Eigentlich begann diese Geschichte damit, dass ich ein lange verschollenes Rezept für die Pille, oder wie ich dieses Medikament gerne nenne, die „Anti-Baby-Drugs“, wiederfand. Ich löste meinen Zettel in einer Apotheke ein und klagte zwei Wochen lang über Schwindelgefühle.
Ratlos versuchte ich dem durch meinen Trisel nur noch verschwommenen Arzt zu erklären, was meine Beschwerden seien und bezeichnete sie als „Brausetabletten, die sich in meinen Gehirnwindungen auflösen würden“, was diesen nur ein „Ah, ja…“ erwidern ließ.
In der Nacht nach dem Arztbesuch bemerkte ich auf einmal eine unglaubliche Sensibilität an mir. Drei Fehler in einer Französischarbeit rührten mich zu Tränen, genauso wie die Tatsache, dass ich seit zwei Wochen kaum das Haus verlassen hatte und die anderen ohne mich die Nacht verwüsteten.
Also setzte ich die Anti-Baby-Drugs wieder ab und am nächsten Morgen, einem Samstag, ging es mir wieder blendend. Sarah und ich stürzten uns also in das dunkle Wochenende und kamen schließlich gegen zwei Uhr Nachts im altbekannten Kaffee Burger an.
Für die Unwissenden: Das Kaffee Burger ist eine Mischung aus Künstlercafé, touristenbefallenem, tanzenden, trauernden, abgedunkelten, rotbraunen, maroden 60er Jahre Schuppen, wo sich die halbe Welt zusammentut, um entweder ihre Lebenslügen zu besaufen oder zu feiern oder aber das ganze zu beobachten und solche Geschichten hier zu schreiben oder aber (siehe folgende Absätze):
Voller Schreck musste ich erkennen, dass der Barmann, nennen wir ihn Marcello, in den ich mich vor einem Jahr leicht verliebt hatte, wiedergekehrt war. Mich erschreckte diese Tatsache, da ich mich nach wochenlanger Verliebtheit und endlosen Abenden, an denen ich immer wieder etwas bei ihm bestellt hatte in der Hoffnung er würde mehr darauf antworten als „3,50 bitte.“ damals dazu entschlossen hatte ihm meine Telefonnummer zu geben, die er in jener verregneten, verhängnisvollen Nacht nicht an sich nehmen wollte –
Das war mir erstens noch nie passiert und zweitens wusste ich Trottel auch genau wieso er sie nicht annehmen wollte, denn ein schwuler Freund hatte mir vorher erzählt, dass Marcello eine Freundin hätte, mit der er bald zusammenziehen würde und mit welcher er neulich händchenhaltend auf einem Trödelmarkt geschlendert wäre.
Mich hinderte nicht die Freundin, mich hinderte nicht das Zusammenziehen, aber das Bild des gemeinsamen Schlenderns über einen Trödelmarkt erscheint mir als der Inbegriff des menschlichen Glücks.
Als ich an diesem neuen Samstag versuchte mich möglichst unauffällig an der Bar vorbei zu schleichen, ohne das Marcellos Augen, welche eine liebevolle braune Klugheit ausstrahlen, mich entdeckten. Sarah und ich warteten einen günstigen Zeitpunkt ab und füllten das Warten mit psychologischen Betrachtungen über mein Liebesleben.
„Dir gefallen immer die gleichen Typen. Die sind immer zu alt, haben aber trotzdem etwas Kindliches oder Sanftes an sich. Der sieht aus wie die anderen. Aber der sieht schon geil aus.“
„Mm… das stimmt. Der sieht aus wie mein Deutschlehrer. Alle, die aussehen wie mein Deutschlehrer sind schön. Das ist wie ein Naturgesetz. Das wird sich nie ändern. Dir gefallen auch immer die gleichen. Die sind meistens ebenfalls zu alt und haben nichts Kindliches oder Sanftes an sich.“
Wir grinsten.
„Ja, stimmt. Alle, die dir gefallen sehen jedenfalls so wie der aus. Also ich geh´ dann schon mal voraus.“
Leider war ich so aufgeregt, dass ich mich an einer Heizung festhalten musste. Sarah war schon einige Schritte weiter gewandert, als plötzlich eine schwere lange Eisenkette, die aus unerfindlichen Gründen auf dieser Heizung lag, dieselbe langsam herab rasselte.
Dies bewirkte, dass nicht nur Marcello, sondern der halbe Laden in meine Richtung starrte. Mir kam es vor, als hätte sogar die Musik aufgehört zu spielen.
