Fluch

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 23.07.2009, 09:54

 

Verglast ist Wahres! -
Lehnt er am Himmel, schreibt:
Du suchst nur klares
Sagen. Doch schau, es treibt
mich fort, die Nebelsenken suchen.
Sie ist es leid, über Luft zu fluchen.

 

DonKju

Beitragvon DonKju » 24.07.2009, 17:46

... knapp ist das formuliert, würde für mich auch in Rubrik "Kurzlyrik" passen, liebe Flora. Und bis zu der letzten Zeile hin war es auch ein reiner Lesegenuss, nur dann kam :

"...
Sie ist es leid, über Luft zu fluchen."

Das scheint mir um des Reimes willen allein so formuliert, sorry, aber das ist mein Leseeindruck. Von daher wage ich mal einen Gegenvorschlag :

"...
mich fort, in tiefe Nebelsenken.
Sie ist es leid, nur klar zu denken."

Mit lieben Grüßen dazu von Hannes

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 24.07.2009, 19:11

Hallo Hannes,

Ja, Kurzlyrik würde auch passen. Ich fand das aber angesichts der Form so nett, dass da „freies Weben“ steht. :-)

Über den Lesegenuss freue ich mich, über deinen Leseeindruck, dass das „fluchen“ dem Reim geschuldet ist, natürlich weniger. Auch wenn das natürlich an deinem Eindruck nichts ändert, kann ich dir versichern, dass es nicht so ist. Das „fluchen“ gehört da schon eindeutig hin und die letzte Zeile trifft ziemlich genau das, was ich sagen wollte.
Dein Gegenvorschlag geht inhaltlich in eine völlig andere Richtung, denn wie diese Nebelsenken aussehen und ob Er sie jemals finden wird, ist nicht gesagt. Und Sie ist es absolut nicht leid, klar zu denken! ;-)

Danke für deinen Vorschlag und die Gedanken zum Ödlein.

liebe Grüße
Flora

Ps: Was mich selbst stört (sowohl im guten, als auch im schlechten Sinn :confused:), ist das doppelte „suchen“. Das „suchst“ könnte ich ev. auch mit „willst“ oder „sehnst“ ersetzen... ?

DonKju

Beitragvon DonKju » 26.07.2009, 11:21

Hallo Flora,

natürlich akzeptiere ich Deine Aussage, schließlich bist Du die Autorin und stets besser im Bilde als ich, der Leser; Deine im Postskriptum aufgeworfene Idee würde ich auf jeden Fall umsetzen, wobei Du allerdings entscheiden musst, ob das "willst" = ein klarer Ausdruck einer festen Absicht oder das "sehnst" = das eher sanfte 'Sich wünschen' besser passt ...

Lieben Gruß dazu von Hannes

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 26.07.2009, 16:24

Hallo Flora!

Das suchst könntest du natürlich ersetzen (obwohl die Dopplung mich nicht stört) - Neben den von dir genannten Möglichkeiten ginge bestimmt auch brauchst (vielleicht in Verbindung mit stets) oder ähnliches?!

Zur letzten Zeile: Da würde ich eigentlich lieber den Anfang ändern als das Ende - ich deutete es schon an ;-) Leid ist sie's längst, ... würde mir spontan einfallen, auf jeden Fall sollte meinem Gefühl nach eine deutlich betontere erste Silbe dort stehen als Sie. Oder ist das am Ende nur wieder mein Bedürfnis, eine richtige Betonung festzuschreiben, und du siehst da von deiner Position des "jeder, wie er will" gar keine Probleme?! Könnte natürlich sein :-)

So eine Zäsur nach der vierten Silbe jedenfalls mache ich auch gern, habe ich festgestellt, bin mir aber gar nicht sicher, ob das dem Vers so gut tut, und überlege, mich da etwas mehr am Riemen zu reißen...

Wie das wohl bei dir klänge, ganz ohne Zäsur? Längst mag sie nicht mehr die Luft verfluchen? Oder mit der Zäsur "eine Silbe weiter"? Lang schon verdrießt sie's, der Luft zu fluchen ? Oder näher am Ursprungstext: Leid ist sie's lang schon, der Luft zu fluchen?

