Mondverse V

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 30.08.2009, 11:12

Sprechen wollte ich,
Sprach doch nicht
Vor dir, und dem Jasmin in deiner Hand
Ewig wollt ich sagen,
War schon später
Als du mit dem Neumond kamst
Dann gab ich Tee und Zwinkern
Du lächeltest, und es trieb mich
In ein Gewisper
Zwischen deinen Fingern
Ich schaute in die fernen Gipfel
Im Libanon
Und doch zu dir
Dachte an Heimatliches
Du, und was mich sonst noch wärmte

-

VFM

Max

Beitragvon Max » 30.08.2009, 12:04

Liebe Zafar,

das ist ein text, dem ich sehr gerne in seine Geheimnisse foilge. Die Zeilen wirken auf mich teilweise wie Beschwörungsformeln einer fremden Liturgie. Wunderbar finde ich das

"Gewisper
zwischen deinen Fingern"

Von da überzeugt mih das Gedicht besonders durch den wandernden Blick der Gedanken, den ich zu kennen glaube.
Einzig frage ich mich, onb die letzte Zeile nicht besser mit einem "Dich" státt einem "Du" begänne?

Liebe Grüße
Max

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 30.08.2009, 12:30

Mh, ja, mit der letzten Zeile hast du wohl recht, lieber Max

Hatte auch daran gedacht das "Heimatliche" klein zu schreiben, sodann

Dachte an heimatliches Du, und was mich sonst noch wärmte

Aber

Dachte an Heimatliches
(Dachte an) Dich, und was mich sonst noch wärmte


ist auch nicht schlecht. Doch irgendwie sträube ich mich gegen ein "Dich" am Anfang der Zeile

Mh

Herzlichst

Zafar

Max

Beitragvon Max » 30.08.2009, 19:58

Liebe Zafar,

lustig, mir hätte das auftatktike "Dich" gerade gefallen.

Liebe Grüße
Max

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.09.2009, 20:53

Hallo Zafar!

Da ich lange Kommentierungs-faul war und dieser Text noch nicht so ausgiebig besprochen wurde kann ich es ja hier mit der gemeinsamen Text-Verbesserung wieder aufnehmen.

Ich finde eigentlich all deine Texte haben diesen fremden Charme der Worte aus heißen Ländern. Dazu wurde schon viel gedichtet und es fiele wahrscheinlich jedem Autor, der aus einem dieser heißen Länder stammt und jedem, der dort längere Zeit gelebt hat schwer nicht diesem Charme des Orientalischen zu unterliegen. Aber auch gerade auf diesem Wort-Wühltisch" gibt es manchmal sehr originelle Metaphern, finde ich (Ich mochte beispielsweise sehr die Verse eines arabischen Dichters, der den Körper seiner Geliebten mit einer geschälten Orange am Morgen verglich) - und andere Metaphern, die dann zwar dieses Fremde noch in sich tragen... Aber eher wie ein Reiseprospekt als eine Reise wirken. Darüber würde ich mir vielleicht Gedanken machen - aber vielleicht tust du das ja eh schon.

Nun zum Text:


Sprechen wollte ich,
Sprach doch nicht
Vor dir, und dem Jasmin in deiner Hand


Wolltest das Ich vor oder zu diesem Jemand sprechen? Das irritiert mich etwas.

Das "Jasmin" ist für mich zum Beispiel so ein Grenzfall zwischen Reiseprospekt und wirklicher Reise. Es wurde glaube ich schon millionenfach verwendet - und ob die Wendung "in der Hand" nun unbedingt die Beste ist - oder ob man nicht noch mehr mit dem Jasmin anstellen könnte gebe ich einmal zu bedenken. Wenn es mein Gedicht wäre würde ich nach einer noch "besondereren" Jasmin-Metapher suchen.

Ewig wollt ich sagen,
War schon später


Bei so einem Wort wie "ewig" zucke ich immer etwas zusammen, aber das muss dich nicht stören. Das Lapidare "war schon später" gefällt mir in dem Zusammenhang aber wieder ganz gut.

