Der freie Wille

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 07.10.2008, 10:51

Der freie Wille
ist ein alter Hut -
auf einer Stange?

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 07.10.2008, 12:04

Hallo Merlin,

ich will immer lesen:
von der Stange

was mir dann auch inhaltlich einen Zugang ermöglicht, den ich interessant finde.

Bei "auf einer Stange" stehe ich auf dem Schlauch, vielleicht hilft mir jemand runter. Ich kenne nur Hühner auf der Stange. :12:

liebe Grüße smile

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 07.10.2008, 12:34

Hallo Smile,

mir fällt der "Tell" ein ;-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 07.10.2008, 17:15

Der war auch gemeint.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 07.10.2008, 22:28

Hallo Merlin,

mmmh, also das wirft für mich zwei Fragen auf:

1. Sollte ein Text nicht aus sich selbst heraus bestehen können?
2. Wenn der Bezug zu einem anderen Text (oder einem tatsächlichen Vorfall, geschichtlicher Hintergrund etc.) derart wichtig ist für den eigenen Text, dass der Leser ohne ihn den Text nicht verstehen kann, bzw. eigentlich nur falsch, sollte man ihn dann nicht benennen?

Natürlich kannst du jetzt sagen, das muss doch jeder wissen und auch drauf kommen... :pfeifen:

Wenn ich den Text jetzt aber auf Tell beziehe, dann funktioniert er für mich trotzdem nicht.
Ich las diesen Passus: Der freie Wille ist ein alter Hut
zu erst einmal nur auf die Redewendung hin, "das ist ein alter Hut", sprich: nichts Neues/ eine Floskel
durch die Wendung: auf einer Stange, wird der Hut aber bildhaft, also der hängt der freie Wille auf einer Stange? Und da hilft mir dann Tell auch nicht weiter, weil ich auch mit ihm keine Interpretation finde, die mich anspricht, die mir etwas sagt. Muss ja aber auch nicht, nächstes Mal wieder. ;-)
("von der Stange" hätte mir aber sehr gefallen, oder auch "der freie Wille ist ein altes Huhn" :o))

liebe Grüße smile

Oldy

Beitragvon Oldy » 07.10.2008, 22:35

Hallo,

ich kann leider auch keinen Bezug zu Tell herstellen. Da ist nichts, was mich als Leser auf diesen Pfad führt.
Nun, wo du den Tell ins Spiel gebracht hast, versuche ich das kleine Werk in dieser Verbindung zu sehen.
Es funktioniert zumindest bei mir nicht.
Fernab vom Tell zum Text.
Warum "auf der Stange?"? Willst du mir als Leser etwas mitteilen oder erwartest du eine Antwort?

Ich komme nicht dahinter.

lg
Oldy
Zuletzt geändert von Oldy am 08.10.2008, 15:54, insgesamt 1-mal geändert.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 07.10.2008, 22:55

Hallo nochmal :-)

Also die Formulierung "auf einer Stange" ist doch wörtlich aus dem Tell: III,3: Wiese bei Altorf. Im Vordergrund Bäume, in der Tiefe der Hut auf einer Stange. Und wenn diese Verbindung erst mal da ist, dann kann man weiterdenken... dem Hut muss Referenz erwiesen werden, als wäre er die Person, der eigentlich... und also dem freien Willen... Na ja ;-) Also ich kann mir da durchaus Sinnbezüge vorstellen!

Ferdigruß :-)
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.10.2008, 23:11

Hi Merlin,

Tell hin oder her (ich hab den Tell-Text auch nachgelesen), für mich macht dein Text viel mehr Sinn, wenn da stünde:

Der freie Wille - ein alter Hut von der Stange

Das wäre für mich ein überspitzter Aphorismus.
Saludos
Mucki

Maija

Beitragvon Maija » 08.10.2008, 07:50

Hallo Merlin,

Also auf Tell wäre ich nie gekommen und ich fragte mich: "auf einer Stange"?
Vielleicht etwas mehr Zeilen und deine Idee kann jeder verstehen. Die Idee finde ich super! ;-)

Lg., Maija

Wolfsskin

Beitragvon Wolfsskin » 08.10.2008, 09:50

Guten Morgen lieber Nachbar,
mal nach Siegburg winke..

dies ist mein erster Beitrag und ich möchte es mal so ausdrücken.
Zuerst dachte ich auch, auf einer Stange? Was soll das denn sein?
Mir ist wurscht woher das kommt oder welcher Bezug hergestellt werden soll. Ich sehe diese kurzen Worte und versuche einen Zugang zu finden.
Dreh- und Angelpunkt ist für mich der freie Wille.
Den freien Willen kann ich nicht von der Stange kaufen, aber er balanciert sehr wohl auf einer Stange, ohne festen Grund und jederzeit durch andere zum Absturz zu bringen.
Der alte Hut passt ja auch. Man trägt ihn immer noch, weil man glaubt, er wäre noch zeitgemäß. Doch in Wirklichkeit wird nur über ihn gelacht.

Also für mich ein Aphorismus, über den man nachdenken muss, um den tieferen Sinn dahinter zu erkennen.

