und wieder

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 11.06.2009, 13:38

...
Zuletzt geändert von scarlett am 27.10.2009, 20:38, insgesamt 4-mal geändert.

DonKju

Beitragvon DonKju » 11.06.2009, 14:42

... einmal ein schöner eindrücklicher Text, liebe scarlett; Einzig für die Schlusstrophe wage ich mal einen Vorschlag :

und wieder
leisten wir uns keine Gondel
und die Rückfahrkarte
gilt nur im Traum

Vielleicht weil mir cheri und Gondel aus zwei Sprach~ aber auch Erlebniskreisen stammen und es auf mich auch nach mehrmaligen lesen irgendwie arg verloren wirkte.

Mit lieben Grüßen von Hannes

scarlett

Beitragvon scarlett » 11.06.2009, 16:45

Lieber Hannes,

freut mich, wenn der Text gefällt!

Deine Überlegungen zu "chéri" haben was, ich nehms raus. Danke!

Schönen Sonntag noch und liebe Grüße,

scarlett

DonKju

Beitragvon DonKju » 11.06.2009, 17:06

... wenn es die Zustimmung der Autorin findet ...

mlG von Hannes (O.B.S.F.)

Max

Beitragvon Max » 11.06.2009, 22:51

Liebe Scarlett,

der Text gefällt mir. Er überzeugt mich durch die Zugänglichkeit und Konsistenz der Bilder.

Einzig

die Hand voll angestaubter Silben


scheint mir ein wenig im Raum zu stehen ... Für mein gefühl passt es besser hierher:

abends
wenn die Zeit ins Abseits fällt
steigen deine Worte
aus brüchigen Briefen
eine Hand voll angestaubter Silben

so liebst du dich unter meine Wimper


obwohl das vermutlich den Sinn in eine Richtung verschiebt, die Du nicht intendiert hast.

Gern gelesen.

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.06.2009, 00:26

Liebe Monika,

ein wehmütiges Gedicht, das sich durch die zeitlichen Verortungen und bildhaften Worte sehr angenehm dem Leser nähert.
Vor allem gefallen mir diese Passagen:
steigen deine Worte
aus brüchigen Briefen

wieder
leisten wir uns keine Gondel
und die Rückfahrkarte
gilt nur im Traum

Schön!

Saludos
Mucki

Herby

Beitragvon Herby » 12.06.2009, 01:31

Hallo Monika,

"und wieder" einmal ist dir einer jener Texte gelungen, wie ich sie so gerne von dir lese. Die wehmütige Poesie der Bilder finde ich wunderschön. An einem einzigen Wort stocke ich jedoch:

gleit ich dir entgegen


Auch wenn es vielleicht seltsam klingen mag, aber das fehlende -e bei "gleit" stört m.M. nach den Lesegenuss. Von dieser subjektiven Empfindung einmal abgesehen, kann ich keinen sprachlichen/stilistischen Grund entdecken, der die Auslassung rechtfertigen könnte. Meinst du, du kannst dich mit dem -e noch anfreunden? ;-)

Sehr sehr gerne gelesen.
Liebe Grüße
Herby

FawzZalum

Beitragvon FawzZalum » 12.06.2009, 09:14

Liebe Scarlett,

auf der einen Seite sprechen mich die Verse des Gedichtes in ihren wehmütigen Bildern an, auf der anderen Seite gefällt mir die Kombination manchmal nicht. Etwa an dieser Stelle:

so liebst du dich unter meine Wimper

Dieses Bild ist tatsächlich so schön, dass ich es fast zu schade finde, dass es hier auf so verlorenem Posten erscheint…in einem Einzelvers. Mir mag das nicht so recht in das Gedicht passen, nicht vom Inhalt her, sondern wegen der Verspieltheit der Worte „unter die Wimper lieben“. Ein zauberhaftes Detail, aber ich empfinde es hier irgendwie als deplatziert, denn an keiner anderen Stelle im Gedicht erscheint eine derartige Genauigkeit, ein derartiger Fokus. Für mich ist dieser Vers wohl schon Gedicht genug und hat mich beim Lesen irgendwie stocken und überlegen lassen, warum es hier jetzt so haargenau wird oder werden muss, ob „so liebst du dich in mein Auge“ (o.Ä.) nicht ausreichen würde. Aber das ist natürlich sehr subjektiv von mir…

