Ich wünschte, die Zeiger meiner Zeit wären weiße Eulen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.09.2007, 11:56

Zweite eventuelle Fassung




Ich wünschte, die Zeiger meiner Zeit wären weiße Eulen


In einem meiner Träume, einer Lüge oder Kindheit,
bereitete es mir keine Furcht, dass ich gezähmt bin von der eigenen Welt,
weil sie mich immer erwartet, weil sie immer schon da, am Morgen,
am Mittag, am Abend, zur Nacht

Meine Füße stehen auf einem heißen Stein, der im Eigentlichen winzig ist,
der Schritt darüber hinaus sollte nicht das Leben kosten,
nur ist jener eben das eigene Herz

schu schu

'In einem meiner Träume, einer Lüge oder Kindheit',
ich glaube, mir wird lachen, ich tendiere zum Verfall – –.


schu schu


Weiße Eulen! Lasst euch auf meine Stunden nieder,
will auch meine Schmerzen wecken, meine Wünsche betten in den alten Schnee,
Werd versprechen zu verlernen, was sich das Schwören nennt


schu schu


Weiße Eulen, schaut nicht aus dieser Ferne, in der es euch nicht gibt,
hilft denn das Schluchzen nichts, bloß weil ich es erwähn




(erstes schu schu bzw. seine Position und Fragezeichen und das "bedeutete" statt war noch fraglich)







Erste Fassung

Ich wünschte, die Zeiger meiner Zeit wären weiße Eulen


In einem meiner Träume, einer Lüge oder Kindheit,
war es mir keine Furcht, dass ich gezähmt bin von der eigenen Welt,
weil sie mich immer erwartet, weil sie immer schon da ist, am Morgen,
am Mittag, am Abend, zur Nacht

Meine Füße stehen auf einem heißen Stein, der im Eigentlichen winzig ist,
der Schritt darüber hinaus sollte nicht das Leben kosten,
nur ist er eben das eigene Herz

'In einem meiner Träume, einer Lüge oder Kindheit',
ich glaube, mir wird lachen, ich tendiere zum Verfall --.


schu schu


Weiße Eulen, lasst euch auf meine Stunden nieder,
will auch meine Schmerzen wecken, will meine Wünsche betten in den alten Schnee
(unter diese Linde, deren Krone ihrer Wurzel den Himmel verschweigt,
unter diese Linde, durch deren Graus es lichter wird)


schu schu


Ja, noch vermag ich nicht zu sagen, ich hätte es nicht versucht
Ja, noch vermag ich nicht zu sagen, dass der Versuch nicht zählt

Aber weiße Eulen, weiße Eulen! So lasst euch doch auf meine Stunden nieder,
ich verspreche, einmal werde ich den Wunsch aufbringen, das Schwören zu verlernen


schu schu schu


Weiße Eulen...

schaut nicht so ohne Unterlass aus dieser Ferne, in der es euch nicht gibt,
hilft denn das Schluchzen nichts, nur weil ich es erwähn

(Im Dunkeln schreiben, ja. Im Dunkeln lieben, nein!)
Zuletzt geändert von Lisa am 27.09.2007, 20:26, insgesamt 9-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 27.09.2007, 20:16

Hallo Lisa,

ich darf mal ganz spontan nur meinen Eindruck loswerden :blink2:

Die erste Fassung hat einen Lisaklang, da sind Wort und Gedankenverdrehungen, die vielleicht erst später, oder in einem anderen Zusammenhang, oder in Träumen einen Sinn ergeben. Mein "Verstand" fragt nach, was aber nicht heißt, dass da nicht ein Gefühl dafür entstehen kann. Deine Gedichte wirken...weil sie klingen, anklingen an etwas, das man nicht fassen kann.

Und genau diesen Klang vermisse ich bei Fassung 2. Vielleicht liegt es daran, dass man die erste Fassung gelesen hat und man würde das Fehlen sonst gar nicht bemerken. Aber nun sind da Löcher und die Schuh Schuh höre ich nicht mehr als schluchzendes Rufen, sondern als (entschuldige!) Verspottung, als würden die Eulen "ha, ha" rufen.

liebe Grüße smile

Niko

Beitragvon Niko » 27.09.2007, 20:23

was für eine (lange) antwort!
ich sach ma unüblicherwiese danke für deine ausführungen zu den ausführungen über die ausführung des ausgeführten..ähem......gedicht. jawoll!
daqs musste jetzt aber mal gesagt werden!

prost! Niko

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 27.09.2007, 22:48

Lisa hat geschrieben:Tschiep Pjotr,

schau mal das nur an - ist das kein aber?


