Lisa hat sich gewünscht ein wenig mehr über Bastian, den Freund von Paul zu erfahren. Hier folgt also eine Vorstudie zu meinem "Roman". Eigentlich sollte es eine Kurzgeschichte werden, aber ich konnte, als ich erst einmal angefangen hatte, nicht mehr mit dem Schreiben aufhören. Das ist nun allerdings schon viele Jahre her. Viel Spaß beim Lesen:
Der Winter ist in Essen keine schöne Jahreszeit. Nicht, dass es zu anderen Jahreszeiten in dieser hässlichen Großstadt schöner gewesen wäre. Aber nach dem verregneten Frühling, dem stickigen, schwülen Sommer und dem nasskalten Herbst sank die Seele mit Beginn des grauen Winters in abgründige Tiefe. Die Essener Wintermonate zeichneten sich Jahr für Jahr durch einen bleigrauen Himmel, bittere Kälte und regelmäßigen Schneeregen aus, der eigentlich nur zu fallen schien, um die Einwohner der Einkaufsstadt auch noch mit schmutzigem Schneematsch und lästigem Glatteis zu traktieren. Bei den ständig um den Gefrierpunkt herum oszillierenden Temperaturen konnte sich keine weiße Winterpracht entfalten. Und wenn es einmal kalt genug für eine ordentliche Schneedecke war, dann schlossen sich die Pforten des Himmels, der dennoch von einer soliden Wolkenschicht verdeckt blieb. Wurde es dagegen wieder etwas wärmer, so begann es auf der Stelle in Strömen zu regnen. Die reicheren Essener flohen also, sobald es ihnen ihre Geschäfte erlaubten, in den sonnigen Süden. Sie überwinterten in Spanien, Italien, Portugal oder sogar in Afrika, nur um den grauenhaften Essener Wetterbedingungen zu entkommen. Die ärmeren Essener dagegen zogen sich in ihre Wohnungen zurück und schauten unablässig Fernsehen. Sie liebten die bunten Soap-Operas, die unerträglich peinlichen Talk-Shows und die langweiligen Game-Shows ebenso wie die dumpfen Hollywood-Produktionen, die ihnen die privaten Sender Abend für Abend auf die Bildschirme projizierten. Trotz der fast sechshunderttausend Einwohner gab es deshalb selbst an einem Freitagabend kaum einen Menschen, der freiwillig auf die Straße gegangen wäre. Sofort nach Geschäftsschluss stürmten die Essener mit ihren Einkäufen nach Hause, wo sie sich erschöpft von den Massen in den Kaufhäusern erholten, indem sie sich auf ihre Fernsehsessel fallen ließen. Die Innenstadt, von den Einheimischen in einem Anfall von Zynismus auf den Namen City getauft, war dann so gut wie ausgestorben. Nur die Junkies, die Schlepper und Dealer sowie die heroinsüchtigen Prostituierten auf dem Babystrich belebten dann die Einkaufsstraße und das Bankenviertel nördlich des Bahnhofs. Allein die Sucht und die Notwendigkeit des Geldverdienens ließen diese ungeliebten Bürger im unablässig fallenden Regen, in der schneidenden Kälte und im kotbraunen Schneematsch ausharren, auf der Suche nach dem nächsten Schuss oder dem nächsten Freier. Doch je älter das Jahr wurde, desto seltener wurden auch diese schattenhaften Gestalten im Einzugsbereich der hell erleuchteten Kaufhausfenster.
Schon vor mehreren Jahrzehnten hatten die Stadtväter die unselige Idee, dem unsäglichen Winter mit heller Straßenbeleuchtung entgegenzustrahlen. Zu diesem Zweck erfanden sie die Essener Lichtwochen, bei denen unter einem jährlich wechselnden Motto die Hauptgeschäftsstraßen mit themenbezogenen Lichterketten überspannt wurden. Die Lichtwochen wurden jedes Jahr mit einem Festakt eingeleitet, und die schlechten Tageszeitungen der Region berichteten in der ihnen eigenen Mischung aus Rentner- und Kindersprache von diesem Ereignis. Jedes Jahr erwähnten diese wenig lesenswerten Gazetten genau, wie viele Glühbirnen benutzt werden würden und wie viele Meter die Lichtgirlanden, hätte man sie aneinandergelegt, messen würden. Für die Dealer und Junkies bedeuteten sie kaum eine Störung, denn nach Geschäftsschluss war die Innenstadt sowieso menschenleer, ob nun mit oder ohne Lichtwochen.
Für Paul waren die Feierlichkeiten zur Eröffnung der Lichtwochen ein Anlass tiefer Trauer, denn mit ihnen war der Herbst endgültig zu Ende gegangen und der Winter, mit seinen Weihnachtseinkaufmassen und dem schlechten Wetter stand bevor. Da half es ihm auch nicht, dass seine Freundin, Melanie, die gerade in Spanien studierte, und mit der er jeden Donnerstag telephonierte, ihm erzählte, dass in Sevilla noch Sommer sei und sie am Wochenende zum Meer fahren würde. Auch, dass sie viele Freunde in Spanien gefunden hatte – etwa ihre Nachbarn, einen Holländer und einen Schotten –, war ihm nicht wirklich recht, denn er wanderte jeden Abend einsam durch die verlassenen Straßen der Stadt, ohne zu wissen, was er eigentlich suchte. Tagsüber ging er in die anonyme Universität, wo er Germanistik und Anglistik mit großem Ehrgeiz und ohne klares Ziel studierte. Es war die Bochumer Ruhr-Universität, für die er sich nicht aus Überzeugung entschieden hatte, sondern um mit seiner Freundin zusammenbleiben zu können, die ihr Studium ein Semester vor ihm an der Fakultät für Philologie begonnen hatte. Wenn er, so wie jetzt, durch die Straßen des Südviertels lief, in leere Dönerbuden und schlechtbesuchte Kneipen guckte und sich wunderte, wie in einer Großstadt mit mehr als einer halben Millionen Einwohnern so wenig Menschen unterwegs sein konnten, dann fragte er sich oft, warum er nicht so mutig gewesen war wie seine Freunde Bastian und Kuno. Es schien ihm, dass die Entscheidung für seine Freundin und gegen das Leben in einer wirklichen Studentenstadt irgendwie ein Betrug an seinen Idealen gewesen war, denn letztlich wollte er das Leben genießen und möglichst viele schöne Mädchen kennen lernen. In Essen gab es einfach keine schönen Mädchen und wenn, dann waren sie entweder von einer Heerschar lediger Männer umgeben oder spielten Tag und Nacht in einem der versnobten Tennisclubs, um abends mit ihrer besten Freundin oder ihrem Trainer ins Kino zu gehen. Er hörte hinter sich in der Straße Schritte und drehte sich um. Eine Rentnerin mit einem Dackel wechselte die Straßenseite. Wahrscheinlich hatte sein wilder Blick sie in die Flucht geschlagen. Er hatte lange Haare, die von einem Haargummi im Nacken zusammengehalten wurden und trug eine rote Lederjacke – tatsächlich war es eher ein Lederimitat – aus den siebziger Jahren. Ein blauer Sweater, Jeans und abgelaufene Docks vervollständigten seine Erscheinung, die sich kaum von der eines typischen Junkies unterschied.
„Ich hätte mit Bastian nach Tübingen gehen sollen“, murmelte er vor sich hin, bevor er merkte, dass er nun auch schon Selbstgespräche führte. Bis auf ihn selbst hatte nur die alte Frau mit dem Dackel etwas gehört. Sie drehte sich ängstlich um, starrte misstrauisch zu ihm herüber und bog dann in eine Seitenstraße ab. Bastian, sein bester Freund, hatte zum Wintersemester ein Studium der Chemie in Tübingen aufgenommen und Paul vermisste ihn sehr, fast noch mehr als seine Freundin. Immerhin war sein bester Freund nicht nur ausgesprochen klug – er hatte eine Griechischwettbewerb gewonnen und war in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen worden –, sondern auch ein unverbesserlicher Schwerenöter und Frauenheld. Wenn er, was selten genug vorkam, bei Paul anrief, dann erzählte er ihm von immer neuen Mädchen, die ihn so sehr beanspruchten, dass er kaum mehr zum Studieren kam. Am Donnerstagabend traf er beispielsweise immer eine ausgesprochen schöne Stuttgarterin, die extra seinetwegen nach Tübingen fuhr. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und hatte es nur darauf abgesehen, den vier Jahre jüngeren Bastian flachzulegen. Außerdem bekam er des öfteren Liebesbriefe von einem erst sechszehnjährigen Mädchen, dem er für ein kleines Saxophonsolo am Frankfurter Hauptbahnhof eine Zigarette abgeschnorrt hatte. Sie hatte sich sofort in ihn verliebt und monatelang in allen Zeitungen des Ruhrgebiets Annoncen aufgegeben, um ihn zu finden. Bastian hatte sie natürlich sofort vergessen, zumindest so lange, bis ihn der pensionierte Ehemann seiner ehemaligen Musiklehrerin – ein Richter a. D. und Vater einer höchst strebsamen Tochter – anrief und von einer Anzeige berichtete, in der ein Bastian aus Essen gesuchte werden, der Saxophon spielen würde. Paul kam bei Bastians Eroberungen gar nicht mehr mit, denn Bastian hatte in einem halben Semester mehr Frauen verführt, als Paul in seinem ganzen Leben geküsst hatte, und das machte ihn ein wenig neidisch.
