Ein Liebesbrief

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Niko

Beitragvon Niko » 09.01.2007, 12:39

Geliebte

So vieles habe ich dir zu sagen und habe es nie getan. Sovieles blieb unausgesprochen, unbesprochen, ungetan. Seit sovielen Jahren meistern wir beide gemeinsam das Leben, haben wunderbaren Kindern das Leben geschenkt und sie waren die Erfüllung unseres Daseins geworden. Warum bedarf es immer erst eines ungewöhnlichen Ereignisses, um sich öffnen zu können? Warum nur lebt man sein alltägliches Leben und vergisst, sich die Zeit für die wirklich wichtigen Dinge dieses Lebens zu nehmen?
Jetzt, wo das Ende nahe ist, dein Ende, unser Ende, ist es uns gelungen, über alle Dinge, die uns bewegen, zu reden. Über unsere Sorgen, Gedanken, unsere Verletztheiten, über Dinge, die wir uns nie getraut haben , jemals anzusprechen. Unsere Liebe hat das geschafft, und es tut gut. Wir haben es verstanden, die Krankheit, ja selbst eine solch todbringende Krankheit wie die deine ein Stück weit bei aller Grausamkeit und Bedrückung auch als ein Geschenk zu begreifen. Denn endlich spüren wir, was es heißt, leben zu dürfen. Wir sehen jetzt wieder die Schönheit der Natur, wir schöpfen den Tag aus und in unserem Bewusstsein wächst eine neue Verbundenheit der Herzen. Eine neue Dimension dessen, was man Liebe nennt. Ich habe mich in all den Jahren dir nie so nahe gefühlt wie ich es jetzt tue. Oftmals frage ich mich, warum wir erst so spät diese Intensität erleben können. Aber dann wiederum bin ich voller Dankbarkeit, diese Erfahrung überhaupt machen zu dürfen. Ich werde dich lieben. Bis zu deinem letzen Atemzug und weit darüber hinaus. Du wirst immer in mir sein und ein Teil , nein....der wichtigste Teil in meinem Herzen sein. In meinen Gedanken werde ich immer mit dir zusammen sein. Wir werden gemeinsam durch die Wälder schlendern, dem Gesang der Vögel lauschen. Gemeinsam werden wir bei den Kindern sein und uns daran erfreuen, wie sie sich entwickeln. Mit dir zusammen werde ich aufstehen und mit dir zusammen ins Bett gehen. So wie immer. Nie wirst du wirklich weg sein.
Ich weine über dein und unser Schicksal. Es gelingt mir nicht oft, so stark zu sein, wie du es bist. Mit welcher Kraft du dieses alles erträgst! Du schaffst es zu leben, als gäbe es diese Krankheit nicht. Es scheint mir manchmal, als würdest du sie einfach ignorieren. Dein Lachen, deine Güte und dein Lebenswille sind ungebrochen und alle Verzweiflung scheinst du verbannt zu haben. Nur manchmal, wenn du glaubst ich merke es nicht, lässt du deinen Tränen und deinem Schmerz freien Lauf. Und ich verzweifle, weil ich dir all das nicht nehmen kann. Nicht die Tränen und nicht die Schmerzen. Alles, was ich tuen kann ist, dir beizustehen, deine zärtliche Hand zu halten und dich an mich zu drücken. Aber wirklich tuen kann ich nichts. Niemand kann das. Darum weine ich.
Ich kann nicht mehr viel schreiben. Der Schmerz ist zu groß.
Ich möchte dir danken. Danken für die wundervollen Jahre, die ich an deiner Seite verbringen durfte. Ich danke dir für deine aufopfernde Liebe und für alles, was du mir und den Kindern gutes getan hast.
Ich küsse und umarme dich in inniger Liebe und ewiger Verbundenheit der Herzen.
Ich hätte mir so sehr gewünscht, du hättest diesen Brief noch lesen können....
Zuletzt geändert von Niko am 07.07.2011, 10:56, insgesamt 4-mal geändert.

