Landregen, einsam

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 20.07.2008, 13:53

Landregen, einsam

Aufgestemmt
Die Ellbogen, Katzenmutter Lene
Steht in der Tür. Der Garten
In Blüte, Rosenbeete,
Schmetterlingsflieder.

Ein Roter schmiegt
Sich ans alte Bein. Die Getigerte
Wälzt sich im Staub. Aus dem
Busch der Schwarzweiße.
Namen hat sie ihnen gegeben,
Vergessen. Ruft, wies so kommt,
Zärtlich, sie verstehens.

Regen gibts, sagt sie.
Lockt sie ins Haus, den Roten,
Die Getigerte, den Schwarzweißen,
Zwei Treppen hoch, zu Kissen und Körbchen.
Tropfen im Sand, schwarz, geronnen.
Wie altes Blut.

Perry

Beitragvon Perry » 21.07.2008, 13:30

Hallo Caty,
ein berührendes Stimmungsbild, wobei für mich der "Katzenpart" etwas zuviel Raum einnimmt. Ich mag die kleinen Tiger auch sehr gern, aber der "Landregen" sollte doch thematisch mehr im Vordergrund stehen. Das Bild mit den Tropfen im Staub wie altes Blut finde ich gut gesetzt, nur solltest du dann für das "alte Bein" ein anderes Adjektiv verwenden.
LG
Manfred

Caty

Beitragvon Caty » 21.07.2008, 14:18

Nein, Perry, gerade das ergibt ja das Paar: das alte Bein und das alte Blut. Dass die Katzen so einen breiten Raum einnehmen, ist beabsichtigt, denn das sagt ja, diese alte Frau hat niemanden mehr, nur noch ihre Katzen. Dass ich dem Gedicht den Titel "Landregen, einsam" gegeben habe, geschieht ja nicht ohne Grund. Denn ein Landregen ist ja nicht einsam, einsam ist die alte Frau.
Aber hab vielen Dank fürs Kommentieren, Perry.

Liebe Grüße, Caty

Trixie

Beitragvon Trixie » 21.07.2008, 19:32

Ach, Caty, wie machst du das nur?

Allein deine Titel finde ich schon fantastisch. Du erzeugst Stimmungen, die einen sofort einnehmen und es entsteht sogleich in Film, ein Bild, bunt und mit Ton. Ich sehe das alles ganz genau vor mir und nicke und sage "ja" genau so muss es sein. Schaurig traurig, Landregen, einsam, eben. Ich dachte immer "ich brauche niemanden, wenn ich alt bin. ich lebe einfach mit ein paar katzen und fertig." aber wenn ich das so lese, was du da in wenigen Zeilen hinzauberst, dann wirkt das auf einmal gar nicht mehr so schön... Es bewegt mich, dieses Gedicht.

Berührte Grüße
Trixie

Caty

Beitragvon Caty » 21.07.2008, 20:00

Trixie, Kinder und junge Katzen/Hunde sind immer der Renner. Mich hat, obwohl sehr Katzenfreundin, noch mehr die alte Frau interessiert: praktisch, tatkräftig und so allein in dem großen Haus, die Söhne in der Stadt, der Mann gestorben, und nun sieh zu, wie du allein zurechtkommst. Vielleicht kommt was von dieser Traurigkeit rüber?
Hab vielen Dank für deinen freundlichen Kommentar, Trixie.

Liebe Grüße, Caty

Trixie

Beitragvon Trixie » 21.07.2008, 20:04

Liebe Caty,
natürlich kommt was von der Traurigkeit rüber! Das sagte ich ja :-). Eben deswegen ist es gar nicht mehr sooo eine reizvolle Vorstellung, irgendwann alleine mit Katzen zu leben
Wenn ich bei meiner Oma bin, gehe ich auf den Nachbarbauernhof. Dort lebt ein altes Ehepaar und die haben auch viele Katzen. Sie sind immer sehr fröhlich und gut gelaunt. Vielleicht wird die Ehefrau auch mal so, wenn der Mann gestorben ist. Kinder haben sie nämlich keine...

Liebe Grüße zurück!

Caty

Beitragvon Caty » 22.07.2008, 14:04

Ach, Trixie, das war eine herzensgute, liebe alte Frau. Ich glaube auch nicht, dass sie ihre Einsamkeit wirklich als Einsamkeit empfunden hat, sie hat sich eingefügt, es musste in ihren Augen so sein: Wer alt ist, ist einsam. Ich aber spürte ihre Einsamkeit, und als ich ging, wusste ich, sehr lange würde die Frau allein bleiben, mit ihren Kätzchen. So lange, bis wieder einmal Zufällige am Gartenzaun stehenbleiben, den Katzen zusehen, und die Frau wird in der Haustür stehen und sich freuen, dass sie einen kleinen Schwatz halten kann. Lieben Gruß, Caty

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Beitragvon Schwarzbeere » 23.07.2008, 17:32

Caty

Auf welcher Leitung ich stehe, lässt sich von mit nicht erkennen, da ich ja auf der Leitung stehe, doch leide ich manchmal doch darunter, etwas nicht zu verstehen, das doch einleuchtend sein sollte, da es die Ouvertüre oder das Finale eines Textes und dessen Folgerung bzw. Moral darzustellen scheint.

So geht es mir mit den letzten Zeilen und den „geronnenen Tropfen“, die mich nach dem Teuflischen in jener Katzenmutter Ausschau halten lassen: das Blut, das kommt doch nicht von ungefähr daher und ist nicht einmal ein Reimerfordernis, daher also bewusst gesetzt, um jenes anzudeuten, das aus der Banalität in das Dunkle, das Geheimnisvolle und Versteckte führen soll, mich also vermuten lassen möchte, dass diese Lene abartige Handlungen plant oder schon vollzogen hat, obwohl sie ja, so der Name keine bewusste Verwirrungstaktik repräsentiert, keine Chinesin ist, was sie aber nicht als Verächterin fetten Katzenfleisches ausweisen kann.

Was also ist „geronnen“? Vielleicht nur die verschüttete Milch, die in der rosa Fassung meiner Interpretation von der liebevollen Tierernährerin zu den Kätzchen hinaus gestellt wurde? Regen und Wasser können ja nicht „ge“rinnen?

Eine Schwarzbeere, die Katzen sehr liebt, sie aber nicht "zum Fressen gerne" hat!

Caty

Beitragvon Caty » 23.07.2008, 18:08

Schwarzbeere, du liest schon ganz richtig: die (ersten) Regentropfen, die gerinnen tatsächlich im märkischen Sand, jedenfalls sah es für mich so aus. Ich versichere dir, die arme Frau war keineswegs eine Teufelin, die ihre Katzen schlachtet, sie hatte noch nicht mal das zweite Gesicht. Dass es Regen geben würde, war bei ihr reine Erfahrungssache. Ich als Städterin war überrascht, das Wetter sah keinesfalls nach Regen aus. Und dann fielen die ersten Tropfen. Und da der Sand ein bisschen rötlich war, sahn sie aus wie Blutstropfen. Natürlich spiele ich damit auch auf das "alte Blut" der alten Frau an. So etwas Archaisches wie eine "Moral" gibt es in meinen Texten nicht, die gehen alle offen aus. Hoffe ich jedenfalls.

Schwarzbeere, jetzt müsste alles klar sein. Für weitere Auskünfte stehe ich jederzeit bereit.

Liebe Grüße, Caty

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Beitragvon Schwarzbeere » 25.07.2008, 23:27

Du hast mich ganz schön überrascht, als ich aus deinem Kommentar entnahm, dass dein Text ein poetisierter Tatsachenbericht ist. Wenn wir auch immer wieder in unseren Texten Elemente aus der Wirklichkeit verarbeiten, so hat üblicherweise Gebrauchslyrik ausgenommen, doch die aussagende wie auch die ausgesagte Person ihre Wirklichkeit nur in der Vorstellung des Autors bzw übermittelt in jener der Leser oder Anhörer.

Ich suchte auch zu verstehen, ob gerinnen in Nordbereich unseres Sprachgebietes als Synonym für verrinnen verwendet werden kann und schaute mir auch die Übersetzungen in die mir geläufigen Fremdsprachen an. „rinnen“ erscheint in verschiedenen Kombinationen, so etwa entrinnen, verrinnen, ausrinnen, durchrinnen etc jedoch für gerinnen fand ich nur:
für Blut = koagulieren, coagulate, coaguler, coagulare
für Milch = curdle, cailler, cagliare

Mit gewisser Einfühlung kann ich mir jedoch vorstellen, dass Wasser, ehe es vom Sande aufgesogen wird, kurz verhält, sozusagen stockt (ein Synonym für gerinnen!), vergleichbar dem Verhalten des Blutes in den Adern der alten Frau. Also versöhne ich mich wieder mit dem Ungewohnten.

Liebe Grüße. Schwarzbeere

Caty

Beitragvon Caty » 26.07.2008, 05:29

Liebe Schwarzbeere,

Texte sind immer eine Kombination aus Erlebtem und Erdachtem. Bei anderen kann ichs nur vermuten, bei meinen weiß ichs genau. Rein autobiographisch würde ich niemals schreiben, das bleibt Memoiren vorbehalten, aber dort wird bekanntlich am meisten gelogen. Schreiben ist Lügen. Dadurch, dass "gelogen" wird, gelangt man zur Wahrheit. Liest sich paradox, aber genauso funktionierts. Erklärbar dann, wenn man für "Lügen" das Wort "Phantasie" setzt, das wichtigste Handwerkszeug des Schreibenden.

Die verschiedenen Vorsilben geben ja dem Wort eine andere Bedeutung. Verrinnen ist nicht dasselbe wie gerinnen oder gar entrinnen. Wenn ich aber vom Blut rede, ist gerinnen das einzig angezeigte Wort. Schön, dass du dich versöhnen konntest. Was mich aber doch ein bisschen erstaunt, nicht als Vorwurf, sondern als wirkliches Staunen, ist, dass so selbstverständliche Dinge doch immer wieder zu einem Problem werden. Woran das liegt, ich weiß es nicht.

Einen schönen Tag wünsche ich dir.

Liebe Grüße, Caty


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