Oldenburg

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.08.2006, 19:22

Oldenburg

Diese Stadt
in deren Gärten
Bronzefohlen grasen

Schleiereulen schlummern
ihre Krallen in den Wall

Du ahnst das Gewitter
unter ihre Schwingen

Doch über dir
- bloßes Wolkengeflecht

Weit hinter den in Regen stehenden Dobbenwiesen
siehst du die Busse an den Grenzen deiner Kindheit zerschellen

Du bist 15
und rechnest immer noch in Pfennigen

Dein Hab und Gut kennt kein anderes Maß
Und keiner kennt dich

Die Halbwälder
der norddeutschen Tiefebene

wehen Schmerz



*vorher peinlicherweise in statt im (danke an paul für die Grammatiknachhilfe :hut0039: ) edit: 10.9.2006: wieder in "in" geändert nach Diskussion mit carl und scarlett
** zunächst Bronzefohlen äsen (danke scarlett, max und steyk!)
Zuletzt geändert von Lisa am 10.09.2006, 22:24, insgesamt 5-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.08.2006, 18:22

Och, jetzt sind die Pferde weg.

Kurze Zwischenfrage: Gibt es Oldenburger Pferde nicht als stehenden Begriff für eine Sorte von Pferden?

moshe.c

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.08.2006, 18:42

Lieber moshe,
das mit den pferden ist noch icht ganz entschieden :-).

Oldenburger gibt es tatsächlich als eine Rasse - gute Arbeitstiere, gerne zum Springen verwendet. Für mich aber nicht besonders schöne Tiere, da verhältnismaßig starken Ramskopf (keine araberveredlung)....tja nun...soweit konnte ich vielleicht helfen :-)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.08.2006, 18:59

Liebe Lisa,
ich war nie in Oldenburg und weiß von daher auch nicht, ob es dort Rehe gibt, die in der Stadt äsen.

Vom meinem ganzen Gefühl her würden mir die Pferde besser gefallen. Kanns aber auch nicht weiter begründen.

In West-Berlin gab es trotz Mauer Wildschweine. Bin mal mit einem zusammengestoßen. :smile: . Echt!

moshe. c

Max

Beitragvon Max » 15.08.2006, 18:59

Liebe Lisa,

das halte ich für einen ganz starken Text von Dir, weil man auf den ersten Blick nicht sieht, aber dann doch ahnt, wie sehr du daran gearbeitet hast.

Vom layout finde ich die zweite, weiter unten vorgeschlagene Fassung besser als die erste. Dann würde ich es aber vielleicht als Form einer Widmung schreiben, also "Dieser Stadt ..." Was diese Untertitel-artige (tolles Wort) Zeile angeht, so stimme es zwar, dass Pferde nicht äsen, aber aufgrund des persönlichen Bezugs würde ich überlegen, ob ich nicht eher Bronzepferde grasen als Bronzerehe äsen lassen würde.

Die "schlummernden Schleiereulen" finde ich eine tolle Allliteration - noch toller, dass sie bei dem Schlummern auch noch etwas tun können. Auch das geahnte Gewitter passt hervorragend in das gewählte Bild. Schön finde ich auch


Du bist 15
und rechnest immer noch in Pfennigen

Dein Hab und Gut kennt kein anderes Maß
Und keiner kennt dich


weil es eine Unschuld mit wenigen Worten beschreibt und die Pfennnige so schön den Weg ins Gestern bahnen. Gleichzeitig wird mit

Und keiner kennt dich


die Essenz des Gedichtes umrissen. Der Ausklang beschreibt dann sehr schön, wie der Schmerz in eine (an sich unschuldige) Landschaft dringt - das kenne ich von anderen Orten.

Liebe Grüße
max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.08.2006, 19:11

Max, du sagst es.
Mehr als einen _ habe ich nicht.

moshe.c

scarlett

Beitragvon scarlett » 15.08.2006, 21:49

Liebe Lisa,

die Bronzepferde grasen... würde ich auch vorziehen... die Rehe? na ich weiß nicht...