Hoedur

Beitragvon Hoedur » 09.01.2007, 14:14

Servus Niko,

traurig.
Ich hoffe, daß Du solch einen Brief nie schreiben musst.
Jetzt, wo das Ende nahe ist, dein Ende, unser Ende, ist es uns gelungen...

Hier stolpere ich ein wenig.
Der Rahmen spricht ja schon von zu spät und nicht gelesen, ...
also ist das Ende nicht nahe sondern schon erreicht?
Oder ... der Brief wurde begonnen und immer weiter geschrieben ... zu spät abgegeben.
Das ginge auch ... hmm.


Liebe Grüße
Hoedur

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 09.01.2007, 17:25

Lieber Niko,

ja, sehr traurig und bewegend. Mir geht es wie Hoedur: Ich wünsche Dir (und eigentlich allen Menschen), dass Du nie einen solchen Brief schreiben musst.

Mir fällt es aus zwei Gründen schwer, dazu etwas zu schreiben: Zum einen wegen des Inhalts, da kommt es mir so unangemessen vor, etwas zum Schreibstil zu sagen. Zum anderen wegen der Form des Briefs: Gelten da dieselben Grundsätze als in z.B. erzählenden Texten? Möchtest Du die an diese Form angelegt bekommen?
Dann könnte ich einiges dazu sagen, aber ich hätte dazu gern ein Okay von Dir.

Liebe Grüße

leonie

Niko

Beitragvon Niko » 09.01.2007, 17:54

ich kann wirklich nicht sagen, was eine form text das hier ist, leonie. dazu kenn ich mich mit prosa viel zu wenig aus. aber ein okay kriegst du immer! ;-)

der letztere fall ist auf grund des letzten satzes doch schon gegeben, oder etwa nicht, hoedur?

ich wünsche auch keinem eine solche situation!

lieben gruß: Niko

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 09.01.2007, 18:49

Lieber Niko,

ich habe mal versucht, ein paar Anregungen zu geben. Dasn mit den Substantiven habe ich aber nicht über den gesamten Text durchgeführt, es sollte nur ein Beispiel sein. Ich hoffe, das ist okay so.
Was ich an dem Text ganz stark finde ist, wie er zeigt, dass selbst in solch einer Situation sich Gutes und Wertvolles verbirgt und der Briefschreiber das auch für sich entdeckt.