Es begann zu regnen und Paul, der keinen Regenschirm bei sich hatte, beschloss, in seine völlig überteuerte, hässliche Einzimmerwohnung zurückzukehren, deren Fenster sich ausschließlich zur stark befahrenen Hohenzollernstraße hin öffneten. Kuno, ein ehemaliger Klassenkamerad und nun sein Freund, hatte ihn für verrückt erklärt, als er das erste Mal diese Absteige direkt über der Musikalienhandlung Bläsel gesehen hatte. Wahrscheinlich aus Trotz war Paul dort wohnen geblieben und zahlte jeden Monat fast sechshundert Mark für einen Raum, der garantiert nicht die dreißig Quadratmeter maß, die die Hans Hahne KG ihr in der Wohnungsanzeige zugeschrieben hatte. Aber auch Kuno, mit dem Paul stundenlang Schach spielen konnte, ohne je zu gewinnen, war schon längst aus Essen weggezogen. Er schrieb ihm gelegentlich ästhetisch wertvolle Briefe, mit Tusche auf teurem Papier, in denen er von den Altbauwohnungen und den Feten seiner Wahlheimat Weimar berichtete. Er müsse zwar sehr viel zeichnen und ständig Nachtschichten einlegen, um seine Modelle zu bauen, denn er studierte schließlich Architektur an der Bauhaus-Universität, aber in seiner spärlichen Freizeit traf er sich mit seinen Kommilitonen, von denen viele schon zu guten Freunden geworden waren. Paul öffnete die Tür zu seinem kleinen Apartment und hatte mit einem Schritt den winzigen Flur durchschritten. Ein Blick auf den Anrufbeantworter verriet ihm, dass wieder niemand angerufen hatte. Er beschloss, um nicht völlig vereinsamt und schlaflos ins Bett zu sinken, seine Freundin in Sevilla anzurufen. Es war schon halb elf und ein Anruf war für diesen Tag gar nicht vorgesehen, aber möglicherweise würde seine Freundin ihn auf andere Gedanken bringen. Er wählte die lange Nummer, die er immer noch nicht auswendig kannte, und hörte dem Signalton zu. Hunderte von Kilometern in südwestlicher Richtung klingelte ein Telephon.
„Ola!“
Es war Christiana, die deutsche Mitbewohnerin seiner Freundin, die selbst wenn sie Spanisch sprach ihre langgezogene, immer ein wenig kläglich klingende Stimmelodie beibehielt.
„Hallo Christiana“, sagte Paul und zündete sich eine Zigarette an, „Ist Melanie zufällig in der Nähe?“
„Melle?“ kam es nach kurzem Zögern vom anderen Ende der Leitung zurück. „Ich glaub’ schon.“
Im Hintergrund hörte Paul verschiedene Stimmen und fröhliches Gelächter. Englische und spanische Sprachfetzen klangen wild durcheinander.
„Einen Moment!“
Er hörte, wie Christiana Melanies Namen rief. Als diese sich meldete, klang ihre Stimme aufgeraut und ein wenig zu heiter, zumindest nach Pauls Geschmack.
„Hallo Paul, schön, dass du anrufst, wir sitzen hier gerade so nett zusammen und trinken Martini. Der ist ja wirklich lecker. Unsere Nachbarn sind auch hier und haben uns gerade zu einem Nudelessen eingeladen. Ich hab’ dir doch schon von den beiden erzählt. Der eine ist ein Schotte, so ein richtiger kleiner Jungen noch, erst neunzehn, aber total lieb, und der andere ist ein Holländer, Hilbert heißt der. Ein Wirtschaftswissenschaftler. Der spricht aber trotzdem auch Deutsch. Mit so einem komischen Akzent. Wenn der spricht, denkt man immer, er wäre ein kleines Kind…“
„Äh, hallo Melanie“, unterbrach Paul die quäkende Stimme seiner Freundin, die in den Hochfrequenzen ihres Redeschwalls kaum Platz für eine Begrüßung gelassen hatte, „seit wann trinkst du denn Martini?“
„Wieso“, kam es jetzt eine Oktave tiefer aus Sevilla zurück, „ich hab’ doch schon immer gerne getrunken.“ Melanie klang jetzt etwas beleidigt.
„Also, wenn ich mit Bastian einen draufmachen will, bist du doch diejenige, die mich kritisiert, weil ich angeblich so eine Fahne habe.“ Paul war jetzt etwas gereizt, weil er Melanie die fröhlich Runde nicht gönnte, während er in seinem Essener Loch saß.
„Ach, Bastian ist auch da?“, fragte sie verwundert.
„Natürlich nicht“, entgegnete Paul wütend, „der studiert doch in Tübingen. Du weißt doch, dass ihr mich alle hier zurückgelassen habt. Der rennt jetzt wahrscheinlich auf irgendeiner Erstsemesterparty herum und verführt irgendwelche minderjährigen Arzttöchter.“
„Ja, richtig … ich bin so ein bisschen beschwipst. Bestimmt gehst du mir immer fremd. Bist du mir denn auch treu?“
„Ich kenne doch überhaupt niemanden. Selbst wenn ich wollte, könnte ich dich nicht betrügen. Außerdem weißt du ja, dass ich die lieb hab’.“
„Dann könntest du das ja auch ruhig mal sagen“, entgegnete Melanie.
„Hab’ ich doch gerade.“ Paul merkte, dass Melanie ihm gar nicht mehr zuhörte, denn im Hintergrund wurden die verschiedenen Stimmen lauter.
„Was hast du gesagt?“ meldete sich Melanie wieder zurück. „Die anderen wollen gerade weggehen.“
„Ach so …, dann wünsche ich dir einen schönen Abend. Und trink nicht mehr so viel, sonst kommst du noch auf dumme Gedanken.“
„Jetzt bist du beleidigt!“ Melanies Stimme stieg wieder um eine große Terz in die Höhe. „Ich kann mich doch hier nicht von allen anderen abgrenzen, nur weil du alleine bist. Außerdem bist du daran ja selbst schuld. Du bist einfach zu arrogant und stellst viel zu hohe Ansprüche an die Menschen.“
„Du hast ja recht“, lenkte Paul ein, „aber deshalb musst du ja nicht gleich wieder so persönlich werden. Du weißt genau, dass die Situation ein bisschen komplizierter ist, und Kuno und Bastian sind nicht aus Essen weggezogen, nur weil ich so arrogant bin.“
Von draußen hörte Paul das Summen des CE45 Busses Richtung Baldeneysee. Dort würde jetzt sicherlich kein Liebespaar mehr spazieren gehen, das Wetter war viel zu schlecht. Dabei konnte man nachts bei starkem Wind auf der Schleuse sehen, wie die Gischt und der Regen wunderschöne Muster in das Licht der Laternen zeichneten. Schon oft hatte er dort gestanden und sich überlegt, dass er sich nun eigentlich Gedanken über sein Leben hätte machen müssen. Aber die tatsächlichen Gedanken und Entscheidungen waren ihm dort nie zugefallen. Der Wind hatte sie mit sich davongetragen…
Er merkte plötzlich, dass er den Ausführungen seiner Freundin gar nicht mehr gefolgt war. Längst hatte sie alle negativen Seiten seines eigenbrötlerischen Charakters vor ihm entfaltet und analysiert. Dies hatte sie mit so viel Anteilnahme getan, dass ihr dabei die Tränen gekommen waren. Da das Gespräch zudem viel zu teuer zu werden drohte, fiel es Paul schwer, sie noch zu trösten. Er entschuldigte sich vielmals für all seine Schwächen, versprach Besserung und schwor ihr, sie immer zu lieben. Als er aufgelegt hatte, lauschte Paul eine Weile den Klängen der Großstadt. Auf der Hohenzollernstraße fuhren einige Prolls Rennen mit ihren aufgemotzten Wagen, ein paar Betrunkene liefen laut singend unter seinem Fenster vorbei und seine Nachbarn zur Linken hörten laut Musik. Der Nachbar auf der anderen Seite des Flurs schaute einen Actionfilm mit zahlreichen lauten Explosionen und über sich hörte Paul das laute Stöhnen einer Frau und das regelmäßige Quietschen einer Matratze. Seltsamerweise konnte man den dazugehörigen Typen nicht hören. Ob der sich so sehr beherrschte? Oder schämte er sich gar für die seltsamen Laute seiner Lust?
Paul legte eine CD mit Backing Tracks ein, nahm seine rote Gitarre und stimmte in die Essener Großstadtkakophonie ein. Nach einigen immergleichen Blues-Licks lehnte er die Gitarre wieder an die Wand, zündete sich eine Zigarette an und stellte sich in der Kochnische auf die Tapezierleiter, um beim Rauchen aus dem Fenster schauen zu können. Die Straßen waren einigermaßen leer, die meisten Parkplätze unbesetzt – was wahrscheinlich in keinem anderen Essener Stadtteil um diese Uhrzeit der Fall war – und von den Junkies und Pennern im Stadtpark war nichts zu hören.
Für das Wochenende hatte sich Bastian angekündigt. Es war ein kalter Freitag im November, und der bleigraue Himmel des Ruhrgebiets drückte von oben auf die Häuser der großen Kleinstädte und der mittleren Großstädte. Ein leichter Nieselregen fiel unablässig hernieder und durchnässte die Kleidung der verstimmten Essener. Nur Paul hatte gute Laune, denn an diesem Abend würde Bastian ihn besuchen. Sie wollten ein wenig plaudern und dann durch die Kneipen ziehen. Da die Studenten gerade gegen die Erhebung von Studiengebühren streikten und ihren Protest durch gezieltes Zuhausebleiben ausdrückten, hatte Paul an diesem Tag gar nicht erst das Bedürfnis gehabt, früh aufzustehen. Er lag noch am frühen Nachmittag in seinem Bett, trank eine Tasse Kaffee nach der anderen, aß Butterbrote und las abwechselnd in zwei Dissertationen. Beide Autoren hatten bei Pauls Professor studiert, aber während der eine angepasst über die Lieblingstheorien seines Doktorvaters geschrieben und so ein langweiliges Werk mit dem scheußlichen Titel „Literatur als System“ fabriziert hatte, war der andere wesentlich kreativer. Seine Promotion hieß „Der Eros in der schönen Literatur“ und beschäftigte sich mit der Analyse von literarischen Beschreibungen des Geschlechtsaktes von Platon bis in die Gegenwartsliteratur. Das Wort „Stellensuche“ bekam so eine ganz neue Bedeutung, denn Herbert Becken hatte zahlreiche literarische Werke ausschließlich nach scharfen Sexszenen durchsucht. Paul gefiel dieser Ansatz ausnehmend gut. Da einige der beschriebenen Situationen durchaus ihre Wirkung auf ihn hatten, verbrachte er einige angenehme Stunden, bis irgendwann am späten Nachmittag das Telephon klingelte und Bastian in seiner typisch hektischen Art verkündete, dass er bald vorbeikommen würde. Er müsse zuvor nur noch mit seiner Familie zu Abend essen. Während Bastian nämlich nach außen keine Anstandsregeln für sich gelten ließ und als rauchender und saufender Verführer und Schwerenöter das Geld der Studienstiftung durchbrachte, war er gleichzeitig zu Hause der liebe Sohn, der zu Weihnachten die Hausmusik der Familie mit seiner Klarinette unterstützte. Seine unattraktive, aber nicht weniger zügellose Schwester spielte dann auf ihrer Geige und sein älterer Bruder begleitete das ganze virtuos auf dem Klavier. Paul rechnete also damit, noch mindestens zwei Stunden Zeit zu haben, um sein Zimmer aufzuräumen, sich zu duschen und für den Abend vorzubereiten. Zunächst exzerpierte er jedoch noch einige vollkommen irrelevante und nichtssagende aber gleichzeitig politisch tendenziöse Stellen aus der Dissertation des Langweilers, um nachher jederzeit auf diese ärgerlichen Aussagen zurückgreifen zu können. Gegen halb neun klingelte es dann endlich und es war natürlich Bastian, denn sonst hatte schon lange niemand mehr den Weg zu Paul gefunden. Er legte also den Roman von Adalbert Stifter, in dem er gerade geblättert hatte, zur Seite und erwartete seinen besten Freund an der Wohnungstür.
