in großmutters gärten

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 23.02.2009, 08:20

zu weilen noch
im blätterhaus

erinnerungsrahmen
für wechselnde bilder

im halblicht des mondes
und der lupinen fällt
mein name durchs offene fenster
singt mich die stimme
herzweit

pappelwind rau
aus den wäldern der ruf
einer eule
und hinter den gärten
die sehnsucht auf schienen

als ich ging
krümmte sich der rosenstock

unter großmutters augen
erdwärts

© Monika Kafka, 2009
Zuletzt geändert von scarlett am 01.12.2009, 11:56, insgesamt 2-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 25.02.2009, 15:39

Liebe Monika,

das halte ich für einen sehr guten Text. Schön finde ich, fass man in derersten Zeile, dass "zu weilen" eben auch (insbesondere, wenn man es laut liest) als "zuweilen" verstehen kann.
Unter dem Erinnerungsrahmen kann ich mir etws vorstellen, das ist eine gelungtene Metapher. Ich bin mir nicht sicher, ob das gewollt ist, aber ich habe den Eindruck, dass sich diese Metapher in den nächsten Zeilen selbst realisiert.
Die Szene, die Du anschließend beschreibst, ist mit so vielen Signalwörtern beladen, mit "Lupinen" und "Mond", "Pappeln", "Wind" und "Namen", mit "Eulenruf" aus "Wäldern", dass sie mir wie ein Bild vorkommt, wie wenn man bei Photoshop bei einem Foto auf die "Aquarell"-Option tippt .. es ist schon noch igendwie das Original, aber deutlich als Bild ...
Falls das hier intendiert ist, finde ich das sehr gelungen.

Liebe Grüße
Max

DonKju

Beitragvon DonKju » 25.02.2009, 17:27

Hallo scarlett,

schön mal wieder etwas von Dir hier zu lesen; Ein Text, der einen mitnimmt, aus dem auch eine gewisse Müdigkeit spricht - da ist es Zeit für ein paar schöne Bilder, für etwas Seelenbalsam.

Sehr gern gelesen mlG Hannes

scarlett

Beitragvon scarlett » 26.02.2009, 20:12

Lieber Max,

ja, das mit dem "zu weilen" resp. "zuweilen" ist schon so eine Sache und beabsichtigt - ich habe lange über die Schreibweise nachgedacht, hatte es mal so, mal so ... weil ich eben beide Lesarten haben wollte. Freut mich umso mehr, dass es vor allem beim Lautlesen, klar wird ... *g*
Dass dir alles andere gefällt, freut mich natürlich auch, wobei ich ehrlich zugeben muss, dass ich mir gar nicht sicher war, ob deine Worte tatsächlich so positiv gemeint sind ... aber ich habe beschlossen, sie als solche zu lesen.
Es ist alles genauso intendiert, wie du schreibst ...
Hab Dank für deine Wortmeldung!

Hallo Hannes,

ja, der Stress, der psychische hat etwas nachgelassen, so dass ich wieder zur Muse gefunden habe (oder sie zu mir).
Die Müdigkeit, die du ansprichst, woraus liest du die denn eigentlich genau? Es überrascht mich etwas, weil ich nicht dachte, dass das offensichtlich wäre ...

Hab Dank für deine Rückmeldung!

Liebe Grüße euch beiden,
scarlett

Max

Beitragvon Max » 26.02.2009, 20:23

Liebe Scarlett,

oh, es steht ja da, wenn es so gedacht war, ist auch meine Rückmeldung wirklich positiv gemeint.

Schön es gelesen zu haben, nochmals
max

DonKju

Beitragvon DonKju » 27.02.2009, 15:41

... Text hatte ich die "Müdigkeit" geradezu erfühlt, ohne es an einzelnen Worten festmachen zu wollen; Am stärksten aber nach mehrmaligen Lesen steckt es für mich denn in "... krümmte sich der rosenstock ... erdwärts"

Schön ist der Muse Kuß und Gruß von Hannes an scarlett

Lydie

Beitragvon Lydie » 18.03.2009, 14:04

Hallo Scarlett,

Dein Gedicht gefällt mir sehr, wie schon "Beim Kloster Stanisoara". Es lädt zum Ver-Weilen ein und weckt in mir so eine "Grossmutterbaumbilderwelt", zwischen Familienalben und Gärten, und ich mag es, dass das Blätterhaus sowohl in der Natur als auch in Schrift oder Bild angesiedelt sein kann. So eine Mischung aus Vergänglichem, sich immer wieder im Gang der Jahreszeiten Erneuernden und dann Einzigartigem, wie ein Mensch es für sich aufschreibt, erinnert, festhält, Momentaufnahmen. Gang der Jahreszeiten, Gang der Generationen. Im ganzen Gedicht empfinde ich eine Spannung zwischen Beheimatung, Nostalgie nach solcher Beheimatung, und dem Ruf dort hinaus (der Name, der aus dem Fenster fällt, die Schienen, der Ruf der Eule und dann eben dieses "als ich ging" als Gegenstück zum "zu weilen noch"). "Singt mich die Stimme herzweit": hat das einen konkreten Bezug zu einer Erinnerung oder Situation? "Krümmte sich der Rosenstock erdwärts": da klingt so vieles an. Die Krümmung des Rückens, des Alters, etwas, das mit Belastung zusammengeht. So als würde dem alten Rosenstock mit dem Weggang der Jungen Saft und Kraft genommen. Und dann wieder so ein Naturgesetz: die Krümmung erdwärts. Ja, und mit Grossmutters Augen sind wir wieder bei den Bildern. Für mich alles sehr stimmig.