Mein Schock löste sofort eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber der bösen Welt aus, welche mich dazu bewog mein Spielchen des „beseelt lächeln und einen Cocktail bei Marcello bestellen“ erneut in Gang brachte. Aber auch dieses Mal sagte er nichts, außer „3,50 bitte.“ Und ich musste wieder denken: „Wie unglaublich klug er doch ist!“
Wieso ich das immer denke ist mir allerdings auch rätselhaft. Mit einem „Wodka-Apfelsaft“ drehte ich mich zur Tanzfläche und suchte nach Sarah, aber anstatt dieser kam eine dicke 50-jährige Frau mit Pferdeschwanz auf mich zu, die mir zu bekannt vorkam. Es handelte sich nämlich um eine ehemalige Kunstlehrerin von mir und ich hätte niemals erwartet sie in diesem doch eher von jüngeren Generationen und vor allem von ziemlich grenzwertigen Existenzen (wie mir?) besiedelten Ort anzutreffen. Sie kam gerade aus der tanzenden, springenden Menge und hielt einen leeren Bierkrug vor den riesigen Brüsten. Ich schmunzelte und meinte:
„Ach, hallo Frau Ostpflug!“ Man hätte ihr vor Verblüffung ganz verzerrtes Gesicht in Stein meißeln sollen, bevor sie anfing hysterisch und atemlos auf mich einzureden…
„Ach! Na, das ist aber eine Überraschung! Na, das ist aber eine Überraschung! Also, wirklich! Ich hatte sie aber nicht lange oder?“
„Nein.“
„Also…haha….was verschlägt sie denn hierher in Berlins Mitte?“ Ich fing an zu lachen. Sie lachte einfach mit.
„Haha….ja….also, Frau Königin-Diesel ist auch noch hier. Dort hinten haben wir einen Tisch. Ist das nicht eine Überraschung?“
„Ja.“
„Also, aber sagen sie doch bitte niemand, dass sie uns hier gesehen haben. Haha… Nein?“
„Aber nein, was denken sie denn von mir?“ Ich grinste sie erfreut an und tätschelte sie am Jeans-Ärmel ihres Hemdes.
„Na, dann….also….ich hole dann noch etwas zu trinken…äh…sie können ja….sie können ja auch einmal zu uns herüberkommen….wir sind da hinten. Frau Königin-Diesel und ich.“
„Ok.“
Als Frau Ostpflug sich zur Bar an Marcello gewandt hatte eilte ich in den Raucherbereich zu Sarah um meinem Lachanfall freien Lauf zu lassen.
„Zwei Kunstlehrerinnen von dir?“
„Ja! Und noch dazu zwei von diesen Freak-Lehrern! Die eine ist so ´ne Dicke und die andere ist ganz klein und zierlich, dafür aber ganz faltig, knallbunt geschminkt und sie trägt ihr langes schwarzes Haar meistens fettig mit bunten Haarklammern für Kinder! Außerdem heißt sie Frau Königin-Diesel!“
„Nee, oder? Ich meine: Das wäre ja alles noch in Ordnung… Das ist ja ganz lustig, dass die in ihrem Alter noch abends weggehen… Aber in so einen Fick-Schuppen?“
„Wie nennst du das hier?“
„Fick-Schuppen! Hier will doch jeder jeden abschleppen!“
„Vielleicht wollen sie das auch? Naja, ich werde da später noch einmal hingehen…dann kann ich fragen wie es der Schule geht.“
„Ja, ja….wie es der Schule geht – du willst ganz sicher nicht wissen wie es der Schule geht…“
Wir wechselten das Thema… und irgendwann wurde Sarah müde und machte sich auf den Weg nach Hause, während ich mich in Richtung Frau Ostpflug und Frau Königin-Diesel bewegte.
Die beiden tanzten am Rande der Tanzfläche neben einem kleinen schwarzen Tisch, auf dem ihre Bierkrüge standen. Das heißt, ich weiß nicht, ob man das als Tanz bezeichnen konnte, vielmehr waren es sich wiederholende Bewegungsmuster, die bei Frau Ostpflug daraus bestanden sich um sich selbst zu drehen und die Hände über dem Kopf ausgestreckt mit den Fingern zappeln ließen, als wollte sie ein Feuer darstellen. Frau Königin-Diesel hingegen boxte vor und zurück und bewegte sich in Halbdrehungen. Nachdem ich „Hallo“ gerufen und mein Glas auf dem Tisch abgestellt hatte, begann Frau Ostpflug damit mich leicht wahnsinnig anzulachen ohne dabei aufzuhören sich um sich selbst zu drehen und „das Feuer“ darzustellen. Frau Königin-Diesel setzte sich nieder.
