Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

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leonie
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Beitragvon leonie » 29.05.2008, 23:11

die bewegungen sind noch
in mir
der handstand, die rollle,
rückwärts sogar

die folge der hüpfer
beim gummitwist "hüfte"
kenne ich in-und auswendig

und meine gedanken
schlagen noch rad
doch die hände, die beine:
sie kommen nicht
hinterher

Max

Beitragvon Max » 30.05.2008, 09:20

Du liebst das Runde
die Kurve
hinter der sich noch schnell verschwinden ließe
die Kreisfahrt
den Zirkelschluss
(und du lachst
wenn ich den Fehler in der Kette nicht finde
)

Du rollst dich ein
Igelchen
zum Schutz
Igelchen
(ich weiß ja
zum Schutz
)
versuchst die Winter zu durchschlafen
(und erschrickst
wenn du zu zeitig erwachst
Igelchen
)

Du rollst
bald hierhin
bald dorthin
mir zu schnell
mich schwindelt

Und wieder lachst du
Vom Schwindeln kriegt man eine lange Nase
sagst du
(und wie ließe sich damit rollen)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 31.05.2008, 20:33

ich weiß ja / zum schutz

bald hier, bald dort,
dass dir all deine möbel verwehn

und kein haus mehr fragen stellt
dich drückt gegen die wände aus wind


(und wie ließe sich das leben,
irgendwo oben, irgendwo dort)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 01.06.2008, 11:38

Hoch in einem alten Turm
Tat ein Weiblein tonlos singen:
Wirbelsturm, ach Wirbelsturm,
wenig weiß von dir der Pöbel!
Sieh, ich zeichne kleine Schwingen,
Klebe sie auf alle Möbel -
Kommst du, sie hinaufzuzwingen,
Flattern Tisch und Stuhl wie Vögel
Fort aus meinem alten Turm,
Sich zum Himmel aufzuschwingen,
Wirbelsturm, ach Wirbelsturm!
Fort von mir und meinem Singen.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 06.06.2008, 13:58

Wären meine Gedanken
melodische Klänge
mein Gesang
zentrierte Kreise
setzte ich
vor jedes Wort
einen Punkt

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 06.06.2008, 14:34

wie lang
den punkt
halten
vor dem wort

immerda

Max

Beitragvon Max » 06.06.2008, 21:45

Sei bescheiden
hatte ihn die Oma gelehrt

Aber auch
Von nichts kommt nichts

So dachte er denn
einen Punkt zu machen

Nicht nichts
ganz bescheiden:

Ein Punkt ist ein Punkt
ist ein Punkt

Punkt

Niko

Beitragvon Niko » 09.06.2008, 11:12




ein punkt bezeichnend
in seiner rundheit ein abschluss
mit vielem schließe ich ab
packe die abschlüsse
zusammen
dann die punkte
und alles bleibt offen



Max

Beitragvon Max » 12.06.2008, 22:23

Durchs offene Fenster
atmet schon die Nacht
Eine Amsel singt
Ich rieche den ersten Tau
auf dem Gras
Mücken tanzen
Ich tanze mit

Das Fenster beschließt meinen Tag

Niko

Beitragvon Niko » 12.06.2008, 23:24

schlüsselerlebnis


dietrich, der bärtige
dreht durch
und schnappt
nach dem vorhang im schloss

na tür lich

... er hat alles im griff
dreht sich rum
und klinkt sich aus

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.06.2008, 02:00

Er hat alles im Griff ...

Sitze im Wagen,
beobachte seine flinken Hände.
Die Frontscheiben blitzen
wie seine weißen Zähne.
Luigi schaut mich an,
während er die Lieder
der gondolieri singt.
Seine Augen lachen nicht.

Max

Beitragvon Max » 13.06.2008, 09:35

Er hieß nicht Luigi
aber ich nannte ihn so
der Bauer in der Toskana
der abends immer
mit einer Weinflasche
auf unsere Terrasse kam

Mein Italienisch ist miserabel
Französisch sprach er nicht

Er lachte knorrig als er meine Frage verstand:
Questa e neige?
Ich deutet auf die weißen Bergkuppen
Neve?
No, Marmo.

Dann tranken wir wieder
Vor dem Haus wogte ein Walnussbaum im Wind

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.06.2008, 23:48

Und irgendwo

Vorm Fenster der Gärtnergehilfe, der
dem Walnussbaum (an falscher Stelle gewachsen)
einen Herzschnitt verpasst, weil ich ihn angerufen habe

Und irgendwo geht die Sonne auf
Und irgendwo geht die Sonne unter


In Ägypten eine im Rollstuhl, hört Käpt’n Blaubär,
sie kann den Kopf nicht wenden, aber heute will sie es auch nicht
ihr Hausarzt sprach von Suizid

Und irgendwo geht die Sonne auf
Und irgendwo geht die Sonne unter


Ein Mann weint, er hat die Seife vergessen
und wenn ich durch die Tür gucke, liegen die Hunde unter Eis

Und...
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 18.06.2008, 22:29

Und als die Sonne aufging
zerplatzte der Schlaf
zerbrach der Traum
und ich schnitt mich
an seinen Scherben

Mit dem Blut
goss ich eine Stunde
und sie erblühte mohnrot

Als sie reif war
kostete ich ihre Sahmen

Und der Schlaf kam zurück


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