Die folgenden finde ich die stärksten Zeilen. Ich habe mich gefragt, ob man nicht sogar mit Ihnen beginnen könnte und die anderen in einem anderen Gedicht aufleben lässt:

Als du mit dem Neumond kamst
Dann gab ich Tee und Zwinkern
Du lächeltest, und es trieb mich
In ein Gewisper
Zwischen deinen Fingern


Dann kommt:

Ich schaute in die fernen Gipfel
Im Libanon
Und doch zu dir
Dachte an Heimatliches
Du, und was mich sonst noch wärmte


Mmm.... Wieso schaut sie/er denn "IN die Gipfel" ? Ich würde eher "zu" oder "hinauf zu" den Gipfeln schauen. Abgesehen davon hat das Wort "Gipfel" schon etwas Fernes an sich, glaube ich. Da ist das "ferne" mir zu viel. Wieso nicht:

Ich schaute zu den Gipfeln
im Libanon und hoch zu dir


- Das fände ich sehr spannend, weil es Heimat, Erhöhung des Anderen und Entfernung in eines bringen könnte.

Ich würde nicht schreiben "Heimatliches". Niemand kann sich darunter etwas vorstellen. Das heißt: natürlich! Jeder kann sich darunter alles vorstellen. Für den einen ist ein Haufen ungespülter Abwasch, für den anderen Apfelstücken, für den nächsten Kindesmisshandlungen "heimatlich" - Solche Adjektve oder Substantivierungen würde ich dringendst vermeiden. Stattdessen würde ich aber gerne ein schönes (oder auch hässliches!?) Wort lesen, dass dir zur Heimat einfällt. Der Libanon ist ja nicht meine Heimat. Da ist es gerade spannend zu erfahren, was man im Libanon mit "Heimat" verbinden könnte.

Ich stimme Max nach mehrmaligem lesen zu das "Dich" wohl stärker und eingängiger klingen würde in der letzten Zeile. Aber darüber kann man sich streiten.

Das mit dem "was mich sonst noch wärmte" finde ich auch ganz gut.

Also, besonders der Mittelteil hat mich sehr überzeugt. Sehr schön das mit dem "aufgetischten" Zwinkern.

Oben und unten würde ich noch etwas überlegen.

Hoffentlich konnte dir das bei der Arbeit helfen!

Liebe Grüße,

l

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 10.09.2009, 13:25

:blink2: Nun, Louisa...jetzt hast du ja sehr viele Vorschläge. Ich werd mal versuchen dir zu folgen:

Wolltest das Ich vor oder zu diesem Jemand sprechen? Das irritiert mich etwas.


Nein, vor als Präposition...LI steht vor LD :rolleyes:

Der Jasmin beschreibt hier natürlich eine ganz persönliche Note des Lyrischen Du. Ich empfinde den Jasmin auch ehrlich gesagt nicht als Kitschmetapher; lese ihn selbst in arabischer Dichtung eher selten. :blink2: Oder überlese ich ihn? Jedenfalls empfinde ich es nicht so, dass nun der Jasmin DIE typische Pflanze orientalisch-angehauchter Dichtung ist. Hat aber einen hohen Symbolcharakter. Naja, aber die Auswahl an Pflanzen ist geografisch bedingt in der arabischen Welt auch eher gering.

Es ist hier eben tatsächlich ein Jasminbündel in den Händen. Ein Bild, das mir sehr klar im Gedächtnis ist, und zwar in seiner Einfachheit. Für mich braucht es hier nichts Besonderes.

Eigentlich kann man hier

Als du mit dem Neumond kamst
Dann gab ich Tee und Zwinkern
Du lächeltest, und es trieb mich
In ein Gewisper
Zwischen deinen Fingern


nicht beginnen, da es in dem Gedicht ja ein Zuvor und Später gibt. Der Neumond ist also später, vom Ablauf her, als die Jasminszene...was auch immer "später" heißt, ne?

Mmm.... Wieso schaut sie/er denn "IN die Gipfel" ? Ich würde eher "zu" oder "hinauf zu" den Gipfeln schauen. Abgesehen davon hat das Wort "Gipfel" schon etwas Fernes an sich, glaube ich. Da ist das "ferne" mir zu viel.


Mh, irgendwie hast du schon recht mit der Ferne und den Gipfeln. Jedenfalls verstehe ich diesen Einspruch. Aber wenn ich so mehr darüber nachdenke, finde ich agr nicht, dass Gipfel automatisch Ferne bedeutet. Mir fiel da gerade ein, man sagt doch auch "Gipfel erklimmen", aber wenn man einen Gipfel erklimmt, ist man doch auch nah, oder nicht?

Zudem war meine Idee eigentlich auch gar nicht so sehr die Gipfel hier tatsächlich als Gebirge zu sehen. darauf hast du mich jetzt erst gebracht, liebe Louisa. Für mich sind die Gipfel hier auch Symbol, für eine Situation, einen Moment vielleicht. Oder Träume.

