schön fand.
Anja stolperte ins Bad. Sie kotzte den leeren Magen aus und wunderte sich, dass kein Holzbrei kam. Sie kotzte, kotzte, kotzte. Bis es endlich grün wurde. Und bitter.
Schwer atmend setzte sie sich auf der Rand der Badewanne.
Es war der einzige Tag, an dem sie Heimweh hatte.
Heimweh
Harter Text, leonie. Gut gemacht. Hat mich erwischt.
Ich lese darin eine gestörte Mutter/Tochter-Beziehung, sehr unterschwellig im Bewusstsein der Tochter, mit eindeutigem, heftigem Missbrauchsaspekt.
Unaufwendig geschrieben. Eingebettet in den Strom eines "normalen" Daseins, darunter spürbar der Verlust von (Mutter)Liebe.
Und böse und wahr: der Gedanke von Heimweh. Klingt grün und bitter.
Das als schnelle Reaktion.
Yorick.
Ich lese darin eine gestörte Mutter/Tochter-Beziehung, sehr unterschwellig im Bewusstsein der Tochter, mit eindeutigem, heftigem Missbrauchsaspekt.
Unaufwendig geschrieben. Eingebettet in den Strom eines "normalen" Daseins, darunter spürbar der Verlust von (Mutter)Liebe.
Und böse und wahr: der Gedanke von Heimweh. Klingt grün und bitter.
Das als schnelle Reaktion.
Yorick.
Hallo Leonie,
ich fange mal von hinten an. Der letzte Satz stört mich, weil er meine Lesart durcheinander bringt, eventuell sogar widerlegt.
Mir gefällt dein Text. Er erscheint mir bis ins (zum!) letzten Detail durchkonstruiert, fein abgestimmt, mit der genau richtigen Mischung aus Subtilität und genauer Markierung.
Wie Yorick schon bemerkte: ein Mutter/Tochter Konflikt. Offensichtlicher Missbrauch gepaart mit den Folgen. Die, so schient es mir, in einer Essstörung bestehen. So ist es ja nicht nur die Zunge, die Anja Brechreiz verursacht, das ganze Essen scheint ihr zu widerstreben. Sie mag keine Erbsen und Kartoffeln riechen nach Chlor. Gut möglich, Karrotten und Nudeln hätten den gleichen Effekt gehabt.
Sehr gelungen ist die Beschreibung der Geburt des Kalbes in Verbindung mit der scheinbaren Gleichgültigkeit der Mutterkuh.
Danach das Zungenessen - das ja irgendwie zum Grund des Ganzen führt.
Bis dahin ist für mich der Titel absolut stimmig: Heimweh - nicht im Sinne von Vermissen der Heimat oder des Zuhause, sondern in Bezug auf das immer wieder hervortretende Weh, das in der Heimat, dem Zuhause zugefügt wurde. Aber wie gesagt, der letzte Satz bringt meine Lesart sehr ins Wanken, wobei mir eine andere (noch) nicht einleuchten will.
Jedenfalls ein Text, der dazu einlädt, sich näher mit ihm zu beschäftigen.
Liebe Grüße
Sam
ich fange mal von hinten an. Der letzte Satz stört mich, weil er meine Lesart durcheinander bringt, eventuell sogar widerlegt.
Mir gefällt dein Text. Er erscheint mir bis ins (zum!) letzten Detail durchkonstruiert, fein abgestimmt, mit der genau richtigen Mischung aus Subtilität und genauer Markierung.
Wie Yorick schon bemerkte: ein Mutter/Tochter Konflikt. Offensichtlicher Missbrauch gepaart mit den Folgen. Die, so schient es mir, in einer Essstörung bestehen. So ist es ja nicht nur die Zunge, die Anja Brechreiz verursacht, das ganze Essen scheint ihr zu widerstreben. Sie mag keine Erbsen und Kartoffeln riechen nach Chlor. Gut möglich, Karrotten und Nudeln hätten den gleichen Effekt gehabt.
Sehr gelungen ist die Beschreibung der Geburt des Kalbes in Verbindung mit der scheinbaren Gleichgültigkeit der Mutterkuh.
Danach das Zungenessen - das ja irgendwie zum Grund des Ganzen führt.
Bis dahin ist für mich der Titel absolut stimmig: Heimweh - nicht im Sinne von Vermissen der Heimat oder des Zuhause, sondern in Bezug auf das immer wieder hervortretende Weh, das in der Heimat, dem Zuhause zugefügt wurde. Aber wie gesagt, der letzte Satz bringt meine Lesart sehr ins Wanken, wobei mir eine andere (noch) nicht einleuchten will.
