Frühlingsanfang oder: Irgendwas macht immer Krach!

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 06.03.2009, 00:01

Fünfundfünfzig Kätzchen kuscheln sich
durch mein S-Zimmer, denn H! H!
ich habe eine Trauerweide beschnitten!

Aber manchmal, Alter, nerven mich
die Vögel wie Tussis in der Schule,
die pausenlang über Cremes, Titten,

Voll blöde Lehrer, Kiffen, Hip-Hop-Flip-
Flops und übelst die Flocken am Fenster
auf jeden (!) abgechillten Checker reden.

So klingen Vögel in der Übersetzung,
aber abends hören sie auf zu lästern.
Ein junger Rasta-Man bläst in seine Triola

Ein Ständchen für die rosa Sonne,
fast romantisch, doch zu peinlich.
Beständig surren zwei Plakate für Cola

und C&A-Unterhosen im Hintergrund,
alle stecken ihre Blicke in Hygienebeutel
und halten die Schnäbel geschlossen.
Zuletzt geändert von Louisa am 06.03.2009, 17:16, insgesamt 1-mal geändert.

ecb

Beitragvon ecb » 06.03.2009, 15:34

"giggle" ich dachte schon, es wäre dir wie theodor storm ergangen ... du weißt schon, köchinnen kennen kein erbarmen:

http://www.miau.de/geschichten/gedicht/storm.html

also, den jungen rasta-mann dudelnd im letzten rosa sonnenlich finde ich gar nicht peinlich
(plakate soll es wohl in der folgenden zeile heißen?)
und das mit den blicken im hygienebeutel schlechterdings genial "prust"

utterly lovely Bild

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.03.2009, 17:15

Haha, das ist ja lustig! Danke für das Gedicht, ich kannte es nicht -

Jetzt habe ich das Gefühl, dass Storm und ich Seelenverandte sind :smile: ! Es ist beinahe unheimlich, dass er dichtete: "sechsundfünfzig Katzen!" und ich "fünfundfünfzig Kätzchen!" :smile: !

Da hatte er es ja noch schwerer als ich ;-) !

Ja, ich finde es ja auch nicht peinlich, aber ich habe oft das Gefühl "den Leuten" ist jede Romantik peinlich geworden... Meine Oma zum Beispiel, die schaut andauernd diese ganzen depperten Serien über Liebe, Blumen, Hochzeiten und Landschaftsbildern, aber trotzdem sagt sie dann immer zu mir: "Also, diese ganzen Geschichten...das ist ja auch ein ewiger Blödsinn, was sie so bringen..."

Ich stelle mir dann immer vor wie man früher in der Romantik getobt haben muss, wenn an einem einsamen Wanderweg die Sonne im März unterging! Da sind sie doch alle abgegangen wie heute höchstens noch auf diesen Techno-Kondom-Partys :smile: !

Da hatte man auch keine Hygienebeutel und Mc-Donalds-Potatoes! Da hatte man feuchte Laken auf einem Wiesengrunde und Kartoffeln :smile: !

Genug des Quatschens...

Vielen Dank auf jeden Fall für dein Kommentar!

Ja, es soll "Plakate" heißen!

Erkennt man eigentlich, dass ich diese wundervolle neue Erfindung meine, wo ein Plakat immer das andere auswechselt und deshalb mit einem Tinitus-Ähnlichen Klang andauernd hoch und herunter fährt :smile: ?

Piep, piep!
l

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 06.03.2009, 19:51

Umwellt

Location, Location
sag

Location, Location
sagt die Chefin

und meint den Wert
den sie saugt

oder verwirft
im Spiel der Zeiten

während man sich
die Nägel pfeilt

zu Nächten

im Spiel der Zeiten

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.03.2009, 20:32

Olé :smile: !

Max

Beitragvon Max » 07.03.2009, 13:35

Liebe Lou,

ich finde es sehr schön und sehr gelungen, wie Du in diesem Text zwei Sprachebenen parallel führst (dass Dir dabei die eine so gut gelingt hat sicher mit Deiner Jugend zu tun ;-) ).

Was mir besonders gefällt, ist der Teil, der Schluss, in dem Dein Gedicht romantisch wird, sich das selbst versagen möchte und durch die Schilderung dieses Zwiespalts für mich sehr real romantisch wirkt.
Hab ich sehr gern gelesen.

Liebe Grüße
Max

PS: Hier gefallen mir übrigens aus die S und H Sprachspielchen ;-) .. Schade, dass es mit C&A nicht auch geht :-)

Louisa

Beitragvon Louisa » 07.03.2009, 13:47

Hallöchen Max!


Merci beaucoup für deinen reizenden Kommentar, aus dem ich entnehme, dass dir "C&A" nicht gepasst hat :smile: ....

Das ist schade, aber es sind zum Glück nur zwei Buchstaben!

