vier augenblicke tief

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.04.2009, 17:16


vier augenblicke tief

bist turm und abgrund
trinke deine dunklen wasser
im staubigen brunnen
kenne den unterschied nicht
du weißt es teufelstiefe

lebst und zerläufst
zeitlos in meinem fluss
anfang und ende
ende und anfang
bestimmst du allein

schleichst im kreis
winde dich fort
dein sog erwidert
du bist da immer da
nährst dich an meiner sucht

spielst mit mir
das gemeine lebenlassen
willst nehmen und geben
mich noch einmal sehen lassen
vier augenblicke tief


(c) Gabriella Marten Cortes 2009

jondoy
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Beitragvon jondoy » 26.04.2009, 23:43

achtung, worte ganz ungefiltert, spontan, unreflektiert.

Der erste absatz ist ganz stark! erkenn die Autorin kaum wieder.
radikal.

passt gar nicht zum titel.


Der zweite ist. inkonsequent.

Den dritten. versteh ich nicht.

Der letzte. passt gut zum ersten.
es deutet die gefährlichkeit an.

In aller Freundschaft,
Stefan

p.s. Einwendungen meinerseits zu meinem Kommentar streich ich jetzt.
Zuletzt geändert von jondoy am 27.04.2009, 00:03, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.04.2009, 23:55

Hallo Stefan,

vielleicht muss man diesen Text mehrfach lesen. Vielleicht ist er zu kryptisch. Vielleicht ist er zu einfach und wird deshalb kryptisch, weil man etwas sucht, das gar nicht da ist. Gefährlichkeit, ja, die ist da, in allen Zeilen.
Warum willst du Einwendungen zu deinem Kommentar streichen?

Saludos
Mucki

jondoy
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Beitragvon jondoy » 27.04.2009, 01:03

Hallo Mucki,

vielleicht muss man diesen Text mehrfach lesen. Vielleicht ist er zu kryptisch. Vielleicht ist er zu einfach und wird deshalb kryptisch, weil man etwas sucht, das gar nicht da ist. Ja. Das ist eigentlich ein in sich geschlossenes System. Bleiben unerwähnt noch die Ebenen. zweistrofig, dreistrofig, und die unsichtbaren noten zwischen den zeilen.

Jetzt fang ich schon an zu philosophieren über deinen Satz.

Warum ich Einwendungen zu meinen Kommentar streichen will.
Ganz einfach, weil es mir oft schwer fällt, das (auf) zu schreiben, was ich denke.

Hab mich heute mit meinem Vater über Diplomatie unterhalten. Wir waren uns nicht einig. Ist reden gold oder schweigen silber. oder schweigen gold und reden silber. Und was solcher `Reichtum`manchmal alles kaputtmacht.

Die erste Aussage des lyrischen Ichs: "bist turm und abgrund."

Im literarischen Sinne steckt in dieser lyrische Ausdrucksweise für mich zweifellos ein `Grundton`von Obsession. Glasklar.

Und dieses Thema wurde hier in diesem Forum noch nie gut `dargestellt`, beschrieben, find ich. Oder überhaupt. Vielleicht mal von Louisa abgesehen. Meinem Sprach- bzw. Hörempfinden nach.

Aber das ist meine individuelle Betrachtungsweise, ich finde, wenn ein Forum frei atmen will, braucht es das. Respekt. Gleiche Augenhöhe. Ja und das. Die Gefahr.

Mit kryptischer Sprache vermag ich nur schwer was anzufangen, vielleicht liegt es in der Natur dieser Sache oder fehlt es mir an Empathie.
Gleichzeitig ist sie lebensnotwendig. Man weiss über die inneren Verletzungen. Darüber wurde schon viel geschrieben. Und noch mehr geschwiegen.

