Der Workaholic Rap

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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fenestra
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Beitragvon fenestra » 04.07.2009, 20:15

Der Workaholic Rap


Hey, ich bin ein Workaholic mit AD-Syndrom
und ich steh von nachts bis abends immer unter Strom

Vor dem Frühstück hab ich meistens schon den Rasen gemäht
und zwei Runden mit den Hunden durch das Viertel gedreht
auf’m Weg zur Arbeit bringe ich das Altglas zum Container
dabei treff ich dann schon meinen neuen Leichtathletik-Trainer
und der sagt mir was ich heute für nen Pensum schaffen muss
null Problemo, sag ich, nachher, nach dem Bau-Ausschuss

Hey, ich bin ein Workaholic – hyperaktiv
und sowie ich nichts zu tun hab, kommt mein Stimmungstief

In der Mittagspause schwinge ich den Rasenkantenschneider
nur wenns regnet ist das schwierig und es regnet häufig leider
doch dann nehme ich die Axt zur Hand und mache kleines Holz
aus dem Küchenschrank, zum Heizen für den Winter - was solls
später pflaster ich das Erdbeerbeet mit Waschbetonstein,
ich kann alles, nur ich könnte niemals untätig sein

Hey, ich bin ein Workaholic – bisschen zerstreut
doch das wird sich wieder geben, sagt mein Physiotherapeut

Sonntags morgens teil ich selbstgedruckte Strafzettel aus
denn das sieht doch jeder deutlich: Parkverbot vor diesem Haus
manchmal regle ich auch freiwillig den Straßenverkehr
ja, ich leiste, was ich leisten muss und noch ein bisschen mehr
ich verstehe nicht, wie mancher sich so hängen lassen kann
ich hab gern ein bisschen Ordnung, deshalb bleibe ich da dran

Hey, ich bin ein Workaholic – bisschen von der Rolle
doch ich krieg ne Therapie und zwar ne wirkungsvolle

Nachts bekomme ich Bandagen um die Handgelenke,
nur zum Schutz, damit ich mir beim Träumen nichts verrenke
das Korsett im Bett, das habe ich noch nicht verwunden
doch die Füße sind an beiden Pfosten fest gebunden
weil ich sonst auch noch im Mondenschein nen Marathon laufe
und vielleicht im Graben hinter diesem Haus ersaufe.

Hey, ich bin ein Workaholic mit AD-Syndrom
und jetzt kommt auch gleich der Pfleger – und setzt mich unter Strom.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 04.07.2009, 21:03

Hi fenestra,

wow, das ist ja cool! Ich hab das gerade im Rapp-Rhythmus laut gelesen. Echt gelungen und herrlich überzogen. :daumen:

Kannst du das bitte in der Hörbar lesen?
Trix kann dir genau erklären, wie das dort funktioniert.

Rappende Grüße ;-)
Mucki jetzt mit einem Wurm im Ohr, ha, ha

DonKju

Beitragvon DonKju » 05.07.2009, 11:42

... beim Lesen irgendwie noch nicht so richtig, da ist zu viel Musik drin, das muß man vertonen, unbedingt ...

und ein verspätetes "Willkommen im Salon" dazu von Hannes

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 05.07.2009, 18:18

Hallo, Mucki,

schön, dass du den Rhythmus erfasst hast, freut mich, dass es funktionniert!

Hallo, Hannes,

danke für die Begrüßung! Zuviel Musik, gibts das? Kommt Lyrik nicht von Lyra, zu der die Texte früher vorgetragen wurden? ;)

Aber da mich Thomas Milser auch schon nach Sprechproben gefragt hat, hab ichs nun aufgesprochen (und die Heckenrose auch gleich). Die Musi muss aber jemand anders dazu machen ...