Wünsche einen schönen Tag

Wolfsskin

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 08.10.2008, 10:10

@Wolfsskin
*zurückwink*
Äh... kann man im Siebengebirge wohnen? Im Milchhäuschen? Auf dem Petersberg? Oder gar in der Löwenburg oder der Drachenhöhle? :-)
Hm, das ist zwar in Bezug auf die Stange nicht die Interpretation, an die ich gedacht hatte, passt aber durchaus auch. Schön! :-)
Den "alten Hut" dagegen hast du sehr in meinem Sinn ausgelegt.

@Rest
Dieser Text war ein Experiment. Es ist ja nicht immer leicht, zu erkennen, was allgemein verständlich ist und was nur für den eigenen Kopf zusammenhängt. Ich hielt den "Hut auf der Stange" für eine geläufige Redewendung. Offenbar ist aber der Kommunikationsversuch in diesem Fall fehlgeschlagen, daher nun die Erläuterung (die ferdi ja im Grunde schon angedeutet hat):
Im "Tell" vertritt ein Hut auf einer Stange die Stelle des nicht gegenwärtigen Fürsten, also des Oberhauptes eines Gemeinwesens. Wer ihn sieht, hat ihn an seiner statt zu grüssen, mit entblößtem Haupt und gebeugtem Knie - er ist also Platzhalter und - überspitzt gesagt - Kultstätte für etwas, was nicht da ist. Die moderne Hirnforschung versucht häufig, den freien Willen als eine Art illusionärer Selbstinterpretation darzustellen. Aus dieser Sicht ist bei diesem altehrwürdigen Begriff, der seit so langer Zeit die Grundlage des westlichen Denkens (und vielleicht überhaupt der menschlichen Selbstwahrnehmung) ausmacht und der in so vielen gelehrten Abhandlungen breit behandelt wird, "nichts dahinter". Das, was nach unserer Selbstauslegung die Oberherrschaft über unser Handeln hat, ist also nur ein Stellvertreter, ein Symbol - wie der Hut auf der Stange.
Das für mich eigentlich Interessante an diesem Bild ist natürlich, dass es den Fürsten im Tell ja tatsächlich gibt.
Ich denke mal darüber nach, wie man das klarer machen könnte - hat jemand eine Idee?
Zuletzt geändert von Mnemosyne am 08.10.2008, 16:03, insgesamt 1-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 08.10.2008, 15:14

Hallo Mnem,

also bei mir (als ungemein belesene Germanistin :engel2: ) hat der Text deshalb nicht funktioniert, weil ich einfach die Referenz nicht verstanden habe (Tell nicht gelesen). Wenn man den Hintergrund aber hat, dann glaube ich, dass der Text doch auch wunderbar funktioniert. Wahrscheinlich wird das nicht bei der Mehrheit der Leser der Fall sein - aber nun ja, muss es das ? In diesem Fall finde ich: nein. Weil die Referenz ganz konkret ist.

Was dem Text helfen könnte, abgesicherter zu sein, wäre vielleicht (zudem weil der Text kaum lyrischen Charakter hat) ihn zu einem Aphorismus zu machen. Erstens könntest du dir überlegen in Satzform noch einen mehr oder weniger (je nach Geschmack) expliziten Verweis auf den Tell einzubauen, zum zweiten finde ich, dass Aphorismen ja oft mit der Geste der Herablassung arbeiten, einen gewissen Dünkel haben, die aufgrund ihrer Gewitzheit oder Verstandesschärfe sympathisch/positiv wirkt. Darum könnte ich mir vorstellen, dass so ein Text, der auf nicht so viele trifft, die den Verweis kennen, dadurch gesicherter wäre?

Mir gefällt das jedenfalls gut.

Übrigens:

Das für mich eigentlich Interessante an diesem Bild ist natürlich, dass es den Fürsten im Tell ja tatsächlich gibt.
Ich denke mal darüber nach, wie man das klarer machen könnte - hat jemand eine Idee?


Ich finde, der Vergleich geht auf - im Vergleich ist der König ja nicht da und wie ich vermute ist es darum ja gerade im Tell witzig, weil es das königliche Gehabe (das Leere daran) ironisiert/bloß stellt - in diesem Sinne meint der Vergleich schon konsequent etwas nicht Vorhandenes..und das passt ja auch auf deinen freien Willen übertragen?

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Beitragvon Zefira » 08.10.2008, 15:42

Vielleicht fällt Dir noch eine Entsprechung für den "Apfel auf dem Kopf" ein?
Dann wüsste man sofort, was mit dem Hut auf der Stange gemeint ist ...

Ich (als ungemein belesene Nichtgermanistin :mrgreen: ) habe es zwar verstanden, aber das ist wohl mehr Zufall; heute abend hätte ich es vielleicht schon wieder nicht verstanden, wenn Ms. Alzheimer zurückkehrt ...

Gruß von Zefira
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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 08.10.2008, 16:10

@Zefi
Sag ihr dann doch bitte, sie möge kurz bei mir anrufen, um mitzuteilen, dass sie gut angekommen ist. Wobei ich eigentlich noch gar nichts davon weiß, dass sie abzureisen plante. Muss mir wohl entfallen sein.
Jedenfalls ist es eine gute Idee, den Apfel mit herein zu bringen. Mal sehen, ob mir was dazu einfällt.

@Lisa
Danke für die Rückmeldung. In seiner jetzigen Form ist das wohl wirklich "Humor für Minderheiten". Zefira hat eine gute Anregung gegeben, einen Verweis zu bringen, ohne zu explizit zu werden, also doktore ich da gleich mal ein wenig dran herum.


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