„Mein Gott“, rief ihm der gutgelaunte Bastian schon aus dem Treppenhaus entgegen, „wie kannst du nur in so einem hässlichen Haus leben?“
„Das frage ich mich auch“, entgegnete ihm Paul, dem die Stifterlektüre auf das Gemüt geschlagen war, „manchmal wünschte ich, ich könnte mich auf ein österreichisches Landgut zurückziehen, Blumen züchten, Mineralien sammeln und mich über meinen wunderschön reaktionären Haushalt freuen.“
Die beiden umarmten sich in der Tür und gingen dann in das kleine Zimmer.
„Willst du vielleicht noch einen Kaffee?“ fragte Paul, aber sein ungeduldiger Freund lenkte ab.
„Lass uns lieber gleich in den Dreyer gehen, hier drin kriege ich ja sofort Depressionen. Ich muss dir unbedingt von Karin erzählen…“
„Du und deine Frauen“, unterbrach ihn Paul, „aber ein Weizen wäre schon nicht schlecht.“
Paul griff sich also seine rote Lederjacke, schaltete das Licht aus und folgte seinem Freund, der bereits in den schäbigen Hausflur hinausgetreten war. Ein Nachbar huschte schnell in seine Wohnung, um bloß niemanden grüßen zu müssen. Bastian nahm das zum Anlass, Paul über die typische Unfreundlichkeit der Essener zu belehren. Während Paul den Argumenten seines Freundes aus ganzem Herzen zustimmte, waren sie schon durch die gläserne Haustür gegangen, die das schönste am ganzen Haus war. Sie gingen linker Hand die Hohenzollernstraße entlang und wandten sich an der nächsten Kreuzung nach links. Einige hundert Meter weiter gab es eine Kneipe, die sicherlich zu den traurigsten in ganz Essen gehörte. Laut schallte ihnen die Schlagermusik entgegen, und durch die Fenster sah man in einen Raum, der wie ein typischer Hobbykeller aussah. Abgesehen von dem Kellner, der sich selbst mehr Biere zapfte als den drei Stammgästen, gab es hier nur noch einen Kalender aus dem Jahr 1991, der in erster Linie halbnackte Frauen zeigte, und eine Spielautomaten.
„Hier ist das Bier sicher billig!“ gab Paul zu bedenken. Bastian grinste.
„Da gehen wir beim nächsten Mal rein.“
Beiden war klar, dass es dazu niemals kommen würde, denn ihre Stammkneipe im Südviertel war der Dreyer und im Sommer oder später am Abend vielleicht noch das Klick.
Die beiden gingen in den Dreyer, in dem ein großer muskulöser Mann mit langen Haaren kellnerte. Wahrscheinlich war das der Pächter, denn er war eigentlich immer da. Obwohl Paul und Bastian, ja manchmal auch Paul und Kuno oder sogar alle drei mit Melanie regelmäßig vorbeikamen, schien der Pächter sie nicht sonderlich zu mögen. Nur einmal, als Paul mit seinen Einkäufen an der Kneipe vorbeilief und der Pächter damit beschäftigt gewesen war, vor dem Laden sein Motorrad zu warten, hatte er – wahrscheinlich ohne weiter nachzudenken – Paul einen Gruß zugerufen. Paul wären vor Rührung beinahe die Tränen gekommen. Aber an diesem Abend war der Dreyer fast ganz leer und der Kellner ging seiner Arbeit wieder besonders langsam und unfreundlich nach. Obwohl Paul und Bastian schon seit Jahren immer dasselbe bestellten, schien der Pächter sich das nicht merken zu können. In Pauls Ansehen stieg er jedoch allein durch die Tatsache, dass er, wenn noch keine Gäste da waren, gerne Steve Vai, Joe Satriani oder gar Deep Purple laufen ließ.
„He Meister“, rief Bastian so laut, dass sich die Köpfe der vier anderen Gäste sofort zu ihm herumdrehten.
Der Pächter, der natürlich genau wusste, dass es um ihn ging, ließ sich viel Zeit, ehe er gereizt herüberrief:
„Hier gibt es keinen Meister!“
Paul war das natürlich schrecklich peinlich, aber Bastian ließ sich nicht beirren.
„He Meister, wie immer!“
Trotz allem wollte der Pächter wohl auch etwas Geld verdienen. Er kam also hinter der Theke hervor und lehnte sich auf die Holzbrüstung, die ein Podest mit ein paar Tischen umfasste. An einem dieser Tische saßen Paul und Bastian.
„Und was is’ wie immer?“ fragte er gewohnt unfreundlich.
„Zwei Weizen bitte“, präzisierte Paul, der innerlich schon zum hundersten Male beschloss, nie wieder in den Dreyer zu gehen und außerdem auszuwandern.
Die beiden tranken zwei Runden, rauchten dabei Zigaretten und Bastian erzählte von Karin.
„Ich habe sie auf einer Uni-Party kennen gelernt. Das war an einem Mittwoch. Ich war schon ziemlich betrunken und deprimiert, weil Isabelle mich versetzt hatte…“
„Isabelle?“ unterbrach ihn Paul.
„Na ja“, informierte ihn Bastian, „das ist doch die kleine rothaarige Medizinstudentin, die ich gleich in der ersten Woche kennen gelernt habe.“
„Kennen gelernt?“ erkundigte sich Paul.
„Du meinst wohl, du hast mit ihr geschlafen.“
„Ja, aber wir haben uns nicht geküsst. Das wollte ich nicht. Und da war sie echt sauer und hat mich mitten in der Nacht rausgeworfen. Sie hatte so ein schönes Hochbett. Man konnte darauf liegen, sich in den Armen halten, ein wenig kiffen und denken, man sei das letzte lebende Pärchen der Gattung Mensch auf dieser Erde.“
„Wie bei Tom Sawyer. Da ist das Floss ja auch für eine Weile das Symbol für die Freiheit von jeglichen Pflichten. Der moderne Mensch ist auf der Flucht vor der Verantwortung. Aber warum wolltest du sie nicht küssen? Das erinnert mich irgendwie an Pretty Woman“, während er das sagte zog Paul bedeutungsvoll an seiner Zigarette.
„Der Film ist doch scheiße! Aber Karin, die hat mich einfach angesprochen, als ich da so deprimiert war und allein tanzte. Das war echt krass. Es lief gerade So Lonely, und ich war allein auf der Tanzfläche. Sie kam einfach an und fragte, ob ich mit ihr ins Bett gehen wollte.“
Paul schüttelte verwundert seinen Kopf.
„Dabei schwitzt du doch beim Tanzen immer so schrecklich… Und was hast du gesagt?“
Bastian nahm beleidigt einen tiefen Schluck aus seinem Weizenbierglas und schwenkte es danach hin und her.
„Meister, bring uns doch noch eins.“
Der angesprochene schaute finster zu den beiden Freunden herüber, brachte dann aber doch die nächste Runde. Bastian fuhr derweil fort.
„Was glaubst du wohl, was ich gesagt habe? Ich habe ihr gesagt, dass ich als guter Christ nicht einfach mit irgendeiner wildfremden Frau ins Bett gehe. Stell dir mal vor, die wird schwanger! Und Abtreibung ist doch eine Todsünde.“
Paul wollte schon etwas gegen Bastians notorischen Fundamentalismus einwenden, aber der ließ sich diesmal nicht unterbrechen.
„Wir haben dann über Abtreibung, ungewollte Schwangerschaften und radikale Abtreibungsgegner in Amerika diskutiert. Sie hat mich dabei immer so mit ihren großen Augen angeguckt. Weil es schon spät war, haben wir dann bei mir noch einen Kaffee getrunken und dann hat sie mir einen geblasen.“
„Was?“ Paul war fassungslos.
„Danach haben wir noch miteinander gepennt. Ich hab’ sie von hinten genommen und sie ist dabei so geil geworden, dass sie sogar pinkeln musste.“
„Was?!“ das war nun wirklich zuviel für Paul. „So was habe ich ja noch nie gehört. Sie hat in dein Bett gemacht?“
„Na ja“, Bastian wirkte etwas überrascht, „natürlich nicht so richtig, eher so ein paar Tropfen. Kennst du das denn überhaupt nicht? Das passiert eben manchmal, wenn Frauen etwas geil werden. Mit Sandra war das auch manchmal so.“
„Dann mach’ ich wohl was falsch“, Paul nahm einen tiefen Schluck aus seinem Weizen und wollte gerade nach dem Pächter rufen, aber der stand schon mit zwei vollen Gläsern und einem offenen Mund am Tisch. Die beiden hatten ihn gar nicht bemerkt.
„Die Runde geht auf mich“, rief Bastian. „Wo sollen wir denn jetzt hingehen?“
Er nahm einen ausgiebigen Schluck aus seinem Weizen.
