in diesen herbst (erweitert)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 18.11.2009, 16:53

I.

in diesen herbst
legt der wind ein leuchten

knospen als schattenriss
an den himmel gehängt

es gilt
sich aufzulehnen

diesseits des frostes

kristalle flüssig zu atmen
leben zu nähren

in wechselndes licht


II.

in diesen herbst
legt der wind ein schweigen

hülsen blassen im geäst
blättern worte zu boden

es gilt
sich abzufinden

diesseits der stille

wege aufs weiß
zu wandern

im sinkenden licht





Musentext von scarlett (vielen Dank!):


in diesen herbst
legt der wind ein requiem

messingtöne im blätterfall
über offener erde*

es gilt
sich einzurichten

diesseits der glaswand

und das splittern der luft
bunt zu atmen

gegen fallendes licht
Zuletzt geändert von leonie am 25.11.2009, 11:41, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 23.11.2009, 13:12

Liebe leonie,

ich verstehe gar nicht, warum deine Zeilen bisher unkommentiert blieben.
Ich mag dein "Gegengedicht", in dem die Molltöne aus scarletts Gedicht in deinem zu Dur-Tönen werden. Vor allem diesen Passus finde ich ganz wunderbar:
knospen als schattenriss
an den himmel gehängt

Ein tolles Bild, das ich mir sehr schön vorstellen kann, einmal wirklich als Bild und auch als Metapher für das Ziel, das Bevorstehende, das Wunschdenken, sich auf etwas freuen, das kommen wird.
Dazu passt dann auch das nachfolgende
es gilt
sich aufzulehnen

sehr gut. Es liest sich so, als ob man sich ganz aktiv auflehnt, aufrichtet, um nach den Knospen zu greifen.
Sehr schön finde ich das.

Saludos
Mucki

Benutzeravatar
noel
Beiträge: 2666
Registriert: 04.08.2006

Beitragvon noel » 23.11.2009, 17:04

gebe mucki rEcht, eine famose ewiederung der bilder
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 24.11.2009, 10:50

Liebe Mucki, liebe Noel,

ich freue mich, dass der text Euch erreicht. Ich bin ja sehr nah an scarletts Formulierungen und es ging auch nicht um den großen Widerspruch, sondern darum, für mich die Akzente anders zu setzen.

Ich kann mir fast eine "Reihe" vorstellen, in der die Bilder und Nuancen verändert werden und unterschiedliche Momente eines Trauerprozesses ausdrücken.

Danke Euch beiden.

Liebe Grüße

leonie

DonKju

Beitragvon DonKju » 24.11.2009, 21:24

... der eigentlich auch nur sagen möchte, daß die beiden Texte wie die berühmten zwei Seiten einer Medaille wirken; Vielleicht sollte man das mal im Hinterkopf behalten. sozusagen als Idee für ein Monatsthema a la "Rede und Wiederrede - ein literarischer Dialog in zwei Sätzen pardon Gedichten"

Und liebe Grüße an leonie dazu von Hannes

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 24.11.2009, 22:24

Hallo Hannes,
Bilbo hat geschrieben:Vielleicht sollte man das mal im Hinterkopf behalten. sozusagen als Idee für ein Monatsthema a la "Rede und Wiederrede - ein literarischer Dialog in zwei Sätzen pardon Gedichten"

aber das ist doch im laufenden Monatsthema "Intertextuelles" mit enthalten. Man kann "Gegengedichte" schreiben oder aber die Idee aufnehmen und in Form eines Dialoges antworten, was ja auch bereits in anderen Beiträgen zum Monatsthema gemacht wurde.

Saludos
Mucki

scarlett

Beitragvon scarlett » 25.11.2009, 09:16

Liebe leonie,

das halte ich für sehr gelungen!
Und zwar sowohl als eigenständiges Gedicht als auch als "Antwortgedicht" auf meines.

