Trennung Minus

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Sam

Beitragvon Sam » 21.06.2008, 16:17

Trennung Minus


Ein Hund geht unterm Nordstern

Und eine Katze nah dem Kreuz des Südens

Folgen dem Schmerzschlagweg der Erde

Der sie herausführt

Aus dem Eis des Unzusammenseins

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 21.06.2008, 19:24

Hallo sam,

die Astronomiekomponente gefällt mir, das Kreuz des Südens das mit seiner Längsachse zum südlichen Himmelspol weist, der Nordstern der den nördlichen Himmelspol markiert.

Die nächsten drei Zeilen finde ich sehr dick aufgetragen, insbesondere dass sie geführt werden und nicht aktiv dabei sind.

Schade, dass der Nordstern nicht dem canis major entspricht :)

Gruß

Sneaky

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 21.06.2008, 22:05

Hallo sam,

normalerweise bin ich leicht zu begeistern für Wortneuschöpfungen, aber der „Schmerzschlagweg“ und das „Eis des Unzusammenseins“ hören sich für mich sehr gesucht und dramatisch an. Ich bekomme aber auch kein klares Bild, in das ich sie einbetten könnte.
Hund und Katze sind sich normalerweise ja Fremd, es hapert am gegenseitigen Verständnis, die Kommunikation läuft schief. Eigentlich wären sie also wohl besser an den beiden Polen aufgehoben, als sich zu begegnen. Was ist nun der Schmerzschlagweg? Schmerzt das Zusammensein, das Getrenntsein, der Weg zueinander oder voneinander weg? Er führt sie heraus aus dem Eis des Unzusammenseins, wenn sie also nicht zusammen sind, sind sie erstarrt, oder sind sie zusammen, aber nicht richtig (körperlich?) sondern kalt und deshalb trennen sie sich nun und gehen in unterschiedliche Richtungen. Ist das ein Liebes/Sehnsuchtsgedicht, oder ein Trennungs/Erlösungsgedicht?
Vielleicht liegt im Titel die Auflösung, aber den verstehe ich auch nicht. Du siehst mich also etwas ratlos. :16:

liebe Grüße smile

Mucki
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Beitragvon Mucki » 22.06.2008, 16:40

Hi Sam,

deine Zeilen erscheinen mir widerspenstig, gegen den Strich gekämmt. Ich vermute fast, dass dies deiner Intention entspricht. Hund und Katze sehe ich hier als zwei Menschen, die ziemlich unterschiedlich sind, in verschiedenen Welten leben (deshalb Nordstern und Kreuz des Südens) und dennoch über große Hürden zusammenfinden wollen. (Schmerzschlagweg). Dieses Wort "Schmerzschlagweg" finde ich jedoch zu gedrechselt. Ein einfacheres Wort wäre hier m.E. besser. Dito mit "Unzusammenseins". Dieses Wort ist in meinen Augen ziemlich unlyrisch. Auch hier würde ich einem einfachen den Vorzug geben.

Beim Titel rätsele ich noch, was er bedeuten könnte. Dieses "Minus" kann viel bedeuten, z.B., dass es sich um eine Trennung mit Abstrichen handelt. Trennung ist ja eigentlich negativ konnotiert. Dies würde "übersetzt" ein doppeltes Minus bedeuten, welches insgesamt ein Plus ergäbe, etc. etc. Auch erschließt sich mir noch nicht, warum der Titel überhaupt so heißt, da es in diesem Gedicht ja nicht um Trennung, sondern um eine Zusammenführung handelt, hm?
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 22.06.2008, 19:15

Lieber Sam,

mir scheint fast, als sei das "Minus" ein Zeichen, das sich nicht auf Trennung, sondern auf "Romantik" bezieht ...
Dein Gedicht ist für mich der Versuch, Liebe und Beieinandersein als das Gegenteil von Trennung, von Alleinsein zu definieren und das mit diesem Vorhaben bewusst scheitert ... vielleicht irre ich mich aber auch komplett ;-).