Bei folgendem Vers:

die Hand voll angestaubter Silben

kann ich Max irgendwie zustimmen. Mir erschien er auch stark in Korrespondenz mit Vers 4 zu stehen, und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das gut finde oder nicht, dass an dieser Stelle quasi Wort/Briefe durch Silben wiederaufgegriffen wird. „Silben“ würde ja die oben angesprochene Genauigkeit (also parallel zu Wimper) liefern, aber dadurch, dass die Wortwahl eben doch sehr nahe an den „Worten aus brüchigen Briefen“ ist, verstehe ich nicht, warum diese Zeile hier so herausgehoben und einzeln erscheint.

Die ursprüngliche Version mit „chéri“ finde ich auch nicht so gelungen, da ich bei den Gondeln eher an Venedig, bei chéri jedoch an Frankreich denke. Wenn, dann müsste „Liebling/Schatz“ hier auf Italienisch erscheinen also tresoro oder so.

Oder wie wärs mit Habibi und du machst aus der Gondel einfach eine Dhow. Dann passt es auch… :mrgreen: kleiner Scherz.

Herzlichst

Zafar

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Beitragvon leonie » 12.06.2009, 09:21

Liebe Monika,

das habe ich wieder sehr gern gelesen, Deine Bilder sind oft so ungewöhnlich und schön!

die Zeit im Abseits, brüchige Briefe, angestaubte Silben, ganz toll!!!

Mit dem Wimpernsatz ging es mir wie Zafar. Ich verstehe, was Du meinst, denn es geht ja ums Lesen alter Briefe.
Trotzdem fällt er für mich irgendwie heraus.

Ich finde, Max Vorschlag hat etwas, für mich wird es so noch "runder" in der Geschichte, die es erzählt.
"Cheri" wurde schon angesprochen, ich finde es gut, dass Du es rausgenommen hast.

Liebe Grüße

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 12.06.2009, 09:25

Hallo, nur ganz kurz, da ich gleich weg muss ...

Es geht nicht ums Lesen alter Briefe, leonie und Zafar, es geht um die Bilder, die - ausgelöst von erinnerten Briefworten - aufsteigen, nachts ... und da sind ja die Augen geschlossen.

Später mehr ...

scarlett,
mit LG

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 12.06.2009, 10:36

Hallo scarlett,

ich habe hier etwas Schwierigkeiten das Wohin und Woher des Gedichtes zu erkennen. Ein bisschen, als würde man mitten in einer Geschichte lesen und deshalb die Bezüge nicht verstehen. Das geht mir vor allem bei der letzten Strophe so.

Ein paar Kleinigkeiten:
„Abseits“ verknüpfe ich in erster Linie mit Fußball, was hier dann irgendwie seltsam wirkt, ich weiß nicht genau, was es mir hier sagen soll.

so liebst du dich unter meine Wimper Warum nur eine Wimper? (Meine persönliche klangliche Abneigung gegen das Wort „Wimper“ lasse ich mal außen vor. .-) )

Dann kommen die stummen Gewässer aus Jahren und Tagen... ich dachte die Zeit ist ins Abseits gefallen? Das passt für mich nicht. Auch das Wasser und danach die angestaubten Silben fügen sich für mich bildlich nicht zusammen. (Dem „gleit“ würde ich klanglich auch ein „e“ schenken.) Und ich frage mich, warum die Worte nun in ihre Silben zerlegt werden, und warum hier ein fast abfälliger, vorwurfsvoller Ton auftaucht? Dadurch lese ich auch in diesem „unter die Wimper lieben“ rückbetrachtend fast etwas heimtückisches, absichtsvolles.