Na ja, von der Tauglichkeit all dieser Versuche mal abgesehen: Du merkst, diese letzte Zeile treibt mich um ;-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Max

Beitragvon Max » 26.07.2009, 21:20

Liebe Flora,

ich finde es sehr spannend, dass ferdi eine Theorie für mein Gefühl anbietet, dass sich an der letzten Zeile noch arbeiten ließe.
Was mich allerdings ärger stört ist, dass ich das dringende Gefühl habe, den Sinne des Textes nicht ganz zu erfassen, da mag ich mich noch so über die schönen Reime freuen ;-)

Liebe Grüße
Max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 27.07.2009, 10:06

Hallo Bilbo,

ja, du hast Recht, ich muss mich entscheiden. Ich denke das „willst“ träfe es eher. Ich muss aber noch ein wenig darüber nachdenken, mir scheint es auch wichtig, dass er sieht, dass auch sie auf der Suche ist... :rolleyes:

Hallo ferdi,

danke, dass du hier nochmal vorbeischaust und für deine Vorschläge. Mmmmh schwierig mit dem letzten Vers. Ich habe gerade dort versucht dein/das Betonungsmuster mit der inhaltlichen Aussage/meiner Intention zu verknüpfen und dieses Schema zu nutzen. Daher fällt es mir schwer, das „Sie“, auch wenn ich deinen Einwand verstehe, an eine andere Stelle zu setzen. So wie es jetzt steht, wirft es für mich die Frage auf, was denn mit ihm ist. Setze ich das Leid (bei dem auch immer das Leiden für mich mitanklingt, weshalb ich nicht darauf verzichten möchte) an die erste Stelle, geht das verloren.


Hallo Max,

ich finde es sehr spannend, dass ferdi eine Theorie für mein Gefühl anbietet, dass sich an der letzten Zeile noch arbeiten ließe.

Ändert meine Theorie daran etwas?

Was mich allerdings ärger stört ist, dass ich das dringende Gefühl habe, den Sinne des Textes nicht ganz zu erfassen, da mag ich mich noch so über die schönen Reime freuen ;-)

:banana_1: du freust dich über meine Reime. *g*
Zum Sinn des Textes. Ohne ihn zerfleddern zu wollen, es geht (für mich) in erster Linie um Wahres/Wahrheit (im Sagen/Schreiben/Sehen) und wie sie beschaffen ist, wie man sie sucht, was man von ihr und wo man sie erwartet und um ihre Kommunikation. Dabei habe ich versucht auf sprachliche Bilder zurückzugreifen. Ich kann mir Assoziationen zu „verglast“ vorstellen, die sich dann wieder im klaren Sagen/Sehen finden und auch zu den Nebelsenken, als das Eintauchen in Etwas... was verändert sich durch den Nebel, wie nimmt man darin wahr und warum könnte jemand auf der Suche danach sein, und warum muss er dafür fort gehen, sich entfernen? Die Luft in der letzten Zeile spielt sicher auch mit der Redewendung, „heiße Luft (reden)“, wobei sich das dann auch wieder auf den Nebel bezieht... vielleicht erschafft man sich auch seine Nebelsenken selbst? Dass Ferdi in der letzten Zeile auch ein „verfluchen“ einsetzen würde, gefällt mir, dieser Gedanke schwingt sicher auch als Pendant hierzu mit.
Wann hat das Sagen "Substanz", wann ist es Hieb-, und Stichfest, muss es das sein?
Wie reicht man an das Wahre heran, kann man es (an-/er-)fassen, ist es hinter Glas (eine Reliquie, ein Kunstwerk, ein Haus mit vielen Zimmern?) oder selbst aus Glas, warum führt „Klarheit“ in seinen Augen (ihn) nicht zu „Wahrheit“? Wobei sich die Dinge, wenn man genau hinschaut auch verkehren können, es geht auch um Täuschung.
Der Fluch der letzten Zeile, schließt den Bogen wieder zu ihrer ersten Zeile. Und dabei lehnt er so lässig am Himmel... und sie ist ein bisschen emotional... :pfeifen:
Schön hätte ich gefunden, wenn sich für den Leser auch Fragen auftun würden, aber vielleicht überschätze ich das kleine Gedichtchen einfach. :sad:

Und auch wenn das gegen das Gedicht spricht, dass ich erklären muss... ist es dir nun ein wenig klarer? :spin2:

liebe Grüße
Flora

Max

Beitragvon Max » 27.07.2009, 12:15

Zitat:
ich finde es sehr spannend, dass ferdi eine Theorie für mein Gefühl anbietet, dass sich an der letzten Zeile noch arbeiten ließe.

Ändert meine Theorie daran etwas?


