Eskimoherz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 09.08.2009, 11:26

Wie viele Häute sind gewachsen
über dem Eskimoherzen?
Rohfleischesser mit hellem Haar
und salzig blutendem Mund.

Seine röbbischen Worte.
Ich stammle mit seltsam mutigen Augen
Dreiwortsätze in die Luft.
Von Harpunen verstehe ich nichts.

Doch muss ich mich wohl durch
pulsierende Schichten getaucht haben -
am Ende schmecken verlegene Arme
warm und vertraut.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.08.2009, 13:27

Liebe leonie,

das gefällt mir. "röbbische Worte", tolle Wortschöpfung! Dies hier
Ich stammle mit seltsam mutigen Augen
Dreiwortsätze in die Luft.
Von Harpunen verstehe ich nichts.

ist wunderbar in seiner Metaphorik.

Eines würde ich jedoch überdenken: "Eskimoherz" würde ich durch "Inuitherz" ersetzen. Eskimo ist ein Überbegriff aller eskimoischen Volksgruppen. Das LyrDu hier ist jedoch ein ganz bestimmter Eskimo, deshalb m.E. besser Inuit, da es spezifischer ist.

Saludos
Mucki

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leonie
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Beitragvon leonie » 10.08.2009, 17:12

Liebe Mucki,

ich danke Dir!

Hm, um ehrlich zu sein, es geht gar nicht um einen Eskimo, sondern eher um einen Menschen, den ich mir gut als Eskimo vorstellen könnte (man könnte evtl. über das helle Haar drauf kommen). Deshalb (und auch wegen des Wortklangs) habe ich mir auch erlaubt, ein wenig beim Klischee zu bleiben.
Ich habe aber extra nochmal nachgelesen und bin auf widersprüchlicher Infos gestoßen.

Ich würde es lieber erstmal so lassen.

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.08.2009, 17:29

Liebe leonie,

das "helle Haar" hab ich wahrgenommen, dachte jedoch, dass es sich hier um das LI handelt, es quasi eine Art Annäherung des LIs an die Eskimos andeuten soll, welche später im Text dann ja auch stattfindet.

Ja, die Infos über Eskimos und Inuit sind wiedersprüchlich. Nur eines ist mal klar: wenn du einen Inuit einen Eskimo nennst, empfindet er dies als Schimpfwort.

Saludos
Mucki
Zuletzt geändert von Mucki am 10.08.2009, 23:09, insgesamt 1-mal geändert.

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leonie
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Beitragvon leonie » 10.08.2009, 17:36

Liebe Mucki,

ja, ich habe das zur Kenntnis genommen, aber es gibt auch wieder solche, die sich selbst so nennen.

Ich verstehe noch nicht so genau, warum Du meinst, ich meine einen Inuit. (Wie gesagt, ich habe hier bewusst mit dem Klischee gearbeitet und letztlich geht es nicht um einen wirklichen Eskimo oder Inuit).

Trotzdem danke fürs Nachhaken und die Infos!

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 10.08.2009, 21:57

Liebe Leonie,

Dein gedicht gefällt mir sehr. Ich interpretiere es natürlich ganz persönlich, weil es doch sehr intim anmutet, was ja diesen Raum lässt.

Da ist ein kaltes/kaltgewordenes(?) LDu, mit dem LI in einen Streit verwickelt ist.
Das LDu strahlt sogar eine gewisse Brutalität aus, ist dabei mit seinen "röbbischen" Worten für das LI unverständlich, das sich fragt, warum nur diese dicken Schichten ums Herz gelegt worden sind. Dennoch sagt LI: Ich liebe dich. Es will diesen Konflikt nicht, sondern sucht Frieden.
Und die Rechnung geht auf!

Sehr schöner Text!

Lieben Gruß
ELsa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.08.2009, 10:16

Hallo Leonie,

das ist ein „seltsames“ Gedicht, weil ich oft angesetzt habe zu kritisieren, und während ich meine Argumente versucht habe in Worte zu fassen, plötzlich für mich verstanden habe, warum es genau so geschrieben sein muss. Also kann ich nun sagen, ein spannendes und für mich rundes Gedicht. Ich würde auch Eskimo nicht ersetzen, weil es für mich klar ist, dass es um die Vorstellung des LIch geht (LDu wird ja auch nicht so angesprochen) und nicht um eine Volks/oder Stammeszugehörigkeit.

Meine liebste Zeile darin:
Ich stammle mit seltsam mutigen Augen



liebe Grüße
Flora

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leonie
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Beitragvon leonie » 11.08.2009, 10:42

Liebe Elsa,

danke!! Ich freue mich über Dein Lob und Deine Deutung (auch wenn meine anders ist...) :-) !

Liebe smile,

das ist ja klasse! Hm, ja, ob es genau so geschrieben werden muss, da bin ich noch nicht ganz sicher, aber ich freue mich natürlich, dass sich im Prozess bei Dir diese meinuhng herausgebildet hat. Vielen Dank auch Dir!