Ich fand diese Ausprägung der Wirklichkeit derart unfassbar, dass ich mich ebenfalls begann zu drehen, damit man mein Lachen nicht sah. Jedoch lachte Frau Ostpflug ja ebenfalls herzhaft in meine Richtung, was meine Scham etwas auflockerte. Ich überlegte mir, dass wenn ich ihnen die Unsicherheit nehmen würde, dass sie dann noch mehr durchdrehen würden und das der Abend ergo noch unwirklicher werden könnte…
Also bemühte ich mich um Freundlichkeit. Ich stieß mit den Bierkrügen an, tanzte etwas mit und ließ mich ebenfalls an ihrem Tischchen nieder. Dann überlegte ich, was wohl Marcello von diesem Anblick denken würde und vergaß es wieder, denn Frau Ostpflug fragte aus Höflichkeit:
„Und, was machen sie jetzt so?“
„Ach, ich reise, studiere und schreibe so ein bisschen.“
„Aha… und was studieren sie?“
„Französisch und Philosophie.“
„Na, das passt doch schön zusammen.“
„Das kann sein.“
„Und was wollen sie später damit machen?“
„Weiter schreiben und weiter reisen.“
„Aha.“
- Immer, wenn ich jemand, der nicht viel mit Literatur am Hut hat, erzähle, dass meine Berufsaussichten sich auf Schriftstellerin oder Pennerin beschränken, werde ich angesehen wie ein Behinderter, sodass ich mir manchmal wünsche etwas sagen zu können wie „Finanzbeamtin!“ – damit den leeren Antwortblicken endlich Einhalt geboten wird…
„Mm…und wie geht es der Schule?“
„Ach, ganz gut….joa…“
„Ich habe gelesen ein Mädchen ist im Sportunterricht gestorben.“
„Ja… ach, ja…. Naja, das war vor dem Sportunterricht. Ein Virus. Irgendein Virus.“
„Aha.“
„Naja…und Herr Hütte liegt seit so einem Schnarchanfall immer noch im Koma, Herr Ohnreifen hat nach dem Schlaganfall fast alles vergessen, aber jetzt ist ihm das Meiste wieder eingefallen und Herr Beile wurde operiert, jetzt ist er wohl wieder zu Hause, naja, der hat ja auch ausgesehen wie ein Skelett… “
„Und du siehst aus wie ein Königsberger Klops.“ dachte ich entrüstet und fragte resigniert:
„Mm. Aber der Schule geht es ganz gut?“
„Joa… also….schon komisch…mit den ganzen Männern, die ganzen männlichen Lehrer sind krank geworden.“
„Alles Deutschlehrer.“
„Ja. Haha…das stimmt.“
„Vielleicht sind die einfach nicht kreativ genug. Wir Kunstlehrer sind sehr kreativ. Ich sage ja immer: Lebensfreude! Mehr Lebensfreude! Man muss auch mal tanzen gehen! Warum nicht mal tanzen gehen?“
(Wie wahnsinnig muss man eigentlich sein, damit einem zu den Krankheiten seiner Kollegen nur noch einfällt: „Vielleicht sind wir einfach kreativer!?“???)
„Ich gehe mal in den Raucherraum.“
„Ach? Naja, dann komme ich mal mit. Frau Königin-Diesel raucht ja nicht mehr. Nicht?“
Frau Ostpflug spähte herunter zu Frau Königin-Diesel die mit einer unkoordinierten Handbewegung ausdrückte: „Geht ruhig weg!“
Ich saß neben Frau Ostpflug im Rotlicht auf einer braunen Ledercouch und zog an meinem Strohhalm. Sie wiederholte jetzt schon zum zehnten Mal:
„Mehr Lebensfreude! Die Leute haben einfach keine Lebensfreude mehr. Man muss mal tanzen gehen! Also mein Mann, der ist ja Koch, der würde ja auch tanzen gehen, wenn er nicht so viel arbeiten müsste.“
„Kocht der auch für sie?“
„Manchmal….haha….“
Ein für mich sehr angenehmes Schweigen begann sich auszubreiten. Ich überlegte mir, dass ich diese Frau noch nie leiden konnte, schon als Kind nicht und jetzt immer noch nicht – Weil sie einer dieser Menschen ist, der meint alles, was sich die Nase durchlöchert, ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder absichtlich fettige Haare mit bunten Haarklammern hat, sei automatisch „kreativ“ –
Und ich hasse diese plumpe, faule Form der „Kreativität“ – Weil sie nämlich auch unter Lebensfreude drei Liter Bier in einem Fick-Schuppen versteht, jawohl!
