Dich

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 21.06.2008, 22:11

Dich

Am Tage
zerschlug ich Steine

Am Abend
sah ich die Falter

In der Nacht
lag ich auf Kissen

Am Morgen
schaute ich mich um

Gestern nun
erkannte ich dich

Max

Beitragvon Max » 22.06.2008, 18:14

Lieber Moshe,

ein Gedicht, das von der ersten Zeile an auf eine Erkenntnisse hinstrebt, man fragt sich nur, welche.
Was mich etwas stört ist, dass die Zeileninhalte sozusagen stetig abnehmen. Zunächst geht es um "Steine zerschlagen", also echte körperliche Arbeit, dann um das "Sehen" eines Falters, schließlich liegt das lyr. Ich nur noch und in der vierten Strophe sieht es noch nicht einmal mehr, sondern es hält Ausschau. Müsste der Spannungsbogen nicht gerade andersherum verlaufen?

Das Gedicht erinnernt mich dennoch dabei in seiner Einfachheit an einige Texte von Erich Fried.

Liebe Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 22.06.2008, 20:48

Lieber Max!

Du hast mit deiner Analyse schon ganz recht.

Es ist dramaturgisch gesehen nicht der übliche Ablauf.
Den üblichen Ablauf halte ich aber nicht unbedingt immer als Lebensnah.
Manchmal findet man auch, wenn alle Anstrengungen erschöpft sind.

Danke, daß du meine Bemühungen um Einfachheit erkennst.

MlG

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.06.2008, 01:10

Hi Moshe,

wenn dein Gedicht nicht unter Liebeslyrik stünde, würde ich es ganz anders lesen. Das DU wäre das Ich, das sich erkennt. Und in diesen beiden Zeilen

"Am Tage
zerschlug ich Steine"


hätte ich das "Wasser aus den Steinen klopfen" herausgelesen in direktem Kontext zur Erkenntnis des Ichs.
Saludos
Mucki

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.06.2008, 09:17

Moin Moshe.

Ich sehe die Abfolge ähnlich wie Max, von Anstrengung, Nachdenklichkeit, über den Traum und der Wahrnehmung hin zur Erkenntnis (wer immer auch das 'Dich' sein mag). In meinen Augen ist das der 'richtige' Ablauf. Die Zeilen nehmen für mich nicht ab, sondern an Tiefe (Sphäre) zu.

Allerdings sind mir Texte dieser Art ein wenig zu ... sagen wir: dürftig ... weil der Spannungsbogen - falls vorhanden - zu eindeutig zu einem Ergebnis hinführt. Manchmal geht diese Rechnung auf, wenn das Ende ein Überraschendes ist. Hier sehe ich aber leider nur eine Zahlenreihe, wo unterm Strich eine Erkenntnis größer gleich Null herauskommt. Mehr nicht.

'Falter', 'Nacht' usw. transportieren zwar einen tiefere (lyrische?) Bedeutung, aber so richtig stark will mir das nicht scheinen.

Note: befriedigend (-)

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 23.06.2008, 19:25

Liebe Mucki!

Dieses Text habe ich unter Liebeslyrik eingestellt, weil immer nach EINER Lesart gefragt wird.
Man kann das hier so lesen (also als Liebeslyrik), wenn man bestimmte Lebenserfahrungen hat.
Man kann es aber auch anders lesen.
Fühle dich also frei etwas anderes zu sehen.

Lieber Tom!

Danke für deine Benotung.

Welches andere Ende würdest du ggf. Vorschlagen unter Beibehaltung der Form?

Wenn ich dich richtig verstehe, bist doch nicht so recht mit der Dramaturgie einverstanden, oder?

MlG

Moshe

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.06.2008, 20:34

Wenn ich dich richtig verstehe, bist doch nicht so recht mit der Dramaturgie einverstanden, oder?

Ja und nein. In der Logik passt alles. Es ist nur so, dass du nach meinem Gefühl etwas zu sehr in der Spur bleibst; mich stört da vielleicht das Unkantige. Ist aber mehr so ne persönliche Schwäche/Vorliebe :o)

Welches andere Ende würdest du ggf. Vorschlagen unter Beibehaltung der Form?

Ich bin nicht sicher, ob es am Ende liegt. Es bringt mich auf zu geradem Wege ins Finale. Und der Goldpokal, den ich am Ende bekomme, sieht eher aus wie Kupfer. Oder so.
Ich kann das nicht am Text festmachen; nur an der Stimmung.

Wir gucken von zwei verschiedenen Seiten.
Weiß nicht, ob dir mein Gesabbel was nützt. :o)

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 23.06.2008, 21:02

Na gut, ich grübel mal.

Moshe


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