Gruß,
Stefan

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 27.04.2009, 10:10

Liebe Mucki,

Abgesehen vom mir sehr verschlossenen Titel, mit dem ich aber unwillkürlich an "vier Klafter" tief wie begraben assoziiere, finde ich das ziemlich stark, brutal fast in einer Art Selbstquälerei eines ohnmächtigen LIs. Ein LI, dass am Verdursten ist, Staub trinkt, obwohl es das nicht einmal mehr von klarem Wasser unterscheiden kann, weil es offenbar das Trockentrinken schon so gewöhnt ist. Dass der Durst dadurch natürlich nicht gelöscht werden kann, ist mir klar. Ein teuflischer Zustand des Darbens.

Die Sache mit der Sucht bleibt mir verborgen, hm.
Aber in der letzte Strophe verstehe ich es so, als ob der Teufel, in dem Fall wohl die Trockenheit, das Wasser im Brunnen dem LI zeigt, wie dem Windhund beim Rennen, dem ein Fuchsschwanz an einer Stange gezeigt wird, den er nie erreichen kann.

Mir gefällt dein Gedicht gut!

Lieben Gruß
ELsie
Schreiben ist atmen

Trixie

Beitragvon Trixie » 27.04.2009, 11:06

Hi Mucki,
ich finde, das ist ein starker Text. Weil du es schaffst, die Aussage und Interpretation so zu halten, dass man es auf allgemeine Situationen, auf sich selbst und auf dich ganz persönlich beziehen kann. Ich meine zu wissen, in welcher Bedeutung es dabei um dich geht, metaphorisch gesehen. Aber man kann es auch durchaus auf sich selbst beziehen, noch metaphorischer gesehen. Deshalb finde ich den Text genial.

Ich versuch es mal ganz allgemein zu sagen:
Es geht um eine allgegenwärtige Gefahr oder Angst im Leben, die einen stets begleitet (Turm und Abgrund). Manchmal vergisst oder verdrängt man diese Angst und Gefahr und dann riskiert man etwas und am Ende holt sie einen wieder ein. Das kann eine reale Gefahr sein oder eine irrationale Angst oder Gefahr. Das könnte eine tägliche Sucht sein, Spielsucht, Trunksucht, etc. oder etwas emotionales, wie "ich kehre immer wieder zu dem Mann zurück, der mich schlägt" oder sowas. Ich lese von einer winzigen Hoffnung im Titel und in der letzten Zeile, das ist für mich ein "fünf vor zwölf", also noch nicht ganz vorbei, aber kurz davor. Die Hoffnung ist ja dann am Ende doch das, was uns das Risiko eingehen lässt. Hier ist es aber krasser, denn man kann überhaupt nichts kontrollieren, man kann gar nicht anders, als zu tun, was einen am Ende doch selbst boykottiert und die Präsenz der Gefahr/Angst wieder auf den Plan ruft, ob nun der Boykott von einem selbst ausgeht, weil man sich keinen Erfolg zugesteht, selbstzerstörerisch ist, oder von einer echten Gefahr.
Ein Text über Verzweiflung, Ungnade und einer gewissen Unmöglichkeit in Richtung Sisyphus.

So, das hast du natürlich alles viel besser und schöner ausgedrückt, aber einen Versuch war es wert, hihi. Ein Text, der mich beschäftigt und mir im Gedächtnis bleibt.

Liebe Grüße
Trix

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.04.2009, 11:49

Hi Stefan,

um eine "Art von Obsession" geht es hier im gewissen Sinne, ja. Das System ist beim LI ein Geschlossenes und es ist hier aufgegliedert in vier "Augenblicke", deshalb auch vier Strophen. Doch dieses System, wenn man es so nennen will, wird nicht vom LI selbst definiert, sondern vom Du. LI selbst kann nicht handeln, sondern es bleiben ihm nur noch diese vier Blicke, es schaut quasi zu.
Warum ich Einwendungen zu meinen Kommentar streichen will.
Ganz einfach, weil es mir oft schwer fällt, das (auf) zu schreiben, was ich denke.

Hab mich heute mit meinem Vater über Diplomatie unterhalten. Wir waren uns nicht einig. Ist reden gold oder schweigen silber. oder schweigen gold und reden silber. Und was solcher `Reichtum`manchmal alles kaputtmacht.

Das ist oft ein Drahtseilakt, da stimme ich dir zu.
Danke, dass du dich dennoch noch einmal auf den Text eingelassen hast.

Saludos
Mucki

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.04.2009, 12:09

Liebe Elsie,

nun, du kennst meine persönliche Situation bez. Wasser. Deshalb kann man diesen Text auch auf diese Quälerei beziehen, das stimmt. Es geht hier zwar nicht konkret darum, aber es geht, wie du schreibst, um die Ohnmacht des LI, um einen teuflischen Zustand des Darbens, jep.
Die vier Augenblicke meine ich hier wörtlich. Dem LI wird gestattet, noch ein letztes Mal viermal hinzusehen, seine Situation quasi vor Augen zu führen, die der Teufelstiefe, die die aussichtslose Situation des LI aufzeigen, aus der es sich nicht befreien kann.
Danke dir für dein Lob!

Hi Trix,

ich freu mich, dass dich der Text anspricht!
Weil du es schaffst, die Aussage und Interpretation so zu halten, dass man es auf allgemeine Situationen, auf sich selbst und auf dich ganz persönlich beziehen kann.

Ja, das ist in der Tat so.
und in der letzten Zeile, das ist für mich ein "fünf vor zwölf", also noch nicht ganz vorbei, aber kurz davor.

kurz davor, genau.
Hier ist es aber krasser, denn man kann überhaupt nichts kontrollieren, man kann gar nicht anders, als zu tun, was einen am Ende doch selbst boykottiert und die Präsenz der Gefahr/Angst wieder auf den Plan ruft, ob nun der Boykott von einem selbst ausgeht, weil man sich keinen Erfolg zugesteht, selbstzerstörerisch ist, oder von einer echten Gefahr.
Ein Text über Verzweiflung, Ungnade und einer gewissen Unmöglichkeit in Richtung Sisyphus.

Hier hast du meine Intention genau erfasst. LI kann nichts kontrollieren. Es wird ein teuflisches Spiel mit dem LI gespielt, wobei das LI nur noch Marionette ist.
Danke dir für die Auseinandersetzung mit dem Text!

Saludos
Mucki

jondoy
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Beitragvon jondoy » 27.04.2009, 13:29

Hi Mucki,

der Text gehört in meinen Augen nicht "bewertet", es ist ein starker Text!

Eines noch. Es ist mir nicht schwer gefallen, mich auf den Text einzulassen. Der hat mich angesprungen. Ich hätte es nicht geschafft, in der letzten Reihe ruhig sitzen zu bleiben *g* .

Gruß,
Stefan

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.04.2009, 13:38

Hi Stefan,

indem du schreibst "es ist ein starker Text!", bewertest du doch. *g*
Ich finde das nicht nur vollkommen ok, im Gegenteil, als Autor möchte man ja wissen, ob ein Text gut oder schlecht bei den Lesern ankommt.
Dass der Text in dir eine Unruhe erzeugt, gefällt mir. *teuflisch grins*

Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 27.04.2009, 20:13

Liebe Mucki,

nun, du kennst meine persönliche Situation bez. Wasser. Deshalb kann man diesen Text auch auf diese Quälerei beziehen, das stimmt.
Naja, ich lese eben von einem Brunnen, damit verbinde ich Wasser, was nun nichts mit deiner Situation ... aber Wasser ist in jedem falle lebensspendend, wird es versagt, kann es nur zur Qual führen.

Und danke für die Titelerläuterung, nun könnte es auch dreimal oder öfter sein, oder? Die "viermal" dachte ich, haben von der Zahl her eine besondere Bedeutung?


Lieben Gruß
ELsie
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.04.2009, 20:43

Liebe Elsie,
Und danke für die Titelerläuterung, nun könnte es auch dreimal oder öfter sein, oder? Die "viermal" dachte ich, haben von der Zahl her eine besondere Bedeutung?

nein, die Zahl hat keine Bedeutung. Es hätte genauso gut eine Acht oder eine Drei da stehen können. Stünde da eine Zwölf, wäre es ein sehr langer Text geworden. ,-)

Saludos
Mucki


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