Das Sexualleben der roten Waldameisen auf Usedom unter Berüc

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Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 17.10.2008, 17:12

Das Sexualleben der roten Waldameisen auf Usedom
unter Berücksichtigung der latenten Polkappenschmelze
an ungeraden Wochentagen und während der Aktionswochen bei Aldi-Süd


Gustav Palhuber kurbelte missmutig die Bordsteine seines Heimatdorfes hoch, während am anderen Ende der Straße der Schützenkönig des letzten Jahres die Zebrastreifen zusammenrollte.
Es war spät. Zu spät, wie Palhuber fand. Er hatte Hunger und nahm einen tiefen Schluck aus dem Plastikdorfbrunnen, dessen Wasser mittels einer langen Eimerkette und 412 Wiener Kastraten aus dem Klärwerk von Wanne-Eickel herbeigeschafft wurde.
Endlich hatte er es geschafft. Er klappte die Kurbel zusammen und verstaute sie umständlich in seinen Gummistiefeln. Auch heute nahm er wieder die Abkürzung über die Trasse der Magnetschwebebahn, immer die schwerfälligen Lastkähne im Auge, damit er notfalls auf den Fahrradweg ausweichen konnte. Mit einem beherzten Sprung in den Komposthaufen seines Vorgartens verließ er die Trasse und rollte sich so ab, dass er vor dem gedeckten Küchentisch zu liegen kam.
„N`abend. Frühstück fertig?“
Er zog sich einen Melkschemel heran und setzte sich an den Tisch. Keine Antwort. Palhuber war alleine, was wohl daran lag, dass seine Frau immer noch in der Wanne saß. Seit drei Jahren. Er fand das übertrieben, kannte aber ihr aufbrausendes Temperament und unterließ daher diesbezügliche Nachfragen. Das konnte aber auch an seinem billigen Rasierschaum liegen, der beim letzten Apres Ski direkt am Dorfplatz vom LKW gefallen war.
Mit einem lauten Splittern zerbrach die Eingangstür und 32 behelmte Rettungsschwimmer stürmten an den Gasherd der Küche. Zuletzt kam ein breiter Kerl mit roter Badehose und gelbem Blinklicht auf dem Kopf herein, setzte sich wortlos an den Tisch und starrte Palhuber an.
Die 32 Baderatten stritten sich derweil um die angebrannten Reste der Weihnachtsgans. Das arme Tier hatte keine Chance und ergab sich seinem Schicksal.
„Sie wissen, warum wir hier sind?“
Das Blinklicht des Oberbademeisters war mittlerweile zum Verhörscheinwerfer mutiert und blendete Palhuber dermaßen, dass er sich eine Ray-Ban-Brille bei Otto bestellte. Otto war sein illegitimer Vater. Behauptete diese zumindest. Man wird sehen müssen.
Palhuber druckste herum. Er machte auf unwissend, was ihm angesichts seines Senkfußes nicht sonderlich schwer fiel.
„Steuererklärung?“ Der Oberbademeister zuckte zusammen.
„Woll`n se mich verarschen“
„Nur wenn`s nix kostet.“
„Moment, muss ich nachschauen.“
Der Bademeister studiert aufmerksam das Waschetikett seiner Badehose.
„Nee, kost`nix.“
„Gut, dann will ich.“
„Is´in Ordnung, zwei Versuche noch.“
„GEZ?“ Sein Gegenüber lächelte mitleidig.
„Die ham`se doch für`s ganze Jahr bezahlt. So nicht. Einer noch.“
Palhuber kam nun wirklich ins schwitzen und zog seinen Angoraschal enger.
„Könn`se mir `nen Tip geben?“
„Zwofuffzig.“
„Kein Problem. Habe ich klein.“
„Quittung?“
„Nee, muss nich`.“
„Tretin.“
„Sie meinen Kretin?“
„Das auch, aber wirklich Tretin. Mit T. Wie Torfdrottel.“
„Joker.“
„Nicht vor 23.00 Uhr.“
„Mist.“
„War das die Antwort?“
„Nein, nur nur der Mädchenname meiner Mutter.“
„Na dann. Noch 20 Sekunden. Tick-Tack.“
Palhuber wusste, dass dies seine letzte Chance war, ahnte aber nicht einmal ansatzweise, was der Rotbehoste von ihm wollte. Er setzte alles auf eine Karte.
„Das Sexualleben der roten Waldameisen auf Usedom unter
Berücksichtigung der latenten Polkappenschmelze an ungeraden Wochentagen und während der Aktionswochen bei Aldi-Süd.“
„Schade, schade, knapp vorbei. Das wäre die Antwort gewesen, wenn ich morgen gekommen wäre. Sie hatte ihre Chance.“
Der Verhörscheinwerfer mutierte wieder zum Blinklicht. Blau diesmal und mit Ton. Huiii, Huiiiiiii, Huiii.
Mit einer anmutig wirkenden Bewegung zog der Oberbademeister einen Revolver aus der Badehose und schoss Palhuber in den Kopf.
„Verdammt, wer wischt die Sauerei bloß wieder auf?“, rief dieser noch, bevor er rücklings in die Rabatten kippte.
Der Oberbademeister verbrannte sich einen Teil seiner Beinbehaarung, als er sich die noch heiße Waffe wieder in die Hose stopfte. Er fluchte gotterbärmlich.
Es roch plötzlich nach Trockenhaube.
Dann stand er auf und winkte seinen Assistenten, die daraufhin rhythmisch schenkelklatschend und mit dem Zeigefinger im rechten Ohr des Vordermanns die Küche verließen.
„So ein Idiot. Schmeißt eine Pfandflasche in die Mülltonne. Und ich sag noch: Tretin. T R E T I N,“ buchstabierte er.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.10.2008, 18:39

Oh Mann, ist das herrlich schräg, skurril und verrückt! :mrgreen:
Hab mich köstlich amüsiert dabei. :spin2:
Lachende Grüße
Gabriella

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.10.2008, 22:20

Hey, das find ich auch gelungen (minimal ist mir die Passage hier zu lang:

Könn`se mir `nen Tip geben?“
„Zwofuffzig.“
„Kein Problem. Habe ich klein.“
„Quittung?“
„Nee, muss nich`.“


Ansonsten find ich das auch schön, erinnert mich an Fahrenheit 451 - die Welt(-struktur), in der das stattfindet, ähnelt der hier.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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