Bei der letzten Strophe hänge ich völlig. Plötzlich taucht das Bild von Venedig auf, die Gondel. Worauf bezieht sich das „wieder“? Sind sie geizig, weil sie sich keine Gondel leisten? Steigen sie dafür in ein anderes, unschöneres Boot, das sie selbst steuern und bewegen müssen? Wie kann ich dieses "wir" verstehen? In welche Richtung soll die Gondel fahren, in die Zukunft, in eine gemeinsame Zeit, oder bezieht sich die Rückfahrkarte auf die Gondel? Was verknüpft LIch mit einer Gondelfahrt? Und warum möchte LIch zurückreisen, wenn sie doch selbst im Traum (ein)sieht, oder versteht, dass sich an der erlebten Situation wohl nichts ändern würde? Irgendwie verstehe ich da die Funktion des Traumes nicht, und damit vermutlich auch die ganze Bewegung des Gedichtes (Sehnsucht oder Vorwurf?) nicht.

Ich bleibe also sowohl was die emotionale inhaltliche, als auch die bildliche Ebene betrifft, etwas ratlos zurück. Du musst das natürlich nicht erklären, und meine Fragen an das Gedicht beantworten. Ist nur als Rückmeldung gedacht, um dir zu zeigen, was bei mir ankam.

liebe Grüße
Flora

Sam

Beitragvon Sam » 12.06.2009, 15:15

Hallo scarlett,

vielleicht liegt es daran, dass ich mich in letzer Zeit intensiv mit deinen gedichten auseinandergesetzt habe (im Publicus), aber mir erschließt sich das Gedicht und ich sehe ein klares Bild vor mir.

Es ist Abends, die Zeit fällt ins Abseits. Das heißt, der alltägliche Trott tritt beiseite, das was man so untertags zu erledigen hast, ist getan. (Nein Flora, beim Fußball steht man im Abseits oder läuft hinein. Denkst du beim Wort "Pfosten" in einem Gedicht auch gleich an Fußball? ;-) )

Das LyrI immt Briefe zu Hand, alte Briefe oder Briefe die Dinge enthalten die brüchig geworden sind, die nicht mehr das sind, was sie einst waren. Aber sie erzeugen Wirkung.
Der Satz...
so liebst du dich unter meine Wimper


...ist nicht nur sehr poetisch, sondern auch ausdrucksstark und vielsagend. Der Leser weiß sofort, welcher Art diese Briefe sind. Von einem Menschen, den das LyrI einst geliebt hat (oder immer noch liebt), der aber zu einer echten Zweierbeziehung niemals fähig war und am Ende nur sich selbst geliebt hat. Dass es nur eine Wimper ist, deute ich als Hinweis auf die ambivalenten Gefühle des LyrIs.

Eine Zeitreise beginnt, über die stummen Wasser einer langen Zeit (eben der Zeit, in denen man nicht mehr miteinander geredet hat - die Zeit der Trennung), bis an den Punkt, an dem man noch zusammen war. In der Hand hält der/die ErzählerIn die angestaubten Silben. Man könnte versucht sein, dies als eine redundante Wiederholung zu lesen. eine andere Möglichkeit wäre, sie als einen Teil der Erinnerung zu sehen, die das LyrI überkommt, Fetzen von Gesagtem, angestaubt, weil schon lange nicht mehr gültig - brüchig, wie die Briefe, die die angesprochene Person einst geschrieben hat.

wieder leisten wir uns keine Gondel

Man denkt an Venedig. Aber die Gondelfahrt an sich ist ein Symbol für Romantik, für verliebtes Schunkeln durch Kanäle. Aber soetwas hat in dieser Beziehung scheinbar nie stattgefunden. Sie war eher ein Schauplatz für Zweikämpfe, denn für romantische Zweisammkeit.
Die Zeitreise bringt für das LYrI also keine neue Erkenntnis. Seine Erinnerungen sind stets die selben. Keine Verklärung findet statt. Also auch keine Rückfahrkarte, d.h. die Möglichkeit eines wiederbelebens der alten Beziehung. Die gibt es nur im Traum.

Durch seinen Titel: "und wieder" und dem Inhalt des Gedichtes wird, neben der Wehmut, die in den Zeilen klingt, auch der Unterschied deutlich zwischen dem bewussten Erinnern, augelöst durch in diesem Fall alte Briefe, und dem, was sich im Traum abspielt.

Wunsch und Wirklichkeit, Sehnen und Erinnern prallen aufeinander - und wieder...finden sie nicht zusammen.

So jedenfalls verstehe ich das Gedicht, das ich sehr gerne gelesen habe.