Jedenfalls ein Text, der dazu einlädt, sich näher mit ihm zu beschäftigen.
Liebe Grüße
Sam
Lieber Sam,
ich wollte schonmal sagen, dass ich mich sehr über Deinen Kommentar, Deine Lesart und die Beschäftigung mit dem Text freue. Wegen des letzten Satzes (ha, welch schöner Genitiv!) möchte ich noch abwarten, wie andere ihn lesen, bevor ich etwas dazu schreibe.
Danke Dir auf jeden Fall und liebe Grüße
leonie
ich wollte schonmal sagen, dass ich mich sehr über Deinen Kommentar, Deine Lesart und die Beschäftigung mit dem Text freue. Wegen des letzten Satzes (ha, welch schöner Genitiv!) möchte ich noch abwarten, wie andere ihn lesen, bevor ich etwas dazu schreibe.
Danke Dir auf jeden Fall und liebe Grüße
leonie
Liebe leonie,
deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Vor allem, wie du subtil das Trauma der Tochter ins Alltagsgeschehen verwebst. Lauter kleine Spuren legst du aus, denen man sehr gut folgen kann, ohne dass du sie dem Leser laut vor den Latz knallst. Auch mag ich es, wie du Erlebtes erzählst und dann wieder zu den Erbsen zurückkehrst. Das finde ich sehr gelungen.
Der letzte Satz, ja, der widerspricht auch in meinen Augen dem Geschehen. M.E. dürfte Anja gar kein Heimweh verspüren. Ihr Trauma verfolgt sie ja bei allem, was sie sieht und fühlt.
Ein paar peanuts:
Als sei sie die Prozedur ...
schob sie es in ihren Mund
das
entgegennahm
Komma vor "sagte"
Die Anführungszeichen immer an den Schluss. Da sind einige in den Dialogstellen, bei denen du sie falsch gesetzt hast.
setzte sie sich ...
Hoffe, alle peanuts gefunden zu haben.
Schön geschrieben und nachdenklich stimmende Geschichte.
Saludos
Mucki
deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Vor allem, wie du subtil das Trauma der Tochter ins Alltagsgeschehen verwebst. Lauter kleine Spuren legst du aus, denen man sehr gut folgen kann, ohne dass du sie dem Leser laut vor den Latz knallst. Auch mag ich es, wie du Erlebtes erzählst und dann wieder zu den Erbsen zurückkehrst. Das finde ich sehr gelungen.
Der letzte Satz, ja, der widerspricht auch in meinen Augen dem Geschehen. M.E. dürfte Anja gar kein Heimweh verspüren. Ihr Trauma verfolgt sie ja bei allem, was sie sieht und fühlt.
Ein paar peanuts:
Als sei die Prozedur schon gewohnt.
Als sei sie die Prozedur ...
Trotzdem schnitt sie ein Stück von der Scheibe ab, die auf dem Teller lag. Langsam schob sie sie in ihren Mund.
schob sie es in ihren Mund
ein Quadrat, dass kaum vorwärts kam
das
Aber sie war froh, als Caty endlich ihren fast vollen Teller entgegen nahm und den Tisch abräumte.
entgegennahm
„Ist doch schön“ sagte Mama.
Komma vor "sagte"
„Komm, noch mal“.
Die Anführungszeichen immer an den Schluss. Da sind einige in den Dialogstellen, bei denen du sie falsch gesetzt hast.
Schwer atmend setzte sich auf der Rand der Badewanne.
setzte sie sich ...
Hoffe, alle peanuts gefunden zu haben.
Schön geschrieben und nachdenklich stimmende Geschichte.
Saludos
Mucki
Liebe leonie,
*grusel* das arme Mädchen! Packend bringst du mir ihr Trauma nahe, ich war vor Schreck ganz angespannt.
Aber warum hat sie denn Heimweh? Das versteh ich auch nicht recht. Sie kann doch froh sein, von dort weg zu sein?
Liebe Grüße
ELsa
*grusel* das arme Mädchen! Packend bringst du mir ihr Trauma nahe, ich war vor Schreck ganz angespannt.
Aber warum hat sie denn Heimweh? Das versteh ich auch nicht recht. Sie kann doch froh sein, von dort weg zu sein?
Liebe Grüße
ELsa
Schreiben ist atmen
Liebe Mucki mit den Argusaugen,
ich danke Dir sehr!!! Unglaublich, man hat es fünfmal durchgelesen und trotzdem so viel Fehler drin.