So war es gedacht mit der Real-Romantik... Ich glaube ohne eine beständige Brechung der romantischen Motive funktionieren sie nicht mehr... Wäre auch komisch, wenn sich nichts verändert hätte seit 200 Jahren :spin2:

Ach ja, ich weiß gar nicht genau, ob mir diese Sprache meiner Altersgenossen so gut gelungen ist, denn die verändert sich alle halbe Jahre immer ein bisschen... Vor fünf Jahren war es zum Beispiel cool andauernd "übelst" vor jedes Substantiv zu setzen ("Übelst die Leute hier!") - dann war es vor drei Jahren cooler immer auf jeden Satz zu antworten: "Auf jeden!" - und das "Fall" dabei wegzulassen.... Da hatte ich mal so ein dauer-schwatzendes Mädchen in der KLasse... die hat mich immer richtig wahnsinnig gemacht... Die ganze Stunde kam es immer aus der ersten Reihe: "Auf jeden, Alter! Auf jeden, Alter! Auf jeden, Alter!"

Und dann war es vor zwei Jahren ziemlich cool auf alle Neuigkeiten zu antworten: "Story, Alter!" :smile: ... Es kann aber sein, dass das alles schon wieder out ist... An der Uni scheinen mir die Menschen doch wieder anders zu kommunizieren...

Schön, dass man hier von all seinen Traumata berichten kann :daumen:

Schönes Wochenende!
l

Last

Beitragvon Last » 07.03.2009, 13:52

Und dann war es vor zwei Jahren ziemlich cool auf alle Neuigkeiten zu antworten: "Story, Alter!" smile ... Es kann aber sein, dass das alles schon wieder out ist... An der Uni scheinen mir die Menschen doch wieder anders zu kommunizieren...


Story, Alter! :blink2: :frage: :12: :rolleyes: :frage:

Ich werde alt! *hilfe*

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Beitragvon leonie » 07.03.2009, 14:36

Auch, wenn der Anfang sich mir nicht erschließt und die Flocken auch nicht: das ist ein Louisa-Text, phantasievoll, in frischer Sprache. Die Hygienebeutel toppen das Ganze noch.

Habe ich mehrfach und gern gelesen!

Liebe Grüße

leonie

Louisa

Beitragvon Louisa » 07.03.2009, 15:27

Alt, jung... alles dasselbe :smile: !

Leonie, der Anfang:

http://www.rabbarien.de/bild-weidenkaetzchen-1585.html

Und die Flocken fand ich witzig, weil sie im Zusammenhang mit diesem übertriebenen "übelst" diese Sprache lächerlich machen.

Außerdem ist das Sprechen über einen Wetterzustand für mich ein Sprechen um des Sprechens willen und passt deshalb ganz gut zu den geschwätzigen Tussis/Vögeln.

Oder war dir etwas anderes unklar?

Danke für die freundliche Kritik!
l

Louisa

Beitragvon Louisa » 07.03.2009, 15:28

Ach, ja... "Schnee-Flocken am Fenster" sind gemeint.

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Beitragvon leonie » 07.03.2009, 16:08

Schlag sich an die Stirn, ja logo....
Ich glaube, der Storm hat mich auf die falsche Fährte gelockt; ich dachte, es seien echte Kätzchen.

Liebe Grüße
leonie

Max

Beitragvon Max » 07.03.2009, 18:06

Merci beaucoup für deinen reizenden Kommentar, aus dem ich entnehme, dass dir "C&A" nicht gepasst hat



Liebe Lou ...,

nöö, ich hab nur gehofft, es gäbe da auch so ein schönes Wortspiel (außer "cheap and awful").

Der Text gefällt mir auch mit C&A.

Liebe grüße
Max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.03.2009, 23:13

Liebe Louisa,

ich find das richtig klasse - der Anfang (alles bis "so klingen") ist so dicke, dass er mich sogar ein bisschen nervt und die ersten Male, die ich hier vorbeikam, wollte ich schreiben, ob du da nicht noch etwas reduzieren kannst, aber jetzt finde ich, dass das einfach passt, weil der Nervklang einfach genau abgebildet ist. Und dann geht es ja ernst weiter (so klingen vögel in der übersetzung, finde ich übrigens auch toll), aber eben in lockeren/freien, nicht übertriebenen und immer noch "städtischen" Bildern. Das gefällt mir.

Desweiteren bist du mit diesem text endgültig als Partymäusele überführt, da meine Theorie die ist, dass nur notorische auf-den-schlaf-achter und Leute, die erst morgens ins Bett gehen, von diesen Vögeln genervt sind. Ich jedenfalls war es auch immer besonders, wenn man gerade einschlafen will, wenn sie anfangen .-). Aber das ist ja nur eine oberflächliche Ergänzung, ich finde, dass der Vergleich der Vögel und der Jugend/Lebenslust und der Übermaß darin, einfahc gut parallel gesetzt sind, nicht zuletzt weil jeder diese wirklich extrem dominanten Vögeltöne kennt und die eben auch nur im Frühling so zu hören sind.

liebe Grüße,
Lisa

Ps: Das "sich" in der ersten Zeile könnte man streichen, Angetraute.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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