Liebe Grüße

leonie


So vieles habe ich dir zu sagen und habe es nie getan. So( )vieles blieb unausgesprochen, unbesprochen, ungetan. Seit so vielen Jahren meistern wir beide gemeinsam das Leben, haben wunderbaren Kindern das Leben geschenkt und sie waren die Erfüllung unseres Daseins geworden (sind geworden). Warum bedarf es immer erst eines ungewöhnlichen Ereignisses, um sich öffnen zu können? Warum nur lebt man sein alltägliches Leben und vergisst, sich die Zeit für die wirklich wichtigen Dinge dieses Lebens zu nehmen?
Jetzt, wo das Ende nahe ist, dein Ende, unser Ende, ist es uns gelungen, über alle Dinge (zu reden, dann steht nah beieinander, was zusammengehört), die uns bewegen, zu reden. Über unsere Sorgen, Gedanken, unsere Verletztheiten, über Dinge, die wir uns nie getraut haben , jemals anzusprechen. Unsere Liebe hat das geschafft, und es tut gut. Wir haben es verstanden, die Krankheit, ja selbst eine solch todbringende Krankheit wie die deine (ein Stück weit: bitte ganz aus dem Wortschatz streichen!)) bei aller Grausamkeit und Bedrückung auch als ein Geschenk zu begreifen.(Wir haben es verstanden, selbst eine so todbringende Krankheit wie Deine es ist, als Geschenk zu begreifen, obwohl sie so grausam ist und uns bedrückt, bei Prosa sind Verben und Adjektive statt Substantive das, was es anschaulich und lebendig macht) Denn endlich spüren wir, was es heißt, leben zu dürfen. Wir sehen jetzt wieder die Schönheit der Natur (wie schön die Natur ist oder sogar Beispiele: wie der Schnee glitzert, etc.), wir schöpfen den Tag aus und in unserem Bewusstsein wächst eine neue Verbundenheit der Herzen (unsere Herzen verbinden sich neu, usw.). Eine neue Dimension dessen, was man Liebe nennt. Ich habe mich in all den Jahren dir nie so nahe gefühlt wie (ich es) jetzt (tue). Oftmals frage ich mich, warum wir erst so spät diese Intensität erleben können. Aber dann wiederum bin ich voller Dankbarkeit, diese Erfahrung überhaupt machen zu dürfen. Ich werde dich lieben. Bis zu deinem letzen Atemzug und weit darüber hinaus. Du wirst immer in mir sein und ein Teil , nein....der wichtigste Teil in meinem Herzen sein. In meinen Gedanken werde ich immer mit dir zusammen sein. Wir werden gemeinsam durch die Wälder schlendern, dem Gesang der Vögel lauschen. Gemeinsam werden wir bei den Kindern sein und uns daran erfreuen, wie sie sich entwickeln. Mit dir zusammen werde ich aufstehen und mit dir zusammen ins Bett gehen. So wie immer. Nie wirst du wirklich weg sein.
Ich weine über dein und unser Schicksal. Es gelingt mir nicht oft, so stark zu sein, wie du es bist. Mit welcher Kraft du dieses alles erträgst! Du schaffst es zu leben, als gäbe es diese Krankheit nicht. Es scheint mir manchmal, als würdest du sie einfach ignorieren. Dein Lachen, deine Güte und dein Lebenswille sind ungebrochen und alle Verzweiflung scheinst du verbannt zu haben. Nur manchmal, wenn du glaubst ich merke es nicht, lässt du deinen Tränen und deinem Schmerz freien Lauf. Und ich verzweifle, weil ich dir all das nicht nehmen kann. Nicht die Tränen und nicht die Schmerzen. Alles, was ich tu(e)n kann ist, dir beizustehen, deine zärtliche Hand zu halten und dich an mich zu drücken. Aber wirklich tuen kann ich nichts. Niemand kann das. Darum weine ich.
Ich kann nicht mehr viel schreiben. Der Schmerz ist zu groß.
Ich möchte dir danken. Danken für die wundervollen Jahre, die ich an deiner Seite verbringen durfte. Ich danke dir für deine aufopfernde Liebe und für alles, was du mir und den Kindern gutes getan hast.
Ich küsse und umarme dich in inniger Liebe und ewiger Verbundenheit der Herzen.


Ich hätte mir so sehr gewünscht, du hättest diesen Brief noch lesen können....

Nifl
Beiträge: 3884
Registriert: 28.07.2006
Geschlecht:

Beitragvon Nifl » 09.01.2007, 19:01

Hi NJ.

Für mich ist das heftigster Kitsch. Eine Phrase jagt die nächste … und es wird kein Klischeenäpfchen ausgelassen. Ein Appell an die niedersten Instinkte.
Vielleicht hast du ja damals Peter Puppes Briefroman gelesen … da ging es mir ähnlich.

Außerdem hinkt für mich die innere Logik.
Du schreibst wie toll das miteinander Reden durch die Krankheit geworden war:
Jetzt, wo das Ende nahe ist, dein Ende, unser Ende, ist es uns gelungen, über alle Dinge, die uns bewegen, zu reden.

aber ganz am Anfang:
So vieles habe ich dir zu sagen und habe es nie getan. Sovieles blieb unausgesprochen, unbesprochen, ungetan.

Und wozu dann überhaupt der Brief, wenn man doch über alles reden konnte?
Warum gab er ihr den Brief nicht?

Ein paar Kleinigkeiten:
Sovieles blieb unausgesprochen,

so vieles auseinander

Ich werde dich lieben. Bis zu deinem letzen Atemzug und weit darüber hinaus.

Das finde ich komisch in zwei Sätzen, ließ mich stolpern. Er liebt sie ja schon.