Während ich das also vor mich hin meckerte, schien ich telepathische Kräfte entwickelt zu haben, denn Frau Ostpflug nahm einen Schluck Bier zu sich, sah mich an und meinte aus heiterem Himmel:
„Also, den Herrn Beile, den konnte ich ja noch nie leiden.“
Ich erschrak wie ich immer erschrecke, wenn jemand nur den Namen dieses Menschen in meiner Gegenwart ausspricht. Dieser Schrecken ist ebenso ein Naturgesetz wie dieses, dass alle Männer, die aussehen wie der Unaussprechliche schön sind und für immer werden sie schön sein, die wie er aussehen und für immer werde ich erschrecken, wenn ich den Namen höre.
Also fasste ich mich wieder und fragte:
„Ach? Wieso denn nicht?“ Frau Ostpflug schien angestrengt nachzudenken.
„Weiß ich auch nicht.“ brachte sie schließlich als Antwort. Ich wollte am Liebsten den Kopf schütteln und entgegnete:
„Keine Lebensfreude?“
„Ja! Das könnte es sein! Keine Lebensfreude, ich sage ja immer: Man muss auch mal tanzen gehen! Dann ist man weniger mufflig! Man braucht einfach mehr Lebensfreude!“
Ich sah sie eine Weile an, seufzte und meinte:
„Also, wissen sie, Frau Ostpflug, ich glaube… ich habe auch keine Lebensfreude.“
Ich stand auf, vergaß Frau Ostpflug, Frau Königin-Diesel, Marcello und den Fick-Schuppen, ging auf die Straße und winkte ein Taxi herbei.
Keine Lebensfreude!
Hallo Louisa,
gefällt mir gut. Nur etwas ist mir grammatikalisch aufgefallen:
fehlt da nicht vor 'ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom' ein habe?
Viele Grüsse
Iris
gefällt mir gut. Nur etwas ist mir grammatikalisch aufgefallen:
Weil sie einer dieser Menschen ist, der meint alles, was sich die Nase durchlöchert, ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder absichtlich fettige Haare mit bunten Haarklammern hat, sei automatisch „kreativ“ –
fehlt da nicht vor 'ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom' ein habe?
Viele Grüsse
Iris
Haha, also mir sind noch mehr grammatikalische Fehler aufgefallen, aber bei diesem wäre ich mir gerade nicht so sicher, ob es nicht auch "hat" heißen kann....
Aber wenn sie meinen, Frau Kollegin
!?
Ich werde die Geschichte noch operieren, was diese Stellen angeht. Besonders an den Schachtelsätzen, an denen ich mich wohl unter Hegels Einfluss neuerdings versuche
, hapert noch einiges.
Vielen Dank für deine Reaktion!
Schönen Tag!
l
Aber wenn sie meinen, Frau Kollegin

Ich werde die Geschichte noch operieren, was diese Stellen angeht. Besonders an den Schachtelsätzen, an denen ich mich wohl unter Hegels Einfluss neuerdings versuche

Vielen Dank für deine Reaktion!
Schönen Tag!
l
Hallo Louisa!
Nein, kann es nicht, bzw: Das ist gar nicht das Problem
entweder "alles habe (hat) ein..." "oder dass alles ein... hat (habe)". Sprich, egal ob das korrekte "habe" oder das umgangssprachliche "hat", es steht einfach an der falschen Stelle in deinem Satz.gif)
Ferdigruß!
Nein, kann es nicht, bzw: Das ist gar nicht das Problem

entweder "alles habe (hat) ein..." "oder dass alles ein... hat (habe)". Sprich, egal ob das korrekte "habe" oder das umgangssprachliche "hat", es steht einfach an der falschen Stelle in deinem Satz
.gif)
Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)
Jetzt bin ich noch verwirrter. Das "habe" finde ich auch schöner, aber wieso an der "falschen Stelle" - kannst du noch mal den ganzen Satz zitieren und es nach deiner Facon formulieren?
Ich glaube die stelle ist nicht das Problem... Aber ich will mich auch nicht an diesem einen Satz aufhängen, irgendwann wir er schon "korrekt" sein.
dank und gruß,
l
Ich glaube die stelle ist nicht das Problem... Aber ich will mich auch nicht an diesem einen Satz aufhängen, irgendwann wir er schon "korrekt" sein.
dank und gruß,
l
Hallo Louisa,
fängt spannend an - und wird dann immer länger und länger...
irgendwann bin ich ausgestiegen und zum Ende gesprungen, ich glaube, der Dialog mit der Lehrerin/den Lehrerinnen hat mich dann irgendwann gelangweilt. Ob das mein Problem ist oder das des Textes? Habe ich im Moment keine Zeit zu analysieren. Vielleicht liegt es daran, dass darin zu viel einfach abgebildete Realität ist - und zu wenig Dichte, zu wenig Ziel. Kann das sein? Weil: So ein Erleben als solches ist ja nicht literarisch interessant, sondern nur persönlich. Darüber hinaus gewinnt es erst Bedeutung, wenn etwas außer dem - vermutlich real erlebten - hinzukommt. Und vor allem: Wenn etwas davon gestrichen wird, so bedeutsam es auch im Moment scheinen mag: Der Text gewönne vermutlich durch Straffung. Mut zur Lücke sozusagen.