„Wir könnten ins Klick gehen und schauen, ob Werner vielleicht da ist.“
Paul musste unwillkürlich lächeln. Werner war ein alter Mann, der schon etwas verwirrt war, und in einer heruntergekommenen Einzimmerwohnung an der Hohenzollernstraße wohnte. Die Wohnung war mit alten Möbeln, zahlreichen kaputten Gitarren und Ziehharmonikas und längst vergammelten Zeitschriften vollgestopft. Werner zog jeden Abend mit seiner Ziehharmonika um die Häuser, spielte seinen schaurigen Hit „Ich möchte ein Container sein“ in allen Kneipen und schnorrte dann sein Bier. Er war ausgesprochen freundlich und seine schief auf dem Kopf sitzende Schiffermütze gab ihm ein verwegenes Aussehen. Bastian, Kuno und Paul hatten einmal versucht, mit Werner in dessen Wohnung ein Lied zu komponieren, aber es war nichts dabei herausgekommen. Werner hatte ihnen jedoch Bier angeboten und behauptet, sein neues Lied würde auf der nächsten Stoppok-CD erscheinen.
Das Klick war leider genauso leer wie immer, und die attraktive Kellnerin mit dem ausladenden Dekolleté und dem Silberblick war natürlich ebenso langsam und launisch wie an jedem anderen Abend auch. Ob sie mit dem Pächter vom Dryer verwandt war? Bastian und Paul warteten jedenfalls geduldig, bis sie endlich an ihrem Tisch erschien. Zuvor hatte sie sich ungefähr eine Viertelstunde mit dem kahlrasierten DJ unterhalten, dem es ganz recht zu sein schien, dass keine Gäste da waren, die ihn sonst wahrscheinlich sowieso nur gebeten hätten, etwas weniger basslastige Musik aufzulegen. Paul hatte die Theorie, dass Technofans automatisch zu DJs wurden, weil ihre Nachbarn sich über kurz oder lang mit rechtlichen Schritten gegen den Lärm zur Wehr setzten mussten.
„Ja“, sagte die Kellnerin, atmete tief durch und drehte ihre Schielaugen zur Decke.
„Ich hätte gerne ein Kind mit dir“, säuselte Bastian, der schon etwas angetrunken war, mit seiner sanftesten Stimme. Offensichtlich war aber die technogestählte Schönheit schon etwas taub.
„Häh?“, ihre Brauen zogen sich bei diesem Laut gefährlich zusammen, und sie stemmte angriffslustig ihre Arme in die Hüften.
Paul versuchte die Situation zu entschärfen.
„Wir hätten gerne ein Alt und ein Weizen“, brachte er schüchtern vor.
„Und ich würde gern’ wissen, wie du heißt!“ rief Bastian dazwischen, aber die Kellnerin hörte gar nicht mehr hin. Wahrscheinlich war sie in Gedanken bei ihrem kahlköpfigen DJ, der gerade im eintönigen Takt seiner Musik zuckte wie eine von den vielen Essener Stadttauben beim Laufen auf dem mit ausgespuckten Kaugummis übersäten Innenstadtboden. Als das Bier kam, waren die beiden Freunde schon damit beschäftigt, sich eine Alternative zum Klick einfallen zu lassen, denn sie wollten das Personal ja schließlich nicht beim Flirten stören.
„Essen ist doch scheiße!“ brachte Bastian die Situation auf den Punkt.
„In Tübingen ist immer was los. Aber ich muss schon aufpassen, in welche Kneipen ich gehe, sonst treffe ich zu viele Mädchen, mit denen ich schon mal was hatte. Da fällt mir ein, wir könnten ja ins Café Central gehen und danach ins Platz. Was hältst du davon?“
„Auf das Central hab’ ich keine Lust“, sagte Paul, „da ist doch, außer in den Spielpausen vom Theater, nie was los.“
„Das stimmt“, willigte Bastian ein, „aber dann lass uns wenigstens ins Platz gehen.“
„Klar“, stimmte Paul zu, „ich muss nur eben zahlen.“
Er stellte sich an die Theke und hatte dort schon eine ganze Zigarette geraucht, bis die Kellnerin sich von ihrem zuckenden DJ gelöst hatte. Wie immer gab Paul zuviel Trinkgeld, was allerdings für die Kellnerin eine Selbstverständlichkeit zu sein schien, denn sie sagte noch nicht einmal danke.
Der übliche Essener Fisselregen hatte wieder eingesetzt, als die beiden Freunde sich Richtung Norden wandten und auf den RWE-Turm zuliefen.
„Das Ding ist doch wirklich eine scheußliche Symbolisierung von Macht. Früher waren die Kirchen die höchsten Gebäude der Stadt, um Gottes Allmacht auf Erden zu verdeutlichen. Dann begann der Staat, seine irdische Gewalt in Stein meißeln zu lassen. Und jetzt! In unserer gottlosen Zeit sind es die großen Konzerne, die unser Stadtbild dominieren.“
Paul redete in einem fort, bis sie den Hauptbahnhof erreichten. Fahrgäste gab es um diese Zeit kaum noch, dafür aber zahlreiche Drogensüchtige, die sich prompt den beiden Freunden zuwandten. Der übliche Spießrutenlauf begann, bei dem die Junkies ihre Drogen feilboten und Bastian oder Paul freundlich entgegneten:
„Danke, nein!“
„Heute mal nicht.“
„Drogenhandel ist doch unmoralisch.“
Während die Freunde einige der Schlepper schon oft gesehen hatten, schienen diese sich nicht daran erinnern zu können, dass die beiden noch nie Anstalten gemacht hatten, etwas zu kaufen. Bastian und Paul überquerten eine breite Straße und erreichten den Willy-Brandt-Platz hinter dessen Trostlosigkeit sich das Einkaufsparadies Essen erstreckte: die Kettwiger Straße. Jedes bekannte Bekleidungsgeschäft hatte hier zumindest zwei Filialen. Es war jedoch schon halb elf und abgesehen von ein paar Jugendlichen war kaum jemand unterwegs, wenn man von den schwarzen Dealern abgesehen hätte. Die Drogenhändler hatten die Innenstadt in Claims aufgeteilt und sich nach ethnischen Kriterien organisiert. Auf dem oberen Teil der Kettwiger standen zahlreiche afrikanische Dealer Spalier, sie trugen weite Hosen und Jacken, hatten Baseballkappen auf dem Kopf und gingen ihrem Geschäft mit größter Professionalität nach. Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen waren sie selbst nicht abhängig. Außerdem wussten sie genau, wer ein Kunde war und wer nicht. Sie ließen also Bastian und Paul in Ruhe durch ihr Revier laufen.
Die beiden Freunde waren tief in eine philosophische Diskussion verstrickt, als sie ungefähr in Höhe des Essener Münsters, neben dem auch ihre ehemalige Schule stand, links abbogen und über den Kennedy-Platz, einem charakterlosen Betonfeld, das von funktionalen Büro- und Verkaufsgebäuden umstellt war, auf den Salzmarkt zuliefen. Dort war ihre Stammkneipe, das Platz, in dem sie regelmäßig versackten, wenn alle anderen Alternativen ausgeschlossen worden waren. Das Platz war eine einigermaßen gemütliche Kneipe, in der abends gelegentlich auch größere Mengen von jungen Essenern ihr Bierchen tranken. Außerdem gab es immer wieder Zweiergruppen von Freundinnen, die sich nach langer Trennung hier trafen, um bei einer Tasse Tee von ihren Erlebnissen aus der großen weiten Welt jenseits von Essen zu berichten. Bastian und Paul setzten sich in den hinteren Teil des Lokals, neben eine geschmacklose Miniaturnachbildung des Empire State Building. Auch an diesem Abend saßen in der Nähe wieder zwei junge Mädchen aus gutem Hause bei einer Tasse Tee beisammen und rauchten französische Zigaretten. Der russische Kellner, ein nicht unfreundlicher Mann Anfang dreißig, der erst im Sommer nach Deutschland und dann auch noch ins Ruhrgebiet geraten war, aber seine anfänglichen Sprachschwierigkeiten schon gemeistert hatte, kam sofort an ihren Tisch und nahm ohne unnötige Schnörkel ihre Bestellung auf.
„Zwei Weizen, bitte.“
Kaum war der Kellner zur Bar gegangen, um die Bestellung auszuführen, da sprang Bastian auch schon auf, lief an den Tisch mit den beiden Mädchen und beugte sich mit seinem unwiderstehlichen Jungencharm zu den beiden herab.
„Äh“, grinste er entwaffnend, „könnt ihr uns vielleicht für fünfzig Pfennig zwei Zigaretten verkaufen? Wir wollen nicht gleich eine ganze Schachtel rauchen, aber schnorren ist ja auch blöd…“
„Behalt mal dein Kleingeld“, lächelte die jüngere der beiden, eine wohlproportionierte Blonde mit langen, glatten Haaren und einem Hippiehandtäschchen, indem sie Bastian die beiden Zigaretten hinhielt. Ohne zu zaudern, ließ sich Bastian am Tisch der Mädchen nieder und fragte sie – natürlich ohne auf Antwort zu hoffen – nach möglichen Szenediscotheken, die vielleicht in seiner Abwesenheit, er sei ja schon lange nicht mehr in Essen gewesen, aufgemacht haben könnten. Ehe die beiden noch protestieren konnten, waren sie schon in ein Gespräch über das desperate Nachtleben Essens verstrickt, und Paul, der bemerkte, dass der Kellner schon Anstalten machte, das Bier an den anderen Tisch zu bringen, musste nun auch, ganz gegen seine Gewohnheit, zum anderen Tisch hinüberwechseln. Zwei Runden später mussten Judith und Sabine leider gehen, aber Judith, die in Tübingen – welch holder Zufall – Medizin studierte, schrieb Bastian ihre Telephonnummer auf einen Bierdeckel, denn die beiden wollten unbedingt noch über eine bestimmte Form der Ribonukleinsäuren Klarheit gewinnen. Während Bastian so langsam in Hochstimmung geriet, war Paul etwas still geworden. Er war schon etwas betrunken, denn er vertrug nicht so viel wie Bastian, und die Aussicht auf seine nächtliche Einsamkeit in der schrecklichen Wohnung an der stark befahrenen Hohenzollernstraße machte ihn nicht eben glücklich.
„Wir könnten doch ins Roxy gehen!“ schlug er also seinem Freund vor, der gerade dabei war, nach anderen Mädchen Ausschau zu halten. Bastians Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Grimasse.
„Das Roxy ist doch nur etwas für Metal-Idioten“, sagte er schließlich und zündete sich wie zur Bestätigung eine weitere Zigarette an.