Die Audiodateien sind unterwegs, also demnächst in der Hörbar. :-)

Viele Grüße
fenestra

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 07.07.2009, 20:20

Hier nun die

Hörversion (vorerst gelöscht).
Zuletzt geändert von fenestra am 25.09.2009, 14:03, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.07.2009, 20:45

Hi fenestra,

der Rap-Rhythmus stimmt nicht. Die Pausen dazwischen sind zudem zu lang. Am Schluss kommst du richtig in Fahrt, yeah. Man braucht einen langen Atem dafür. *lach*
Ich würde an deiner Stelle das anfängliche Klopfen die ganze Zeit laufen lassen (nimm es auf einer zweiten Tonspur auf und unterlege es dem Text). Ich hab eben mal im Net gesucht, ob ich irgendwo einen passenden reinen Instrumental-Rap-Rhythmus finde, leider vergeblich. Ist immer auch vocal dabei oder der Rhythmus passt nicht zu deinem Text.
Dieser Text muss m.E. unbedingt mit einem Rap-Rhythmus im Background vertont werden.

Saludos
Mucki
P.S. Cool, wie du "und setzt mich unter Strom" gelesen hast! :daumen:

Max

Beitragvon Max » 07.07.2009, 21:46

Hallo fenestra,

stimmt der Rap geht auf .. und derzeit ühle ich mich auch bei einigen Zeilen ertappt ...

Trotzdem gern gelesen ;-)

Liebe Grüße
Max

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 07.07.2009, 23:40

Hallo Fenestra,
toll gemacht! Ich kann den Text gar nicht lesen, ohne ihn im Hinterkopf zu "rappen" - er überträgt einen richtig flotten Rhythmus und ist zudem noch pointiert ausformuliert. Besonders gut gefallen mir die genretypischen "Binnenreime" wie "Runden mit den Hunden" oder "das Korsett im Bett". Lediglich ganz hinten:

"und vielleicht im Graben hinter diesem Haus ersaufe."

sehe ich eine Schwäche. Das "diese" scheint nur des Versmaß wegen hineingezwängt, ohne vom Sinn her recht zu passen - um welches Haus geht es denn? "hinter meinem" oder "hinterm Nachbarhaus" klängen in meinen Ohren besser. Außerdem nimmt das "vielleicht" dieser letzten Pointe von ihrer Schärfe - ginge nicht auch "dabei"? Differenzierungen und Selbstrelativierungen gehört ja nicht gerade zu den typischen Merkmalen von Rap-Texten.
An der Vertonung würde ich aber noch arbeiten - die klingt derzeit aufgrund der Pausen, Modulation und Intonation so, als könntest du dich zwischen einem klassischen Gedichtvortrag und einem Sprechgesang nicht recht entscheiden. (Naja, ich habe gut reden - ich habe ehrlich gesagt noch nie versucht, zu rappen.)
Liebe Grüße
Merlin

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.07.2009, 23:56

Hi fenestra,

du solltest die Hörversion, die du vier postings weiter oben eingestellt hast, in die Hörbar einsetzen. Hier geht sie sonst unter.

Saludos
Mucki

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 08.07.2009, 00:33

Hallo, Mucki,

genau so wie dir ists mir auch gegangen auf der Suche nach einem Instrumental-Rap im Netz - Fehlanzeige! Es wäre schon schön, die ganze Zeit einen Rhythmus zu unterlegen, aber soweit bin ich mit der Aufnahmetechnik noch nicht.

Mir war schon klar, dass ihr mich auffordern werdet, die Hörversion in die Hörbar zu stellen. Aber da der Text hier erst sehr kurz diskutiert wurde, wollte ich das gern noch beisammen lassen.

Hallo, Max,

ertappt, soso ... (bin ja selbst auch nicht immer ganz frei von solchen Arbeitsanfällen) ;)

Hallo, Merlin,

danke für deine ausführlichen Anmerkungen! Mit der Relativierung durch das vielleicht hast du recht, das passt nicht zur Satire. Ich könnte schreiben:

- und dann gleich im Graben hinter diesem Haus ersaufe -

diesem muss wohl stehenbleiben, denn es ist ja nicht 'sein' Haus (er befindet sich doch schon in der Anstalt ...). Mir ist diesem deshalb zuerst eingefallen, weil hinter DIESEM Haus (wo ich wohne) tatsächlich ein Graben ist. :)

klingt derzeit aufgrund der Pausen, Modulation und Intonation so, als könntest du dich zwischen einem klassischen Gedichtvortrag und einem Sprechgesang nicht recht entscheiden.