Alles, was ich tuen kann ist,

tun


LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 09.01.2007, 19:18

lieber nifl!

bei allem respekt und auch beim verständniss für deinen blickwinkel empfinde ich deinen tonfall doch als etwas unangemessen.

du magst ihn als pilcherartig empfinden. aber kannst du dir vorstellen, wenn man eine gewisse lebensreife hat, dass man so schreiben kann? ich empfinde ihn als abgeklärt. der text spielt sich auf einer ebene ab, die man vielleicht nur nachvollziehen kann, wenn man so oder ähnlich erlebt hat. da sind nämlich nicht mehr die alltäglichen dinge wichtig. da gehts ans eingemachte. ans ICH. und da verbittet sich jeder schlacks. zudem - ich weiß nicht wie jung / alt du bist, hat jede generation ein anderes wortgefühl, ist mit einem anderen wortschatz großgeworden und äußert sich dementsprechend anders. auch das "ich werde dich lieben" hat nichts mit komik zu tun. sondern mit viel gefühl. und einem versprechen. dein kommentar zeigt auch, nifl, dass du manche dinge nicht nachvollziehen kannst / magst. es ist kein widerspruch, wenn man viel miteinander redet, dass doch nch soviel zu sagen wäre. gerade im hinblick auf den schlussatz.

lieben gruß: Niko

leonie:

dank dir für deine überarbeitung des textes. du hast in sozusagen allen fällen aus meiner sicht recht. ich werds ändern. nifl hat ja auch ein paar textstellen diesbezüglich gezeigt. danke euch dafür!

lieben gruß: Niko

Nifl
Beiträge: 3884
Registriert: 28.07.2006
Geschlecht:

Beitragvon Nifl » 09.01.2007, 19:32

bei allem respekt und auch beim verständniss für deinen blickwinkel empfinde ich deinen tonfall doch als etwas unangemessen.

Findest du Deutlichkeit unangemessen? Oder was meinst du? Und wo genau? Würde mich echt interessieren.
(zur Information für die anderen: Ich hatte NJ schon mal an anderer Stelle gefragt, ob der Brief authentisch ist…mit klar verneinter Antwort)
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Niko

Beitragvon Niko » 09.01.2007, 21:27

lieber nifl!

es spielt keine rolle, ob ein text authentisch ist oder nicht. wie ich bereits andernortes schrieb: ein bischen was von einem selbst ist immer in einem text. ich denke, damit ist deine frage diesbezüglich beantwortet. andere brauchst du da nicht bemühen. ok?

noch einmal für dich deutlicher gemacht, nifl:

ich habe nichts gegen deutlichkeit, diese habe ich hier gottlob oft genug erfahren. denn nur diese hilft weiter, was das textliche angeht. was ich unangemessen finde ist dein tonfall. ich kann dir gerne die textstelle auseinanderdröseln:

zitat: "Appell an die niedersten Instinkte." eine unterstellende mutmaßung die ich für, wie ich bereits schrieb "unangemessen" halte. ebenso:
"Vielleicht hast du ja damals Peter Puppes Briefroman gelesen … da ging es mir ähnlich." das hat für mich einen unschönen beiton. ungeachtet dessen, dass ich diesen "briefroman" nicht kenne. ich kann jetzt viel schreiben über das, was "zwischen den zeilen" steht. ist a) nicht belegbar und b) würdest du es wegen a) direkt abstreiten. von daher belassen wir es.
vielleicht würde es jedem von uns anstehen, mit etwas mehr respekt texten und autoren gegenüber entgegenzutreten.deutlich...- ja! unbedingt. aber auch mit respekt!

damit möchte ich das aber hier wirklich gut sein lassen.