„Ja“, warf Paul ein, „aber du darfst nicht vergessen, dass auch ich eigentlich nichts anderes als ein Metal-Spack bin. Außerdem gibt es hier in der Nähe keine anderen vernünftigen Läden. Das KKC hat ja heute geschlossen und sonst fällt mir auch rein gar keine Alternative ein.“
„Aber die spielen doch da nur so Hardcore-Krach, und die Mädchen sind irgendwie auch nicht das wahre.“
Paul ließ diese Kritik nicht gelten.
„Wann bist du denn das letzte Mal im Roxy gewesen? Das ist doch bestimmt schon Jahre her. Ich glaube, du solltest deine Voreingenommenheit überwinden und dem Laden noch eine Chance geben. Notfalls können wir ja immer noch ins Nord ausweichen.“
Das Nord war eine direkt neben dem Roxy gelegene Metal-Kneipe, in der es ganz hervorragende Cheeseburger gab.
„Na gut“, lenkte Bastian ein, „aber wenn es im Roxy scheiße ist, dann gehen wir sofort wieder raus. Ich wollte ja auch noch Lotte besuchen.“
Lotte war die versnobte Tochter eines Psychologieprofessors an der Uni-Klinik, der wohl in seiner Jugend zuviel Goethe gelesen hatte. Sie wollte unbedingt Regisseurin werden und liebte Quentin Tarantino.
Während die beiden zahlten, machte Paul seinen Freund auf die große Verantwortung aufmerksam, die er ihm gegenüber hatte. Bastian könne nicht einfach seinen Lastern nachgehen, ohne ab und zu an die Einsamkeit seines besten Freundes zu denken. Er habe allerdings auch sich selbst gegenüber eine Verantwortung, erklärte Bastian seinem Freund. Die beiden liefen gerade wieder über den Kennedy-Platz auf die Kettwiger Straße zu. Dieser folgten sie dann weiter, indem sie das City Center links liegen ließen, in Richtung Norden. Die Einkaufsstraße war bis auf eine Gruppe von Metal-Fans mit langen Ledermänteln, leer. Die düsteren Gestalten hatte offensichtlich dasselbe Ziel wie die beiden Freunde. Einige Minuten später hatten sie das Roxy erreicht. Es nahm die ersten beiden Stockwerke eines langweiligen Reihenhochhauses ein. Die Wände waren schwarz gestrichen und nur das Neonzeichen leuchtete in strahlendem Rot in der Dunkelheit. Im ersten Stock konnte man durch die Fenster die Roxy-Lounge und einige dunkle Gestalten ausmachen. Als sie die Tür öffneten, schallte ihnen dumpf dröhnende Black-Metal Musik entgegen. Die Kassiererin hatte lange, schwarzgefärbte Haare, schwarzgefärbte Fingernägel und riesige Totenkopfohrringe. Zwischen ihren ausladenden Brüsten hing ein umgedrehtes Kreuz, das an einer bescheidenen Halskette befestigt war.
„Hier geh’ ich nicht rein“, protestierte Bastian, der sich an seinen christlichen Fundamentalismus erinnert fühlte, aber Paul schob ihn einfach weiter. Die beiden gewaltigen Türsteher, die aussahen wie echte Hell’s Angels, waren schon auf sie aufmerksam geworden. Paul grinste ihnen fröhlich zu, öffnete wie zur Bestätigung, dass er nicht Fehl am Platze war, seinen Zopf und zahlte für beide. Aus dem Hauptsaal strömten ihnen Nebelschwaden entgegen, und als sie vor der Tanzfläche standen, die noch fast leer war, sahen sie um sich herum zahlreiche langhaarige, bleich geschminkte Mädchen mit weißen Rüschenhemden und dürre, ebenfalls schwarzgewandete Gothic-Kerle, die Whiskey tranken und voller Weltschmerz Zigaretten rauchten. Ein kleiner Metal-Fan mit einem Sodom T-Shirt und wunderbaren, langen braunen Haaren schüttelte seine Mähne im Takt der brasilianischen Band Sepultura. Die ersten Töne der Weltuntergangshymne Arise dröhnten durch die Disco und der Kleine, der jeden Tempowechsel kannte, imitierte alle Soli auf einer imaginären Gitarre. Paul, der die schönen Mädchen in den Leichenhemden mit seinen langen Haaren beeindrucken wollte, drückte Bastian die Verzehrkarten in die Hand, bestellte sich bei seinem Freund ein Bier und stürmte zu dem Sodom-Fan auf die Tanzfläche.
Schon nach einigen Takten merkte Paul, dass Headbangen nicht mehr das Richtige für ihn war. Ihm wurde schwindelig und er hatte Probleme, den Takt zu halten. Außerdem war es ihm unangenehm, dass er sich den Blicken all dieser finsteren Gestalten aussetzte. Es schien ihm, als würde jedes Schütteln seiner Haare mehrere wichtige Gehirnzellen zertrümmern, und er war froh, als das kurze Metal-Inferno seinem Ende zudröhnte. Bastian hatte schon die beiden Biere in der Hand. Er trank hastig und seine Laune schien schlechter geworden zu sein.
„Lass uns mal nach oben gehen“, brüllte er gegen einen Hardcore-Song an, den Paul nicht kannte. Die Zeiten, in denen er enthusiastisch jede Metalplatte aufgenommen hatte, waren längst vorbei. Die moderne Hard- and Heavy Musik war ihm zu unsauber produziert. Er folgte also seinem Freund über eine Stahl-Treppe in die zweite Etage. Auf einer unbeleuchteten Empore saßen schmusende Gruftiepärchen und wohl auch einige betrunkene Heavys, die sich kaum in ihren Sesseln halten konnten. Hinter einem offenen Durchgang war die Roxy-Lounge. Hier standen einige Tische mit roten Sesseln und auch, an der Fensterfront, eine ausgemusterte Kinositzreihe. Zur Linken war ein hellerleuchteter Raum, der scheinbar das Vorzimmer zu den Mädchentoiletten war. Etwas unsicher zündete sich Paul eine weitere Zigarette an. Wenigstens war die Musik hier nicht so laut.
Plötzlich winkte Bastian einem Mädchen zu, das an der Fensterseite, halb von einer Säule verdeckt, freundlich zu lächeln schien.
„Guck mal, wer da ist!“ rief Bastian und war auch schon nach vorn gesprungen. Paul blieb stehen. Er hatte keine Ahnung, wer diese schöne Erscheinung war, und er war auch viel zu schüchtern, um sich ihr zu nähern. Bastian dagegen war schon bei ihr und beugte sich grinsend zu ihr, ohne die Gruppe von sieben Metalfans zu beachten, mit denen sie am Tisch saß. Paul kannte die meisten von ihnen vom Sehen. In der Schule waren sie einige Klassen unter ihm gewesen. Inzwischen waren sie jedoch ein ganzes Stück gewachsen und wirkten mit ihren breiten Schultern, langen Haaren und Cruxification-T-Shirts ein wenig bedrohlich. Leicht schwankend mitten in der coolen Lounge herumstehend, fühlte sich Paul ein wenig unsicher. Da das geringere Übel eine Annäherung an die unheimliche Gruppe mit der unbekannten Schönen und Bastian bedeutete, machte Paul ein paar vorsichtige Schritte in ihre Richtung. Der Alkohol hatte offensichtlich seine Wirkung getan, denn plötzlich saß Paul neben dem lächelnden Mädchen. Bastian grinste ihn an und fragte neckisch:
„Kennst du sie denn nicht?“
Paul schien es, als würde das Mädchen ihm freundlich gesonnen sein. Bastian konnte sein Wissen nicht an sich halten.
„Das ist doch Mirjam, die kleine Schwester von deinem Klassenkameraden Martin.“
„Ach, du bist das“, sagte Paul etwas blöd. Sie hatte eine zarte Stupsnase und riesengroße graugrüne Augen. Eine Ähnlichkeit mit ihrem Bruder konnte er nicht ausmachen. Paul hatte allerdings auch mit Martin seit dem Abitur nichts mehr zu tun gehabt. Jahre zuvor, in der Unterstufe, hatte er mit Martin und einigen anderen Freunden Dungeons & Dragons gespielt und dabei auch einmal Mirjam gesehen. Sie war damals ein unscheinbares kleines Kind mit einer Brille und einem rosa Haargummi. Jetzt allerdings saß vor Paul eine sehr große und ausgesprochen schlanke Schönheit, die ihm schmerzlich ins Bewusstsein brachte, wie viele Jahre schon seit seinem Abitur verstrichen waren. All die Monate, die er in einem Altenpflegeheim als Zivi gearbeitet hatte, schienen sich jetzt mit dem kombinierten Alter der Bewohnerinnen und Bewohner des Heims zu verbinden und auf seinen Schultern zu lasten. Paul hatte sich schon immer von schönen Frauen verunsichern lassen. Aber bei Mirjam war es noch viel schlimmer. Sie schien ihm als die jüngere Schwester eines ehemaligen Klassenkameraden auch noch eine verbotene Frucht zu sein. Gleichzeitig war ihm sofort klar, dass sie keine leicht verführbare und unbedarfte kleine Schwester war, sondern eine schöne junge Frau, die genau wusste, was sie wollte.
Bastian sah wie Mirjams Blick auf Pauls nachdenklichem Mienenspiel haftete, als könne sie damit Gucklöcher in dessen Gehirn bohren.
„Äh, ich geh’ dann noch mal tanzen. Bis gleich.“
Bastian war verschwunden, ehe Paul noch etwas zu ihm hätte sagen können. Nun war er alleine mit der schönen Mirjam, die gar nicht mehr so freundlich lächelte.
„Ich mag es nicht, wenn man mich mit meinem Bruder in Verbindung bringt.“
Ohne die genaueren familiären Konflikte zu erkennen, die sich möglicherweise bei Mirjam und ihrer Familie abzeichneten, versuchte Paul, die Situation zu retten.
„Du siehst ihm aber auch wirklich nicht ähnlich. Du bist viel größer und außerdem so schön, dass kein Bruder der Welt dagegen würde ankommen können.“
Paul versuchte es also mit einigen direkten Komplimenten, die zu seiner Überraschung tatsächlich Wirkung zeigten, denn Mirjam lächelte wieder ein wenig. Die Mienen ihrer Bewacher schienen sich hingegen seit dem Auftauchen Pauls erheblich verfinstert zu haben.
