weg

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 07.06.2008, 18:18

.

weg

der stahl gibt tageswärme ab
ich spürs durch die espadrilles halt
die balance (baby lass uns die sonne putzen)
schmutzige blumen wachsen ums gleis
ich könnte mich dazu legen oder weiter
ins abendrot mit ausgestreckten armen
gehen bis ans lebensende ~ vergessen




by ELsa
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.06.2008, 02:41

Liebe Elsie,

mir gefällt der Titel gut, da man ihn als Weg und auch als weg im Sinne von fort lesen kann. Du drückst hier schön die Sehnsucht nach alten Zeiten aus (baby lass uns die sonne putzen), in der es zwischen beiden noch Träume gab. Dann die Realität: sie ist nicht mehr schön (schmutzige blumen wachsen ums gleis). Und schließlich der Zwiespalt des LIs, das sich fühlt wie die schmutzigen Blumen und sogar ans Sterben denkt (ich könnte mich dazu legen), nicht mehr vom Du begehrt fühlt, denkt: Soll ich weiter machen und auf Erfüllung warten, vergeblich hoffen (mit ausgestreckten armen) oder vergessen, sprich verdrängen, dass es eben nicht mehr so ist wie früher. Ich finde dein Gedicht wunderbar melancholisch/traurig.

Kleine Anmerkungen:
die "espadrilles" stören m.E. den Lesefluss. Ich würde hier sowas wie Sommerschuhe oder so schreiben.
Das "halt" nach espadrilles ist etwas verwirrend, würde da "halte" schreiben, man könnte es sonst nicht nur als Enjambement lesen, sondern auch als abgeschlossenen Satz: Ich spürs durch die Espadrilles halt. Zumal die erste Zeile auch kein Enjambement enthält.
Dann frage ich mich noch, ob es das "oder" vor "weiter" braucht.
Sehr gern gelesen!
Saludos
Mucki

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 09.06.2008, 08:49

Hallo Elsa!

Ein schönes Stück :-) Zu Muckis Einwänden: "halt" kann nicht so richtig "Halt" meinen, weil ja vorne "spüre es" steht, und das "oder" finde ich schon wichtig?!

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Niko

Beitragvon Niko » 09.06.2008, 11:00

hallo elsa!
ich sehe das "halt" als gewollt gewagten zeilenbruch. zugehöriger zu "halt die balance". aber auch vorweg "halt durch die espadrilles".
gefällt mir grundsätzlich gut, elsa. auf klammern kann ich im moment nicht so. da ist mir zuviel mode dabei. entwickle eine leichte allergie dagegen. aber das ist mein problem. nicht deins.

schmutzige blumen wachsen ums gleis
ich könnte mich dazu legen oder weiter
ins abendrot mit ausgestreckten armen
gehen


das........finde ich saustark!!!

lieben gruß: Niko

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.06.2008, 13:49

Liebe Mucki,

ich freu mich, dass es dir gefällt. Ja, der Titel ist zweifach zu lesen.
Aber von Espradrilles, halt, oder mag ich mich derzeit nicht trennen, auch wenn du Recht hast mit dem fehlenden Enjambement davor. Danke vorerst dafür und die genaue Betrachtung des Vorgangs im Text.

Lieber Ferdi,

Danke schön. Wie ich Mucki schon schrieb, ja, ich brauch das so. Jetzt zumindest.

Lieber Niko,

ich sehe das "halt" als gewollt gewagten zeilenbruch. zugehöriger zu "halt die balance". aber auch vorweg "halt durch die espadrilles".
So ist es gemeint, ja, es gehört zu beiden Sachen.

Zu den Klammern: es ist dieser Satz ein eindeutiger Registersprung, daher setze ich ihn so ab. Ich könnte euch Regenwürmer (wie am Ende oder Sternderln, eckige Klammern nehmen, hm) Aber ich verstehe schon, dass die Klammern *auch* manieriert erscheinen können. Mal sehen.
Für den Rest ->saustark vielen Dank.

Liebe Grüße euch,
ELsa
Schreiben ist atmen

scarlett

Beitragvon scarlett » 10.06.2008, 18:41

Liebe Elsa,

der Weg scheint mir hier eher eine Gratwanderung zu sein ... ;-)
auf dem LI sich befindet.