Ich geh dann gleich mal ändern.
Auf jeden Fall freu ich mich über Dein Lob und Deine Genauigkeit!!!
Liebe Elsa,
warum hat sie Heimweh? Ich werde dazu noch ausführlich Stellung nehmen, aber warte noch ein bisschen, ich habe den Text ja gestern erst eingestellt.
Danke für die Rückmeldung!!! Ich freu mich zwar nicht, dass er Dich erschreckt hat, aber doch, dass er funktioniert.
Liebe Grüße an Euch beiden!
leonie
ich danke Dir sehr!!! Unglaublich, man hat es fünfmal durchgelesen und trotzdem so viel Fehler drin.
Ich geh dann gleich mal ändern.
Auf jeden Fall freu ich mich über Dein Lob und Deine Genauigkeit!!!
Liebe Elsa,
warum hat sie Heimweh? Ich werde dazu noch ausführlich Stellung nehmen, aber warte noch ein bisschen, ich habe den Text ja gestern erst eingestellt.
Danke für die Rückmeldung!!! Ich freu mich zwar nicht, dass er Dich erschreckt hat, aber doch, dass er funktioniert.
Liebe Grüße an Euch beiden!
leonie
Huhu leo,
ja, diese Geschichte finde ich auch sehr packend und gruselig.
Ich denke, das Heimweh am Schluss kann man, da du ja dennoch einiges offen lässt in der Geschichte, es ist ja quasi nur ein Auszug und man weiß als Leser im Prinzip nur sehr sehr wenig über Anja, sich selbst aussuchen. Wie man es lesen möchte.
Ich für mich finde mehrere Varianten aufgrund der nicht-sehr-vielen Informationen durchaus schlüssig.
Einmal dass Anja dieses Erlebnis mit fünf Jahren hatte, danach nie wieder. Jetzt ist sie dort und wird daran erinnert, erlebt es quasi nochmal und will heim, weil es dort besser und schöner ist als der Ort, an dem sie dasselbe nochmal erlebt mit Zunge und so.
Oder aber du möchtest ein bisschen an ein Stockholm-Syndrom anlehnen, wo das Mädchen vielleicht sich nach der Mutter sehnt eben wegen diesem Erlebnis. Vielleicht hat sie etwas verstanden, Mitgefühl mit der Mutter, weil sie jetzt, durch diese Ereignisse, sieht, wieso sie es getan hat und dass sie sie trotzdem liebt.
Oder vielleicht, weil sie alles rausgekotzt hat, kann sie jetzt wieder von vorne anfangen und möchte endlich anfangen, das Erlebte zuhause zu verarbeiten.
Ein nachdenklich-machender Text, einfach und flüssig geschrieben mit viel Liebe zum Detail.
Liebe Grüße
die Trix
ja, diese Geschichte finde ich auch sehr packend und gruselig.
Ich denke, das Heimweh am Schluss kann man, da du ja dennoch einiges offen lässt in der Geschichte, es ist ja quasi nur ein Auszug und man weiß als Leser im Prinzip nur sehr sehr wenig über Anja, sich selbst aussuchen. Wie man es lesen möchte.
Ich für mich finde mehrere Varianten aufgrund der nicht-sehr-vielen Informationen durchaus schlüssig.
Einmal dass Anja dieses Erlebnis mit fünf Jahren hatte, danach nie wieder. Jetzt ist sie dort und wird daran erinnert, erlebt es quasi nochmal und will heim, weil es dort besser und schöner ist als der Ort, an dem sie dasselbe nochmal erlebt mit Zunge und so.
Oder aber du möchtest ein bisschen an ein Stockholm-Syndrom anlehnen, wo das Mädchen vielleicht sich nach der Mutter sehnt eben wegen diesem Erlebnis. Vielleicht hat sie etwas verstanden, Mitgefühl mit der Mutter, weil sie jetzt, durch diese Ereignisse, sieht, wieso sie es getan hat und dass sie sie trotzdem liebt.
Oder vielleicht, weil sie alles rausgekotzt hat, kann sie jetzt wieder von vorne anfangen und möchte endlich anfangen, das Erlebte zuhause zu verarbeiten.
Ein nachdenklich-machender Text, einfach und flüssig geschrieben mit viel Liebe zum Detail.
Liebe Grüße
die Trix
Heimweh.
Spontan hatte ich den Eindruck, das passt ganz hervorragend und verleiht den gesamten Text einen weiteren, tieferen Boden. Ich hatte keine Begründug dafür.