Du setzt zwar die Akzente anders, aber im Grunde genommen, wohnt beiden Gedichten etwas Gemeinsames inne: das Positive zu sehen.
Nur das Erreichen, das Hinkommen, um dieses zu sehen, ist in den beiden Texten unterschiedlich:
sich auflehnen - bzw. - sich einrichten.

Wunderbar finde ich die Knospen, die als Schattenriss an den Himmel gehängt werden ...

Sehr schön!

LG

scarlett

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 25.11.2009, 11:41

Lieber Hannes,

dankeschön!


Liebe scarlett,

ich freue mich besonders, dass Du das schreibst, weil Du den Text ja inspiriert hast. Inzwischen habe ich versucht, einen weiteren Aspekt hinzuzufügen. Für mich hat Dein Text wirklich das Potential, zu einer Art "Reihe" erweitert zu werden, Du hast einfach Formulierungen gefunden, die sich dafür gut eignen. Ich kann mir gut vorstellen, dass mich das zu Weiterem inspiriert.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 25.11.2009, 12:58

Liebe leonie,
Ich kann mir fast eine "Reihe" vorstellen, in der die Bilder und Nuancen verändert werden und unterschiedliche Momente eines Trauerprozesses ausdrücken.

dies ist dir mit der Fortsetzung sehr schön gelungen, finde ich.
Eine kleine Anmerkung:
wege aufs weiß
zu wandern

Würde hier nicht evtl. auch "auf" statt "aufs" genügen?

Saludos
Mucki

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 25.11.2009, 21:06

Liebe Mucki,

danke. Monikas Gedicht ist sehr inspirierend, finde ich...
Hm, ich finde, "aufs" klingt besser.

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 27.11.2009, 17:04

Liebe Leonie,

ich sehe wieder einmal (shame on me), dass ich viel zu wenig beim Monatsthema bin.
Ich finde, dass Dein text mit dem Scarletts ganz wunderbar harmoniert. Beide Texte finde ich ganz stark und zusammen gewinnen sie erst recht.

Gern gelesen
max

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 27.11.2009, 21:24

Liebe leonie,

hier komme ich gerade vorbei und mag kurz etwas hinterlassen...

ich finde scarletts Kommentar trifft es sehr - mir gefällt das auch sehr gut! Einzig das "kristalle flüssig zu atmen / leben zu nähren " ist mir etwas zu viel, würde ich streichen, aber ich verstehe, dass das aufgrund der kohärenten strukturellen Anlehnung an scarletts text nicht möglich ist (vielleicht ersetzen .-)), na ja, das ist ja auch nicht so wichtig...

Dieses Monatsthema finde ich wirklich ganz fein...was da alles bei entsteht!

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 28.11.2009, 15:10

Lieber Max,

danke, das freut mich (und hoffentlich scarlett auch!).

Liebe Lisa,

ja, genau, die kohärente Struktur war mir wichtig. Deshalb möchte ich ungern ersatzlos streichen. Vielleicht fällt mir noch was anderes, besseres ein...
Danke, ich freu mich, dass es Dir gefällt!

Liebe Grüße

leonie

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9473
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 28.11.2009, 19:24

Hallo Leo,

ich muss sagen, dass für mich durch den gleichen Aufbau, den reinen Austausch der Bilder und Worte in einem Gerüst der Eindruck der Beliebigkeit entsteht und ich daher die einzelnen Gedichte nicht mehr richtig „wahr“ nehmen kann, mich nicht darauf einlassen. Als Reihe würde es daher für mich nicht funktionieren.
Gegen das „requiem“ erscheint mir sowohl das „schweigen“ als auch das „leuchten“ zu blass. Wenn ich es dann so nebeneinander lese, würde ich mir da etwas eigeneres wünschen.
Einzeln betrachte, gefallen mir diese Zeilen sehr:

knospen als schattenriss
an den himmel gehängt


hülsen blassen im geäst
blättern worte zu boden


wege aufs weiß
zu wandern



liebe Grüße
Flora


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 14 Gäste