Die Espadrilles - nötig, ja sehr nötig, zeigen sie doch einerseits wie dünn die Verbindung zum Gleis ist (Wärme ist spürbar), andereseits sind das ja nun nicht gerade die Schuhe, die extremen Halt bieten, d h LI muss sich sicher anstrengen, nicht umzukippen, der Versuchung der "schutzigen blumen" nicht nachzugeben.
Aber was ist die Alternative? Sehnsucht ("ausgestreckte arme") bis zum Sanktnimmerleinstag ...

Die Lösung?

"vergessen" steht da mit dieser Tilde, lose gebunden an das "lebensende".

Vergessen - was? Dass es eine Wahlmöglichkeit gäbe? Die LI aber vom Tisch wischt?
Oder soll die Tilde als "und" gelesen werden? also gehen bis ans Lebensende und vergessen, dass es noch was anderes hätte geben können?
Spannend!

Der sprachliche Registersprung: passt, zu den schmutzigen blumen, zu dem Fremden, dem Anderen, dem Neuen, dem Verlockenden.
Außerdem: ich habe den Ausdruck ein wenig recherchiert, fand einen Udo Lindenberg Text - der darin enthaltene Gedanke Ausbruch - aus dem Gewohnten, sei es auch nur für die Dauer eines Films, fügt sich perfekt in deinen Text Elsa. Gut gemacht.

Ich mag diesen Text sehr!

Liebe Grüße,
Monika

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 10.06.2008, 21:18

Liebe Monika,

ich freu mich sehr über die dichten und feinen Überlegungen zum Text. Superschön.

Ja, was du über genau die Espadrilles schreibst, waren meine Gedanken dazu, ein instabiles Schuhwerk, alles kann man durch spüren, es gibt Zeiten des Lebens, wo es so ist und dennoch weitermachen.

Der Registersprung, ja! Lindenbergs Song, du Detektivin, passt!

Vergessen - was? Dass es eine Wahlmöglichkeit gäbe? Die LI aber vom Tisch wischt?
Oder soll die Tilde als "und" gelesen werden? also gehen bis ans Lebensende und vergessen, dass es noch was anderes hätte geben können?
Ich fand es auch spannend, welche Möglichkeiten da drin stecken. Vergessen, wie ohnmächtig man doch ist als kleiner Mensch, vergessen, dass es _keine_ wahlmöglichkeit diesbezüglich gibt oder vergessen, was vor dem "weg/Weg" war und einfach weitermachen. Die hier könnte ich auch noch beisteuern :-)

Und dass du den Text sehr magst, ist ein zusätzliches Sahnehäubchen, danke dir!

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Max

Beitragvon Max » 10.06.2008, 21:29

Liebe Elsa,

bis auf wenige Kleinigkeiten mag auch ich den Text (obschon ich mich erst in ihm zurecht finden musst, weil mit der Stahl nicht zum Weg zu passen schien).

Der Weg ist eindrücklich beschrieben, das

(baby lass uns die sonne putzen)


bis auf das "baby", was mir arg antiquiert klingt.

Ansonsten kann ich nur noch an dem "vergessen" ein wenig nörgeln, dass genauso vergessen aussieht, wie es klingt ;-) ... für mich müsste das nicht da sein.

Liebe Grüße
Max

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 10.06.2008, 22:42

Lieber Max,

Stahl sind die Schienen.

"baby" könnte ich auch mit "fuzzy" ersetzen, das kommt bei Lindenberg auch vor: Du bist so ein Fuzzy, antwortet sie, nachdem er besagten Satz zu ihr sagte.

Vergessen beinhaltet auch (unter anderem) Vergiss mich! Davon möchte ich mich nur ungern lossagen.

Lieben Dank für Lesen und Worte,
ELsa
Schreiben ist atmen

Max

Beitragvon Max » 11.06.2008, 12:03

"baby" könnte ich auch mit "fuzzy" ersetzen, das kommt bei Lindenberg auch vor:

Vielleicht kommt es mir deshalb so antiquiter vor ;-)

Liebe Grüße
Max

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 11.06.2008, 12:12

Wahrscheinlich, lieber Max.

Antiquierte Grüße,
ELsa
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