Wenn ich drüber nachdenke, warum:
Für mich steht Anja den inneren Ereignissen nahezu blind gegenüber. Ein Prozess der Verarbeitung hat noch nicht (oder hat gerade im Text) begonnen. Das bedeutet, sie kann die aufstrebenen Gefühle nicht richtig zuordnen, die Ursachen nicht benennen.
Und plötzlich steht ein großer Schmerz im Raum, unterdrückte Gefühle werden durch die aktuellen Ereignisse nach oben, ins Bewußtsein gefördert (das Kotzen - ich empfinde das als Anfang der Auseinandersetzung, nicht als "Lösung")
Soweit. Nun kommt das Gefühl von Heimweh. Der Wunsch nach Geborgenheit und mütterlicher Liebe. Eigentlich ein Widerspruch ,ist dort doch nichts zu erwarten. Aber gerade darin liegt für mich der Startschuss zur bewußten Auseinandersetzung. Auf der einen Seite wird der Wunsch nach Geborgenheit von Anja verspürt, und auf der anderen Seite steht (nun bewußter werdend) die Erinnerung an den Liebesentzug (oder Missbrauch) dagegen. Ein große Spannungsfeld, welches vielleicht dazu führt, dass sich die Protagonistin tiefer und intensiver mit diesen Gefühlen auseinandersetzten wird. Denn dieses Gefühl "Heimweh" wird in ihr niemals verstummen, wenn sich ihm nicht stellt. Dieser Imperativ schwingt stark mit im letzten Satz, finde ich.
Entweder Aufbruch - oder (da der "einzige Tag") endgültiges niederknüppeln dieses Gefühls. Auch eine mögliche Lesart, eine sehr traurige. Ich persönlich nehme die positive Variante. Hast du da etwas bestimmtes intendiert, leonie?
Vielleicht schieße ich jetzt auch zu weit über den Text hinaus...? :)
Grüße,
Yorick.
Spontan hatte ich den Eindruck, das passt ganz hervorragend und verleiht den gesamten Text einen weiteren, tieferen Boden. Ich hatte keine Begründug dafür.
Wenn ich drüber nachdenke, warum:
Für mich steht Anja den inneren Ereignissen nahezu blind gegenüber. Ein Prozess der Verarbeitung hat noch nicht (oder hat gerade im Text) begonnen. Das bedeutet, sie kann die aufstrebenen Gefühle nicht richtig zuordnen, die Ursachen nicht benennen.
Und plötzlich steht ein großer Schmerz im Raum, unterdrückte Gefühle werden durch die aktuellen Ereignisse nach oben, ins Bewußtsein gefördert (das Kotzen - ich empfinde das als Anfang der Auseinandersetzung, nicht als "Lösung")
Soweit. Nun kommt das Gefühl von Heimweh. Der Wunsch nach Geborgenheit und mütterlicher Liebe. Eigentlich ein Widerspruch ,ist dort doch nichts zu erwarten. Aber gerade darin liegt für mich der Startschuss zur bewußten Auseinandersetzung. Auf der einen Seite wird der Wunsch nach Geborgenheit von Anja verspürt, und auf der anderen Seite steht (nun bewußter werdend) die Erinnerung an den Liebesentzug (oder Missbrauch) dagegen. Ein große Spannungsfeld, welches vielleicht dazu führt, dass sich die Protagonistin tiefer und intensiver mit diesen Gefühlen auseinandersetzten wird. Denn dieses Gefühl "Heimweh" wird in ihr niemals verstummen, wenn sich ihm nicht stellt. Dieser Imperativ schwingt stark mit im letzten Satz, finde ich.
Entweder Aufbruch - oder (da der "einzige Tag") endgültiges niederknüppeln dieses Gefühls. Auch eine mögliche Lesart, eine sehr traurige. Ich persönlich nehme die positive Variante. Hast du da etwas bestimmtes intendiert, leonie?
Vielleicht schieße ich jetzt auch zu weit über den Text hinaus...? :)
Grüße,
Yorick.
Liebe Trixie,
danke für Deine Rückmeldung und Deine Deutungsmöhglichkeiten. Für mich ist das gerade ganz
spannend zu lesen...
Lieber Yorick,
was Du schreibst, kommt meiner Intention sehr nah. Es ist ein Gefühlschaos in ihr. Das Geschehen von damals tritt erstmals wieder ins Bewusstsein. Höchstens der beginn einer Auseinandersetzung.
Da greifen die "Vernunftargumente" noch gar nicht: Sie kann doch froh sein, dass sie woanders ist. Sie sollte eigentlich Hass empfinden. Etc.