"in die Gipfel schauen" ist natürlich recht untypisch, du hast recht. Hab das wohl unbewusst so gewählt, um etwas weg vom Geografischen zu kommen. :-)

Finde aber auch, dass das Adjektiv "fern" in diesem Vers den Klang, eine gewisse Melodik unterstützt, die ich so hier

Ich schaute zu den Gipfeln
im Libanon und hoch zu dir


nicht lese.

Vielleicht habe ich etwas missverständlich geschrieben. Aber es ist hier nicht ein zweifaches Schauen, einerseits zu den Gipfeln (meinteswegen des Libanongebirges) und andererseits zum Lyrischen Du. Hört sich so nach Aussichtspunkt an.

Es ist EINE Sicht: Libanon-Gipfel und doch Du. Du, die Gipfel im Libanon.

In dieser Weise schrieb ich die Zeilen. Aber offensichtlich kommt es anders an.

Könnte mir das mit deiner Version aber so vorstellen:

Ich schaute in die fernen Gipfel
im Libanon, hoch zu dir


womit dann diese gewisse Erhöhung des Anderen doch noch ausgedrückt wäre. Aber so recht mag ich mich mit dieser Doppelerhöhung (Gipfel und hoch...aus meiner Sicht) nicht anfreunden. :neutral:

Zum Heimatlichen:

ich schrieb ja schon zuvor: eigentlich hatte ich ja ein sich Überschneiden dieser beiden Verse im Sinn:

Dachte an Heimatliches
Du, und was mich sonst noch wärmte


So könnte es hier ein "heimatliches Du" sein. Das Lyrische Du ist dem Lyrischen Ich also heimatlich. Es muss nicht unbedingt etwas besonders persönlich-heimatliches sein, wie du es beschreibst. Es ist natürlich der Begriff "Heimat" an sich, der hier betont wird. das wird wahrscheinlich nicht ganz klar, da dies hier ja Vers 5 einer Reihe ist. Vielleicht auch deshalb diese "Schwierigkeiten" im verständnis, da natürlich irgendwo ein Zusammenhang fehlt.

Tja

Vielen Dank Louisa für deine Mühe. Finde aber den Ton, der mir in diesem Kommentar von dir entgegenschlägt schon etwas anmaßend.

"Darüber würde ich mir vielleicht Gedanken machen"

"Solche Adjektve oder Substantivierungen würde ich dringendst vermeiden"

Das hat so etwas Lehrerinnenartiges, sorry, so auf Anpassung drängend.

Naja

Herzlichst

Zafar

Louisa

Beitragvon Louisa » 10.09.2009, 20:51

Hallo Zafar!

Es ist sehr schön für dich, dass du deinen Text einwandfrei interpretieren und erkennen kannst. Ich konnte das im Mittelteil für mich auch sehr schön. Der hat mir wie gesagt auch sehr gefallen. Ich dachte nur, da dies ja (es kommt mir manchmal vor wie ein Sprichwort) ein "Textarbeits-Forum" ist, dachte ich daran dir einige Tipps zu geben, die meiner Meinung nach zur Verbesserung des Textleins beitragen könnten.

Wenn das mein Text gewesen wäre hätte ich vielleicht einmal probiert eine zweite Version an Hand der verschiedenen Anregungen von Max und mir zu verfassen und trotzdem beide Versionen nebeneinander erhalten. So kann jeder Leser für sich selbst entscheiden, welcher Text ihm gelungener vorkommt und deine Ursprungsfassung bleibt trotzdem erhalten.

Ich meinte dieses "Darüber würde ich mir GEdanken machen" so wie es da steht. Ja, ich würde mir darüber Gedanken machen (wenn es mein Text wäre) - und ja, ich würde auch solche (!) Adjektive und Substantivierungen vermeiden. Mit der Betonung auf "solche" - Andere können sicherlich auch passen. Das ist ja das Schwierige beim Verfassen eines GEdichtes. Welches Wort passt - welches nicht?

Ich versuche deinen Text also nur so zu behandeln wie ich meinen eigenen behandle. Sieh das mal wie dein eigenes Kind an: Das liebst du genauso, aber trotzdem solltest du ihm seine Fehler aufzeigen und ihn versuchen zu erziehen. Sonst wird er irgendwann ein verwöhnter Idiot :smile: ... und den Fehler habe ich zum Beispiel schon mit vielen meiner lyrischen Kinder gemacht (...)

Ich glaube es wäre am Besten wenn hier jeder dem anderen Schüler und Lehrer zugleich sein könnte. Stelle ich einen Text von mir ein und du gibst mir Vorschläge zur Verbesserung - dann bist du meine Lehrerin. In diesem Fall war es umgekehrt - Aber ich würde daraus keine persönlichen, hierarchischen Strukturen ableiten. Mir ging es um den Text.