Tschirp Lisa,

nicht nur das "im Eigentlichen", sondern auch das Komma und das anschließende "der" wirkt auf mich, als solle ein Bezug zwischen "heiß" und "winzig" hergestellt werden. Das spätere "nur" am Versende hilft mir dabei nicht, den Bezug auf "heiß" zu entwirren. Zudem klingt für meinen Geschmack das "der im" ein klein wenig eckig (vielleicht auch spontan niedergeschrieben und absichtlich so "eckig" gelassen? Auch OK.).

Original:

Meine Füße stehen auf einem heißen Stein, der im Eigentlichen winzig ist,


Vorschläge (ungefähr):

Meine Füße stehen auf einem heißen Stein, im Eigentlichen ist er winzig,

Meine Füße stehen auf einem heißen Stein, er ist winzig,

Meine Füße stehen auf einem winzigen heißen Stein.



Miau

Pjotr



Edit: Nach nochmaligem Lesen beziehe ich das "nur" nicht eimal auf das "winzig", sondern auf die vermeintliche Gefahrlosigkeit des Schrittes. Die Gefahr ist nicht die Winzigkeit, sondern der Umstand, das jener Stein das eigene Herz ist -- egal ob großes oder winziges Herz.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 27.09.2007, 23:09

Liebe Lisa,

ob der text nicht so krank (lyrisch-pathologisch) bleiben sollte, wie er ist.


Ich bin keine Lyrikkoriphäe, also sage ich frank und frei: JA! For me!

Mir fehlt total viel an dem Quälen, dem Tänzeln, dem schu/schau Gebet.

Lieben Gruß
ELsa
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Klara
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Beitragvon Klara » 27.09.2007, 23:16

Hallo Lisa,

danke für deine ausführlichen (fast atemlosen) Rückmeldungen.

Die zweite Fassung schlägt die für mein Lesen "richtige" Richtung ein, ohne schon "fertig" zu sein. Fertig wird sie, ahne ich, noch nicht so bald, aber irgendwann schon.

Mit "fertig" meine ich: fast vollkommen und darum wissend (um das "fast" und um das "vollkommen" gleichermaßen, als textimmanente Bedingung).

Ich bin gespannt und hoffe, von der solcherlei "fertigen" Fassung zu erfahren, auch wenn es damit - wer weiß? - noch Jahre dauern sein sollte. Ja? Man hat das nicht immer im Griff, bwz., more correctly: Das ricntig Gute hat man wohl gar nicht im Griff, nie und nimmer.

Ich wünsch dir was.

Klara

Gast

Beitragvon Gast » 28.09.2007, 02:48

Liebe Lisa,

ich glaube bei diesem Text bin ich keine Hilfe, wenn es darum geht etwaige Änderungsvorschläge zu beurteilen.
Mein Problem ist, dasmir die neue Fassung einfach zu glatt ist.
Ich vermisse, ganz besonders, diese beiden Zeilen und es tröstet mich nicht, dass ich sie für anderes bewahrt weiß.
Ja, noch vermag ich nicht zu sagen, ich hätte es nicht versucht
Ja, noch vermag ich nicht zu sagen, dass der Versuch nicht zählt


Aber ich denke, dass nur ich sie als ein wichtiges Stück im Text ursächlich mit dem Traum/Lüge/Kindheit verbunden betrachte.

Mich freut es, dass dich meine Interpretation "erreicht" hat und ich danke dir, für deine doch so schnelle Rückmeldung.

Nachtgrüße
Gerda

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 28.09.2007, 08:20

Liebe Gerda,

Aber ich denke, dass nur ich sie als ein wichtiges Stück im Text ursächlich mit dem Traum/Lüge/Kindheit verbunden betrachte.
nein, ich auch :blink2:
Ich vermisse den 1. Text. Ganz und gar.

Lieben Gruß
Elsa
Schreiben ist atmen

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annette
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Beitragvon annette » 30.09.2007, 21:58

Liebe Lisa,

sorry, dass ich etwas hinterher klappere, aber ich war auf Kurzurlaub und fast die ganze Zeit ohne Internet.