Und liebe Grüße an Euch zwei!

leonie

Max

Beitragvon Max » 11.08.2009, 22:10

Liebe Leonie,

(wie schreibt Nifl immer so schön: Keine Kommentare gelesen) ... der Text macht es mir seltsam schwer, lyr. Ich und Du zu verorten. Der Mensch mit dem Eskimoherz, der vielleicht auch kein Eskimo ist ... und in wie verhält er sich zum Lyr. Du?
Auf den ersten Blick bin ich versucht bei Eskimoherz an ein kalten Herz zu denken, dann aber lenkt mich
Rohfleischesser mit hellem Haar
und salzig blutendem Mund.


auf ein anderes Motiv: Das Eskimoherz ist das ursprüngliche, das Wilde, das das Lyr. Ich nie gewesen ist, denn

Von Harpunen verstehe ich nichts.


Diese Dikrepanz erschwert die Kommunikation, denn


Ich stammle mit seltsam mutigen Augen
Dreiwortsätze in die Luft.


während das lyr. Du in

röbbischen Worte.

spricht (toller Vergleich).

Am Ende aber finden lyr. Ich und Du eine gemeinsame Ebene, die näher am eskimo liegt .. die Umarmung ...

Ein Text voller neuer vergleiche! Sehr schön
Max

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Beitragvon leonie » 12.08.2009, 17:01

Liebe Max,

ich bin froh, dass Du das Wort "ursprünglich" benennst, denn das war ein inhaltlicher Auslöser für den Text, schön, dass das angekommen zu sein scheint.
Zur "Intention" schreibe ich später mal etwas, ich möchte da nochmal abwarten, ob noch jemand sich dazu äußert, wie er/sie es versteht. Möchte da nichts vorwegnehmen.

Auf jeden Fall freue ich mich sehr über Deine Rückmeldung!

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon leonie » 21.08.2009, 12:20

Hierzu wollte ich noch etwas schreiben, es wurde bisher nicht so angesprochen wie ich es dachte, und ich würde gerne wissen, ob es denn einleuchtend ist.

Also, das Herz des "Eskimos" ist durch viele Schichten gut geschützt, scheinbar kaum aufzufinden.
Die Unterhaltungen zwischen den beiden sind auf der sprachlichen Ebene unbeholfen, sie kommen ja nicht nur, was das betrifft, auch aus sehr unterschiedlichen Welten. (Ursprünglich, vs. eher wie man so sagt "zivilisiert")

Das lyrIch findet einen Weg zum Inneren, ohne es beabsichtigt zu haben. So ist das "Von Harpunen verstehe ich nichts" gedacht.
Die Harpune als Waffe, mit der normalerweise der "Eskimo"hantiert, die nun in sein Herz dringen könnte. Aber davon versteht eben das lyrIch nichts.

Es ging ihm nämlich gar nicht um Eroberung oder gar "Beute machen".

Und doch passiert etwas zwischen den beiden. Weil unbeabsichtigt und erstaunlicherweise etwas vom einen "Ich" beim anderen ankommt und zwar auf einer viel tieferen Ebene als gedacht. Das geschieht nun gerade nicht durch eine "Waffe", sondern indem lyrIch scheinbar mehr von sich selbst gezeigt hat als beabsichtigt und bemerkt.

So ungefähr. Ganz und besser erklären kann ich es nicht.

Leuchtet das ein, kommt das rüber?

Lebe Grüße

leonie

Trixie

Beitragvon Trixie » 21.08.2009, 13:30

Hallo leo,

das gefällt mir sehr gut, schön, dass du nochmal was dazu geschrieben hast, sonst wäre das vermutlich wieder mal an mir vorbei gerutscht!

Ich verstehe, was du meinst und es leuchtet ein, ja ;-).

Das Wort "seltsam" wurde hier genannt, einmal im Gedicht selbst, dann als Lieblingssatz und in einem Kommentar - ich finde, das trifft das Gefühl, das ich bei dem Gedicht habe sowie auch den Inhalt ein wenig. Zwei Welten, die aufeinander treffen, das Wissen darum, wie schwer es ist, die Welten zu vereinen und dennoch der Drang, dies zu tun. Eine Ebene wird gefunden, die Herzebene, auf der es gelingt und das muss, meiner Meinung nach, nicht mal Liebe sein, sondern kann auch tiefe Freundschaft sein - "Ich mag dich" hat auch drei Worte ;-). So möchte es für mich gerne lesen.

Liebe Grüßlein
Trixie

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leonie
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Beitragvon leonie » 23.08.2009, 10:29

Liebe Trixie,

Deine Gedanken zum Gedicht haben mir auch gefallen, sind wertvoll für mich. Ich verstehe jetzt besser, warum das "seltsam" für mich wichtig war.
Tiefe Freundschaft - für mich auch eine Art der Liebe übrigens.

Danke Dir und liebe Grüße

leonie

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 02.09.2009, 20:34

Für mich dein allerbester Text. Musste ich jetzt loswerden.

Grüße aus der Ferne. Psst!

T.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)


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