Jeder macht was ihm Spaß macht ;-) !

Schönen Abend!

Frau Oberstudienrat :smile:

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Beitragvon Schwarzbeere » 25.09.2009, 18:48

Erstaunlich für mich,

was man alles über einen Text erfährt, wenn man ihn anderen zum Lesen gibt und dann selbst nachdenkt, was man bei der Schaffung des Textes so selten macht. Man hört irgendein Wort in sich und schreibt es nieder, weil es uns gefällt, und dann sucht man Wortgefährten, die mit dem Findling harmonieren oder interessante Dissonanzen ergeben.

Ich habe auch schon von "Gewisper" geschrieben, doch ich fand andere "Gefährten" als du, und ich wollte wahrlich nicht jetzt erklären, warum und wieso. Der Maler malt und der Musiker komponiert und die die geistige Arbeit sollte man jenen überlassen, die eben nicht schaffen können, im Sinne von "du kochst und ich esse" oder "du singst und ich höre zu", das aber wäre das Ende dieser Foren, die wir doch alle so sehr lieben.

Schöne Grüße. Schwarzbeere

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 27.09.2009, 18:04

Lieber Schwarzbeeriger,

mir erschließt sich dein Kommentar heut Abend leider nicht...

Herzlichst

Zafar

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Beitragvon Schwarzbeere » 27.09.2009, 19:15

Liebe Zafar,

du hast nach der Erzeugung deines Text sehr viel nachdenkn müssen, wie ich aus den Kommentaren entnehme, und das ist es, was mich bedrückt: muss denn der Kunstschöpfer nachträglich sein Werk erklären, es wäre denn ein einfaches Produkt eines intelletuellen Aufwandes und und nicht das Ergebnis der Inspiration, falls es so etwas gibt?

Versuche daher nicht, auch für mich noch weitere Erklärungen zu formulieren, da dies nur dem Text schaden muss. Ist dieser aber für sich so unverständlich, dass niemand zu ihm Zutritt findet, was doch hier nicht der Fall ist, dann sollte man darauf verzichten, Unkommunizierbares zu kommunizieren.

Schöne Abendgrüße. Schwarzbeere

Lydie

Beitragvon Lydie » 27.09.2009, 20:08

"Erstaunlich für mich, was man alles über einen Text erfährt, wenn man ihn anderen zum Lesen gibt und dann selbst nachdenkt, was man bei der Schaffung des Textes so selten macht. Man hört irgendein Wort in sich und schreibt es nieder, weil es uns gefällt, und dann sucht man Wortgefährten, die mit dem Findling harmonieren oder interessante Dissonanzen ergeben."

Hallo Schwarzbeere, was du hier zum Dichten schreibst, gefällt mir ausgesprochen gut! Ja, so geht es mir oft, genauso. Die Worte (in meinem Fall fügen die sich dann meist zusammen) entstehen von Innen, wie aus einer eigenen Logik heraus, ohne dieses "Nachdenken" eben, ja, und dann das Suchen nach "Wortgefährten". Toll!

"es trieb mich
In ein Gewisper
Zwischen deinen Fingern"

Mit dieser Wortfindung, auf die ich selbst nie gekommen wäre, harmoniere ich. Ich mag es eh, wenn sich verschiedene Sinne vermischen, hier das Taktile, das Gehör, die Stimme. Das ist schön.

"Ich schaute in die fernen Gipfel
Im Libanon
Und doch zu dir
Dachte an Heimatliches
Du, und was mich sonst noch wärmte"

Das gefällt mir auch, gerade im Zusammenspiel mit dem Tee. Gleichzeitig etwas Fernes und das Gegenüber im Blick zu haben, und das dann dann als heimatlich und wärmend zu empfinden, das gefällt mir. Auch der Anfang: Wortlosigkeit in der Begegnung, gerade einer tieferen Begegnung, wie es sich anhört, und dann das "Gewisper zwischen den Fingern". Oder das Spiel mit der Zeit: "ewig wollt ich sagen, war schon später, als du mit dem Neumond kamst".
Ein Spiel mit Gegen-Sätzen, scheinbaren Wider-Sprüchen. Ein Gedicht beginnt mit Wortlosigkeit. Für mich ist das fein.

Lieber Gruß an dich, Zafar, in der Hoffnung, dass dies nun nicht an deinem Gedicht vorbeigeht.

Lydie


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