Der unvollständige Eingangssatz stört mich überhaupt nicht - ich lese ihn als allgemeine Einführung, HInführung in die folgende Szenerie... Ich würd e auch die Formatierung so lassen, wie du sie anfangs hattest - wenn du noch ein Wort am Ende als Wiederaufnahme finden würdest, wäre das allerdings genial... "über diese Stadt?" od sowas Ähnliches...

Immer wieder lese ich dein Gedicht - sehr, sehr gerne.

scarlett

Max

Beitragvon Max » 15.08.2006, 21:51

moshe.c hat geschrieben:Max, du sagst es.
Mehr als einen _ habe ich nicht.

moshe.c


Lieber Moshe,

ehrlich gesagt:

a) ich freue mich immer über Deine Zustimmung

b) ich verstehe kein Wort :mrgreen:

c) Danke für den leckeren Kompott und die schöne Musik!!

Liebe Grüße
max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.08.2006, 22:11

Max,
seit wann verstehst du denn kein Wort mehr?
Ich hatte nur unterstrichen deine Worte.
Der Zustand kommt doch hoffentlich nicht vom Kompott.

:smile:

Leila tov

moshe.c

Max

Beitragvon Max » 15.08.2006, 22:34

Lieber moshe,

nun verstehe ich wieder !! Merci .. und auch leila tov (kling schön - also ist tov = viel, gut, ja?)

Liebe Grüße
Max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.08.2006, 22:47

Jaja, aber LEILA ist doch super, oder nicht?

Sage Lisa: neshika ahava, nicht von mir, sondern von dir.

Es ist bestimmt etwas verzauberndes.

moshe

rockandrollhexe

Beitragvon rockandrollhexe » 16.08.2006, 06:53

Liebe Lisa,

ich fühlte mich beim lesen für einen Augenblick in meine Jugend zurück versetzt und dachte sofort an einige Erlebnisse zurück, die sich mir einprägten, als ich 15 war.

Sehr schöner Text - und ich bin auch eher für die grasenden Pferde.

Liebe Grüsse
rockandrollhexe

Gast

Beitragvon Gast » 16.08.2006, 11:13

Max hat geschrieben:Liebe Lisa,

das halte ich für einen ganz starken Text von Dir, weil man auf den ersten Blick nicht sieht, aber dann doch ahnt, wie sehr du daran gearbeitet hast.

max


Lieber Max, das meinst du hoffentlich nicht wirklich.
Das wäre ja schrecklich, wenn nur die Texte gut sind, denen man das Handwerk und die vielen Schweißtropfen anmerkt.
Aber ich denke du meinst es auch nicht so.
Denn ist es nicht gerade "Kunst" dieses den leser nicht spüren zu lassen?
;-)


Liebe Lisa, es ist schon viel gesagt worden zu deinem Gedicht - ich habe ein merkwürdiges Gefühl, weil ich ein völlig anderes Bild von der Oldenburger Landschaft habe.
Es ist das Pathos im Text, was mich eher an griech. Tragödie erinnert und mir - ich sage es sehr bewusst ganz subketiv - nicht zur Landschaft passen will.
Das Merkwürdige ist allerdings, dass je öfter ich das Gedicht lese, je mehr gefällt es mir doch.
Ich glaube, das Zentrieren bekommt diesem Text nicht - oder mir beim Lesen... ;-)
Die linksbündige Setzung spricht eher zu mir.



Lieber Nifl,
das Bild ist toll - du weißt, dass es mir gefällt, aber das ist doch eine Schneeeule und keine Schleiereeule, die da heieinkopiert hast - oder?
So ganz passt es für meinen Geschmack allerdings nicht zum Gedicht.