„Na, was macht denn das Studium?“ fragte einer von ihnen, der Paul irgendwie bekannt vorkam, mit einem fiesen Unterton in der Stimme.
„Läuft ganz gut, ich studiere Germanistik und Anglistik in Bochum“, antwortete er viel zu ehrlich. Angewidert wandte sich der Typ seinen Freunden zu. Er hatte ein ausgesprochen ausgeprägtes Testosteronkinn. Die anderen lachten, als hätte Paul einen schlechten Witz gemacht. Der Typ wandte sich wieder Paul zu.
„Nein, ich meine, was machst du wirklich?“
„Ich studiere sehr ernsthaft. Ich liebe die Literatur.“
„Dann solltest du sie nicht studieren, sondern schreiben“, schloss Mirjams Bewacher mit einer vernichtenden Geste und seine sechs Schergen stimmten ihm grienend zu.
Um die Situation zu entschärfen, machte Mirjam Paul mit ihren Begleitern bekannt. Paul war jedoch viel zu sauer auf sich selbst, die Schamesröte in seinem Gesicht und die schlechte Stellung der Germanistik in der Gesellschaft, um sich die Namen dieser unfreundlichen Gesellen merken zu können. Allein der Name ihres Anführers blieb haften: Stefan Schwafelberger.
„Was möchtest du denn machen, wenn du mit der Schule fertig bist“, wandte sich Paul wieder an Mirjam. Sie wirkte unzufrieden.
„Weiß ich nicht. Im Moment hab’ ich überhaupt keinen Bock auf das Abi. Aber Architektur in Weimar wäre schon was Schönes.“
„Echt“, fiel Paul ein, „dann solltest du dich mal mit Kuno unterhalten, der hat nämlich gerade in Weimar an der Bauhaus-Uni angefangen.“
„Mit dem rede ich nicht. Der hat auf dem Schulhof immer so mürrisch geguckt, als wäre er was Besseres“, unterband sie Pauls Vorschlag.
Mirjam saß auf einem der roten Kinosessel, die der Lounge im Roxy ein besonderes Flair garantieren sollten, und trank aus einer hohen Glastasse mit Henkel schwarzen Tee. Ihre Haare waren lang und schwarz gefärbt. Sie trug sie jedoch nicht offen, sondern im Nacken zusammengesteckt, was ihren ganz besonders langen und schlanken Schwanenhals noch zusätzlich betonte. Ihre zarten Ohren waren mit silbernen Spinnenohrringen geschmückt, die in Paul die Versuchung weckten, an den Ohrläppchen zu knabbern.
Auch Mirjams Bluse und ihr kurzer Rock waren schwarz und sie trug dazu Netzstrümpfe und hohe Stiefel. Paul konnte sich nicht erinnern, jemals neben so einem verführerischen Mädchen gesessen zu haben. Seine Freundin Melanie legte nicht so großen Wert auf Äußerlichkeiten und Paul hatte sie immer für ihre natürliche Schönheit gelobt und behauptet, dass er Schminke verabscheue und Lippenstift verdamme. Allein die schwarzen Lidstriche Mirjams und ihre betont schattigen Augenringe ließen in ihm ganz andere Gedanken aufkommen. Während Paul so da saß und in Mirjams Augen versank, sprach er unentwegt auf sie ein. Vielleicht war dies die einzige Gabe, mit der ihn der liebe Gott bedacht hatte. Wenn es sein musste, konnte er nämlich ohne Punkt und Komma reden und reden. So erzählte er ihr von seinem Leben, vom Altenpflegeheim, von der Straßenmusik, die er mit Bastian gemacht hatte, von der Ruhr-Universität und seiner Einsamkeit dort, von seinem Hass auf Essen, von seiner Liebe zur Literatur und der unglücklichen Liebe zur Literaturwissenschaft, von seinem Traum, im Ausland zu studieren und von seiner Hoffnung, eines Tages ein großartiger Schriftsteller zu sein. Sie hörte ihm dabei zu und machte keine unnötigen Bewegungen. Vielmehr saß sie da wie ein schwarzes Loch und schien all seine Bemühungen, sie für sich zu gewinnen, in sich aufzusaugen. Reaktionen zeigte sie nicht, seine Anstrengungen erreichten ihr Ziel wenn überhaupt, dann nur in einem anderen Universum, hinter dem Loch im Raum-Zeit Kontinuum.
Plötzlich jedoch war es so, als kollabiere direkt vor seinen Augen ein Stern. Er fand sich auf dem Boden vor ihr kniend wieder; die sieben Begleiter einschließlich Schwafelberger waren schon lange verstummt. Scheinbar waren sie entsetzt von seiner Dreistigkeit. Niemand hatte sich Mirjam bisher auf diese lächerlich pathetische Weise genähert. Einer nach dem anderen brachen Schwafelberger und seine sechs Freunde auf, hatten zuvor natürlich noch gefragt, ob sie Mirjam nicht vielleicht zum Auto begleiten sollten, aber sie hatte abgelehnt. Ganz zuletzt war Schwafelberger selbst gegangen, jedoch nicht ohne Mirjam mit einem abschätzigen Blick auf Paul zu raten, auch bald aufzubrechen. Doch Mirjam war nicht gegangen. Zwischendurch war Paul zur Toilette gewankt, hatte noch einen Tullamore Dew getrunken und sich schließlich, um nüchtern zu werden, einen Kaffee bestellt. Die Barkeeperin machte sich über seine undeutliche Aussprache lustig, aber Mirjam war immer noch da. Paul näherte sich ihr auf die dreisteste Weise, versuchte, sie zu küssen, lobte den Duft ihres Parfums und irgendwann gelang es ihm auch, an ihrem Spinnenohrring zu knabbern. Nach einer schier endlosen Zeit, die sie dort beisammen gesessen hatte, sagte sie, es sei Zeit, zu gehen. Paul war am Boden zerstört. Nicht, dass er etwa ein großartiger Frauenheld gewesen wäre, aber er gab sich doch redliche Mühe. Und jetzt das. Sie wollte gehen und er würde alleine nach Hause wanken müssen.
„Nein“, brachte er hervor, „lass uns doch noch etwas hier bleiben.“
„Das geht nicht“, sagte sie schlicht und deutete mit ihrer Stupsnase in Richtung Bar, wo keine Gäste mehr waren, sondern nur noch Personal, das ungeduldig auf Armbanduhren blickte und hastig den Boden fegte. Paul wurde klar, dass er nun wirklich würde aufbrechen müssen.
„Ich bring dich noch zum Auto“, sagte er deshalb. Mirjam musste lächeln.
„Na klar, ich muss dich ja auch noch nach Hause fahren.“
An diese Möglichkeit hatte Paul noch gar nicht gedacht. Gefügig schwankte er hinter ihr her zum Ausgang, freute sich über den vernichtenden Blick der Kassiererin, denn schließlich schien es ihm ja doch noch gelungen zu sein, eine Trophäe mit sich aus dem Roxy fortzuführen.
Der kalte Novemberwind blies ihnen gnadenlos ins Gesicht, aber glücklicherweise parkte Mirjam ganz in der Nähe. Sie fuhr einen roten VW Golf 2, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, und als sie gemeinsam im Auto saßen, wirkte sie seltsam unsicher, ganz anders als noch vor wenigen Minuten. Ihr Duft umgab Paul von allen Seiten. Der Wagen ruckte kurz nach vorn, und Mirjam löste laut fluchend die Handbremse. Mit ausladenden, steifen Bewegungen lenkte sie das Auto aus der Parkbox, und Paul wies ihr den leider viel zu kurzen Weg zu seiner Wohnung. Es dauerte auch tatsächlich nur fünf Minuten, da waren sie schon in der Hohenzollernstraße. Paul bekam es mit der Angst zu tun. Wahrscheinlich würde sie ihn nun einfach absetzten und dann weiterfahren. Aber er fürchtete sich genauso davor, dass sie mit ihm auf sein Zimmer würde gehen wollen. Er schämte sich für seine schreckliche schuhkartongroße Wohnung. Außerdem hatte er noch mehr Angst vor dem, was dann möglicherweise passieren würde. Sie kam ihm so abgebrüht vor. Wahrscheinlich würde sie es einfach darauf ankommen lassen und mit ihm Sex haben wollen. Und dann? Sie würde nach Kondomen fragen und weiter wollte Paul nicht denken. Besser, so dachte er sich, ich versaue jetzt alles.
„Willst du vielleicht noch auf einen Kaffee mit nach oben kommen?“ fragte er in der abstoßendsten Machomanier, die ihm möglich zu sein schien. Sie zögerte keine Sekunde.