Nimm es als Feedback :)
Lieber Gruß
Klara
fängt spannend an - und wird dann immer länger und länger...
irgendwann bin ich ausgestiegen und zum Ende gesprungen, ich glaube, der Dialog mit der Lehrerin/den Lehrerinnen hat mich dann irgendwann gelangweilt. Ob das mein Problem ist oder das des Textes? Habe ich im Moment keine Zeit zu analysieren. Vielleicht liegt es daran, dass darin zu viel einfach abgebildete Realität ist - und zu wenig Dichte, zu wenig Ziel. Kann das sein? Weil: So ein Erleben als solches ist ja nicht literarisch interessant, sondern nur persönlich. Darüber hinaus gewinnt es erst Bedeutung, wenn etwas außer dem - vermutlich real erlebten - hinzukommt. Und vor allem: Wenn etwas davon gestrichen wird, so bedeutsam es auch im Moment scheinen mag: Der Text gewönne vermutlich durch Straffung. Mut zur Lücke sozusagen.
Nimm es als Feedback :)
Lieber Gruß
Klara
Hallo Louisa,
also ich hab das wieder gern gelesen, und würde nicht vorschlagen, den Text zu kürzen, sondern ihn eher zu verlängern, besonders um jenen verborgenen Mehrwert, der darin auftaucht, und der wohl jener Herr B. ist. Es mag Geschmackssache sein, aber wie in der Geschichte dialogisiert wird, fasziniert mich - natürlich auch durch dein Talent für das Gegenwärtige - aber dann auch, weil es mich allgemein interessiert, wie sich Menschen in Verkürzungen verhalten, wenn also kaum ein Raum gegeben ist für ein Gespräch und doch ein Gespräch stattfinden soll. Das sieht man sehr schön an jenem Dialog mit der Kunstlehrerin, die ja hier absurderweise von Kreativität spricht, wo sie a) durch anscheinend die Lautstärke im Raum nur Bruchstücke von sich geben kann und sich b) mit dem doch klischeehaften Attribut der Kreativität und des Freiraums, nämlich dem des Rauchens, in einen Nebenraum zurückziehen muss. Ich finde, dass damit deine Geschichte viele kleine Widersprüche aufzeigt, und eigentlich aus einem Bedenken heraus einer Sache damit auch literarisch die Person dieser Sache schafft, die dann also die Kunstlehrerin wäre, weiter dann auch durch diesen merkwürdigen Tanz, den jene aufführt: die fiktive nutzlose Flamme, die nichts verbrennt (und aus der im goethischen Sinn nichts wird), sondern die sich nur selbst darstellt, nutzlos oder "träge", wie es einmal im Text heißt. Dagegen steht der Gedanke an Herrn B., als der Gegenentwurf. Dort war das Verbrennen und Werden.
Wenn sich die Geschichte nur dorthin mehr verlängern würde, wäre sie eine ganz große, Lou; oder man kann es vielleicht auch einfach dem Leser überlassen.
Mit lieben Grüßen,
Peter
also ich hab das wieder gern gelesen, und würde nicht vorschlagen, den Text zu kürzen, sondern ihn eher zu verlängern, besonders um jenen verborgenen Mehrwert, der darin auftaucht, und der wohl jener Herr B. ist. Es mag Geschmackssache sein, aber wie in der Geschichte dialogisiert wird, fasziniert mich - natürlich auch durch dein Talent für das Gegenwärtige - aber dann auch, weil es mich allgemein interessiert, wie sich Menschen in Verkürzungen verhalten, wenn also kaum ein Raum gegeben ist für ein Gespräch und doch ein Gespräch stattfinden soll. Das sieht man sehr schön an jenem Dialog mit der Kunstlehrerin, die ja hier absurderweise von Kreativität spricht, wo sie a) durch anscheinend die Lautstärke im Raum nur Bruchstücke von sich geben kann und sich b) mit dem doch klischeehaften Attribut der Kreativität und des Freiraums, nämlich dem des Rauchens, in einen Nebenraum zurückziehen muss. Ich finde, dass damit deine Geschichte viele kleine Widersprüche aufzeigt, und eigentlich aus einem Bedenken heraus einer Sache damit auch literarisch die Person dieser Sache schafft, die dann also die Kunstlehrerin wäre, weiter dann auch durch diesen merkwürdigen Tanz, den jene aufführt: die fiktive nutzlose Flamme, die nichts verbrennt (und aus der im goethischen Sinn nichts wird), sondern die sich nur selbst darstellt, nutzlos oder "träge", wie es einmal im Text heißt. Dagegen steht der Gedanke an Herrn B., als der Gegenentwurf. Dort war das Verbrennen und Werden.