An euch alle Liebe Grüße
Gerda

aram
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Beitragvon aram » 16.08.2006, 17:36

liebe lisa,

bei manchen deiner texte wie diesem hier geht es mir so, dass ich sie beim ersten lesen als zusammengesetzt empfinde, etwas uneinheitlich, vielleicht ein wenig willkürlich.

beim nochmaligen lesen verändert sich das dann, die atmosphäre des textes wird für mich einheitlicher und dichter.

der text 'lebt' also, verändert sich, konstiuiert sich.

manche bilder sind sehr kühn, dann kommt es darauf an, ob diese 'kühnheit' resonanz findet, inhaltlich erfüllt wird -

hier etwa

Du ahnst das Gewitter
unter ihre Schwingen

hier ist mein abstand derzeit noch da, ich kann das bild inhaltlich nicht so stimmig füllen, dass es sich bestätigen würde.
die tendenz geht jedoch dahin, es mit der zeit stimmiger zu erleben -

das irritierte mich anfangs (bei anderen texten), ich fragte mich, was da nun dahinter sei - versuchte kritisch zu sein.
im ergebnis denke ich nun eher an ein resonanzphänomen, weniger an 'objektives'.

z.b. die zeile "- bloßes Wolkengeflecht" gefiel mir anfangs nicht, "wolkengeflecht" fand ich fragwürdig. doch die frage hat sozusagen ein echo, und -übertrieben gesagt- irgendwann muss die zeile so da stehen, gehört einfach so.

sorry für diese doofe art kritik, ich kann es nicht besser sagen.

ein punkt in dem ich wenigstens fähig bin kritik zu üben .-) ist der bogen von stadt zu innenwelt.

durch die erste strophe ist die stadt, in verbindung mit dem titel, stark akzentuiert - es geht um sie, um das wofür sie steht - doch gegen ende löst sich das auf, die stadt ist nicht mehr da - war da ein hinausgehen in die tiefebene nach "keiner kennt dich"? ein eintreten in den schmerz - und die stadt ist weg, obwohl sie noch rundum ist, siehe strophe 1?

tja, jetzt geht mir mein 'ansatz' auch da 'verloren' - wenn ich also in diesen text reingehe, macht er was mit mir, und am ende kommt da schon sehr viel rüber für mich.
zugleich kann ich das nicht mehr völlig isolieren; es geschieht mir an diesem gedicht, aber ich verbinde es bereits mit einer speziellen welt, die ich mit dir verbinde - mich würde wirklich interessieren ob das anders wäre, wenn der text von einem andern autor käme - der punkt ist aber, das geht gar nicht, ich würde ihn vermutlich trotzdem erkennen, in verbindung bringen.

... ok, nochmal von vorn (ist ja alles 'live' .-), take 3 oder so:

der name "oldenburg" ist für mich wenig attraktiv, transportiert zunächst unbehagen.
dem wird gleich in der ersten strophe ein anderes bild entgegengesetzt,
das etwas von begrenzter weite vermittelt, und friedlich ist.

Schleiereulen schlummern
ihre Krallen in den Wall

ist schon sehr schön.
der 'wall' bestätigt mir das bild des begrenzten / beschützten feiraums der ersten strophe - zugleich fehlt irgendwas, hat da keinen raum (als teil des transportierten meine ich, nicht am text)

wenn ich lese, passt diese abfolge; wenn ich von außen gucke, stehen mir die schleiereulen zu nahe an den bronzefohlen. (da es bronzen sind, was das gefühl ja versteht, wohl kein konflikt mit den echten eulen.)

jetzt kommt diese ahnungsstrophe, über die ich mir noch nicht sicher bin. scheint aber zu stimmen, denn der blick ins unbefriedigende wolkengeflecht, und dann...

hm, ich halte diese analyse nicht durch - ab jetzt ist das gedicht eindeutig 'saugut' für mich, also von "weit hinter" bis "keiner kennt dich".

keine fragen, kann aber auch nichts sagen dazu.

und dann gehts raus aus der stadt.


ich schick das mal so ab (- kommt halt vor!) -

liebe grüße,
aram

aram
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Beitragvon aram » 17.08.2006, 03:00

ps.

und dann gehts raus aus der stadt.


ich meinte das - ist wohl nicht zu lesen, sorry - keineswegs abwertend, sondern im gegenteil sehr berührt.


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