Liebe Grüße
max

Sam

Beitragvon Sam » 26.06.2008, 18:54

Hallo Ihr Lieben,

verzeiht bitte, dass es wenig gedauert hat. Aber trotzdem herzlichen Dank für eure Kommentare!

@sneaky
Sie werden ja nicht herausgeführt, sondern gehen einen Weg, der herausführt. Ich seh das nicht als passiv, sondern aktiv. Obs zu dick aufgetragen ist? Möglich. Für mich ist es noch knapp darunter.

@smile
Du stellst interessante Fragen, die man als Leser aber glaube ich für sich beantworten muss. Schmerzschlagweg und das Eis des Unzusammenseins erscheinen mir beide passend, es war mir aber sehr bewusst, dass diese Wortschöpfungen auf Widerspruch stoßen würden. Mir erscheinen sie allerdings passend. Ersteres wegen der Nähe zum Herzschlag, zweiteres weil es dem Getrenntsein einen besonderen Ausdruck gibt.
Zum Titel sag ich bei Mucki etwas.

@Mucki
Gegen den Strich gekämt, widerspenstig - ich weiß nicht...mag sein.
Zu den beiden Worten habe ich bei smile etwas geschrieben.
Deine Gedanken zum Titel gehen schon in der Richtung, warum ich ihn gewählt habe. Und du hast Recht, es geht nicht um Trennung, sondern um Zusammenführung. Das heißt, die Trennung verringert sich. Aber man trennt sich auch von seinem Ausgangspunkt.

@Max
Ob das Vorhaben scheitert, wird in dem Gedicht ja nicht gesagt. Aber du hast Recht, dass hier (so hoffe ich) der Wunsch nach dem Zusammensein zum Ausdruck kommen soll, bzw. die Kälte des Nichtzusammenseins.

Nochmals vielen Dank euch allen!

Liebe Grüße

Sam

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 26.06.2008, 19:07

Lieber Sam,

ich bin eine Kombination aus Mucki, Max, Sneaky und Smile: Ich finde, alle nennen wichtige Aspekte. Auch mir sind die beiden Wortzusammensetzungen zu dick aufgetragen - die erschlagen mich sprachlich, bevor eine Wirkung einsetzen kann.
Die Gegensätze in Kombination mit dem Zusammenkommen als minus Trennung finde ich - auch sprachlich - sehr gelungen - den Rest aber wie gesagt eher schwach. Ich glaube dir (gerade gesehen, dass du was gepostet hast, ich habe diesen Kommentar vorhin angefangen :-) ), dass für dich die Wortteile passen (deshalb sind sie dir ja eingefallen), aber auch wenn sie intentional/inhaltlich passen, so entfalten sie doch sprachlich nicht die Wirkung, die du dir vielleicht wünscht, so fürchte zumindest auch ich.

Den Titel verstehe ich in etwa so wie Mucki und Max - ich würde mir nur optisch eine bessere Variante wünschen - so verwirrt es zu lange, es setzt ein Unzufriedenheitsbrummeln ein, bis man es "hat" und sogar dann findet man es nicht rund ausgedrückt, obwohl man meint, ihn zu verstehen.

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 27.06.2008, 08:23

Hi Sam,

wenn ich das so gut ausdrücken könnte, hätte ich wahrscheinlich auch so was wie Lisa geschrieben ... :o)

Mir ist aufgefallen, dass mir der Hintergrund, der zu diesem Text geführt hat, vermutlich bekannt ist, und dass ich deswegen von vornherein immer in diese Richtung lese. Das nimmt mir die Distanz bzw. Unvoreingenommenheit, weswegen ich froh bin, dass Lisa das schon geschrieben hat ... :o)

Warum ich das hier noch reinschreibe, weiß ich auch nicht so genau. Vermutlich wollte ich bloß sagen:
Willkommen zurück!

Tom :o-}
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Trixie

Beitragvon Trixie » 27.06.2008, 09:42

Hallo Sam!

Hmmm, eigentlich ist das für mich eine ganz banale Sache, die du da in sehr "große" Worte packst: Zwei, die jeweils an einem Ort leben, der für sie wahrscheinlich völlig normal war (weil anfangs keine Wertung enthalten ist) und dann, als "das Schicksal"(der Schmerzschlagweg der Erde) sie zusammenführt, wird ihnen eigentlich erst bewusst, dass diese Orte, an denen sie bisher lebten, Einsamkeit=Kälte=Eis=Nord- und Südpol bedeuten.