Es ist auch eine Bindung an die Mutter da, die noch nicht gelöst ist. Und Anja hat gelernt, dass ihr eigenes Empfinden nicht so wichtig ist wie das der Mutter. Einer Mutter, bei der Außenstehende sich fragen, ob man sie Mutter nennen kann. Anja fragt sich das (noch) nicht...
Und so ist das Heimweh ein Paradox. So wie Gefühle das manchmal sind. Und dann wird es oft gerade schwierig, sich selbst zu spüren und zu finden.
So ungefähr.
Für mich ist der letzte Satz auch deshalb sehr wichtig. Eigentlich war das der erste, der da war, nachdem ich den inhaltlichen Ablauf und die Essentials überlegt hatte. Dann ging es wie von selbst, aus dem Bauch heraus in einem Rutsch...
(Erstaunlich, da ich eigentlich gar nicht so eine Prosa-Frau bin...)
Liebe Grüße
leonie
danke für Deine Rückmeldung und Deine Deutungsmöhglichkeiten. Für mich ist das gerade ganz
spannend zu lesen...
Lieber Yorick,
was Du schreibst, kommt meiner Intention sehr nah. Es ist ein Gefühlschaos in ihr. Das Geschehen von damals tritt erstmals wieder ins Bewusstsein. Höchstens der beginn einer Auseinandersetzung.
Da greifen die "Vernunftargumente" noch gar nicht: Sie kann doch froh sein, dass sie woanders ist. Sie sollte eigentlich Hass empfinden. Etc.
Es ist auch eine Bindung an die Mutter da, die noch nicht gelöst ist. Und Anja hat gelernt, dass ihr eigenes Empfinden nicht so wichtig ist wie das der Mutter. Einer Mutter, bei der Außenstehende sich fragen, ob man sie Mutter nennen kann. Anja fragt sich das (noch) nicht...
Und so ist das Heimweh ein Paradox. So wie Gefühle das manchmal sind. Und dann wird es oft gerade schwierig, sich selbst zu spüren und zu finden.
So ungefähr.
Für mich ist der letzte Satz auch deshalb sehr wichtig. Eigentlich war das der erste, der da war, nachdem ich den inhaltlichen Ablauf und die Essentials überlegt hatte. Dann ging es wie von selbst, aus dem Bauch heraus in einem Rutsch...
(Erstaunlich, da ich eigentlich gar nicht so eine Prosa-Frau bin...)
Liebe Grüße
leonie
Liebe leonie,
ich finde den Titel unheimlich treffend für den Text - Heimweh, das hat man, wenn man an einen Ort/zu Menschen/einem gefühl möchte, wo man nicht hinkann - und das ist ja hier ja genau der Fall (und damit meine ich jetzt nicht, dass die Protagonistin an einem fremden Ort ist, klar). Und deshalb finde ich das auch als letzten Satz gelungen. Überhaupt finde ich, dass der Text schöne Bilder und Settings verwendet, um die Seele von Anja zu zeigen - die kalbende Kuh, die an ihrem Kalb nicht interessiert ist (gestörte Natürlichkeit), das Essen/die Zunge als "Auslöser", die Geborgenheit/Normalität auf diesem Hof, des Paares, die irgendwie sofort vermittelt ist und einen Kontrast aufbaut, auf dessen Hintergrund sich dann nochmal Anjas Verhältnisse (zu ihrer Mutter) aufbauen. Finde ich wirklich sehr gelungen.
Allerdings ist der Text an einigen Stellen für mich noch nicht an allen Stellen stilsicher, gerade, wo du kräftig/schonungslos sein möchtest, verlierst du in meinen Augen an einigen Stellen die Kontrolle über die Erzählhaltung bzw. den Sprachstil, icdh versuch mal zu zeigen, was ich meine:
statt egla, würde ich "gleichgültig gegenüber schreiben, egal finde ich stilistisch unschön
Hier kann in meinen Augen das Explizite weg:
das mit dem Faden finde ich einen zu erklärenden Ansatz, ich bekäme das lieber erzählt
Dein Umgang mit den Artikeln ist manchmal etwas "staksig":
ich wäre für "ins" und "aufs" oder "ihr" und "aufs"
Auch hier ist die Erzählsinstanz für mich zu explizit, denn eigentlich will sie das nicht sein (vielleicht sechs Jahre alt...deutet an, dass der personale Erzähler eigentlich eine Ich-Erinnerung ist)
wie wäre sowas wie
Anja mochte nicht (und wenn es für dich wichtig ist dann denn "Abersatz" dran - ich finde das aber zu interpretationsdirekt)
Diese Stelle sehe ich als sprachliche Schwäche, meiner Meinung nach würde der Text heftiger, wenn du das "kotze" nicht wiederholen würdest und auch das nachgesetzte "bitter" finde ich übertrieben:
Genauso das Ende, wieso muss dies durch "es war der einzige Tag" so betont werden:
Für mich wäre auch hier eine schlichtere Variante berührender
Schwer atmend setzte sie sich auf der Rand der Badewanne. Sie verspürte Heimweh.
