Wie weit muss ich dich werfen

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 01.04.2010, 19:54



Wie weit muss ich dich werfen

wirf keine Fragen in mein Gefängnis
sie fallen fruchtlos zu Boden
wirf keine Würfel durch die Streben
ihre Augen werden niemals zählen

Antworten gehen und gehen
fliegen wie Fliegen aus dem Kreis
wie weit muss ich dich werfen
wie weit

dreh dich endlich um
zu dir
geh



1. Fassung
Wie weit muss ich dich werfen

wirf keine Fragen in mein Gefängnis
sie fliegen fruchtlos zu Boden
wirf keinen Würfel durch die Streben
zehn werden die Augen niemals zeigen

Antworten gehen und gehen
fliegen wie Fliegen aus dem Kreis
wie weit muss ich dich werfen
wie weit geht dein Glaube

lös endlich den Anker
wirf die Leine fort
flieh aus meiner Nacht
richte den Blick zu dir

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 03.04.2010, 10:31

Liebe Mucki,

Noch schnell, ehe ich in den Osterhasenwald fahre ;-)

Ich mag den Inhalt der Befreiung sehr, und den Titel finde ich ganz toll!

Schade finde ich aber, dass "werfen" auch noch IM Text vorkommt, das schmälert die Kraft
des Titels. Außerdem spricht im Titel (für mich) das LI "wie weit muss ich ...", und in Str. 1 habe ich den EIndruck,
das LI sagt dem DU, es soll nimmer werfen? Oder verstehe ich da was falsch?

Lieben Gruß
ELsie
Schreiben ist atmen

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 03.04.2010, 10:40

Hallo Mucki,

hilf mir mal eben auf die Sprünge: Was sollte ich mir hier unter einer Strebe vorstellen?!

(Ansonsten verstehe ich schon, wohin Flora mit ihrer Version des letzten Abschnitts will; nur passt das vom Aufbau her nicht so recht zum davorigen?!)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.04.2010, 10:55

Liebe Elsie,

in diesem Text wird quasi von beiden "geworfen". Das LI will das DU endlich dazu bringen, das LI loszulassen und fragt sich, wie weit es das DU werfen muss, also wie heftig es noch das DU von sich wegdrängen soll, da das DU immer noch "Fragen" und "Würfel" in das "Gefängnis" des LIs wirft, also eben nicht loslässt. Ist es jetzt verständlicher?

Lieber Ferdi,

"Strebe" steht hier anstelle von Stangen oder Gitter (vom Gefängnis).
ferdi hat geschrieben:(Ansonsten verstehe ich schon, wohin Flora mit ihrer Version des letzten Abschnitts will; nur passt das vom Aufbau her nicht so recht zum davorigen?!)

Du meinst, weil die Zeilen sich verkürzen?
Ich brauche hier kein festes Schema. Auf den Inhalt kommt es an und der ist, dank den Vorschlägen von Flora, so sehr viel intensiver, finde ich.

Saludos
Mucki

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 03.04.2010, 11:07

Hallo nochmal!

Ja, das hatte ich vom Text her vermutet, das mit Strebe ~ Gitter; aber es passt nicht wirklich?! Eine Strebe ist ja eine Stütze, noch dazu (erst mal) etwas schräges; und "durch" Streben werfen finde ich dann auch seltsam...

Und nein, ich meinte eigentlich weniger die Verkürzung, sondern mehr, dass die Bildlichkeit plötzlich so stark abnimmt.

Nebenbei, ist "dreht" Absicht? Floras Vorschlag war ja "dreh"... (Nur so als Nachfrage ;-))

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.04.2010, 11:27

Hallo Ferdi,

das "dreht" habe ich korrigiert, danke.
Streben sind bautechnisch korrekt gesehen, schräg, ja. Aber es sind Balken und dieses Gefängnis ist ja kein reales Gefängnis. Insofern geht das für mich in Ordnung. Vielleicht passen sogar die schrägen Streben gerade ganz gut. Wer kann schon sagen, wie so ein "innerliches Gefängnis" aussieht?
ferdi hat geschrieben:Und nein, ich meinte eigentlich weniger die Verkürzung, sondern mehr, dass die Bildlichkeit plötzlich so stark abnimmt.

In der letzten Strophe kam dieser Anker und die Leine, also Bilder eines Schiffes hinein.
Und mir leuchtete ein, dass dieses Bild eigentlich nicht zum "Gefängnis" passt.
Noch etwas: Niko schrieb etwas von "Zeigefingerlyrik". Da wurde mir klar, dass man dieses
"richte den Blick zu dir" falsch verstehen könnte, nämlich als Zeigefinger, nach dem Motto, das DU solle mal auf sich selbst blicken im moralischen Sinne. Es soll jedoch genau das Gegenteil hier ausgedrückt werden. Das DU soll auf sich selbst achten, an sich selbst denken.
So, jetzt hab ich aber genug erklärt (eh schon viel zu viel).

Saludos
Mucki

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.04.2010, 13:47

Hallo Ferdi,

Und nein, ich meinte eigentlich weniger die Verkürzung, sondern mehr, dass die Bildlichkeit plötzlich so stark abnimmt.
Für mich geht das sehr gut mit der inhaltlichen Entwicklung zusammen.

Hallo Mucki,

mit dem "werfen" geht es mir noch immer ein wenig wie Elsa, andererseits sehe ich darin nun auch den Aspekt, dass man sich genseitig etwas "vorwirft".

Zu den Streben... mmmh, ich glaube ich habe Stäbe gesehen, aber zugleich "das Streben", also dieses zielgerichtete "Wollen" mitgelesen.
Jetzt sehe ich das Schräge natürlich auch... aber ich glaube das passt für mich fast noch besser, als die Stäbe... vielleicht auch, weil es mich an deine Aussichtenreihe erinnert?

Freut mich natürlich sehr, dass etwas für dich dabei war. :-) Ich entdecke darin immer mehr, das gefällt mir!

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 03.04.2010, 14:09

Liebe Mucki,

ja, mnatrülich dachte ich mir, dass Du die Dinge, die Du schreibst mit Absicht schreibst ;-).

Ich finde, dass das Gedicht gut reift.
Liebe Grüße
Max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.04.2010, 15:04

Hi Flora und Max,

ja, für mich ist das Gedicht so sehr stimmig und so bleibt es jetzt. .-)))

Saludos
Mucki
P.S. Witzig, dass du die Aussichten-Reihe ansprichst, Flora. Aber du hast Recht, das passt!

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 03.04.2010, 16:07

Liebe Mucki,

Ok, ich verstehe, es ist ein gegenseitiges Werfen/Vorwerfen etc.

Liebe Grüße
ELsie
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