lieben gruß: Niko

pandora

Beitragvon pandora » 09.01.2007, 21:58

lieber niko,

es ist schwierig, etwas zu dem brief zu sagen, weil man natürlich fürchtet, dass der briefschreiber (vielleicht auch nur teilweise) mit dem autoren identisch ist oder biografische berührungspunkte bestehen. wenn so viel leid und schmerz im spiel sind, schrecke ich zumindest zurück und zögere mit einer reaktion, weil ich niemanden verletzen will. ( wenn jemand zum beispiel den tod einer nahestehenden person in einem text verarbeitet, werde ich mich immer zurückhalten, weil ich weiß, dass man im moment der trauer und des verlustes "anders" ist und schreibt (ja, vielleicht auch kitschig!) als später mit zeitabstand und im rückblick. ich weiß, dass therapeuten angehörigen oft empfehlen, sich mit einem brief vom verstorbenen zu verabschieden.)
ich denke, texte dieser art, die also ganz unmittelbar aus einem trauma heraus entstehen, haben durchaus ihre berechtigung und erfüllen eine wichtige funktion. ob sie allerdings auch literarisch "wertvoll" sind (und hierbei bedenke ich, dass auch ich einige solcher texte geschrieben habe!), wage auch ich in vielen fällen zu bezweifeln.
letztendlich sind das sehr persönliche texte. wenn menschen ähnliches erlebt haben, werden sie nachfühlen können oder sich an den eigenen verlust erinnern. mitleid empfinden.
andere werden den gefühlsausbruch für übertrieben halten. man muss all diese reaktionen einkalkulieren.
auf der reinen textebene stimme ich nifl zu. der text enthält widersprüche. wenn ich ihn lese, habe ICH den eindruck, dass in ihm zwei komponenten "zusammengeschrieben" worden sind. zum einen reflektiert der erzähler eine trennung. die beendigung eines lebensabschnittes. zum anderen ist da die alles überschattende krankheit der frau.

lg
p.

Klara
Beiträge: 4508
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 09.01.2007, 22:21

Hallo,
Tonfall hin Tonfall her - inhaltlich stimme ich Nifl voll zu. Pandora äußert Ähnliches, nur diplomatischer (aber nicht weniger deutlich!) Und was die Deutlichkeit betrifft, war ich fast erleichtert/erfreut/erfrischt, dass da mal ein Kommentar so beginnt "Für mich ist das Kitsch". Betonung auf "für mich".
Finde ich völlig in Ordnung (und auch ich war schon des öfteren "Opfer" von dieser nifeligen Deutlichkeit, nicht wahr... ) :neutral:

Ich glaube, das von Pandora angedeutete Zurückschrecken vor Reaktionen auf solche Texte könnte man vermeiden mit Hilfe meines zweifachen Statement aus dem Thread "Wir Autoren über uns" (oder so ähnlich) - konsequent angewendet: Texte, die rein persönlich sind, hätten in einem Literaturforum nichts zu suchen, empfände ich sogar als Belästigung, ähnlich, wie wenn mir im Büro ein Kollege ungebeten etwas von seinen Schwierigkeiten beim Stuhlgang erzählt.

Niko hatte den obigen Text (ich glaube, auch in dem Autorenthread) angekündigt als nicht-authentisch! Als Beispiel dafür, dass von der textlichen Betroffenheit NICHT Rückschlüsse auf den Autoren gezogen werden sollten, wie er es schon erlebt hatte.

Ich nehme an, dass der Brief nicht wegen des Themas schief geht, sondern wegen der Umsetzung. Es ist zu wenig konkret. Es wird zu wenig gezeigt. Ich muss sofort, als Leser, in die Zwangsjacke mit den ganz großen Gefühlen des Erzählers. Dagegen wehre ich mich, als Leser, weil ich selber fühlen können möchte - nicht aus Mitleid, sondern aus Mit-Gefühl.

Nur zwei Beispiele:

Seit so vielen Jahren meistern wir beide gemeinsam das Leben, haben wunderbaren Kindern das Leben geschenkt und sie waren die Erfüllung unseres Daseins geworden.

Warum nicht konkret:
Seit so vielen Jahren stehen wir morgens gemeinsam auf, ich bringe dir Tee ans Bett, du knisterst mit der Zeitung. Dann frühstücken wir, unterhalten uns über Peter, warum er immer noch nicht die richtige Frau gefunden hat, und über Luise, die jetzt fast ihre Doktorarbeit fertig hat. Wir sind so stolz auf die beiden, müssen darüber keine großen Worte machen, ich sehe es in deinen Augen und du in meinen.