Oder so ähnlich. Dass es kein einfaches Heimweh ist, ist doch völlig gesichert durch die Schilderungen vorher. (das "schwer atmend" (und auch das stolpern weiter oben) gefällt mir auch nicht wirklich, ist für mich ein "Standardbaustein", verglichen mit der individuellen Sprachstärke des sonstigen Textes).
Ich hoffe, es wurde deutlich, dass ich nur so detailversessen geworden bin, weil ich viel mit dem Text anfangen kann und ihn sehr gelungen finde.
liebe Grüße,
Lisa
ich finde den Titel unheimlich treffend für den Text - Heimweh, das hat man, wenn man an einen Ort/zu Menschen/einem gefühl möchte, wo man nicht hinkann - und das ist ja hier ja genau der Fall (und damit meine ich jetzt nicht, dass die Protagonistin an einem fremden Ort ist, klar). Und deshalb finde ich das auch als letzten Satz gelungen. Überhaupt finde ich, dass der Text schöne Bilder und Settings verwendet, um die Seele von Anja zu zeigen - die kalbende Kuh, die an ihrem Kalb nicht interessiert ist (gestörte Natürlichkeit), das Essen/die Zunge als "Auslöser", die Geborgenheit/Normalität auf diesem Hof, des Paares, die irgendwie sofort vermittelt ist und einen Kontrast aufbaut, auf dessen Hintergrund sich dann nochmal Anjas Verhältnisse (zu ihrer Mutter) aufbauen. Finde ich wirklich sehr gelungen.
Allerdings ist der Text an einigen Stellen für mich noch nicht an allen Stellen stilsicher, gerade, wo du kräftig/schonungslos sein möchtest, verlierst du in meinen Augen an einigen Stellen die Kontrolle über die Erzählhaltung bzw. den Sprachstil, icdh versuch mal zu zeigen, was ich meine:
Der Kuh aber schien das Kälbchen seltsam egal zu sein.
statt egla, würde ich "gleichgültig gegenüber schreiben, egal finde ich stilistisch unschön
Hier kann in meinen Augen das Explizite weg:
Anjariss sich zusammen. Sie versuchte den aufkommenden (einen klingt komisch) Brechreiz zu unterdrücken. Dann schluckte sie das Stück Fleisch unzerkaut hinunter. Sie spürte, wie es sich die Speiseröhre hinunterschob, ein Quadrat, das kaum vorwärts kam und immer wieder nach oben wollte.
das mit dem Faden finde ich einen zu erklärenden Ansatz, ich bekäme das lieber erzählt
Sie versuchte sich auf morgen zu freuen. Und den Faden nicht zu verlieren.
Dein Umgang mit den Artikeln ist manchmal etwas "staksig":
Sie lief hinauf in das Zimmer und legte sich auf das Bett
ich wäre für "ins" und "aufs" oder "ihr" und "aufs"
Auch hier ist die Erzählsinstanz für mich zu explizit, denn eigentlich will sie das nicht sein (vielleicht sechs Jahre alt...deutet an, dass der personale Erzähler eigentlich eine Ich-Erinnerung ist)
Anja fand es ekelig. Aber wenn Mama es schön fand.
wie wäre sowas wie
Anja mochte nicht (und wenn es für dich wichtig ist dann denn "Abersatz" dran - ich finde das aber zu interpretationsdirekt)
Diese Stelle sehe ich als sprachliche Schwäche, meiner Meinung nach würde der Text heftiger, wenn du das "kotze" nicht wiederholen würdest und auch das nachgesetzte "bitter" finde ich übertrieben:
Anja stolperte ins Bad. Sie kotzte den leeren Magen aus und wunderte sich, dass kein Holzbrei kam. Sie kotzte,, kotzte, kotzte. Bibs es endlich grün wurde. Uund bitter wurde.
Genauso das Ende, wieso muss dies durch "es war der einzige Tag" so betont werden:
Schwer atmend setzte sie sich auf der Rand der Badewanne.