„Ja, ein Kaffee wäre gut, ich bin nämlich sehr müde.“
Pauls Befangenheit vergrößerte sich noch, als er sie in sein kleines Zimmer führte, das ihm nun besonders eng und stickig und auch sehr unaufgeräumt vorkam. Da es keine andere Sitzgelegenheit gab, setzte sich Mirjam auf Pauls Schlafcouch. Ein großes blauweißes Ungeheuer, das er nur aufgrund des niedrigen Preises gekauft hatte. Die Schlafcouch verfügte über einen Bettkasten, der ausgezogen war. Darüber hatte Paul schon am Abend – wie in weiser Voraussicht – eine Tagesdecke ausgebreitet. Nervös lief Paul an Mirjam vorbei in die Küche, schaltete die Kaffeemaschine ein und fragte scheinheilig:
„Milch und Zucker?“
„Nein, weder noch.“
„Gut, ich hab’ auch nichts hier.“
Paul kam aus der Kochnische zurück in den Hauptraum, kratzte sich kurz verlegen am Kopf und schaltete dann die Stereoanlage ein. Er ließ irgendeine CD mit Hardrock-Balladen laufen. Vielleicht war es auch das Klavierkonzert Nr. 2 in f-moll von Chopin, das er so gerne hörte. Er musste wohl auch noch Zeit gehabt haben, Kerzen anzuzünden, aber plötzlich lag er bei Mirjam auf der Couch und wunderte sich über ihren merkwürdigen Körper, der ihm so fremd war und der so ganz anders war, als der Melanies. Mirjam war größer, kam ihm dabei aber dünner vor. Er zog ihr das weiße Hemd und ihr Unterhemd über den Kopf und freute sich über den Parfümduft unter ihren Achseln. Als seine Hände an ihrer Taille entlang glitten, flüsterte er kurzatmig:
„Du musst mehr essen.“
Mirjam rief:
„Lass das.“ Sie meinte seine Hände, die sich selbständig gemacht hatten und sie überall zu kitzeln schienen. Paul dagegen dachte, er hätte sie besonders zärtlich gestreichelt und wusste daher gar nicht, was er nun tun sollte. Die Situation war ihm nicht ganz geheuer. Er war zu ungeschickt im Ungang mit Kondomen und außerdem auch nicht rücksichtslos genug, um ganz auf einen solchen Schutz zu verzichten. Zumindest nicht bei einem Mädchen, dass er gar nicht kannte. In ähnlichen Umständen hatte er sich eigentlich immer aus der Affäre gestohlen, indem er vorgeschoben hatte, nicht gleich mit einer neuen Freundin schlafen zu wollen. Seine Freundin Melanie, die natürlich seine Untreue ahnte, ohne dafür einen Beweis zu haben, hielt Pauls Ungeschick im Umgang mit Kondomen für eine Art Versicherung dafür, dass er ihr nicht fremdgehen würde. Gleichzeitig fürchtete sie jedoch auch eine verworfene Liebhaberin, die Paul aus seiner selbstverschuldeten Unmüdigkeit würde befreien können. Moralisch kannte Paul tatsächlich keine Bedenken, aber seine Scham war so groß, dass Melanie sich in Sicherheit hätte wiegen können.
Während Paul sich noch über seine Unwissenheit ärgerte, war Mirjam schon ernsthaft enttäuscht, denn Pauls Liebkosungen waren ihr zu fremd und seine Zurückhaltung beleidigte ihren gerechtfertigten Stolz auf ihre Schönheit. So küssten und berührten sie sich noch eine Weile, wunderten sich über die Fremdheit des jeweils anderen und schliefen dann irgendwann ein. Als sie wieder wach wurden, schämte sich Paul noch mehr und endlich fiel ihm die naheliegende Ausrede ein. Im Halbschlaf wandte er sich zu Mirjam und sagte:
„Ich kann nicht. Ich habe doch eine Freundin.“
Mirjam hatte das geahnt, aber nicht gewusst. Sie war stinksauer. Immer erwischte sie die falschen Typen: unehrliche, unrasierte, unhöfliche Lügner. Die Wut machte sie hellwach. Sie zog sich blitzschnell an, griff ihre Springerstiefel, schnürte sie zu und war auch schon gegangen.
Das Bild, das für immer in seinem Gedächtnis haften bleiben würde, war die zornige Mirjam, wie sie da auf der Kante seines Schlafsofas saß und wütend ihre Stiefel zuschnürte. Das Einfädeln des Schnürriemens durch die jeweils zwölf Löcher pro Stiefel schien ewig dauern zu wollen. Er wollte nicht, dass sie ging, denn er hasste endgültige Entscheidungen, wie diejenige, die sie gerade fällte. Also redete er auf sie ein, mit Engelszungen, wie er glaubte, aber sie ließ sich nichts mehr vormachen. Mirjam war weit davon entfernt, eine so verruchte Person zu sein, wie Paul sich das in seinen Phantasien ausgemalt hatte. Als sie endlich ihre Schuhe angezogen hatte, ließ sie Paul in seinem langsam vom Dämmerlicht erhellten Loch zurück. Es war vielleicht sieben Uhr morgens am 9. November 1997. Drinnen wie draußen hinter den Jalousien herrschte ein diffuses Licht, dessen Quelle man kaum auszumachen vermochte. Eine bleierne Wolkendecke hatte sich lückenlos über die Stadt gelegt, und ein leichter Nieselregen benetzte die Straßen und die Scheiben der wenigen Autos, die an diesem frühen Morgen schon unterwegs waren. Paul war zu niedergeschmettert und beschämt, um zu schlafen. Er wälzte sich in seinem Bett umher, roch am Bettlaken und zog den zurückgeblieben Duft von Mirjams Parfum ein. Würde sie wohl ihren Freunden erzählen, was für eine Flasche er war? Oder würde diese Nacht ihr Geheimnis bleiben. Paul gab es auf, schlafen zu wollen und kochte sich Kaffee.
Die folgenden Tage waren für Paul so lang wie ereignislos. Er las ein paar Romane aus dem Zeitalter der Aufklärung, beklagte sich telephonisch bei seinem Freund Bastian über sein Schicksal und sprach auch ein wenig mit Melanie, der er pflichtschuldig versicherte, dass er sie noch liebe, was nicht mehr ganz der Wahrheit entsprach. Bastian riet ihm, Melanie zu erzählen, was passiert war. Er solle außerdem Mirjam anrufen. Aber für beide Anrufe war Paul einfach zu feige, unter anderem auch deshalb, weil er eine Telephonneurose hatte. Außerdem wollte er nicht mit Mirjams Bruder, seinem ehemaligen Klassenkameraden sprechen. Tage später jedoch war ihm die Einsamkeit einfach zu unerträglich geworden. Er hatte Essen in alle Richtungen von seiner Wohnung aus durchschritten. Richtung Norden bis nach Altenessen, Richtung Süden bis zum Baldeneysee, Richtung Westen bis nach Fronhausen und Richtung Osten bis nach Steele. Aber beruhigt hatte ihn das nicht, und er war auch keinem bekannten Menschen begegnet. Dies war für ihn überhaupt das unentschlüsselbare Geheimnis dieser Stadt, dass er in ihr umherirren konnte, so lange er wollte, tagsüber, nachts, sommers wie winters, und dennoch traf er weder einen Freund noch einen Feind. Endlich entschloss er sich also, tätig zu werden. Er griff nach dem Telephon und wählte Mirjams Nummer, die er tatsächlich noch aus Schulzeiten in Erinnerung hatte. Kaum dass es zweimal geklingelt hatte, war auch schon ihr Bruder am Telephon. Er stieß seinen Namen, vier Silben, mit genervter Boshaftigkeit hervor und Paul war auch gleich so erschrocken, dass er sofort wieder auflegte. Nein, er würde einen anderen Weg gehen müssen.
Paul konnte sich auch noch ausgezeichnet an die Adresse seines ehemaligen Klassenkameraden erinnern. Als er einige Tage später in einem Seminar über den sozialen Roman im England des neunzehnten Jahrhunderts saß, begann er – während er seine ausführlichen Mitschriften anfertigte – in Gedanken abzuschweifen, und ehe er es sich versah, schrieb er auch schon einen sehnsüchtigen Liebesbrief auf das Papier. Nie zuvor hatte er einer Unbekannten solch einen intimen Brief geschrieben, doch er ging ihm leicht von der Hand. Er schrieb von Mirjams schwarzen Duftschleierhaaren, von ihrer Schönheit und von ihrem Spinnenohrring, an dem er doch so gerne geknabbert hatte. Kaum war das Seminar, von dem er fast nichts mitbekommen hatte, vorüber, da steckte er den Brief, der mit einer Bitte abschloss, sie möge ihn doch anrufen, in einen Umschlag und schickte ihn ohne Absender an Mirjam.
Geschickt hatte er im Brief den eigentlichen Grund, warum er sie nicht anrufen konnte – seine Telephonneurose im Allgemeinen und ihren Bruder im Speziellen – verborgen, indem er behauptete, er könne sie nicht anrufen, da er doch ein so verachtenswerter Lügner gewesen sei. Sein Trick zeigte Wirkung. Nur wenige Tage später rief sie bei ihm an und sie verabredeten sich zum Essen. Der Treffpunkt war vor dem Rathaus und dort – auf der Porschekanzel – trafen sie sich. Als Mirjam auf ihn zuging, musste er vor Freude über ihre Anmut und Schönheit lachen, aber sie war sehr ernst und schien gar nicht damit zufrieden zu sein, dass sie sich auf ihn eingelassen hatte. Beim Essen verschmähte sie die Hälfte ihrer Pizza und sprach kaum ein Wort, so dass Paul sogleich davon überzeugt war, sie müsse an Magersucht leiden. Dies warf er ihr dann auch wortreich und ausführlich vor. Nach dem Essen liefen sie über die Kettwiger Straße und durch den Essener Weihnachtsmarkt. Natürlich lag noch kein Schnee, aber es war schrecklich kalt. Der Wind wehte aus südlicher Richtung und kühlte Mirjam und Paul so sehr durch, dass sie gar nicht anders konnten, als sich aneinander zu wärmen. Sie hielten sich an den Händen, sprachen nicht mehr und ließen die Gesichter der unzufriedenen Essener an sich vorüberziehen. Mirjams Hand war kalt und so steckte sie sie in Pauls Jackentasche. Er wärmte seine Nase an ihrem Hals, der auch noch angenehm nach ihrem Parfum duftete. Ihr grauer Pullover kratzte an seinem Kehlkopf und ihre Spinne funkelte in skeptischem Silberglanz. Sie hatten den Willy-Brandt-Platz erreicht, auf dem zahlreiche Stände aufgebaut waren. Mirjam ging auf eine Kerzenbude zu, schnupperte an Weihrauchstäbchen und Bienenwachsleuchten. Paul nahm eine schwarze Kerze und roch an ihr. Sie duftete nach Patschuli. Die Verkäuferin, eine Mittvierzigerin in einem dicken Wollkragenpullover, lächelte freundlich, schaute Mirjam an und sagte:
„Das sind Opiumkerzen, die passen doch sehr gut zu Ihnen.“
Paul musste über diese Bemerkung lachen, kniff Mirjam in den Arm und rief:
„So einen Eindruck machst du also.“
Die Verkäuferin war nun sichtlich bemüht, den Schaden wieder gutzumachen:
„Es ist doch nur, weil Ihre Freundin so schön ist, und ihre schwarzen Kleider passen doch auch so wunderbar zu ihrem schwarzen Haaren und den Augen. Sind die grün?“
„Ja“, sagte Mirjam nur, die noch nicht sicher war, ob sie das Friedensangebot annehmen würde. In klarer Verkennung der Lage wandte sich die Verkäuferin wieder an Paul:
„So eine schöne Freundin, das wollte ich ihnen doch nur sagen, die müssen sie aber gut festhalten.“
Ja, dachte Paul, das muss ich wohl. Er kaufte drei Opiumkerzen und als sie abends in seiner Wohnung auf dem Schlafsofa lagen, da zauberte das Kerzenlicht ein paar zarte Schatten an die kahlen Wände seines Zimmers, die fast vergessen ließen, dass es an der stark befahrenen Hohenzollernstraße lag und dass es in Essen während des Weihnachtsmarktes immerzu regnet.