Wir sehen jetzt wieder die Schönheit der Natur, wir schöpfen den Tag aus und in unserem Bewusstsein wächst eine neue Verbundenheit der Herzen.

"Schönheit der Natur" - was ist das für den Erzähler? Für das Paar? Was bedeutet es? Was muss ich SEHEN (dürfen) als Leser? Wie die Tulpen abends ihre Köpfe zusammenziehen und wie sie morgens von den Vögeln geweckt werden? Wie der Regen auf den frisch gemähten Rasen nieder geht? Wie die Enten am Teich drunten schnatternd ihr Futter sich neiden?
Und wie schöpfen sie den Tag aus? Was TUN sie? Gehen sie gemeinsam in den Zoo, schauen sie eine Fernseh-Dokumentation, leisten sich ein Wellness-Bad? Lesen sich gegenseitig vor?

Ich hoffe - und das meine ich ernst! -, dass mein Tonfall angemessen (also nicht respektlos war), denn das liegt nicht in meiner Absicht, und dass ich mich sachlich verständlich machen konnte.

Lieber Gruß
Klara

aram
Beiträge: 4475
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 09.01.2007, 22:57

lieber niko,

Ich muss sofort, als Leser, in die Zwangsjacke mit den ganz großen Gefühlen des Erzählers.

klara spricht mir (auch mit allem anderen) aus dem herzen...

abendgrüße
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Gast

Beitragvon Gast » 09.01.2007, 23:06

Lieber Niko,

ich habe lange gezögert den Text überhaupt zu lesen, denn für mich war eigentlich schon nach dem Ausrufezeichen hinter "Geliebte", Schluss.
Gut, man kann sagen: altmodisch, aber auf mich wirkt es so wie es dort hinter dem Wort "Geliebte" steht, als befehle, der Schreibende.

Ich las dann doch und mir war gar nicht wohl dabei, und das hat nichts damit zu tun, dass ich an persönliche Betroffenheit des Autors hätte denken müssen.
Ich werde von einener Schmalzwoge in die nächste gezogen, und für mich klingt alles so wenig echt.
Nun wirst du über die Liebe aber Bescheid wissen, jedenfalls denke ich es.
Versteh das nicht falsch, man muss so etwas nicht erlebt haben um darüber schreiben zu können. Aber dein Stil lässt mich, die Leserin nicht mitfühlen oder mitleiden, ich fühle mich nur unbehaglich ob des triefenden Selbstmitleids, welches der Brief transportiert.
Am folgenden Satz kann ich die fehlende "Echtheit der Sprache" gut erkennen:
Niko hat geschrieben:Wir sehen jetzt wieder die Schönheit der Natur, wir schöpfen den Tag aus und in unserem Bewusstsein wächst eine neue Verbundenheit der Herzen.

Wessen Herzen sind denn hier gemeint? Völlig unpersönlich steht da: Verbundenheit der Herzen, genau wie im vorletzten Satz auch. Da merkt man sehr , dass der Autor weit davon entfernt ist, im eigenen Text wirklich drin zu sein, finde ich.
Leider bin ich nicht in der Lage, dir da auch nur annähernd eztwas Ermutigendes zu schreiben, wie du diesen schwierigen Text so schreiben kannst, dass im Leser etwas "Echtes", vielleicht Mitgefühl und Verständnis ausgelöst wird.
Vielleicht haben die aber da schon andere Kommentaren etwas zu gesagt.

Liebe Grüße
Gerda

Niko

Beitragvon Niko » 09.01.2007, 23:13

okie......

löschen würde ja gegen die regeln verstoßen. also lass ich ihn liegen, den text. ich will hier niemandem eine zwangsjacke aufbinden oder unwohle gefühle auslösen.

ich hoffe, ihr seid damit einverstanden!

lieben gruß: Niko, der einsieht, dass man eigene empfindungswelten nicht immer vermitteln kann.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste