Tanzschule - Abschlussball

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 07.06.2008, 15:24

Das war das beste Lied.
Sonja tanzte sich aus ihrer Familientragödie.
Ihre Mutter hatte sich ein Lächeln aufgeklebt.
Sie stieß ihren vierten Sekt mit der Luft an.
Ich wiederholte die Schritte der anderen.

If I had a hammer
I'd hammer in the morning
I'd hammer in the evening
All over this land


Seitwärtsschritt, über Kreuz und klatschen!
Rückwärtsschritt, nach vorn und klatschen!
Ich klatschte immer eine Zehntelsekunde zu spät.

Für meine weißen Lederstiefel
war das Parkett zu blank poliert
und ich merke noch wie ich bei den Zeilen:

I'd hammer out danger
I'd hammer out a warning
I'd hammer out love between my brothers and my sisters
All over this land


wie eine Erbsendose auf den Boden fiel.
meine Mutter hat sich totgelacht,
(das erste Sprichwort, das zutrifft).
Sie hat dazwischen nach Luft geschnappt
und mit rotem Gesicht immer wieder gesagt:

Du warst die EINZIGE, die sich hingelegt hat!
Du warst die EINZIGE, die sich hingelegt hat!
Als hätte ich eine große Leistung vollbracht.

Charleens Mutter fand sich hässlich
und murrte: „Mein liebes Kind, du siehst fett aus!“
Charleens Unterschrift schrumpfte über die Jahre,
aber meine wurde immer protziger.

If I had a bell
I'd ring it in the morning
I'd ring it in the evening
All over this land


Alle Eltern hatten einen Hammer in der Hand
und sie meißelten
im ganzen Land.
Zuletzt geändert von Louisa am 06.06.2009, 21:21, insgesamt 3-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.06.2008, 15:25

Liebe Louisa,

das finde ich herrlich skurril - und für sowas eignet sich deine Sprache einfach. Auf der einen Seite irreal, ein bisschen autobiographische details, ein prosaton, der das ganze nicht zu erfunden wirken lässt -- ja, das Gedicht ruft bei mir alle Ängste hervor, die solche Feste hervorrufen können .-). Schön auch, wie Kinder und Eltern sich je gleichen, wie diese Karikaturen von Hundebesitzern und ihren Hunden, die sich immer ähnlicher werden. Die Liedstrophen (an welches Lied lehnt es sich denn an? Ich kenne es nicht?) machen das ganze dann nochmal lyrischer und natürlich absurder - sie sind auch gut aufeinander abgestimmt, so z.B. das Ende mit dem Land und überhaupt der daran erzählten Aussagen.

tot gelacht würde ich zusammen schreiben

und diese zeile könnte etwas rhythmischer?

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Louisa

Beitragvon Louisa » 18.06.2008, 15:30

Huhu!

Danke Moshe, auch für deine etwas inhaltsuntreue Version der ersten Strophe :smile: ... Ich versuche am Rhythmus zu feilen, ja.

Danke auch Lisa! Erfunden :smile: ? Ich lag da auf dem Parkett wie ein fetter Käfer :smile: !

Haha...ja, das stimmt mit den Hunden! Wir haben auch einen Hund und als er noch ein Welpe war, erschien er mir sehr hündisch... Aber mittlerweile hat er auch schon diesen typischen leicht irren Familienblick, geht nachts alleine in den Heizungsraum, versteckt sich dort hinter den Rohren und er vergräbt sein Essen wie ein Eichhörnchen im Garten... und einmal hat er mir stolz ´ne tote Hummel vor die Füße gelegt :eek: ...

*räusper*

Das Lied ist wirklich sehr speziell:

http://www.youtube.com/watch?v=rkxLiyc7 ... re=related

Ja, totgelacht.

Ja, ich überarbeite die Metrik...

Schönen Nachmittag!
l

jondoy
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Beitragvon jondoy » 22.06.2008, 23:29

Hallo ihr beiden, Lou und Isa :smile: ,

es ist gut, das ich diesen Text erst mal weggelegt habe, denn nach einer gewissen Zeit les ich einen Text oft ganz anders,

du wirst dich vielleicht darüber wundern, dass jetzt auf den Inhalt des Textes nicht näher eingegangen wird, beruft scherzhalb er sich auf möglicherweise fehlende Englischkenntnisse,

was ich jetzt - nach Wochen - aus dem Text vor allem rauslese, sind so zwei, drei, von mir als ungemein leicht empfundene Zeilen,
die mindestens zwei, drei Zentimeter über dem texterdigen Inhalt der Geschichte `schweben`, und in meinen Augen auch völlig für sich - getrennt vom restlichen Inhalt der Geschichte - stehen könnten, ohne diese Wirkung zu verlieren..
(Diese Art des Schreibens mag ich, sie kommt mir entgegen; in dieser `Richtung` zu schreiben, schwebt mir oft vor. Zeilen, die leicht sind, und trotzdem Gewicht haben.)

Die Sätze aus dem Text, von denen ich spreche, sind folgende:

"Sonja tanzte sich (in dem Moment) aus ihrer Familientragödie."

"Sie stieß ihr viertes Glas Sekt mit der Luft an."

"Alle Eltern hatten einen Hammer in der Hand und meißelten uns ihre Geschichten ein".

Die aus diesen Sätzen sprechende Leichtigkeit des Moments, die gleichzeitig "geerdet" ist von der Melancholie der ebenfalls darin gedankenversunken dahin schwebenden Selbstironie, p r ä g t in meinen Augen die Geschichte.
Es sind Momente, die auf mich irgendwie wie von der Geschichte weggetreten wirken,
das Lyrische Ich hat in diesem Moment einen inneren Abstand zu sich selbst und zu dem, was gerade real um es herum passiert, es ist diese "verrückt" erscheinende, sich selbst zu augenzwinkernde selbstironische Betrachtungsweise, die in diesem Moment sein Selbstwertgefühl rettet..

Und diese Momente machen den Erzählstil "beschwingt", ohne leicht zu wirken. Die anderen Sätze laufen auf der Erdoberfläche entlang.

Das soll einfach heißen, dass mir die vorstehend zitierten Zeilen ausnehmend gut gefallen!

Gruß,
Stefan

Louisa

Beitragvon Louisa » 23.06.2008, 21:58

und das:

:pinguin:

...soll meine Freude darüber ausdrücken :smile: !

Im Ernst, es freut mich sehr, wenn mir jemand den Eindruck vermittelt meine Intention und Blickwinkel nachzuempfinden. Wenn das niiiieeeemals gelänge, könnte ich ja auch Kühe melken :smile: ...

Dank und Gruß

Bellousa

jondoy
Beiträge: 1662
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 24.06.2008, 00:38

...Louisa, :smile: sieh das Kühe melken nicht als gering an.
Ich hab Respekt davor, die schweren Dinge auf der Welt sind meist die vermeintlich einfachen.

Louisa

Beitragvon Louisa » 24.06.2008, 08:51

Ich habe mal ´ne Kuh gemolken.

Louisa

Beitragvon Louisa » 24.06.2008, 08:54

Meine Patentante hat einen Bauernhof. Die hat ein blindes Huhn, dass man streicheln kann, weil es nicht sieht, dass ich es streichle :smile:

...und die hat Hasen in kleinen Zwingern. Als ich als Kind meinte: "Oh, wie süüüß!!!" hat sie geantwortet: "Daraus machen wir ´nen feinen Braten!"

...und die hat ´ne Kuh :smile: ... und Krebs hat sie jetzt auch noch.

Trixie

Beitragvon Trixie » 26.06.2008, 23:40

Hey lou,

interessante Perspektive, die mich überzeugt hat.
Mein eigener Abschlussball war absolut positiv - ich hab auch noch im Quiz den zweiten Platz gemacht :-), was mich dazu gebracht hat, noch zwei Jahre länger dort zu bleiben. Also, nicht auf dem Ball, aber in der Tanzschule. Und ich war mittlerweile auf ca. 15 Abschlussbällen und mit der Zeit kam mir die Perspektive immer mehr vor wie die, die du hier beschreibst. Ein bisschen ... wie in einem Film, in dem ganze schnelle Musik kommt und einer dasteht und sich wie in Zeitlupe zu drehen scheint. Und die Setzung an sich ist auch wie ein Foxtrott *lach, wie das Lied. Das ist grundsätzlich der Tanz, bei dem die meisten auf der Tanzfläche sich im Weg stehen.
Überzeugend und interessant!

Liebe Grüßlis
Trixie


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