Liebe Grüße

Sam

scarlett

Beitragvon scarlett » 12.06.2009, 18:59

Lieber Sam,

Danke!

Deinen Worten kann ich nichts weiter hinzufügen!

Lieber Herby und lieber Max, liebe Mucki, Zafar, leonie und Flora,

euch natürlich auch ein Dankeschön dafür, dass ihr euch mit diesem Text beschäftigt habt.

Über das "gleit" vs. "gleitE" denke ich noch nach.


LG,

scarlett

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.06.2009, 08:38

Hallo Sam,

Der Leser weiß sofort, welcher Art diese Briefe sind. Von einem Menschen, den das LyrI einst geliebt hat (oder immer noch liebt), der aber zu einer echten Zweierbeziehung niemals fähig war und am Ende nur sich selbst geliebt hat.
Das finde ich erstaunlich, dass du damit wirklich scarletts Intention, oder Gedanken so genau getroffen hast, zeigt es doch ein sehr negatives Bild des LDu. Natürlich bin ich auch verblüfft, mit welcher Sicherheit du von deinem Lesen auf das Anderer schließt. ;-) Ich Unleser konnte mir das leider nicht aus diesem Text herausfiltern, aber vielleicht ist das wirklich in Verbindung mit dieser Aussage zu verstehen. vielleicht liegt es daran, dass ich mich in letzer Zeit intensiv mit deinen gedichten auseinandergesetzt habe
Aber die Gondelfahrt an sich ist ein Symbol für Romantik, für verliebtes Schunkeln durch Kanäle.

Ich kann die Gondel so nicht mehr lesen, weil das für mich so Touristenklischeekitschig ist, dass mir darüber die Ernsthaftigkeit des Bildes verloren geht. Ich würde mir für dieses Wort, wenn es eingesetzt wird, etwas persönliches, wirklich erfahrbares, über dieses Klischee hinausgehendes erwarten.
Aber soetwas hat in dieser Beziehung scheinbar nie stattgefunden. Sie war eher ein Schauplatz für Zweikämpfe, denn für romantische Zweisammkeit.

Auch hier staune ich, weil ich das nicht im Text finden kann.
Keine Verklärung findet statt. Also auch keine Rückfahrkarte, d.h. die Möglichkeit eines wiederbelebens der alten Beziehung. Die gibt es nur im Traum.
Durch seinen Titel: "und wieder" und dem Inhalt des Gedichtes wird, neben der Wehmut, die in den Zeilen klingt, auch der Unterschied deutlich zwischen dem bewussten Erinnern, augelöst durch in diesem Fall alte Briefe, und dem, was sich im Traum abspielt.


Was spielt sich denn im Traum ab? Steht das irgendwo, oder ist das etwas, das automatisch positiv besetzt ist? Ich sehe da die Diskrepanz gar nicht im Gedicht.
Wunsch und Wirklichkeit, Sehnen und Erinnern prallen aufeinander - und wieder...finden sie nicht zusammen.

Ich möchte dann aber auch von diesem Wunsch und dem Sehnen lesen können, denn ich kann sie aus einer Beziehung, die mir in der Wirklichkeit und im Erinnern eher durch ein Negativbild aufzeigt wird, nicht voraussetzen.

Ich habe deine Interpretation gerne gelesen und es freut mich für scarlett, dass du dich so intensiv mit ihren Gedichten auseinandergesetzt hast, dass sich daraus ein „Verständnis“ entwickelt hat. Das ist natürlich eine Bereicherung für jeden Text, wenn er in diesen größeren Kontext gestellt werden kann und damit sich auch die Fragen über das „Woher und Wohin“, die sich mir stellten, durch andere Texte oder ein Wissen über die Autorin, selbst beantworten. Aber ich frage mich, ob das nicht für die Betrachtung des einzelnen Gedichtes auch in gewissem Sinne schade ist, weil man es nicht mehr als Eigenständiges betrachtet, auch nicht mehr hinterfragt, was es denn selbst eigentlich sagt, erzählt, es aber unter Umständen ohne diesen Kontext eben nicht mehr „verständlich“ ist.

Liebe Grüße
Flora


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