Helene an der Ostsee

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Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 16.07.2008, 15:41

Die Wellen lecken an Helenes Zehen. Kalt. Siebzehn Grad, schätzt sie. Dafür liegt stechende Schwüle über der Bucht. Eine Armada winziger Fliegen braust über Helene hinweg. Glitzen nennen die Dorfbewohner sie. „Wenn die Glitzen kommen, wird es wettern.“
Helene betrachtet Arme, Ausschnitt, Beine. Überall kleben schwarze Pünktchen. „Ich töte euch.“
Sie rennt ins Wasser, schreit, ihre Poren schnurren zusammen, Helene taucht unter. Ob die durchsichtigen Quallen, die um sie herum schweben, die ertrunkenen Glitzen fressen?
Helene wünscht sich eine große Medusa herbei. Sie könnte sich in ihre Arme schmiegen, richtig fest umarmen lassen. Nachher von ihr verschluckt werden. In ihr wohnen. Altrosa Tüllvorhänge rundum drapieren, ein Bett aus Seetang, dunkelgrün. Das ist schön. Helene taucht nach oben, kriecht auf allen Vieren an den Strand. Wieder bleiben schwärmende Glitzen an ihrer Haut kleben, sie streift sie mit den salzigen Tropfen ab.
„Moin moin“, sagen zwei ältliche Eheleute, die vorbeispazieren.
Helene läuft über den Sand zu ihrem Strandkorb, hüllt sich ins Badetuch. Altrosa. Es donnert. Rollt über die graue See hinaus zum Horizont. Helene singt: „Mann und Frau und Frau und Mann.“ Vor ihr landet ein Möwenpaar.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.07.2008, 14:32

hu, noch mehr helene!

das gefällt mir rundherum! Glitzen und Medusa - dazwischen Helene, ein Lesernicken :-)

(aus dem "dritten" Teil (H. in Paris) dagegen werd ich gar nicht schlau und find ihn auch schwächer/banaler)

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

scarlett

Beitragvon scarlett » 21.07.2008, 08:50

Ein durch und durch sinnlicher Text, der so unaufdringlich daHERkommt und ohne "eindeutige" Worte AUSkommt.

Fabelhaft!

scarlett


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