Wenn sich die Geschichte nur dorthin mehr verlängern würde, wäre sie eine ganz große, Lou; oder man kann es vielleicht auch einfach dem Leser überlassen.
Mit lieben Grüßen,
Peter
Hallo ihr drei und vielen Dank!
Klara, es würde mir weiterhelfen, wenn du mir mitteilst wann genau dieses "irgendwann bin ich ausgestiegen" vor sich ging
-
Weil ich dann nämlich wüsste welche Passagen evtl. zu lang sind. Der Anfang mit der Pille? Die Marcello-Rückblende?
Mmm....ich glaube nicht, dass es nur durch diesen "Skandal" interessant ist, dass man die Personen kennt. Komischer Weise haben mir nämlich schon vier Leute auf den Text geantwortet: "JA! GENAU SO EINE KUNSTLEHRERIN HATTEN WIR AUCH!"
Also hat die Beschreibung wohl etwas Allgemeingültiges
Wo ich Dir aber zustimme - ich bin mir selbst nicht sicher - ist die Tatsache, dass das eine Begebenheit ist, die wahrhaft erlebbar ist - und das lässt sie vielleicht weniger "verzaubert" oder "geheimnissvoll" wirken wie eine Geschichte in der plötzlich eine Schlange unter der Bar hervorkraucht, ein Mann erschossen wird oder Marcello mit der Kunstlehrerin durchbrennt -
Ich frage mich deshalb schon seit gut einem Jahr, ob man diese Versatzstücke wirklich benötigt, denn ich fände es viel spannender eine Geschichte zu erzählen, die so verrückt ist, dass man gar nicht mehr weiß woher sie kommt - aus der Wirklichkeit oder aus einem Traum -
Aber bei dieser Geschichte habe ich auch gedacht, dass sie eigentlich im Vergleich zu meinen sonstigen Erlebnissen nicht genügend verrückt ist
Als dann aber alle gesagt haben: "Schreib das doch auf! Schreib das doch auf!" - habe ich mich umentschieden -
Und jetzt kommt Peter, der meint, man müsste mehr über den Unaussprechlichen erfahren - aber ich weiß noch nicht genau, ob ich das kann und wie ich das könnte...
Doch vielleicht würde es wirklich dadurch an Verrücktheit gewinnen, ja
Also - ich habe mich sehr gefreut, dass du, Peter, diese Ebenen herausgelesen hast, in denen es um diese verschiedenen Lebensmodelle geht - und um die "Kreativität" in ihren bösesten Auswüchsen
Denn das fand ich an der ganzen Sache auch interessant - aber ich muss es wohl wirklich noch mehr andeuten.
Auf jeden Fall danke an euch - ich warte auch noch auf Lisas Kommentar
...
Dann wüsste ich auch, was ich streichen und was ich verlängern sollte
Schönen Freitag!
l
Klara, es würde mir weiterhelfen, wenn du mir mitteilst wann genau dieses "irgendwann bin ich ausgestiegen" vor sich ging

Weil ich dann nämlich wüsste welche Passagen evtl. zu lang sind. Der Anfang mit der Pille? Die Marcello-Rückblende?
Mmm....ich glaube nicht, dass es nur durch diesen "Skandal" interessant ist, dass man die Personen kennt. Komischer Weise haben mir nämlich schon vier Leute auf den Text geantwortet: "JA! GENAU SO EINE KUNSTLEHRERIN HATTEN WIR AUCH!"

Also hat die Beschreibung wohl etwas Allgemeingültiges

Wo ich Dir aber zustimme - ich bin mir selbst nicht sicher - ist die Tatsache, dass das eine Begebenheit ist, die wahrhaft erlebbar ist - und das lässt sie vielleicht weniger "verzaubert" oder "geheimnissvoll" wirken wie eine Geschichte in der plötzlich eine Schlange unter der Bar hervorkraucht, ein Mann erschossen wird oder Marcello mit der Kunstlehrerin durchbrennt -
Ich frage mich deshalb schon seit gut einem Jahr, ob man diese Versatzstücke wirklich benötigt, denn ich fände es viel spannender eine Geschichte zu erzählen, die so verrückt ist, dass man gar nicht mehr weiß woher sie kommt - aus der Wirklichkeit oder aus einem Traum -
Aber bei dieser Geschichte habe ich auch gedacht, dass sie eigentlich im Vergleich zu meinen sonstigen Erlebnissen nicht genügend verrückt ist

Als dann aber alle gesagt haben: "Schreib das doch auf! Schreib das doch auf!" - habe ich mich umentschieden -
Und jetzt kommt Peter, der meint, man müsste mehr über den Unaussprechlichen erfahren - aber ich weiß noch nicht genau, ob ich das kann und wie ich das könnte...
Doch vielleicht würde es wirklich dadurch an Verrücktheit gewinnen, ja

Also - ich habe mich sehr gefreut, dass du, Peter, diese Ebenen herausgelesen hast, in denen es um diese verschiedenen Lebensmodelle geht - und um die "Kreativität" in ihren bösesten Auswüchsen

Denn das fand ich an der ganzen Sache auch interessant - aber ich muss es wohl wirklich noch mehr andeuten.
Auf jeden Fall danke an euch - ich warte auch noch auf Lisas Kommentar

Dann wüsste ich auch, was ich streichen und was ich verlängern sollte

Schönen Freitag!
l
Hallo Louisa,
meiner Meinung nach hast du hier eine gute Idee verschenkt. Zum einen dadurch, dass du durch die ganze Eingangserzählerei die Aufmerksamkeit voll auf die Erzählerin konzentrierst. Da ist im Sinne des eigentlichen Themas der Geschichte (zumindest so, wie ich es verstehe), soviel Unrelevantes und auch Uninteressantes. Und da, wo es dann wirklich zum eigentlichen Kern der Sache geht, versäumst du es, den Charakteren die nötige Tiefenschärfe zu geben. Die vermeintliche "plumpe und faule Form der Kreativität" wird nämlich nicht dargestellt, sondern nur behauptet. Es verbleibt alles im Wahrnehmungsfeld der Erzählerin und dem Leser bleibt nichts anders übrig, als ihr Urteil zu übernehmen. Das was die Kunstlehrerin unter Kreativität oder Lebensfreude versteht, bzw. deren Mangel, bleibt völlig im Dunkeln. Statt dessen wiederholt sie immer nur die gleichen Sprüche. Und diese Diskrepanz zu den männlichen Lehrern, vor allem Herrn B., wird nicht wirklich deutlich, weil sie auf einer reinen Begriffsebene verbleibt.
Ich denke, der größte Fehler des Textes ist der, dass die Erzählerin eigentlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Auf eine sehr gesprächige, leicht plappernde Art und Weise. Das ist alles irgendwie gut zu lesen, aber am Ende für mich zu oberflächlich, um wirklich interessant zu sein. Natürlich geht es ja auch darum, Oberflächlichkeit darzustellen. Aber das heißt ja nicht, dass die Darstellung es gleichermaßen sein muss.
Liebe Grüße
Sam
meiner Meinung nach hast du hier eine gute Idee verschenkt. Zum einen dadurch, dass du durch die ganze Eingangserzählerei die Aufmerksamkeit voll auf die Erzählerin konzentrierst. Da ist im Sinne des eigentlichen Themas der Geschichte (zumindest so, wie ich es verstehe), soviel Unrelevantes und auch Uninteressantes. Und da, wo es dann wirklich zum eigentlichen Kern der Sache geht, versäumst du es, den Charakteren die nötige Tiefenschärfe zu geben. Die vermeintliche "plumpe und faule Form der Kreativität" wird nämlich nicht dargestellt, sondern nur behauptet. Es verbleibt alles im Wahrnehmungsfeld der Erzählerin und dem Leser bleibt nichts anders übrig, als ihr Urteil zu übernehmen. Das was die Kunstlehrerin unter Kreativität oder Lebensfreude versteht, bzw. deren Mangel, bleibt völlig im Dunkeln. Statt dessen wiederholt sie immer nur die gleichen Sprüche. Und diese Diskrepanz zu den männlichen Lehrern, vor allem Herrn B., wird nicht wirklich deutlich, weil sie auf einer reinen Begriffsebene verbleibt.
Ich denke, der größte Fehler des Textes ist der, dass die Erzählerin eigentlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Auf eine sehr gesprächige, leicht plappernde Art und Weise. Das ist alles irgendwie gut zu lesen, aber am Ende für mich zu oberflächlich, um wirklich interessant zu sein. Natürlich geht es ja auch darum, Oberflächlichkeit darzustellen. Aber das heißt ja nicht, dass die Darstellung es gleichermaßen sein muss.