Zu der neuen Version:
Im ersten Moment dachte ich, dass mir ganz viel daran fehlen würde. Dann habe ich versucht, die erste Fassung völlig zu vergessen und finde den Text mittlerweile ganz rund. Einzig der Schluss hängt mir völlig in der Luft. Die letzte Zeile irritiert mich als Textende sehr.

Zu Deinen Fragen:
- schu schu: Auf die Kürze der neuen Version sind mir drei Mal zuviel. Ich würde das erste streichen (falls der dreifache Ruf nicht besondere Bedeutung hat).
- bereitete: Wenn Du bereitete stehen lässt, würde ich es ins Präsens setzen. So habe ich das Gefühl, dass das Tempus im folgenden Nebensatz nicht stimmt. Außerdem lassen Träume, einer Lüge oder Kindheit genug Distanz entstehen.
- war vs. bereitete: Für mich klingt beides etwas gespreizt. Gefälliger wäre sicherlich so etwas:
"fürchtete ich nicht, von der eigenen Welt gezähmt zu sein"
Da ich aber nicht annehme, dass es Anspruch des Textes ist, gefällig zu sein (*grins*), würde ich war stehen lassen.
- Fragezeichen: Welches Fragezeichen meinst Du? Hab ich was übersehen?

Bis auf den Schluss finde ich den Text so viel besser. Leider kann ich keine Vorschläge für das Ende machen. Ich glaube, was mich insbesondere stört, ist der fragende Ton durch die Inversion. Vielleicht würde es mich schon beruhigen, wenn dort stünde: "doch Schluchzen hilft nichts, bloß weil ich es erwähn"

Aber ich denke, mir fehlt noch das Ende des Bogens, das für mich auf irgendeine Weise in der ersten Fassung im abschließenden Klammersatz beinhaltet war.

Ich bin gespannt, was aus den gestrichenen Passagen wird!

Liebe Grüße - annette

Max

Beitragvon Max » 30.09.2007, 22:06

- Fragezeichen: Welches Fragezeichen meinst Du? Hab ich was übersehen?



Grins Annette,

das kann man nur verstehen, wenn man auch das hier sieht:

insgesamt 9-mal bearbeitet


Da war mal ein Fragezeichen hinter den weißen Eulen ;-9. Den Rest soll mal Lisa erklären ...

Liebe Grüße
max

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Beitragvon annette » 30.09.2007, 22:23

Danke für die Erklärung, Max!
Ich hatte sogar schon die Suchfunktion drüber laufen lassen, um dem rätselhaften Fragezeichen auf die Spur zu kommen. *kicher*

Gruß - annette

Caty

Beitragvon Caty » 17.10.2007, 18:16

Lisa, ich kann mich den lobenden Reden meiner Vorgänger bedauerlicherweise nicht anschließen.
Ich finde, das Gedicht kommt auf Vakuumstelzen daher, schon im Titel (Zeiger der Zeit) stolpert es, und am "heißen Stein, der im Eigentlichen winzig ist" bricht es sich endgültig das Genick. Das ist, wie mein Onkel Bruno immer sagt, gepflegt gebügeltes Hohlsprech. Aber das heißt wohl, (Schneeeulen) nach Athen tragen, dies so deutlich auszusprechen. Wofür ich mich natürlich im voraus gebührend entschuldigen möchte. Ich arbeite noch an Gerdas Eleganzempfehlung, bin noch nicht ganz durch mit der Lektion. Caty

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.10.2007, 23:29

Liebe Caty,

schriebst du nicht irgendwo, dass du in keine Retourkutschen einsteigst? (...). Schade.

Ich kann die grundsätzliche Kritik am Ton/der Leere hier sogar im Ansatz verstehen -- konstruktive Andockstellen vermisse ich aber, weshalb der Text somit in seinem desolaten Zustand verharren muss und so prima zu mir passt ,-)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 18.10.2007, 01:52

Caty hat geschrieben:Ich arbeite noch an Gerdas Eleganzempfehlung, bin noch nicht ganz durch mit der Lektion.


Liebe Caty,

ich glaube du solltest dich beeilen ;-) ... allerdings würde ich mich freuen, wenn du wenigtens sachlich schreiben würdest.

Liebe Grüße
Gerda

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 27.04.2016, 11:10

"(unter diese Linde, deren Krone ihrer Wurzel den Himmel verschweigt..."

Schon diese eine Aussage ist wert, sich Stunden lang darüber zu unterhalten.

Ich las zuerst die ursprüngliche Fassung und fand es großartig. Die zweite Fassung ist nur ein Schatten davon.


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