Es war der einzige Tag, an dem sie Heimweh hatte.
Für mich wäre auch hier eine schlichtere Variante berührender
Schwer atmend setzte sie sich auf der Rand der Badewanne. Sie verspürte Heimweh.
Oder so ähnlich. Dass es kein einfaches Heimweh ist, ist doch völlig gesichert durch die Schilderungen vorher. (das "schwer atmend" (und auch das stolpern weiter oben) gefällt mir auch nicht wirklich, ist für mich ein "Standardbaustein", verglichen mit der individuellen Sprachstärke des sonstigen Textes).
Ich hoffe, es wurde deutlich, dass ich nur so detailversessen geworden bin, weil ich viel mit dem Text anfangen kann und ihn sehr gelungen finde.
liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Liebe Lisa,
vielen Dank für Deine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Text. Vieles, was Du anmerkst, leuchtet mir ein, ich werde eine ganz Menge davon aufnehmen und den Text entsprechend ändern.
Manches ist mir sprachlich fremd, da gucke ich nochmal, was "meine Sprache" ist.
Auf jeden Fall freue ich mich, dass Du ihn grundsätzlich gelungen findest. So oft schreibe ich ja Texte dieser Art nicht. Mal sehn, vielleicht traue ich mich ein bisschen mehr in nächster Zeit.
Liebe Grüße und danke nochmal!
leonie
vielen Dank für Deine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Text. Vieles, was Du anmerkst, leuchtet mir ein, ich werde eine ganz Menge davon aufnehmen und den Text entsprechend ändern.
Manches ist mir sprachlich fremd, da gucke ich nochmal, was "meine Sprache" ist.
Auf jeden Fall freue ich mich, dass Du ihn grundsätzlich gelungen findest. So oft schreibe ich ja Texte dieser Art nicht. Mal sehn, vielleicht traue ich mich ein bisschen mehr in nächster Zeit.
Liebe Grüße und danke nochmal!
leonie
Liebe Leonie,
Ich fange mal mit dem an, was ich an deinem Text klischeehaft einerseits und schwer nachvollziehbar andererseits fand. Auch eine gewisse Naivität spricht daraus, dich für dieses Thema entschieden zu haben.
Das Nahrungs- und Ernährungsproblem einer Generation, die in jeder Hinsicht gegen die Fülle, gegen das Zuviele kämpft, und sich vollgestopft fühlt ist wiederum sehr spannend. Das passt die "fremde Zunge" als Bild wunderbar dazu. Im Grunde auch das Motiv der Prinzessin auf der Erbse - als ich da angelangt war, hat sich alles sehr gut zusammengefügt, aber das "Heimweh" kam mir immer noch unpassend vor. Aber am Schluss werde ich noch einmal darauf zurückkommen.
Der Reihe nach sind mir folgende Punkte aufgefallen:
Den Anfang mochte ich nicht, weil mir diese Szenen von deutschen, französischen etc. Austauschschülern im Ausland - wenn sie nicht zu sinnstarken Distanzierungen und Verarbeitungen führen, zu bekannt vorkommen. Sofort erscheinen vor meinem geistigen Auge die zahllosen Auslandsberichte von jungen Leuten, die der lokalen Erbse nicht verzeihen können - fremd - zu sein. Die Beschreibung der Backenzähne war mir zu genau, und als ich versuchte mir die Ess- und Kaubewegung vorzustellen, schien mir das übertrieben.
Starke, wirkungsvolle Szene. Vor allem, vom Ende her betrachtet.
Einer über den Teller rollenden Erbse hinterher. Hier würde ich allen Kritikern der Partizipialkonstruktion zum Trotz den unschönen Relativsatz vermeiden. Die Partizipialkonstruktion ist im frz. nicht möglich und stellt einen der linguistischen "Vorteile" der deutschen Sprache dar, - ich finde es schade, dass man dieses Stilmittel nicht mehr verwendet ...
An dieser Stelle habe ich beim ersten Lesen nix verstanden, den Titel hatte ich ohnehin vergessen.
Das Bild mit dem Holz hat mir gut gefallen ; tote Nahrung im Mund, Geschmack vom Fasrigen
- (Holz).
auch beeindruckend : "Zunge"
Wird es grün? eher gelb .... Bei grün (hier jedenfalls) denkt
man an ein von den Erbsen her an ein Grün, das eindeutig nicht das richtige "Grün" sein kann.
widersprüchliches und schwer nachvollziehbares Heimweh.