Hm, wenn ich sie "sinnfrei" betrachte nicht, denn dann kommt mein unbehagen allein aus meinem Gefühl für Rhythmus, wenn ich ich den Inhalt mit einbeziehe schon.

Danke auf jeden Fall für Deine Interpretation, sie bringt mich auf jeden all ein ganzes Stück weiter. Vielleicht tun sich ja dann auch bei mir Fragen auf .. also, es waren ja welche da, aber eher der Natur: Was will mir die Autorin nur sagen ;-) ...

Liebe grüße
Max

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 28.07.2009, 16:58

Liebe Flora,

es ist gar nicht so einfach, den Klang einer Ode zu verinnerlichen und damit meine ich nicht dich, sondern mich selbst. Als ich diesen Text vor ein paar Tagen anklickte, habe ich nicht gemerkt, dass du "alkäisch" schreibst. :icon_redface2:

Vielleicht lags daran, dass du einen Sechszeiler daraus gemacht hast. Ich finde, du hast die Metrik super hinbekommen, es ist viel Spannung drin und Innehalten an den richtigen Stellen. Inhaltlich wurde hier ja schon einiges gesagt, ich habe erst auch nicht so recht verstanden, worum es geht. Was mich inhaltlich verwirrt, ist die Zuordnung der Pronomen:

"Lehnt er am Himmel, schreibt:
Du suchst nur klares Sagen. Doch schau, es treibt
mich fort, die Nebelsenken suchen"
> wenn er das schreibt, ist "Du" offenbar sein gegenüber (eine Sie?). "mich" ist wieder er, der Schreibende.
Doch wer ist dann "sie" in der letzten Zeile? Die mit "Du/dich" angesprochene? Und wieso ist sie es Leid, über Luft zu fluchen, wenn sie doch das Klare liebt?

Vielleicht habe ich mir das auch zu kompliziert gemacht.

Viele Grüße
fenestra (in der Nebelsenke)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.07.2009, 14:01

Hallo Max,

Vielleicht tun sich ja dann auch bei mir Fragen auf .. also, es waren ja welche da, aber eher der Natur: Was will mir die Autorin nur sagen ...

Nichts als die klare, reine, luftige, alkäische Wahrheit. :mrgreen:


Hallo Fenestra,

Als ich diesen Text vor ein paar Tagen anklickte, habe ich nicht gemerkt, dass du "alkäisch" schreibst. :icon_redface2:

*lach* ohne ferdi hätte ich nicht einmal gewusst, was "alkäisch" überhaupt ist, also bestimmt kein Grund zu erröten.
Ich finde, du hast die Metrik super hinbekommen,

Das freut mich sehr, weil das ziemlich ungewohnt für mich war. Es war aber eine sehr interessante Schreiberfahrung.
Was mich inhaltlich verwirrt, ist die Zuordnung der Pronomen:

"Lehnt er am Himmel, schreibt:
Du suchst nur klares Sagen. Doch schau, es treibt
mich fort, die Nebelsenken suchen"
> wenn er das schreibt, ist "Du" offenbar sein gegenüber (eine Sie?). "mich" ist wieder er, der Schreibende.
Doch wer ist dann "sie" in der letzten Zeile? Die mit "Du/dich" angesprochene?

Huch, auf die Idee, dass das unklar sein könnte, wäre ich gar nicht gekommen... Aber du hast es dann ja schon richtig entschlüsselt. Es ist eine "Szene" zwischen Zwei. Ich könnte den Titel ev. noch erweitern, damit das nicht so sehr verwirrt?

Fluch - eine diaLogische Szene

Und wieso ist sie es Leid, über Luft zu fluchen, wenn sie doch das Klare liebt?

Gute Frage! :-)

Vielleicht habe ich mir das auch zu kompliziert gemacht.

Oder ich. ;-)

liebe Grüße
Flora

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Beitragvon fenestra » 30.07.2009, 17:35

Ich könnte den Titel ev. noch erweitern, damit das nicht so sehr verwirrt?

Fluch - eine diaLogische Szene


Nein, das ist, glaube ich, nicht nötig. Dass es ein Dialog ist, wird schon klar. Bei mir entstand die Verwirrung dadurch, dass ich erst dachte, die wörtliche Rede des Menschen, der am Himmel lehnt, endet bei "Sagen" und dann spricht das lyr. Ich aus seiner Perspektive den Leser an. Wie gesagt, die Vielfalt der Pronomen verwirrte etwas, aber letztendlich kommt man dann ja doch dahinter. :)


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