Allerdings bleibt das Ende offen - man weiß zwar, dass sie einiges überwunden haben, um zusammen zu finden, aber anscheinend gehen sie wieder zurück zum Ort, an dem sie waren? Also irgendwie kein Happy End? Und außerdem - wenn sie so unterschiedlich sind wie Hund und Katze (rein lyrisch gesehen), dann ist es doch ein wenig unwahrscheinlich dass sie ihr ursprüngliches Zuhause als so unpassend für sich selbst empfinden oder? Hmmm...aber manchmal gibt es ja auch diese Überraschungen, bei denen man denkt, dass man gar nicht zusammen passt und am Ende passt es doch. Dann müsste da aber sowas stehen wie "und am Ende flogen sie als Liebesvögel davon" oder sowas ;-).

Nein, also, es ist interessant und ich kann dem auch folgen, aber diese einfache, unfertige Gegebenheit, so schön sie auch sein mag, ist mir zu kompliziert und gewollt lyrisch ausgedrückt. Oder es ist einfach zu privat und persönlich, um es als Außenstehender komplett annehmen zu können ;-). So, wie ein Junge Zahnschmerzen hat und sagt "Mama, ich will ein Eis" und die Mutter sagt nein und er sagt "Ich willlll abaaaaaaaa" und die Mutter sieht die Verzweiflung und Dringlichkeit, aber versteht nicht, warum!

Lieben Gruß
die Trixie

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 28.06.2008, 21:21

Hallo Sam,

Du stellst interessante Fragen, die man als Leser aber glaube ich für sich beantworten muss.

Die Schwierigkeit ist nur, wenn der Text mir dabei nicht hilft. .-) Hättest du nun nicht gerade Hund und Katze genommen, wäre ein Verständnis vielleicht leichter, oder ein anderer Zugang möglich, auch wenn es für dich so treffend ist, passt.

liebe Grüße smile

Niko

Beitragvon Niko » 28.06.2008, 21:45

Ein Hund geht unterm Nordstern

Und eine Katze nah dem Kreuz des Südens

Folgen dem Schmerzschlagweg der Erde

Der sie herausführt

Aus dem Eis des Unzusammenseins

interessante lyrik, sam!
vor allem das eigentlich zu auffällig sperrige schmerzschlagweg, wo ich herzschlagweg lesen will und für mich beide in einem wort sind. der weg des herzens ist ein schmerzlicher.
hund und katze.....gegensätze. vielleicht spielst du auf charaktere an. ein hund ist gefügig, er passt sich dem willen des herrchens an. eine katze macht, was sie will, nicht dressierbar. mit eigenem willen, eigenem kopf, zeigt uns, den menschen auch oft, wie einfach es sein kann das leben zu genießen. da liebeslyrik, lese ich darin eine beziehung hund am nordstern - die (treue?) liebe in eis, die (unzusammensein) keine war. katze nahe dem südkreuz.-wie eine verheißung. ein kreuz ist immer ein ziel (zb. gipfelkreuz, pilgerfahrt) und dieser weg der schmerzen, der herzen, führt aus dem unzusammensein- eis ......wohin ?

lieben gruß: Niko, gerne das gelesen habend

Sam

Beitragvon Sam » 01.07.2008, 23:17

Hallo Ihr Lieben,

bei mir geht es gerade ein wenig drunter und drüber. Und da ich gerne auf alles eingehen möchte, was ihr geschrieben habt, bitte ich ich noch um ein wenig Geduld. Ich melde mich bald wieder.

Liebe Grüße

Sam (über beide Ohren verliebt und im Arbeitssuch-, Wohungssuch- und Sonstwasstress) :-) :herzchen: :mrgreen:

jondoy
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Beitragvon jondoy » 01.07.2008, 23:45

Ja, Sam, das ist (für mich) die Schlußfolgerung aus dem Gedicht *grins* :daumen:


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