So ähnlich war es auch! Erst habe ich den ganzen Text Rap-artig und emotionslos durchbetont. Das fand ich dann nach nochmaligem Hören furchtbar leierich, es klang ohne Musik einfach nur seltsam. Daher habe ich nun den Mittelweg benutzt und ab und an kleine Pausen gemacht, damit der Zuhörer noch folgen kann. Ich hab 18 Versionen aufgenommen, bevor ich mich durchringen konnte, eine zu posten.... :rolleyes:

Danke fürs Mitrappen!
fenestra

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 08.07.2009, 08:41

Liebe fenestra,

was ich mich gleich gefragt habe (und eventuell mit starker Tendenz zu höchstwahrscheinlich entlarve ich mich mit dieser Frage als dumm): Ist es eigentlich Absicht, dass dieser Workaholic im erfolgs-geld-kapitalismus-Sinne gar nicht arbeitet, sondern eher an diese Nachbarn erinnernt, die in den beschriebenen Details aufgrund ihres Nichtszutunhabens ihre Aggressivität ausleben? Denn im klassischen Sinne versteht man unter einem Workaholic ja etwas anderes.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Andreas

Beitragvon Andreas » 08.07.2009, 09:17

Hallo fenestra,

ich habe selbst schon ein paar solcher Reimrappereien geschrieben und freue mich, dass ich gerade in diesem Forum so etwas lese.

Zum Text (ich kann leider die Hörversion nicht nutzen):

Ich denke, dass er noch zu strukturiert und zu lyrisch ist, was die Form und das Versmaß angeht. Wenn man etwas rappt, kann man sich wesentlich freier, etwas abseits von strengen, lyrischen Konventionen bewegen. Der Hörer / Leser, der noch nie einen Rap gelesen / gehört hat, wird das gewiß gut erachten, aber es ist einfach zu brav. Mach dich frei von dem Gedanken, dass du einen Refrain an festen Stellen einfügen, dass du dich mit Paarreimen bis zum Ende durchhangeln, dass du streng auf Silbenanzahl achten musst. Selbst die im Vorfeld schonmal angesprochenen Binnenreime schaffen da nur wenig Auflockerung. Die Zeilen sind alle sehr lang, was ansich nicht schlimm wäre, aber gerade für einen Rap braucht man auch paar kurzzeilige Einschübe, um auch den Atem dem Rhythmus anzupassen.

Gerade dein Text braucht mehr Tempo; es würde gut zu dem Workaholic passen, zeichnet er sich doch schliessig durch Rastlosigkeit aus. Für dieses Thema ist es mir also etwas zu behäbig.

Ich werde gleich mal einen kurzen Text von mir einstellen (wobei es gefährlich ist, sowas in einem Forum mit ausgesprochen guten Lyrikern zu tun).

Liebe Grüße
Andreas

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fenestra
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Beitragvon fenestra » 09.07.2009, 00:24

Hallo, Lisa,

Dein Einwand ist überhaupt nicht dumm, der Begriff Workoholic wird tatsächlich für Arbeitssüchtige benutzt, die nur noch an ihren Job denken, und das Phänomen tritt überwiegend in Führungspositionen oder bei Selbstständigen auf. Hier wird das Ganze allerdings ins Lächerliche gezogen und satirisch auf den Nachbarn übertragen, der den ganzen Tag rödelt, anstatt mal unter dem Apfelbaum zu liegen und zu relaxen. Immerhin ist nicht jeder, der hyperaktiv ist, in einer Führungsposition. Was also tun mit der überschüssigen Energie?

Und weil der Typ eher verkrampf ist, als cool, kann natürlich auch kein wirklich cooler Rap draus werden. Ich hatte gehofft, dass dieser Gegensatz die Komik noch unterstreicht.

Wenn man etwas rappt, kann man sich wesentlich freier, etwas abseits von strengen, lyrischen Konventionen bewegen.


Hi, Andreas, mir ist bewusst, dass meinem 'Rap' eine gewisse Coolness und die Jugendsprache abgeht (s.o., eben auch wegen des Themas). Aber durch die Langzeilen und die Metrik (dieses mechanische Herunterrattern, was der Rap oft an sich hat) habe ich schon versucht, mich rhythmisch an das Genre anzunähern. Deine Tipps, mich von Refrains, Paarreimen und vom Silbenzählen zu befreien, werde ich bei meinem nächsten Rap-Versuch beherzigen, danke für diesen Anstoß!

lg
fenestra


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