Ich habe heute ein Gedicht von Rebecca Lutter gelesen: "Mein Platz", und eine schöne Gedichtbesprechung dazu von einem Hans Joachim Schrimpf. Falls es Dich interessiert, kann ich es Dir schicken. Da ist etwas Ähnliches, wenn auch anders. Ja, und ich emfinde Dich schon so Dichterinnen wie Rose Ausländer oder Hilde Domin nah. Ist das stimmig für Dich?

Lieber Gruss und vielen Dank auch,

Lydie

scarlett

Beitragvon scarlett » 18.03.2009, 14:38

Liebe Lydie,

ja du meine Güte ... was ist das für eine traumhafte Interpretation! Sag mal, wir kennen uns aber nicht zufällig? :smile:
Jedes deiner Worte kann ich nur unterschreiben, ja, du hast so ziemlich alles herausgelesen und zueinander in Beziehung gesetzt, was ich intendiert hatte. Wahnsinn!

Zu der Stelle "Singt mich die Stimme - herzweit": einerseits öffnet die Stimme das Herz des LIs, macht es weit, vor Freude, weil es Großmutters Stimme ist, die für das Vertraute, Geliebte usw. steht, andererseits hat das für mich hier auch etwas mit Empfänglichkeit zu tun, mit Sensibilität und Aufgeschlossensein auch Neuem, Unbekanntem gegenüber (hier die Verbindung zum Fortgehen schon angelegt). D. h. die Stimme "klammert" nicht ... sie hält nicht zurück, sie ermöglicht letztendlich auch das Gehen ...

Ja, das Gedicht von Rebecca Lutter interessiert mich samt Besprechung, bitte schick es mir, wenn das keine Umstände macht.

Und abermals ja, ich fühle mich gerade Rose Ausländer sehr verbunden (wie auch Celan und Eva Strittmatter), auch wenn ich wohl niemals auch nur ein Gedicht werde schreiben können, das es wert wäre, von ihr gelesen zu werden ... wenn sie denn noch lebte.

Ich danke dir!

LG,

scarlett

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Beitragvon leonie » 18.03.2009, 14:58

Liebe scarlett,

gerade stelle ich fest, dass ich zu diesem Text noch gar nichts geschrieben habe.
Ich mag ihn sehr, es entsteht der von mir ja schon öfter zitierte Film vor den Augen. Diesmal nicht nur als Szene, sondern viel weiter gefasst, man kann sich fast einen abendfüllenden Film dabei denken
und vorstellen. Schön sind die mehrfachen Bezüge, zum Beispiel der gekrümmte Rosenstock, bei dem man zugleich die Großmutter sieht.
Einziger, ich weiß sehr subjektiver Kritikpunkt: Das "herzweit". Aber ich weiß, das ist Geschmackssache.

Sehr gern gelesen!

Liebe Grüße

leonie

Sam

Beitragvon Sam » 18.03.2009, 17:36

Hallo Scarlett,

oh, das ist gut, dass das Gedicht nochmal hochkommt, denn eigentlich wollte ich dazu auch noch kurz anmerken, dass mir der Schluss ausnehmend gut gefällt. Der sich unter den Augen der Großmutter erdwärts krümmende Rosenstock ist ein Bild, das sich mir sehr eingeprägt hat und das ich so schnell nicht wieder vergessen werde.

Liebe Grüße

Sam

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.03.2009, 08:15

Liebe leonie,

schön, dass dir dieser Text beinah ausnahmslos ;-) gefällt!

Nun ja, das "herzweit" ist sicherlich Geschmackssache, aber ich denke, dass ich niemals aufhören werde, nach Sagbarem im Zusammenhang mit Herz zu suchen ...
Fast bin ich geneigt, zuzugeben, dass das gesamte Gedicht um des Rosenstocks willen und des herzweit entstanden ist ... zumindest waren das die zentralen Wörter, um die herum sich der Rest gefügt hat.

Danke für deine Rückmeldung und LG!

Hallo Sam,

wenn auch nur ein einziges Bild aus einem Gedicht hängen bleibt, bewirkt, dass man es nicht so schnell vergisst, dann, meine ich, hat der Schreiber schon sehr viel erreicht.

Danke dir für dieses Lob und LG!

scarlett

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Beitragvon annette » 31.03.2009, 15:22

scarlett, ich stöbere grade etwas und habe einen kleinen Vorschlag (keine Kommentare gelesen).

Aus dem "erinnerungsrahmen / für wechselnde bilder" würde ich den "wechselrahmen für erinnerungen" machen. Das Bild gefällt mir. Der Text auch (bis auf das "herzweit" ... ).

Gruß - annette

scarlett

Beitragvon scarlett » 31.03.2009, 15:50

Hmm ... annette, ist das dann aber nicht ein wenig im Sinn verschoben?

Ich denk mal darüber nach, mal sehen.

Dank dir und Grüße,

scarlett

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Beitragvon annette » 03.04.2009, 08:52

Hmm ... annette, ist das dann aber nicht ein wenig im Sinn verschoben?


Weil nicht die Bilder, sondern der Rahmen die Erinnerung sein soll? Ein erinnerter Rahmen mit verschiedenen Bildern? Aber sind die Bilder dann nicht ebenfalls Erinnerungen? Oder sind diese Gegenwart? Ich glaube, ich verstehe die Zeilen nur in eben dem Sinne, zu dem ich es hinformulieren wollte. Vielleicht ist das gar nicht, was Du sagen willst?

Gruß - annette


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