Liebe Grüße
Sam
Mm... naja.... also auf der einen Seite stimme ich dir zu, dass man den Anfang streichen/kürzen sollte. Das war ja meine Frage. Auf der anderen Seite finde ich nicht, dass die Dame erklären müsste, was denn für sie Kreativität sei - denn ich glaube, dass sie selbst gar keine genaue Vorstellung davon hat - bzw. das alles, was irgendwie "anders" aussieht "kreativ" ist - und gerade dieses Hohle an ihrem Begriff von "Kreativität" oder "Lebensfreude" - gerade das wollte ich ja aufzeigen.
Also sollte es doch noch mehr um die Gegenseite gehen? Weniger Kommentare?
Man kann es ja mal versuchen
Danke dir auf jeden Fall!
l
Also sollte es doch noch mehr um die Gegenseite gehen? Weniger Kommentare?
Man kann es ja mal versuchen

Danke dir auf jeden Fall!
l
Hallo,
Sams Betrachtungsweise hat etwas für sich. Ich würde aber nicht so einengend da rangehen. Außerdem: Gerade den Anfang fand ich interssant, das Subjektive, Behauptende, mit der eigenen Wahrnehmung und Liebenswürdigkeit Kokettierende. Das Lesebühnenhafte, Effekt- und Lacherheischende. Komplizenmachende. Sobald das dann zu sehr ins Detail geht, wird es für mich langweilig.
Ich meine: Der Text bzw. dessen Autorin muss sich entscheiden: Will er lesebühnenlustig sein oder Charaktere glaubwürdig darstellen?
Diese Frage empfinde ich in gewisser Weise als entlarvend, wenn nicht sogar irreführend (dumm): Welche GEGENSEITE? Die Lehrerin? Der Text ist doch kein Fußballspiel? Interessieren dich deine Figuren oder willst du sie fertig machen? Hast du es nötig, die leser auf diene Seite zu ziehen? Und wenn ja: mit welchen Mitteln? Und eventuell: warum? Da musst du dich entscheiden, welche Tiefe oder welche Oberfläche du suchst. Wie sehr du die "Gegenseite" im Erzählich ausleuchten willst. Und dann das Beste draus machen ,-)
Grüße
Klara
Sams Betrachtungsweise hat etwas für sich. Ich würde aber nicht so einengend da rangehen. Außerdem: Gerade den Anfang fand ich interssant, das Subjektive, Behauptende, mit der eigenen Wahrnehmung und Liebenswürdigkeit Kokettierende. Das Lesebühnenhafte, Effekt- und Lacherheischende. Komplizenmachende. Sobald das dann zu sehr ins Detail geht, wird es für mich langweilig.
Ich meine: Der Text bzw. dessen Autorin muss sich entscheiden: Will er lesebühnenlustig sein oder Charaktere glaubwürdig darstellen?
Also sollte es doch noch mehr um die Gegenseite gehen?
Diese Frage empfinde ich in gewisser Weise als entlarvend, wenn nicht sogar irreführend (dumm): Welche GEGENSEITE? Die Lehrerin? Der Text ist doch kein Fußballspiel? Interessieren dich deine Figuren oder willst du sie fertig machen? Hast du es nötig, die leser auf diene Seite zu ziehen? Und wenn ja: mit welchen Mitteln? Und eventuell: warum? Da musst du dich entscheiden, welche Tiefe oder welche Oberfläche du suchst. Wie sehr du die "Gegenseite" im Erzählich ausleuchten willst. Und dann das Beste draus machen ,-)
Grüße
Klara
Nein, die Gegenseite ist laut Peter und Sam (?) Herr Beile.
Ich will das, was ich in meinem zweiten Beitrag beschrieben habe und was ich mir mit jeder Geschichte über den Irrsinn dieser Welt erhoffe...
Wenn es diesmal nicht gelungen sein sollte, versuche ich sie dahingehend zu ändern.
Danke dir!
l
Ich will das, was ich in meinem zweiten Beitrag beschrieben habe und was ich mir mit jeder Geschichte über den Irrsinn dieser Welt erhoffe...
Wenn es diesmal nicht gelungen sein sollte, versuche ich sie dahingehend zu ändern.
Danke dir!
l
Nein, die Gegenseite ist laut Peter und Sam (?) Herr Beile.
was ich meinte: Es gibt in literarischen Texten keine Gegenseite. Die gibt's im Wahlkampf, bei Tarifauseinandersetzungen, bei Ehekrieg - aber nicht bei Texten (wahrscheinlich gibt es auch im realen emotionalen Leben keine 'Gegenseite,' es gibt sie nur als - bisweilen vermutlich notwendiges - gedanklich-gefühliges Konstrukt, quasi als Fiktion in der Realität). Man sollte versuchen zu vermeiden, sich unreflektiert die Worte und Wahrnehmungen von Kritikern zu eigen machen - vor allem die von wohlmeinenden Kritikern! ,-)
Klugscheißergrüße
klara
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