september

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Lydie

Beitragvon Lydie » 20.09.2009, 17:35

wir stürzen über den zenit
leise

nichts als stilles bleichen
oder ein anderer winkel
im licht

Max

Beitragvon Max » 20.09.2009, 22:35

Liebe Lydie,

das Gedicht gefällt mir beim ersten und zweiten Lesen schon allein klanglich sehr gut.

Beim dritten Lesen stelle ich fest, dass ich aber keine klaren Bilder dazu habe.

Das scheint dem Gedicht aber nichts auszumachen ;-)

Liebe Grüße
Max

Lydie

Beitragvon Lydie » 21.09.2009, 09:40

Lieber Max,

Ja, es ist auch vor allem eine Wahrnehmung des dem September eigenen Lichts.

Lieber Gruß, und es freut mich natürlich, dass dir das Gedicht gefällt!

Lydie

Max

Beitragvon Max » 21.09.2009, 12:50

Ja, die Lichter eines Monats zu beschreiben wäre sicher ein lohnnender Gedichtzyklus.

Liebe Grüße
Max

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leonie
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Beitragvon leonie » 21.09.2009, 16:22

Liebe Lydie,

das spricht mich an. Zunächst die kontrastreiche erste Strophe. Das dramatische "stürzen" im Gegensatz zu dem "leise".

Es ist auf den September beziehbar, aber ebenso auf den Moment, in dem der Zenit des Lebens überschritten ist. So auch die zweite Strophe. Das "bleichen" kann sich auf das schwindende Licht beziehen, aber auch auf das "Verblassen" des Lebens, das schließlich mündet im (bleichen) Tod.

Das ist die eher pessimistische Variante, der das Gedicht dann noch in einer Wendung eine andere Sichtweise hinzufügt.
Es könnte ja auch sein, dass gar nicht das Licht schwindet, sondern nur ein Winkel sich verändert hat....


Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 21.09.2009, 23:14

Liebe Lydie,

mir gefällt dein Gedicht. Ich lese es in erster Linie wie leonie im Sinne von Überschreiten des Zenits des Lebens und dass man das Leben dann in einem anderen Licht sieht. Auch der Titel passt da gut dazu.
Für mich ein positive, leichte und harmonische Sichtweise, bei der man sich noch vieles so für sich selbst hinzudenken kann.

Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 22.09.2009, 19:24

Liebe Lydie,

mir gefällt dieser Text auch sehr gut - irgendwie hat er etwas souveränes, die Setzung und er als ganzes wird von mir in keinster Weise hinterfragt, obwohl der Text nicht auf Anhieb/leicht zu "verstehen" ist im Sinne einer klaren Übersetzung "das und das wird erzählt", wie man allzu oft Gedichte und insbesondere Kurzlyrik abhandeln will.
Mir war jedenfalls sofort nach dem ersten Lesen klar, dass der Text so gehört, wie er da steht. Und durch dieses Gefühl entstand dann auch die Lust mehr zu erfahren, mich auf seine Eigentümlichkeit, einzulassen. Ich glaube, das Geheimnis steckt in dem "anderer Winkel / im Licht und dem Umbruch dazwischen - ja, ich finde, das ganze Gedicht ist (sogar optisch) selbst solch ein Winkel im Licht (dabei gehorcht das Licht doch eigentlich den Gesetzen der Winkel oder erzeugt Winkel, aber ein Winkel im Licht - und durch den Umbruch das nicht zu eindeutig gesprochen, das finde ich wirklich frei und lyrisch mit viel Anwendung auf Stimmungen. Dies ganze abstrakte wird dann unter dem Begriff "September" gefüllt mir einer bestimmten Stimmung, die man mit dem September verbindet und lenkt/leitet die Lesart des Textes dann ins nicht willkürliche - dieses beides zusammen finde ich an dem Text wirklich gelungen. So schafft es der Text für mich von einer Stimmung zu erzählen, die jeder kennt und doch nicht sagen kann. Der Text aber kann es. Und so wird der text ja gerade in Bezug auf die Assoziationen zu September zu einem Pfand...

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

DonKju

Beitragvon DonKju » 22.09.2009, 22:07

... zum In-sich-gehen, zum Hineinlauschen in wundervolle Worte gefasst -
Einfach schön, liebe Lydie und ...

... einen lieben Gruß dazu von Hannes

Lydie

Beitragvon Lydie » 27.09.2009, 18:59

Hallo liebe Alle!

Was mich ganz besonders an euren schönen und für mich stimmigen Kommentaren freut, ist, dass ich mit diesem "Kleinen" endlich wieder einmal innerlich so richtig "dran" war. Ich glaube tatsächlich, dass viel Arbeit und Lyrik sich nicht so richtig gut vertragen.

Hierzu übrigens ein für mich sehr treffender Text, der die Wand meines Büros ziert:

"Im Laufe der Jahre (1917-1927) ist nicht mein Verstand abgestumpft, sondern meine Seele. Eine erstaunliche Beobachtung: gerade für die Gefühle braucht es Zeit, nicht für die Gedanken. Der Gedanke ist ein Blitz, das Gefühl - der Lichtstrahl eines weitentfernten Sterns. Das Gefühl braucht Muße, es lebt nicht in Angst. Ein einfaches Beispiel: während ich anderthalb Kilo kleine Fische im Mehl wende, kann ich denken, aber nicht fühlen: der Geruch stört!... Das Gefühl ist anscheinend anspruchsvoller als der Gedanke. Entweder alles oder nichts. Meinem kann ich nichts bieten: weder Zeit noch Einsamkeit: ich bin ständig unter Menschen, von 7 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, und um 10 bin ich so müde, dass von Gefühlen keine Rede sein kann! Gefühle brauchen Kraft." Marina Zwetajewa an Anna Antonowna Teskova, Meudon, 12.Dezember 1927

Herzliche Grüße und danke noch einmal. Eure Rückmeldungen war für mich sehr ermutigend und wichtig.

Lydie :drück:


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