Mirjam - Eine unmoralische Weihnachtsgeschichte
Lieber Paul Ost,
hm, ich weiß nicht so recht, was ich dazu sagen soll. Irgendwie bin ich von diesem Kapitel nicht so angetan wie sonst von Deinen Texten, ich weiß aber nicht genau, woran es liegt. Vielleicht, weil sehr viele Themen drin sind, der Text treibt so vor sich her wie der darin beschriebene Protagonist, scheint mir. Aber vielleicht sollte das ja genau so sein...
Grundsätzlich fällt mir auf, dass für mein Empfinden relativ viele (vor allem) Adjektive entbehrlich sind. Das mag andere aber weniger stören als mich....
Herr Becken mit seiner Dissertation über den Eros fand ich witzig. Und die Szene mit dem Pinkeln natürlich. Und Bastians kontraproduktiven Fundamentalismus. Und ein paar andere hübsche Details...
Viele Grüße
leonie
hm, ich weiß nicht so recht, was ich dazu sagen soll. Irgendwie bin ich von diesem Kapitel nicht so angetan wie sonst von Deinen Texten, ich weiß aber nicht genau, woran es liegt. Vielleicht, weil sehr viele Themen drin sind, der Text treibt so vor sich her wie der darin beschriebene Protagonist, scheint mir. Aber vielleicht sollte das ja genau so sein...
Grundsätzlich fällt mir auf, dass für mein Empfinden relativ viele (vor allem) Adjektive entbehrlich sind. Das mag andere aber weniger stören als mich....
Herr Becken mit seiner Dissertation über den Eros fand ich witzig. Und die Szene mit dem Pinkeln natürlich. Und Bastians kontraproduktiven Fundamentalismus. Und ein paar andere hübsche Details...
Viele Grüße
leonie
Liebe Euterpe,
Dein stimmiges Lob trifft tatsächlich nur die nicht ganz so frei erfundenen Passagen. Das spricht für Dich: Se non é vero, é ben trovato.
Die Dissertation gibt es wirklich (Gestalten des Eros). Vielleicht ist Lisa dem Original-Autor ja schon über den Weg gelaufen. Er soll angeblich beim Gang durch das GB-Gebäude immer Pantoffeln tragen.
Der Langeweiler hat natürlich Karriere gemacht und ist jetzt in Berlin.
Es grüßt
Paul Ost
Dein stimmiges Lob trifft tatsächlich nur die nicht ganz so frei erfundenen Passagen. Das spricht für Dich: Se non é vero, é ben trovato.
Die Dissertation gibt es wirklich (Gestalten des Eros). Vielleicht ist Lisa dem Original-Autor ja schon über den Weg gelaufen. Er soll angeblich beim Gang durch das GB-Gebäude immer Pantoffeln tragen.
Der Langeweiler hat natürlich Karriere gemacht und ist jetzt in Berlin.
Es grüßt
Paul Ost
Hallo Paul,
nun habe ich über Bastian gelesen :grin: .
Ich bin nicht sicher, welcher der beiden Texte mir besser gefällt (wenn es denn darauf ankommt), hier fehlt das Stilisierte, es ist für mich ein ganz anderer Ton. Letztendlich einen unverfälschteren (an sich, nicht in Bezug auf den Autor). Leider kenne ich den Prof nicht, der ist meines Wissens nicht mal mehr da, oder? GB hat sich auch verändert, hat inzwischen die wohl beste Cafete
. Aber die Diss müsste ja noch in der Bib stehen
.
Insgesamt gefällt mir die Geschichte...interessant ist, dass sie genau so noch einen ganzen Roman weitererzählt werden könnte wie der Romanausschnitt, oder? das Ende es Romans wird wohl auch ähnlich "offen" sein wie das dieser Geschichte...du schreibst glaube ich nicht von ichs, die sich "mit einem Mal" plötzlich ändern (für mich ist das jedenfalls auch nicht so).
Zwei kleine Anmerkungen:
die launische Kellerin der zweiten Kneipe, in die bastian und Paul gehen: sie ist - ebenso, bis auf die eine Ausnahme, wie der erste Kneioenbesitzer launisch wie immer...ich würde das in Bezug zueinander setzen, sonst liest es sich wie eine unglücklich widerholte Ausschmückungspassage.
-
das sogenannte würde ich streichen, da es für mich ein Bruch in der Erzählinstanz ist, der sonst näher am Geschehen und der Wahrnehmung der Protagonisten ist.
nun habe ich über Bastian gelesen :grin: .
Ich bin nicht sicher, welcher der beiden Texte mir besser gefällt (wenn es denn darauf ankommt), hier fehlt das Stilisierte, es ist für mich ein ganz anderer Ton. Letztendlich einen unverfälschteren (an sich, nicht in Bezug auf den Autor). Leider kenne ich den Prof nicht, der ist meines Wissens nicht mal mehr da, oder? GB hat sich auch verändert, hat inzwischen die wohl beste Cafete


Insgesamt gefällt mir die Geschichte...interessant ist, dass sie genau so noch einen ganzen Roman weitererzählt werden könnte wie der Romanausschnitt, oder? das Ende es Romans wird wohl auch ähnlich "offen" sein wie das dieser Geschichte...du schreibst glaube ich nicht von ichs, die sich "mit einem Mal" plötzlich ändern (für mich ist das jedenfalls auch nicht so).
Zwei kleine Anmerkungen:
die launische Kellerin der zweiten Kneipe, in die bastian und Paul gehen: sie ist - ebenso, bis auf die eine Ausnahme, wie der erste Kneioenbesitzer launisch wie immer...ich würde das in Bezug zueinander setzen, sonst liest es sich wie eine unglücklich widerholte Ausschmückungspassage.
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das sogenannte Headbangen
das sogenannte würde ich streichen, da es für mich ein Bruch in der Erzählinstanz ist, der sonst näher am Geschehen und der Wahrnehmung der Protagonisten ist.
Hallo Lisa,
danke für die Hinweise. Ich habe sie eingearbeitet. Der betreffende PD arbeitet noch an der RUB und auch als Lehrer an einem Gymnasium. Einer meiner Lieblingsdozenten.
In der umgebauten Cafeteria habe ich auch schon gesessen. Hmpf. Als Raucher war man früher freier.
Das Buch findest Du bestimmt, wenn es nicht von einem der Foucault-Leser gestohlen worden ist. Die halten sich ja bekanntermaßen nie an Regeln. :shock:
Das Ende des Romans ist nicht so offen. Er endet damit, dass alle Freundschaften in die Brüche gehen, vor allem natürlich die zwischen Bastian und Paul.
Deine freundlichen Kommentare sind sehr ermutigend. Vielleicht sollte ich doch noch einmal darüber nachdenken, meinen Roman aus den Untiefen der Festplatte zu befreien.
Liebe Grüße
Paul
danke für die Hinweise. Ich habe sie eingearbeitet. Der betreffende PD arbeitet noch an der RUB und auch als Lehrer an einem Gymnasium. Einer meiner Lieblingsdozenten.
In der umgebauten Cafeteria habe ich auch schon gesessen. Hmpf. Als Raucher war man früher freier.
Das Buch findest Du bestimmt, wenn es nicht von einem der Foucault-Leser gestohlen worden ist. Die halten sich ja bekanntermaßen nie an Regeln. :shock:
Das Ende des Romans ist nicht so offen. Er endet damit, dass alle Freundschaften in die Brüche gehen, vor allem natürlich die zwischen Bastian und Paul.

Deine freundlichen Kommentare sind sehr ermutigend. Vielleicht sollte ich doch noch einmal darüber nachdenken, meinen Roman aus den Untiefen der Festplatte zu befreien.
Liebe Grüße
Paul
Hallo Paul,
du meinst aber nicht den Pittner,oder?? Hier verliert man inzwischen den Überblick über all die halb angestellten Männchen, die ausgenutzt werden. Inzwischen ist übrigens die ganze RUB (außer draußen) rauchfrei).
Ich würde übrigens nach und nach wirklich (nicht nur als Salondame so gesagt) deinen Roman hier lesen (oder überhaupt lesen). Meinst du nicht, dass sich für derartige Texte sogar relativ leicht ein Verleger finden würde? (gerade Essener Verlage). Kann ich mir wirklich vortstellen, der Ton trifft die Zeit und Leser dieser Zeit.
So einen Bastian gibt es übrigens in jeder Stadt, bei uns hieß er Nils. Solche Typen haben sich aber weder für mich (ich möchte nicht wissen, was das bedeutet
) für mich, noch ich mich für sie interessiert. Einzig sie zu beobachten finde ich spannend. Meine Freundin damals hatte leider einen Hang zu Charlie (einem Starkgetränk) und verfiel jedem, Halbnilsen und überhaupt jedem. Auch das ist mir bis heute ein Rätsel. Deshalb sind das in meinen Augen interessante Erzählungen, die du machst...
du meinst aber nicht den Pittner,oder?? Hier verliert man inzwischen den Überblick über all die halb angestellten Männchen, die ausgenutzt werden. Inzwischen ist übrigens die ganze RUB (außer draußen) rauchfrei).
Ich würde übrigens nach und nach wirklich (nicht nur als Salondame so gesagt) deinen Roman hier lesen (oder überhaupt lesen). Meinst du nicht, dass sich für derartige Texte sogar relativ leicht ein Verleger finden würde? (gerade Essener Verlage). Kann ich mir wirklich vortstellen, der Ton trifft die Zeit und Leser dieser Zeit.
So einen Bastian gibt es übrigens in jeder Stadt, bei uns hieß er Nils. Solche Typen haben sich aber weder für mich (ich möchte nicht wissen, was das bedeutet

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