Als einzige wirkliche Schwierigkeiten bleiben für mich (neben den Korrekturen, die andere schon vorgenommen haben) - das Thema des Essens in Verbindung mit englischer Küche und das Heimweh, das ich nicht recht mit der Situation verbinden kann.
Ich würde mich freuen, wenn es hier bei einem Text, der für mich problematisch ist, zu einer guten Diskussion käme.
liebe Grüße
Renée
Ich fange mal mit dem an, was ich an deinem Text klischeehaft einerseits und schwer nachvollziehbar andererseits fand. Auch eine gewisse Naivität spricht daraus, dich für dieses Thema entschieden zu haben.
Das Nahrungs- und Ernährungsproblem einer Generation, die in jeder Hinsicht gegen die Fülle, gegen das Zuviele kämpft, und sich vollgestopft fühlt ist wiederum sehr spannend. Das passt die "fremde Zunge" als Bild wunderbar dazu. Im Grunde auch das Motiv der Prinzessin auf der Erbse - als ich da angelangt war, hat sich alles sehr gut zusammengefügt, aber das "Heimweh" kam mir immer noch unpassend vor. Aber am Schluss werde ich noch einmal darauf zurückkommen.
Der Reihe nach sind mir folgende Punkte aufgefallen:
Anja hasste Erbsen. Verlegen räumte sie die grünen Kugeln auf dem Teller hin und her.
Die Kartoffeln rochen nach Chlor. Sie schob sie auf der Gabel in den Mund Richtung Backenzähne, dabei atmete sie flach, um möglichst wenig zu schmecken.
Den Anfang mochte ich nicht, weil mir diese Szenen von deutschen, französischen etc. Austauschschülern im Ausland - wenn sie nicht zu sinnstarken Distanzierungen und Verarbeitungen führen, zu bekannt vorkommen. Sofort erscheinen vor meinem geistigen Auge die zahllosen Auslandsberichte von jungen Leuten, die der lokalen Erbse nicht verzeihen können - fremd - zu sein. Die Beschreibung der Backenzähne war mir zu genau, und als ich versuchte mir die Ess- und Kaubewegung vorzustellen, schien mir das übertrieben.
Gestern hatte sie zugeschaut, wie ein Kälbchen zur Welt kam. (...) Anja und Henry es mit Stroh trocken gerieben. Der Kuh aber schien das Kälbchen seltsam egal zu sein.
Starke, wirkungsvolle Szene. Vor allem, vom Ende her betrachtet.
Anja schaute einer Erbse hinterher, die über den Teller rollte.
Einer über den Teller rollenden Erbse hinterher. Hier würde ich allen Kritikern der Partizipialkonstruktion zum Trotz den unschönen Relativsatz vermeiden. Die Partizipialkonstruktion ist im frz. nicht möglich und stellt einen der linguistischen "Vorteile" der deutschen Sprache dar, - ich finde es schade, dass man dieses Stilmittel nicht mehr verwendet ...
„What about tomorrow?", fragte sie. “Would you like to go with me to Bath?”
“Yes”. Anja drückte die Tränen weg.
An dieser Stelle habe ich beim ersten Lesen nix verstanden, den Titel hatte ich ohnehin vergessen.
Ihr Magen fühlte sich an, als sei ein Stück Holz darin. Weiches Holz. Jetzt dehnte es sich aus.
Das Bild mit dem Holz hat mir gut gefallen ; tote Nahrung im Mund, Geschmack vom Fasrigen
- (Holz).
Sie war vielleicht fünf gewesen. Ihre Mutter hatte sie auf den Tisch gesetzt und sie geküsst. „Und jetzt mach den Mund auf“, sagte sie, „dann reiben wir unsere Zungen aneinander.“
auch beeindruckend : "Zunge"
bis es grün wird ...
Wird es grün? eher gelb .... Bei grün (hier jedenfalls) denkt
man an ein von den Erbsen her an ein Grün, das eindeutig nicht das richtige "Grün" sein kann.
Es war der einzige Tag, an dem sie Heimweh hatte.
widersprüchliches und schwer nachvollziehbares Heimweh.
Als einzige wirkliche Schwierigkeiten bleiben für mich (neben den Korrekturen, die andere schon vorgenommen haben) - das Thema des Essens in Verbindung mit englischer Küche und das Heimweh, das ich nicht recht mit der Situation verbinden kann.
Ich würde mich freuen, wenn es hier bei einem Text, der für mich problematisch ist, zu einer guten Diskussion käme.
liebe Grüße
Renée
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